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19/20 AmtssitzabkommenNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Regelung des Amtssitzabkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation betreffend die Befreiung der IAEO von innerstaatlicher Jurisdiktion wegen zu engen AnfechtungsumfangesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140a iVm Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge
"ArtVIII Abschnitt 19 und ArtXV Abschnitt 38 lita) des Amtssitzabkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation BGBl Nr82/1958 sowie ArtXV der Statuten der Internationalen Atomenergiebehörde vom 26.10.1956, BGBl Nr 216/1957 [als verfassungswidrig aufheben]".
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation, BGBl 82/1958, idF BGBl 413/1971 (im Folgenden: Amtssitzabkommen) lauten (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"ARTIKEL II
Amtssitzbereich
Abschnitt 2
[…]
Abschnitt 3
Die Regierung gewährt der IAEO und die IAEO nimmt von der Regierung die Befugnis entgegen, einen Amtssitzbereich, wie er jeweils in zwischen der Regierung und der IAEO abzuschließenden Zusatzabkommen näher umschrieben wird, zu beziehen und ständig zu benützen.
Abschnitt 4–6
[…]
ARTIKEL III
Exterritorialität des Amtssitzbereiches
Abschnitt 7
a) Die Regierung anerkennt die Exterritorialität des Amtssitzbereiches, der nach den Bestimmungen dieses Abkommens der Aufsicht und Verfügungsgewalt der IAEO unterworfen ist.
b) Soweit in diesem Abkommen nicht anders vorgesehen und vorbehaltlich allfälliger gemäß Abschnitt 8 erlassener Vorschriften, gelten innerhalb des Amtssitzbereiches die Gesetze der Republik Österreich.
c) Soweit in diesem Abkommen nicht anders vorgesehen, sind die innerhalb des Amtssitzbereiches gesetzten Handlungen und vorgenommenen Rechtsgeschäfte der Jurisdiktion der Gerichte oder sonst zuständigen Organe der Republik Österreich auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen unterworfen.
Abschnitt 8
a) Die IAEO ist befugt, für den Amtssitzbereich geltende Vorschriften zu erlassen, um darin alle für die vollständige Wahrnehmung ihrer Funktionen notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Gesetze der Republik Österreich, welche mit einer von der IAEO im Rahmen dieses Abschnittes erlassenen Vorschrift unvereinbar sind, sind in dem Ausmaß, in dem eine solche Unvereinbarkeit gegeben ist, für den Amtssitzbereich nicht anwendbar. Jede Meinungsverschiedenheit zwischen der Republik Österreich und der IAEO darüber, ob eine Vorschrift der IAEO als im Rahmen des vorliegenden Abschnittes erlassen erscheint oder ob ein Gesetz der Republik Österreich mit einer im Rahmen dieses Abschnittes erlassenen Vorschrift der IAEO unvereinbar ist, ist unverzüglich nach dem in Abschnitt 51 vorgesehenen Verfahren beizulegen. Bis zu einer solchen Beilegung bleibt die Vorschrift der IAEO in Geltung und das Gesetz der Republik Österreich ist in dem Ausmaß für den Amtssitzbereich nicht anwendbar, als von der IAEO seine Unvereinbarkeit mit der Vorschrift der IAEO behauptet wird.
b) Die IAEO wird die Regierung erforderlichenfalls von Zeit zu Zeit über die von ihr gemäß Unterabschnitt a) erlassenen Vorschriften unterrichten.
c) Dieser Abschnitt steht der angemessenen Anwendung der Feuerschutz- bzw Gesundheitsvorschriften der zuständigen österreichischen Behörden nicht entgegen.
Abschnitt 9
a) Der Amtssitzbereich ist unverletzlich. Kein Funktionär oder Beamter der Republik Österreich noch irgendeine in der Republik Österreich Hoheitsrechte ausübende Person darf den Amtssitzbereich betreten, um dort dienstliche Weisungen auszuführen, außer mit Zustimmung des Generaldirektors und unter den von ihm festgelegten Bedingungen. Gerichtliche Vollzugshandlungen, einschließlich der Beschlagnahme privaten Eigentums, dürfen im Amtssitzbereich nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Generaldirektors und unter den von ihm festgelegten Bedingungen stattfinden.
b) Die IAEO wird, unbeschadet der Bestimmungen des Artikels XI, verhindern, daß der Amtssitzbereich Personen als Zuflucht dient, die sich der Verhaftung auf Grund eines Gesetzes der Republik Österreich entziehen wollen, die die Regierung an ein anderes Land ausliefern will oder die gerichtlichen Vollzughandlungen zu entgehen versuchen.
ARTIKEL IV
Schutz des Amtssitzbereiches
Abschnitt 10
a) Die zuständigen österreichischen Behörden werden entsprechend Vorsorge treffen, um zu gewährleisten, daß die Ruhe im Amtssitzbereich nicht durch Personen oder Personengruppen gestört wird, die ihn ohne Erlaubnis zu betreten versuchen oder in der unmittelbaren Umgebung des Amtssitzbereiches Unruhe stiften; sie wird ferner an den Grenzen des Amtssitzbereiches den zu diesem Zweck erforderlichen Polizeischutz beistellen.
b) Wenn dies vom Generaldirektor gewünscht wird, so werden die zuständigen österreichischen Behörden eine ausreichende Zahl von Polizisten zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Amtssitzbereich beistellen.
Abschnitt 11
Die zuständigen österreichischen Behörden werden entsprechende Vorkehrungen treffen, um zu gewährleisten, daß die mit dem Amtssitzbereich verbundenen Annehmlichkeiten nicht beeinträchtigt werden und die Aufgaben, denen der Amtssitzbereich dient, nicht durch die Verwendung der Grundstücke oder der Gebäude in der Umgebung desselben erschwert werden. Die IAEO wird ihrerseits entsprechende Vorkehrungen treffen, um zu gewährleisten, daß die mit den Grundstücken in der Umgebung des Amtssitzbereiches verbundenen Annehmlichkeiten nicht durch die Verwendung des Geländes oder der Gebäude des Amtssitzbereiches beeinträchtigt werden.
ARTIKEL V
Öffentliche Leistungen im Amtssitzbereich
Abschnitt 12
a) Die zuständigen österreichischen Behörden werden in dem vom Generaldirektor erbetenen Ausmaß ihre Befugnisse dahingehend geltend machen, daß für den Amtssitzbereich die notwendigen öffentlichen Einrichtungen und Leistungen einschließlich Elektrizität, Wasser, Kanalisierung, Gas, Post, Telephon, Telegraph, örtliche Verkehrsmittel, Entwässerungen, Müllabfuhr, Feuerschutz und Schneeabfuhr von öffentlichen Fahrbahnen, ohne daß jedoch dieser Aufzählung einschränkende Wirkung zukommen soll, zu angemessenen Bedingungen beigestellt werden.
b) Im Falle einer Unterbrechung oder drohenden Unterbrechung solcher Leistungen werden die zuständigen österreichischen Behörden dem Bedarf der IAEO gleiche Bedeutung zumessen wie dem der wichtigsten Regierungsämter und dementsprechende Maßnahmen treffen, um zu gewährleisten, daß die Arbeit der IAEO keine Beeinträchtigung erfährt.
c) Der Generaldirektor wird über Ersuchen die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um den gehörig bevollmächtigten Vertretern der zuständigen öffentlichen Einrichtungen zu ermöglichen, die Anlagen, Leitungen, Netze und Kanalanlagen im Amtssitzbereich zu überprüfen, instandzusetzen, instandzuhalten, wiederherzustellen oder zu verlegen, und zwar in einer Weise, daß dadurch die Durchführung der Aufgaben der IAEO nicht über Gebühr gestört wird.
d) Soweit die Gas-, Strom-, Wasser- oder Wärmezufuhr von den zuständigen österreichischen Behörden bewerkstelligt wird oder die bezüglichen Tarife unter deren Kontrolle stehen, ist die IAEO zu Tarifen zu beliefern, die nicht höher sein dürfen als die niedrigsten, vergleichbaren, der österreichischen staatlichen Verwaltung eingeräumten Sätze.
ARTIKEL VI
Nachrichtenverkehr und Transportmittel
Abschnitt 13
Soweit dies mit internationalen Verträgen, Regelungen und Übereinkommen, die für die Regierung verbindlich sind, vereinbar ist, genießt die IAEO für ihren amtlichen Nachrichtenverkehr keine weniger vorteilhafte Behandlung, als sie von der Regierung irgendeiner anderen Organisation oder Regierung einschließlich deren diplomatischen Vertretungsbehörden hinsichtlich der Priorität und Gebührensätze für Postsendungen, Telegramme auf dem Draht- und Funkweg und Bildtelegramme, Fernsehen, Telephon und andere Arten der Nachrichtenübermittlung sowie in bezug auf Pressetarife für Mitteilungen an Presse und Rundfunk gewährt werden.
Abschnitt 14
[…]
Abschnitt 15
a) Die amtlichen Mitteilungen, die an die IAEO oder einen ihrer Angestellten im Amtssitzbereich gerichtet sind, sowie die von der IAEO abgehenden amtlichen Mitteilungen, auf welchem Wege und in welcher Form immer sie übermittelt werden, unterliegen keiner Zensur und dürfen auch sonst nicht abgefangen oder in ihrem vertraulichen Charakter verletzt werden. Diese Immunität erstreckt sich – ohne daß jedoch dieser Aufzählung einschränkende Wirkung zukommen soll – auf Veröffentlichungen, photographische Aufnahmen, Filmaufnahmen, Filme und Tonaufnahmen.
b) Die IAEO ist befugt, Codes zu benützen und ihre Briefe und sonstigen amtlichen Mitteilungen durch Kuriere oder versiegelt abzusenden und zu empfangen; auf diese finden dieselben Privilegien und Immunitäten Anwendung wie auf diplomatische Kuriere und Sendungen.
ARTIKEL VII
Rechtspersönlichkeit, Versammlungsfreiheit und Veröffentlichungsfreiheit
Abschnitt 16
Die Regierung anerkennt die Rechtspersönlichkeit der IAEO und im besonderen ihre Fähigkeit:
a) Verträge zu schließen;
b) bewegliches und unbewegliches Eigentum zu erwerben und darüber zu verfügen; und
c) gerichtliche Verfahren anhängig zu machen.
Abschnitt 17–18
[…]
ARTIKEL VIII
Eigentum der IAEO und Steuerfreiheit
Abschnitt 19
Die IAEO und ihr Eigentum, wo immer es liegt und in wessen Händen es sich befindet, ist von jeglicher Jurisdiktion befreit, es sei denn, daß die IAEO in einem besonderen Fall ausdrücklich auf ihre Immunität verzichtet hat. Es besteht jedoch Einverständnis, daß der Verzicht sich nicht auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erstrecken kann.
Abschnitt 20
Das Eigentum der IAEO, wo immer es liegt und in wessen Händen es sich befindet, ist vor jeder Durchsuchung, Requisition, Beschlagnahme, Enteignung oder sonstigen Form von Zwangsmaßnahmen der Vollzugs-, Verwaltungs-, Gerichts- oder gesetzgebenden Behörden geschützt.
Abschnitt 21
Die Archive der IAEO sind unverletzlich, wo immer sie sich befinden.
Abschnitt 22
[…]
ARTIKEL XV
Angestellte der IAEO
Abschnitt 38
Angestellte der IAEO genießen in und gegenüber der Republik Österreich folgende Privilegien und Immunitäten:
a) Befreiung von jeglicher Jurisdiktion in bezug auf die von ihnen in Ausübung ihrer amtlichen Funktionen gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen und in bezug auf alle von ihnen in Ausübung ihrer amtlichen Funktionen gesetzten Handlungen, wobei diese Befreiung auch dann weiterbesteht, wenn die betreffenden Personen nicht mehr Angestellte der IAEO sind;
b)–j) […].
Abschnitt 39–41
[…]
ARTIKEL XVIII
Allgemeine Bestimmungen
Abschnitt 46–47
[…]
Abschnitt 48
a) Der Generaldirektor trifft alle Vorkehrungen dafür, daß mit den im Rahmen dieses Abkommens gewährten Privilegien oder Immunitäten kein Mißbrauch getrieben wird, und erläßt zu diesem Zweck mit Genehmigung des Gouverneursrates die für notwendig und zweckmäßig erachteten Richtlinien und Vorschriften für die Angestellten der IAEO und die anderen dafür in Betracht kommenden Personen.
b) Falls die Regierung der Ansicht ist, daß mit den im Rahmen dieses Abkommens gewährten Privilegien oder Immunitäten Mißbrauch getrieben wurde, wird der Generaldirektor über Ersuchen mit den zuständigen österreichischen Behörden Rücksprache pflegen, um festzustellen, ob ein solcher Mißbrauch vorliegt. Führen derartige Rücksprachen zu keinem für die Regierung und den Generaldirektor befriedigenden Ergebnis, dann wird die Angelegenheit gemäß dem in Abschnitt 51 festgelegten Verfahren entschieden.
c) Angestellten der IAEO, die österreichische Staatsbürger oder Staatenlose mit Wohnsitz in der Republik Österreich sind, werden die Privilegien und Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die im Rahmen dieses Abkommens gewährt werden, so weit eingeräumt, als sie den von der Regierung anerkannten Regeln des Völkerrechtes entsprechen, jedoch mit der Maßgabe, daß die Abschnitte 25 und 26 sowie die Unterabschnitte 38 a), 38 d) und 38 g) auf jeden Fall auf sie anzuwenden sind. […]
d) […]
ARTIKEL XIX
Zusatzabkommen und Beilegung von Meinungsverschiedenheiten
Abschnitt 49
a) Die Regierung und die IAEO können nach Bedarf erforderliche Zusatzabkommen schließen.
b) Tritt für die Republik Österreich ein Vertrag in Kraft, durch den der IAEO Privilegien und Immunitäten eingeräumt werden, sind ein solcher Vertrag und dieses Abkommen, sofern und insoweit sie sich auf den gleichen Gegenstand beziehen, in allen Fällen, in denen es möglich ist, als einander ergänzend anzusehen. Im Fall von Widersprüchen sind jedoch die Bestimmungen dieses Abkommens maßgebend.
c) Sofern und insoweit die Regierung mit einer zwischenstaatlichen Organisation ein Abkommen trifft, das Bestimmungen und Bedingungen enthält, die für die betreffende Organisation günstiger sind als die entsprechenden Bestimmungen und Bedingungen dieses Abkommens, dann dehnt die Regierung diese günstigeren Bestimmungen und Bedingungen mittels eines Zusatzabkommens auch auf die IAEO aus.
Abschnitt 50
Die IAEO trifft Maßnahmen hinsichtlich geeigneter Verfahren zur Beilegung von:
a) Streitigkeiten aus Verträgen oder Streitigkeiten privatrechtlichen Charakters, bei denen die IAEO Partei ist; und
b) Streitigkeiten, an denen ein Angestellter der IAEO, der auf Grund seiner amtlichen Stellung Befreiung von der Jurisdiktion genießt und dessen Befreiung von der IAEO nicht aufgehoben wurde, beteiligt ist.
Abschnitt 51
Alle Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und der IAEO über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens oder irgendeines Zusatzabkommens sowie alle Fragen hinsichtlich des Amtssitzbereiches oder des Verhältnisses zwischen der Regierung und der IAEO, welche nicht im Verhandlungswege oder nach einem anderen einvernehmlich festgelegten Verfahren beigelegt werden, sind zur endgültigen Entscheidung einem aus drei Schiedsrichtern zusammengesetzten Schiedsgericht zu unterbreiten; von diesen ist einer vom Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten der Republik Österreich, einer vom Generaldirektor und der dritte, der als Vorsitzender des Schiedsgerichtes fungieren soll, von den beiden ersten Schiedsrichtern auszuwählen. Können die beiden ersten Schiedsrichter innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Ernennung keine Einigung hinsichtlich des dritten Schiedsrichters erzielen, so wird dieser dritte Schiedsrichter auf Ersuchen der Regierung oder der IAEO vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ausgewählt.
ARTIKEL XX
Durchführung des Abkommens
Abschnitt 52
a) […]
b) Beratungen über die Abänderung dieses Abkommens werden über Ersuchen der Regierung oder der IAEO aufgenommen. Jede derartige Abänderung erfolgt im gegenseitigen Einvernehmen.
c) Die Auslegung dieses Abkommens hat im Geiste seines obersten Zieles zu erfolgen, das darin besteht, die IAEO in die Lage zu versetzen, an ihrem Amtssitz in der Republik Österreich die ihr gestellten Aufgaben voll und ganz zu erfüllen und ihrer Zweckbestimmung nachzukommen.
d) In allen Fällen, in denen den zuständigen österreichischen Behörden durch dieses Abkommen Verpflichtungen auferlegt werden, ist letztlich die Regierung für die Erfüllung dieser Verpflichtungen verantwortlich.
e) […]"
2. Der angefochtene (nachstehend durch Unterstreichung hervorgehobene) ArtXV der Statuten der Internationalen Atomenergiebehörde, BGBl 216/1957, idF BGBl 248/1994 (im Folgenden: IAEO-Statuten) lautet:
"ARTIKEL XV
Privilegien und Immunitäten
A. Die Behörde genießt auf dem Hoheitsgebiet jedes Mitgliedes die Rechte, Privilegien und Immunitäten, deren sie bedarf, um ihre Aufgaben zu erfüllen.
B. Delegierte der Mitglieder sowie ihre Stellvertreter und Berater, die Mitglieder des Gouverneursrates sowie ihre Stellvertreter und Berater, der Generaldirektor und das Personal der Behörde genießen jene Privilegien und Immunitäten, deren sie bedürfen, um die ihnen im Rahmen der Behörde obliegenden Aufgaben unabhängig erfüllen zu können.
C. Die in diesem Artikel erwähnten Rechte, Privilegien und Immunitäten werden in einem oder in mehreren gesonderten Abkommen zwischen der Behörde, die zu diesem Zweck von dem nach den Anweisungen des Gouverneursrates handelnden Generaldirektor vertreten wird, und den Mitgliedern festgelegt."
3. Die maßgebenden Bestimmungen des Gesetzes vom 1. August 1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm – JN), RGBl. 111/1895, idF BGBl I 148/2020 lauten:
"Prüfung der Zuständigkeit.
§. 41.
(1) Sobald eine Rechtssache der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit bei einem Gerichte anhängig wird, hat dasselbe seine Zuständigkeit von amtswegen zu prüfen.
(2)–(3) […]
§. 42.
(1) Ist die anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit oder doch den ordentlichen Gerichten entzogen, so hat das angerufene Gericht in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens sofort durch Beschluß auszusprechen; dies gilt nicht, wenn das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit nach §104 geheilt ist. Das Gleiche hat seitens der Gerichte höherer Instanz zu geschehen, wenn der Mangel erst hier offenbar wird.
(2) Ist eine Rechtssache auf Grund einer Immunität der inländischen Gerichtsbarkeit oder doch den ordentlichen Gerichten entzogen und wird ein solcher Mangel erst nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens offenbar, so ist auf Antrag der obersten Verwaltungsbehörde vom Obersten Gerichtshof die Nichtigkeit des durchgeführten gerichtlichen Verfahrens auszusprechen.
(3)–(4) […]"
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Mit Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien vom 25. Juli 2019 begehrte die Antragstellerin gegenüber der Internationalen Atomenergie-Organisation (im Folgenden: IAEO) die Zahlung von € 10.916,43, die Feststellung der "Wertigkeit G-6" der von ihr vom 1. März 2003 bis 31. Juli 2013 erbrachten Arbeiten sowie der Haftung der IAEO für alle künftigen Schäden "aufgrund der rechtswidrigen Frühpensionierung zum 31.07.2013", die Rechnungslegung über die Höhe diverser der Klägerin gebührender Bezüge "unter Zugrundelegung des Schemas G-6" (samt Zahlung des sich hieraus ergebenden Differenzbetrages) sowie die Zahlung einer Versehrtenrente ab Mai 2017.
1.2. Mit Beschluss vom 8. Jänner 2020 wies das Arbeits- und Sozialgericht Wien die Klage wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit gemäß §42 Abs1 JN zurück. Die beklagte Partei sei eine internationale Organisation, der nach ArtXV der IAEO-Statuten und nach ArtVIII Abschnitt 19 Amtssitzabkommen Immunität zukomme.
2. Gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8. Jänner 2020 erhob die Antragstellerin am 23. Jänner 2020 Rekurs an das Oberlandesgericht Wien und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Antrag. Die Antragstellerin behauptet darin, wegen der Anwendung näher bezeichneter Bestimmungen des Amtssitzabkommens und der IAEO-Statuten in ihren Rechten gemäß Art6 Abs1 EMRK verletzt zu sein.
2.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt die Antragstellerin Folgendes aus:
"B) Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen:
Das ASG Wien wies die Klage der Antragstellerin mit der Begründung des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit infolge Befreiung der IAEO von jeglicher Jurisdiktion in Österreich aufgrund der Bestimmungen von ArtVIII Abschnitt 19 des Amtssitzabkommens und von ArtXV der Statuten der Internationalen Atomenergiebehörde zurück. Dieser Beschluss wurde fristgerecht mit Rekurs an das OLG Wien bekämpft.
Die formalen Voraussetzungen des Artikel 140 Abs1 Z1 litd) B-VG sind sohin gegeben, weil die Antragstellerin von der Anwendung der verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen direkt betroffen ist. Diese wurden vom erkennenden Gericht unmittelbar angewendet; eine Aufhebung beseitigt den Einwand der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und ermöglicht die Durchführung eines Zivilprozesses vor den österreichischen Gerichten und somit die Durchsetzung der Ansprüche der Antragstellerin vor den inländischen Gerichten. Die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung ist daher gegeben.
C) Zum Anfechtungsumfang:
Der Anfechtungsumfang bestimmt sich entsprechend dem Beschluss des VfGH in dem dieselben Parteien betreffenden Verfahren SV2/2015-18. Aus Gründen prozessualer Vorsicht wird zusätzlich auch die Bestimmung über die funktionale Immunität der Angestellten der IAEO gemäß ArtXV Abschnitt 38 lita) des Amtssitzabkommens angefochten, da juristische Personen nur durch ihre Organwalter/Angestellte handeln können, sodass deren Immunität auch Rückwirkungen auf die Immunität der Internationalen Organisation haben kann."
2.2. Ihre Bedenken hinsichtlich Art6 Abs1 EMRK legt die Antragstellerin im Wesentlichen wie folgt dar:
"Wie im Weiteren gezeigt wird, verhält es sich im vorliegenden Fall so, dass die IAEO […] Maßnahmen zur internen Streitbeilegung getroffen hat, nämlich Joint Appeals Board (JAB) und Entscheidung durch den Generaldirektor, die keine geeigneten Verfahren mit Gerichtsqualität darstellen. Auch die Berufungsinstanz gegen solche Entscheidungen, das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILOAT) in Genf, weist keine Gerichtsqualität auf. […]
[…]
Schon die Gerichtsbestellung entspricht nicht den Erfordernissen des Art6 EMRK:
Die Richter des ILOAT werden in nicht gänzlich unabhängiger Weise bestellt […]. […]
Es ist amtsbekannt und nicht in den Rules und Statuten des ILOAT vorgesehen, dass Aktenabschriften oder -einsicht an die Beschwerdeführerin erteilt werden. […]
Das aus Artikel 6 EMRK abgeleitete Menschenrecht auf rechtliches Gehör wird auch laufend durch die Weigerung des ILOAT, mündliche Verhandlungen anzuberaumen, verletzt.
[…]
Zusammengefasst:
Die der Antragstellerin im Rahmen der Rechtsordnung der IAEO zur Verfügung stehenden Rechtsschutzeinrichtungen entsprechen weder in organisatorischer Hinsicht noch in Bezug auf die Ausgestaltung und faktische Anwendung der den Rechtsunterworfenen eingeräumten Verfahrensrechte und ebenso wenig in Bezug auf die Dauer bis zur rk. Erledigung den Anforderungen von Art6 Abs1 EMRK. Diese Beurteilung trifft sowohl allgemein zu, weil es sich um generelle Strukturmängel handelt, als auch konkret in Bezug auf die Antragstellerin, wie dies oben ausführlich dargestellt wurde. Schon allein dadurch, dass die angefochtenen Bestimmungen ausschließlich auf die Immunität der Internationalen Organisation abstellen und dieser den absoluten Vorrang einräumt, ohne eine Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Interessen des Betroffenen auf Gerichtszugang und Durchführung eines 'fair trials' nach Art6 Abs1 EMRK zu ermöglichen, führt zur geltend gemachten Verfassungswidrigkeit."
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages beantragt.
3.1. Die Bundesregierung hält den Antrag für unzulässig, weil die IAEO selbst bei Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof auf Grund des Völkergewohnheitsrechtes, welches nach Art9 Abs1 B-VG auch weiter innerstaatlich anwendbar wäre, Immunität genießen würde. Zweitens sei unabhängig davon der Anfechtungsumfang zu eng gewählt:
"Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit wären […] nicht nur die angefochtenen Bestimmungen, sondern auch ArtIII Abschnitt 9 lita und ArtVIII Abschnitt 20 des IAEO-Amtssitzabkommens, welche die Unverletzlichkeit ihres Amtssitzes samt dem Verbot der Ausübung von Hoheitsakten (wie zB der Zustellung) und die Immunität der IAEO von der Vollstreckung und anderen Zwangsmaßnahmen durch die österreichischen Vollzugs-, Verwaltungs- und Gerichtsbehörden vorsehen, sowie gegebenenfalls auch ArtVIII Abschnitt 21 des IAEO-Amtssitzabkommens, dem zufolge auch die Archive der IAEO unverletzlich sind. Selbst wenn daher ein allfälliges Urteil vor den österreichischen Gerichten erwirkt werden könnte, könnte es in der Folge aufgrund der weiter bestehenden Vollstreckungsimmunität der IAEO nicht durchgesetzt werden."
Drittens entspreche der Antrag nicht dem Erfordernis des §62 Abs1 zweiter Satz VfGG, wonach der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen habe. Die Antragstellerin habe konkrete Darlegungen unterlassen, warum die angefochtenen Bestimmungen gegen Art6 EMRK verstießen.
3.2. In der Sache hält die Bundesregierung die im Antrag erhobenen Bedenken für unbegründet. Die Bundesregierung verweist dazu im Wesentlichen auf ihre Äußerung vom 1. Dezember 2015 zu dem zu SV2/2015 protokollierten Antrag derselben Antragstellerin, wonach das – für die Antragstellerin zugängliche – Verfahren vor dem Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILOAT) mit Art6 EMRK vereinbar sei. Die angefochtenen Bestimmungen seien daher nicht verfassungswidrig.
4. Die Antragstellerin erstattete eine Replik auf die Äußerung der Bundesregierung, in welcher sie der Bundesregierung in der Sache entgegentritt und Näheres zur Zulässigkeit des Antrages ausführt.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140a iVm Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines rechtswidrigen Staatsvertrages in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
3. Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation, BGBl 82/1958, idF BGBl 413/1971 und die (von Österreich als Mitgliedstaat ratifizierten) Statuten der Internationalen Atomenergiebehörde, BGBl 216/1957, idF BGBl 248/1994 wurden vom Nationalrat genehmigt und sind Staatsverträge gemäß Art50 Abs1 und Art140a B-VG.
4. Der Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8. Jänner 2020 gestellt. Mit diesem Beschluss wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG).
5. Als Klägerin kommt der Antragstellerin im Verfahren vor dem ordentlichen Gericht Parteistellung zu, womit sie zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG berechtigt ist.
6. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die Antragstellerin jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl VfSlg 20.074/2016).
7. Auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25. Februar 2020 geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist (§62a Abs5 VfGG).
8. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung von ArtVIII Abschnitt 19 sowie von ArtXV IAEO-Statuten. Dieses Begehren ist dahingehend zu werten, dass es sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Vertragsbestimmungen richtet (vgl VfSlg 16.634/2002).
9. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl auch VfSlg 20.010/2015). Diese für das Verfahren nach Art140 B-VG aufgestellten Grundsätze gelten ebenso für das Verfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen gemäß Art140a B-VG (vgl §66 VfGG).
Das Erstgericht hat mit ArtVIII Abschnitt 19 Amtssitzabkommen und ArtXV der IAEO-Statuten einen Teil jener Bestimmungen, deren Verfassungswidrigkeit die Antragstellerin behauptet, angewendet. Diese Bestimmungen sind somit als präjudiziell anzusehen.
Schon mangels Präjudizialität als unzulässig erweist sich der Antrag aber, soweit darin aus "Gründen prozessualer Vorsicht" die Verfassungswidrigkeit des – vom Erstgericht nicht angewendeten – ArtXV Abschnitt 38 lita) Amtssitzabkommen behauptet wird. Gegenstand des Anlassverfahrens ist allein die Immunität der IAEO, nicht die davon zu unterscheidende Immunität ihrer Angestellten. Dass die Immunität der Angestellten "auch Rückwirkungen auf die Immunität der Internationalen Organisation haben kann", wird im Antrag behauptet, mit Blick auf das Anlassverfahren aber nicht (nachvollziehbar) begründet. Vielmehr erschiene die Anwendung von ArtXV Abschnitt 38 lita) Amtssitzabkommen im Anlassverfahren geradezu denkunmöglich.
10. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen-den Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt, und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).
Diese für das Verfahren nach Art140 B-VG aufgestellten Grundsätze gelten auch für das Verfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen nach Art140a B-VG (vgl §66 VfGG).
11. Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Auffassung, dass die Antragstellerin den Anfechtungsumfang zu eng gewählt habe, weil sie ArtIII Abschnitt 9 lita) und ArtVIII Abschnitt 20 Amtssitzabkommen, welche die Unverletzlichkeit des Amtssitzes der IAEO und deren Immunität gegenüber Vollstreckungs- und anderen Zwangsmaßnahmen vorsehen, hätte mitanfechten müssen.
12. Der Antrag ist zu eng gefasst. ArtIII Abschnitt 9 lita) Amtssitzabkommen bestimmt, dass der Amtssitzbereich der IAEO unverletzlich ist und kein Funktionär oder Beamter der Republik Österreich noch irgendeine in der Republik Österreich Hoheitsrechte ausübende Person den Amtssitzbereich betreten darf, um dort dienstliche Weisungen auszuführen, außer mit Zustimmung des Generaldirektors und unter den von ihm festgelegten Bedingungen. Gerichtliche Vollzugshandlungen, einschließlich der Beschlagnahme privaten Eigentums, dürfen nach dieser Bestimmung im Amtssitzbereich nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Generaldirektors und unter den von ihm festgelegten Bedingungen stattfinden. Auch diese nicht angefochtene Bestimmung schließt die Möglichkeit der wirksamen Zustellung von Klagen und sonstigen Schriftstücken ordentlicher Gerichte an die IAEO ohne deren Einwilligung und damit die Rechtsverfolgung im Anlassverfahren selbst bei allfällig festgestellter Unanwendbarkeit von ArtVIII Abschnitt 19 Amtssitzabkommen und von ArtXV IAEO-Statuten aus, zumal die Zustellung einen Akt der Hoheitsverwaltung darstellt (vgl OGH 14.12.2004, 10 Ob 53/04y). Der Anfechtungsumfang wurde daher jedenfalls zu eng gewählt (vgl auch VfGH 25.11.2020, SV1/2019 ua).
13. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob einer meritorischen Erledigung weitere Prozesshindernisse entgegenstehen.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Staatsverträge, VfGH / Staatsvertragsprüfung, VfGH / Parteiantrag, Kernenergie, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, VölkerrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:SV1.2020Zuletzt aktualisiert am
27.01.2022