TE OGH 2022/1/11 22R353/21y

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Veröffentlicht am 11.01.2022
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Kopf

beschluss

Das

Landesgericht Korneuburg

als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Hummel und Mag. Rak in den verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei A***** G***** GmbH, vertreten durch Stanonik Rechtsanwälte in Wien, wider die jeweils beklagte Partei L***** GmbH, vertreten durch Brenner & Klemm Rechtsanwälte in Wien, wegen zuletzt Prozesskosten, infolge Rekurses der jeweils beklagten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom 10.06.2021, 26 C 483/20d (hiermit verbunden 26 C 485/20y, 26 C 486/20w, 26 C 488/20i, 26 C 489/20m, 26 C 498/20k; Rekursinteresse: EUR 480,26), in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben, und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig ist, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit EUR 881,45 bestimmten weiteren Prozesskosten der verbundenen Verfahren (26 C 483/20d, 26 C 485/20y, 26 C 486/20w, 26 C 488/20i, 26 C 489/20m, 26 C 498/20k jeweils des Bezirksgerichts Schwechat) zu Handen der Klagevertreter zu ersetzen.“

Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

begründung:

In den sechs verbundenen Rechtssachen machte die Klägerin mit Mahnklagen an sie abgetretene Ausgleichsansprüche von Fluggästen gemäß Art 7 EU-FluggastVO wie folgt geltend:

- zu 26 C 483/20d: EUR 1.250,-- für fünf Fluggäste wegen Annullierung des Fluges OE 403 von Palma Mallorca (PMI) nach Düsseldorf (DUS) am 26.06.2019

- zu 26 C 485/20y: EUR 250,-- für einen Fluggast wegen Annullierung des Fluges OE 402 von Düsseldorf (DUS) nach Palma Mallorca (PMI) am 26.06.2019

- zu 26 C 486/20w: EUR 250,-- für einen Fluggast wegen Annullierung des Fluges OE 402 von Düsseldorf (DUS) nach Palma Mallorca (PMI) am 26.06.2019

- zu 26 C 488/20i: EUR 500,-- für zwei Fluggäste wegen Annullierung des Fluges OE 402 von Düsseldorf (DUS) nach Palma Mallorca (PMI) am 26.06.2019

- zu 26 C 489/20m: EUR 500,-- für zwei Fluggäste wegen Annullierung des Fluges OE 2456 von Palma Mallorca (PMI) nach Stuttgart (STR) am 26.05.2019

- zu 26 C 498/20k: EUR 250,-- für einen Fluggast wegen Annullierung des Fluges OE 176 von Düsseldorf (DUS) nach Ibiza (IBZ) am 25.06.2019

Die Beklagte erhob in allen Verfahren Einspruch, erkannte die jeweiligen Ansprüche an und brachte vor, dass sie keinerlei Möglichkeit gehabt habe, den Anspruch zu prüfen, weil eine entsprechende Vollmacht der Fluggäste an die Klägerin trotz Aufforderung nicht übermittelt worden sei. Sie stellte den Antrag, der Klägerin den Ersatz der Kosten gemäß § 45 ZPO aufzuerlegen (jeweils ON 3).

Daraufhin erstattete die Klägerin in sämtlichen Verfahren vorbereitende Schriftsätze, in denen sie das Klagebegehren auf Prozesskosten einschränkte (jeweils ON 5). Dadurch reduzierte sich die Bemessungsgrundlage gemäß RATG für jedes der Verfahren, in dem zuvor lediglich EUR 250,-- streitgegenständlich waren, auf EUR 125,--, in allen übrigen Verfahren auf EUR 200,-- (§ 12 Abs 4 RATG).

In der vorbereitenden Tagsatzung vom 06.05.2021 (ON 7) wurden die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Nach der vorbereitenden Tagsatzung zog die Beklagte die Einsprüche schriftlich in sämtlichen verbundenen Verfahren zurück (ON 10, ON 12), worauf die Klägerin mit sechs gesonderten Kostenbestimmungs-anträgen vom 09.06.2021 (ON 14 bis ON 19) den Ersatz der sechs vorbereitenden Schriftsätze und der Tagsatzung vom 06.05.2021 begehrte und für jeden der Kostenbestimmungsanträge auch gesondert Kosten beantragte.

Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zum Ersatz von weiteren – im Sinne von noch nicht bezahlten – Prozesskosten von insgesamt EUR 1.067,09.

Begründend führte es dazu aus, dass die Beklagte gemäß §§ 249 Abs 3, 484 Abs 2 ZPO der Klägerin aufgrund Einspruchsrückziehung alle durch den Einspruch zusätzlich entstandenen Kosten zu ersetzen habe. Die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz der in allen sechs Verfahren erstatteten vorbereitenden Schriftsätze (insgesamt EUR 667,80) und der vorbereitenden Tagsatzung von EUR 382,47. Da gemäß § 371 Abs 4 Geo während aufrechter Verbindung sämtliche Eingaben zum führenden Akt zu nehmen seien, wäre auch nur die Einbringung eines einzigen Kostenbestimmungs-antrags erforderlich gewesen; die Klägerin habe daher nur Anspruch auf die Honorierung eines Antrags in Höhe von EUR 16,82.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Klägerin lediglich weitere Prozesskosten von EUR 586,83 zugesprochen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Die Rekurswerberin moniert zunächst, dass ihr die Kostenbestimmungsanträge vor Beschlussfassung nicht zugestellt worden seien, weshalb ihr rechtliches Gehör verletzt, und der Beschluss wegen Nichtigkeit aufzuheben sei.

Im Fall der Rücknahme des Einspruchs hat die Beklagte der Klägerin gem §§ 249 Abs 3 iVm 484 Abs 2 ZPO alle durch den Einspruch entstandenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu ersetzen. Hierbei gelten die allgemeinen Kostenersatzregelungen der §§ 40ff ZPO.

Bei der Rücknahme einer Klage kann für die Kostenersatzpflicht in erster Linie auch die Parteienvereinbarung maßgebend sein, daher ist ein infolge einer Klagsrücknahme (außerhalb der Verhandlung) eingebrachter Kostenbestimmungs-antrag dem Verfahrensgegner zur Äußerung zuzustellen. Die Nichtzustellung begründet jedoch keine Nichtigkeit, wenn der Gegner im Rekurs nicht rügt, dass er bei Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit eine vom angefochtenen Beschluss abweichende Kostenvereinbarung geltend gemacht hätte (Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.128).

Gleiches muss für die Rücknahme des Einspruchs gelten, denn auch hier kann eine Parteienvereinbarung, die eine vom Gesetz abweichende Aufteilung der Prozess-kosten beinhaltet, getroffen worden sein. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht der Beklagten zwar die Kostenbestimmungsanträge nicht zugestellt. In ihrem Rekurs rügt die Beklagte aber auch nicht, dass die Berücksichtigung einer Kostenvereinbarung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Eine Nichtigkeit wurde durch die mangelnde Äußerungsmöglichkeit der Beklagten daher nicht begründet.  

Die Rekurswerberin rügt weiters, es wären lediglich die Kosten für einen einzigen vorbereitenden Schriftsatz nach TP 3A RATG basierend auf dem Gesamtstreitwert von EUR 975,-- in Höhe von lediglich EUR 187,54 zu ersetzen gewesen. Sie führt dazu aus, dass die separate Einklagung der Ansprüche nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient habe, weil die Ansprüche aufgrund des Umstandes, dass es sich jeweils um dieselben Verfahrensparteien, vertreten durch dieselben jeweiligen rechtsfreundlichen Vertreter sowie um Ansprüche gleicher Art handle, in einer gemeinsamen Klage geltend gemacht hätten werden können.

War die Erhebung getrennter Klagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, so haben die dadurch verursachten Kosten außer Betracht zu bleiben (RS0036191). Das Rekursgericht hat bereits ausgesprochen, dass mehrere Fluggäste desselben Fluges, die gleichartige Ansprüche aus der EU-FluggastVO geltend machen – auch wenn sie durch denselben Rechtsanwalt vertreten sind – grundsätzlich keine kostenrechtliche Obliegenheit zur gemeinsamen Einklagung trifft. Nur wenn schon äußere Umstände (zB idente Buchungsnummer, gemeinsamer Nachname oder gemeinsame Wohnadresse) nahelegen, dass die Kläger in einem engen persönlichen Verhältnis zueinander stehen, haben sie zu behaupten und zu bescheinigen, aus welchen Gründen eine gemeinsame Einklagung nicht möglich oder nicht tunlich gewesen wäre (RKO0000033).

Im vorliegenden Verfahren hat die Rekurswerberin zutreffend aufgezeigt, dass die Klagen in den verbundenen Verfahren die gleichen Verfahrensparteien, die von jeweils den gleichen Rechtsanwälten vertreten werden, auch gleichartige Ansprüche nach Art 7 EU-FluggastVO betreffen. Eine Verbindungsobliegenheit, die zur Nichthonorierung der entstandenen Mehrkosten führt, liegt jedoch nur hinsichtlich Verfahren 26 C 485/20y, 26 C 486/20w und 26 C 488/20i vor. In all diesen Verfahren wurden Ansprüche wegen Annullierung des Fluges OE 402 von Düsseldorf (DUS) nach Palma Mallorca (PMI) am 26.06.2019 klagsweise geltend gemacht. Eine gemeinsame Einklagung dieser Ansprüche wäre zweckmäßig gewesen; ein gemeinsames Schicksal der Ansprüche ist aufgrund des gleichen zugrundeliegenden Sachverhaltes wahrscheinlich. Die Klägerin hat im Hinblick auf diese Verfahren auch nicht behauptet oder bescheinigt, warum es zweckmäßiger gewesen wäre, diese Ansprüche in getrennten Klagen einzubringen. Eine prozessuale Möglichkeit der Verbilligung des Prozesses wurde hier von der Klägerin nicht genutzt, weshalb die entstandenen Mehrkosten nicht zu honorieren sind (vgl Obermaier, Kostenhandbuch³, Rz 1.250)

Die anderen – ebenfalls durch das Erstgericht verbundenen – Klagen betreffen jedoch Ansprüche, die aus unterschiedlichen Flügen resultieren. Selbst wenn auch diesen Klagen Ausgleichsansprüche aufgrund von Annullierungen nach Art 7 EU-FluggastVO zugrunde liegen, und eine Identität der Verfahrensparteien und Rechtsanwälte gegeben ist, trifft die Klägerin hier keine Obliegenheit, die Ansprüche in einer gemeinsamen Klage geltend zu machen. Aufgrund der unterschiedlichen zugrundeliegenden Sachverhalte kann das Schicksal der einzelnen Ansprüche höchst unterschiedlich sein und zu unterschiedlichem Bestreitungsvorbringen, Beweisanträgen und individuellen Verfahrensverläufen führen. Die spätere Verbindung von Verfahren von Ansprüchen aus unterschiedlichen Flügen kann durch das Erstgericht aber dann zweckmäßig sein, wenn sich wie hier herausstellt, dass die Ansprüche anerkannt wurden, und nur über die Kostenfolgen zu verhandeln ist. Soweit den Klagen also unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen, kann die getrennte Einklagung der Ansprüche auch als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden. Es kann von einem Rechtedienstleister wie der Klägerin nicht verlangt werden, sämtliche ihr abgetretenen Ansprüche aus der EU-FluggastVO gleichsam zu sammeln und in periodischen Abständen gemeinsam einzuklagen, weil – wie oben aufgezeigt – sofern die Ansprüche unterschiedliche Flüge betreffen, grundsätzlich keine Einsparungseffekte zu erwarten sind.

Konkret bedeutet dies, dass für die vorbereitenden Schriftsätze in den Verfahren 26 C 485/20y, 26 C 486/20w und 26 C 488/20i auf Basis des Gesamtstreitwertes von EUR 450,-- gemäß TP 3A ein Honorar von EUR 141,46 zusteht, und für die vorbereitenden Schriftsätze in den übrigen Verfahren die jeweils verzeichneten Kosten von insgesamt EUR 340,70. Dazu kommen die unbekämpft vom Erstgericht zugesprochenen Kosten von EUR 382,47 für die vorbereitende Tagsatzung und von EUR 16,82 für den Kostenbestimmungsantrag. Dies führt zu einem Kostenzuspruch von insgesamt EUR 881,45.

Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren gründet auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Im Hinblick auf das Rekursinteresse von EUR 480,26 hat die Rekurswerberin mit weniger als 40 % obsiegt. Die Kostenentscheidung richtet sich auch dann, wenn sich eine Partei nicht am Rekursverfahren beteiligt, nach den Grundsätzen der Quoten-kompensation, weshalb die überwiegend unterlegene Rekurswerberin die Kosten des Rekurses selbst zu tragen hat (Obermaier, Kostenhandbuch³, Rz 1.100).

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Textnummer

EKO0000067

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00119:2022:02200R00353.21Y.0111.000

Im RIS seit

27.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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