Entscheidungsdatum
27.12.2021Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
W145 2246081-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX KG, BKNR XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich, vom 06.07.2021, Zl. XXXX idF der Beschwerdevorentscheidung vom 13.08.2021, Zl. XXXX betreffend die Vorschreibung eines Beitragszuschlages in Höhe von EUR 1.800,00 gemäß § 113 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 06.07.2021, GZ XXXX , hat die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde), über die XXXX KG, XXXX , BKNR XXXX , (im Folgenden: Beschwerdeführerin) einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.800,00 verhängt.
Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen einer am 17.05.2021 erfolgten Betretung durch die Finanzpolizei XXXX an der Adresse der Beschwerdeführerin festgestellt worden sei, dass für XXXX , VSNR XXXX XXXX , VSNR XXXX , und XXXX , VSNR XXXX , eine Anmeldung zur Pflichtversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.
2. Mit Schriftsatz vom 29.07.2021 erhob die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass die Beschwerdeführerin die ihr vorgeworfene Tat nicht bestreite. Am Betretungstag sei ein Pizzakoch ausgefallen und XXXX , der unbeschränkt haftende Gesellschafter der Beschwerdeführerin, habe seine Eltern XXXX und XXXX angerufen und habe diese gebeten einzuspringen, da er selbst nicht habe nach Wien fahren können. Außerdem habe er noch einen Freund des krankgemeldeten Pizzakochs, XXXX , gefragt, ob er ihm aushelfen könne. Geplant sei gewesen, diese drei Personen vorübergehend geringfügig anzumelden, was auch am Nachmittag gemacht worden sei. XXXX habe aus einer Notlage heraus gehandelt und bisher sämtliche Dienstnehmer immer rechtszeitig angemeldet. Die Beschwerdeführerin ersuche daher die Teilbeträge für die gesonderte Bearbeitung und den Prüfeinsatz entfallen zu lasen und den Bescheid aufzuheben, in eventu die Teilbeträge herabzusetzen.
3. Mit Bescheid vom 13.08.2021 hat die belangte Behörde gemäß § 14 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung entlassen und die Beschwerde der Beschwerdeführerin abgewiesen und führte im Wesentlichen aus, dass es nach der Rechtsprechung unerheblich sei, ob auf Seiten des Verpflichteten ein Verschulden vorliege- es komme bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages lediglich auf die objektive Tatsache der nicht oder zu spät erfolgten Meldung sozialversicherungsrechtlich relevanter Umstände an. Bei der Nichtanmeldung von mehreren Dienstnehmern könne im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht von unbedeutenden Folgen gesprochen werden.
4. Mit Schriftsatz vom 30.08.2021 stellte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag.
5. Mit Schreiben vom 03.09.2021 legte die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor und stellte den Antrag die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Im Zuge einer Kontrolle durch die Finanzpolizei XXXX am 17.05.2021 gegen 11:29 Uhr in dem Lokal „ XXXX “ in XXXX , der Beschwerdeführerin, BKNR XXXX , wurden XXXX , VSNR XXXX XXXX , VSNR XXXX und XXXX , VSNR XXXX , arbeitend angetroffen, ohne als Dienstnehmer zur Sozialversicherung angemeldet gewesen zu sein.
XXXX war am 17.05.2021 als Pizzakoch für die Beschwerdeführerin tätig und nahm seine Tätigkeit um 10 Uhr auf. Entgelt wurde keines vereinbart.
XXXX war am 17.05.2021 für die Bestellannahme und Lieferung des Lokals der Beschwerdeführerin tätig und nahm seine Tätigkeit um 10 Uhr aus. Über ein Entgelt wurde nicht gesprochen.
XXXX war am 17.05.2021 für die Bestellannahme und Service in dem Lokal der Beschwerdeführerin tätig und nahm ihre Tätigkeit ebenfalls um 10 Uhr aus. Als Entgelt waren 30,00 Euro vereinbart.
Die Beschwerdeführerin bestreitet die Dienstnehmereigenschaft von den drei betretenen Personen und deren unterlassene Anmeldung zur Sozialversicherung zum Zeitpunkt der Betretung nicht.
Es handelt sich um den ersten Meldeverstoß der Beschwerdeführerin. Die Anmeldung zur Sozialversicherung der drei betretenen Personen wurde am Nachmittag des 17.05.2021 per ELDA an die belangte Behörde nachgeholt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die Feststellung zu der durchgeführten Kontrolle durch die Finanzpolizei ergibt sich vor allem aus dem Strafantrag des Amtes der Betrugsbekämpfung der Finanzpolizei XXXX vom 26.05.2021.
2.3. Die Feststellungen zu der Aufnahme der Tätigkeit, der Tätigkeit selbst sowie zu dem Entgelt ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Personenblätter, die jeweils von den betretenen Dienstnehmern ausgefüllt wurden.
2.4. Das Tätigwerden der drei Betretenen am Betretungstag für die Beschwerdeführerin wird von dieser nicht bestritten (siehe Beschwerde vom 29.07.2021: „Die XXXX KG bestreitet die ihr vorgeworfene Tag nicht.“ „Der Beschuldigte gibt daher die Tat zu und bereut diese zutiefst.“)
2.5. Zudem ist auszuführen, dass es für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar ist, dass für einen ausgefallenen Pizzakoch drei Personen „einspringen“ mussten. Die Beschwerdeführerin gibt in der Beschwerde an, dass der Pizzakoch ausgefallen sei und der Geschäftsführer XXXX aus diesem Grund seine Eltern XXXX angerufen habe, damit diese aushelfen, da er selbst verhindert gewesen ist. Zudem wurde XXXX , ein Freund des ausgefallenen Koches, angerufen, der ebenfalls ausgeholfen hat. Nun stellt sich für das Gericht die Frage, ob der erkrankte Pizzakoch, an diesem Tag all diese Aufgaben allein übernommen hätte. Zudem eine Person für das Kochen, eine Person für die Bestellannahme und Service und eine weitere Person zur Auslieferung und Bestellannahme als Ersatz geholt wurden. Es erscheint eher unglaubwürdig, dass diese Personen tatsächlich nur am Betretungstag tätig gewesen sind.
2.6. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und schriftlichen Stellungnahmen der Parteien als angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller Appl. 55.853/00).
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von der Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VwGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist). Vorliegend ist der Sachverhalt vollkommen unstrittig. Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs.1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die Österreichische Gesundheitskasse.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichen dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Die Beschwerdevorentscheidung tritt mangels gesetzlicher Regelung nicht außer Kraft, sondern wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Dünser, ZUV 2013/1, 17; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 15 VwGVG, K 2; Hauer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rz. 178; jeweils unter Hinweis auf den diesbezüglich ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 5). Gemäß zweiter Satz des § 15 Abs. 1 hat ein Vorlageantrag, der von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3) und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3).
3.4. § 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
„§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
3.5. Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstnehmer im Sinne des ASBG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstgeber in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist.
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder
2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder
3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.
Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Falle des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [Abgabenbehörde des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben] aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten wird. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 400, -- je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf EUR 600, --.
Gemäß § 113 Abs. 3 ASVG kann bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf bis zu EUR 300, -- herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
Im Beschwerdefall betreffend die Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ist als Vorfrage zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin daher verpflichtet gewesen wäre, diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden.
Verfahrensgegenständlich wird die Tat als unstrittig festgestellt angesehen. XXXX und XXXX wurden als Dienstnehmer bei Koch-, Service- und Bestellannahmetätigkeiten im Lokal der Beschwerdeführerin arbeitend angetroffen und waren zu diesem Zeitpunkt nicht zur Sozialversicherung angemeldet.
Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Materialien (EBRV BlgNR 23. GP 77) ist Zweck der Beitragszuschläge, den wegen der Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwand in der Verwaltung („Bearbeitungskosten“) auszugleichen, sohin einen Kostenbeitrag demjenigen vorzuschreiben, der diese Kosten auch verursacht hat („Verursacherprinzip“) und damit als Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten (vgl. VwGH 07.08.2002, 99/08/0074).
Zufolge der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 10.07.2013, 2013/08/0117) ist die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nicht als Verwaltungsstrafe zu werten, sondern als eine wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung, ist die Frage des subjektiven Verschuldens am Meldeverstoß gleichgültig aus welchen Gründen. Die Frage des subjektiven Verschuldens ist aus diesem Grunde auch nicht näher zu untersuchen.
Die belangte Behörde hat daher den Beitragszuschlag zu Recht vorgeschrieben, die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin hat es unterlassen, die betretenen Dienstnehmer vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung anzumelden. Er hat daher gegen die ihm obliegenden sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten verstoßen und den Tatbestand des § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG erfüllt. Somit ist der vorgeschriebene Beitragszuschlag dem Grunde nach berechtigt.
Der in einem solchen Fall für die gesonderte Bearbeitung gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG vorzuschreibende Teilbetrag von EUR 400,-- je nicht angemeldeter Person und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz von EUR 600,--, somit insgesamt EUR 1.800,--, wurde daher von der belangten Behörde zu Recht eingefordert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei den in § 113 Abs. 2 ASVG vorgesehenen Teilbeträgen von EUR 600,-- für den Prüfeinsatz und EUR 400,-- je Arbeitnehmer aus denen sich der Beitragszuschlag zusammensetzt, um Pauschalen, die nur im (vom Gesetz vorgesehenen) bestimmten Fällen reduziert werden können (VwGH 13.05.2009, 2008/08/0249).
So kann der Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf EUR 300,-- reduziert werden und der Teilbetrag je Arbeitnehmer entfallen, sofern es sich um eine erstmalige verspätet Anmeldung handelt und unbedeutende Folgen vorliegen. Solche unbedeutenden Folgen können nach der Judikatur insbesondere vorliegen, sofern nicht mehr als zwei Dienstnehmer nicht angemeldet worden sind und der Dienstgeber die entsprechenden Anmeldungen unverzüglich nachholt (VwGH 07.09.2011, 2008/08/0218) – sich also ergibt, dass Schwarzarbeit nicht intendiert war (VwGH 18.11.2009, 2008/08/0246).
Wie von der belangten Behörde richtigerweise ausgeführt, handelt es sich um den erstmaligen Meldeverstoß der Beschwerdeführerin und wurden die betretenen Dienstnehmer am selben Tag zur Sozialversicherung angemeldet, allerdings müssen die oben genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Da mehr als zwei Dienstnehmer nicht angemeldet wurden, kann nicht von unbedeutenden Folgen im Sinne der Rechtsprechung gesprochen werden.
Die Vorschreibung des gegenständlichen Beitragszuschlages erfolgte demnach auch der Höhe nach zu Recht.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.6. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an derartiger Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Schlagworte
Beitragszuschlag Dienstnehmereigenschaft Meldeverstoß Sozialversicherung VersicherungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W145.2246081.1.00Im RIS seit
27.01.2022Zuletzt aktualisiert am
27.01.2022