Norm
BDG 1979 §43 Abs1 u 2Schlagworte
AmtsmissbrauchText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 10.12.2021 nach der am 10.12.2021, in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beamte ist schuldig, er hat
1.) am Abend eines nicht bekannten Tages in der zweiten Monatshälfte des August 2019 es unterlassen, in einer von Amts wegen zu verfolgende Straftat (konkret Verdacht nach §§ 83 und 105 StGB - Körperverletzung und Nötigung zum Nachtteil von A.A.) die erforderlichen Erhebungen (Gefahrenerforschung hinsichtlich eines möglichen gefährlichen Angriffes und dessen Abwehr im Sinne des § 16 Abs. 2 und 4 iVm § 21 Abs. 2 SPG) zu führen und auch die Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft N.N. unterlassen,
er hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß §§ 43 Abs. 1 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 i. V. m. Punkt 2.10. der Allgemeinen Polizeidienstrichtlinien (APD-RL), GZ BMI-OA1300/0333-II/1/b/2018 i. V. m. § 91 BDG 1979 begangen,
2.) der am 03.03.2020, gegen 01:19 Uhr, der Sektorstreife N.N., von der Landesleit-zentrale der LPD N.N. über Funk (Einzelruf) erteilten Anordnung (Weisung) zu einem Einsatz, wegen eines möglichen bevorstehenden gefährlichen Angriffes, bei dem eine Frau in N.N., mit dem Umbringen (Mord) bedroht werden soll, welche von der dienstjungen weiblichen Beamtin B.B. mit einem Funkspruch, ohne SDS (Short Data Service) übernommen wurde, keine Folge geleistet, sondern hat er derselben lautstark durch die geschlossene Türe entgegnet, dass diese in der Bereithaltezeit keine Funksprüche anzunehmen habe und ist er im Bereithalteraum verblieben und hat es in weiterer Folge unterlassen, zu diesem angeordneten Einsatz der Leitfunk-stelle abzugehen,
er hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 i. V. m. Punkt 3.2 Abs. 1, Z. 4 der Richtlinien für die Organisation und Vollziehung des Exekutivdienstes der Bundespolizei (Exekutivdienstrichtlinien-DER), GZ BMI-OA1000/0253-II/1/2005 i. V. m. § 91 BDG 1979 begangen,
3.) zu der unter Punkt 2. angeführten Tatzeit mit dem unter Punkt 2. beschriebenen Verhalten es überdies unterlassen, die nominierte Gefahrenerforschung (§ 16 Abs. 2 und 4 i. V. m. § 21 Abs. 2 SPG) hinsichtlich eines möglichen gefährlichen Angriffes und dessen Abwehr zu besorgen und damit unterlassen, seine Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert, und unparteiisch, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und damit auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt,
er hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979
i. V. m. § 91 BDG 1979 begangen,
über den Beamten wird gemäß § 92 Abs. 1, Z. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe € 1.000,- verhängt.
Dem Beamten werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 keine Kosten für das Disziplinarverfahren auferlegt.
Begründung
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige des Bezirkspolizeikommandos N.N. vom 02.12.2020, GZ N.N. bzw. auf das Schreiben der Landespolizeidirektion N.N. vom 10.12.2020, GZ N.N.
Die Dienstbehörde hat am 09.04.2020 durch Vorlage des Abschluss-Berichts des Bezirkspolizeikommandos N.N. Kenntnis von dem unter Punkt 1. dargestellten Sachverhalt erlangt. Von den unter Punkt 2. und 3. angeführten Dienstpflichtverletzungen erhielt die Dienstbehörde am 02.12.2020 durch Vorlage der Disziplinaranzeige Kenntnis. Gegen den Beamten wurde mit Abschluss-Bericht des Bezirkspolizeikommandos N.N. bezüglich des ad Punkt 1. zum Vorhalt gemachten Verhaltens Anklage beim Landesgericht N.N. wegen § 302 StGB erhoben. Am 12.10.2020 wurde der Beamte vom Landesgericht N.N., AZ N.N. von diesem Vorwurf gemäß § 259 Z. 3 StPO mangels Schuldbeweis freigesprochen. Die Mitteilung vom rechtskräftigen Abschluss des diesbezüglichen Strafverfahrens langte am 25.11.2020 bei der Personalabteilung der Landespolizeidirektion N.N. ein. Was die Vorwürfe ad 2. und 3. anbelangt, erging seitens der Bundesdisziplinarbehörde am 18.12.2020 die Anfrage, ob die Staatsanwaltschaft mit diesem Vorgang bereits befasst wurde oder wird bzw. wurde angeregt, dies noch nachzuholen und der Bundesdisziplinarbehörde darüber zu berichten.
Inhalt der Disziplinaranzeige
Darstellung der schuldhaften Dienstpflichtverletzung
1.) Der Beamte steht im Verdacht, am Abend eines nicht bekannten Tages in der zweiten Monatshälfte des August 2019 wissentlich seine Dienstpflicht, in dem er eine von Amts wegen zu verfolgende Straftat aufzunehmen, konkret eine Anzeige wegen dem Verdacht nach §§ 83 und 105 StGB (Körperverletzung und Nötigung), indem er dem Opfer A.A. sowie ihrem Gatten erklärte, dass so eine Anzeige zum einen nur noch mehr Probleme hervorrufen würde und zum anderen, er ohne ein ärztliches Attest betreffend etwaiger Verletzungen, gar keine Anzeige aufnehmen könne, verletzt zu haben. Der Beamte unterließ die erforderliche Dokumentation der Anzeigenerstattung, jegliche Ermittlungen und die Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft.
1a.) Der Beamte steht im Verdacht durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 iVm § 16 Abs. 2 und 4 iVm § 21 Abs. 2 SPG (Gefahrenerforschung hinsichtlich eines möglichen gefährlichen Angriffes und dessen Abwehr) verstoßen zu haben, wonach der Beamte es unterlassen hat, die nominierte Gefahrenerforschung hinsichtlich eines möglichen gefährlichen Angriffes und dessen Abwehr zu besorgen, sowie seine Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert, und unparteiisch, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen sowie nicht darauf Bedacht genommen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben erhalten bleibt und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben.
1b.) Der Beamte steht im Verdacht durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen des § 44 BDG in Verbindung mit Z. 2.10 APD-RL verstoßen zu haben, indem er weder die Anzeige des Opfers entgegengenommen, noch die erforderlichen Erhebungen geführt, sowie auch die Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft N.N. unterlassen und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben
2.) Der Beamte war am 02.03.2020 gemäß Dienstplan nach einem 12stündigen Tagdienst, mit der dienstjungen weiblichen Beamtin B.B., zu einer Sektorstreife, von 19:00 bis 07:00 Uhr, mit einer Bereithaltezeit bzw. Journaldienstzeit von 23.00 Uhr bis 03.00 Uhr, eingeteilt. Zur Grundaufgabe einer Sektorstreife gehören neben weiteren Aufträgen und Aufgaben, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Am 03.03.2020, gegen 01:19 Uhr, bekam die Sektorstreife N.N., von der Landesleitzentrale der LPD N.N. über Funk (Einzelruf) die Anordnung zu einem Einsatz, wegen eines möglichen bevorstehenden gefährlichen Angriffes, bei dem eine Frau in N.N., mit dem Umbringen (Mord) bedroht werden soll. Der Einsatz wurde von der dienstjungen weiblichen Beamtin B.B. mit einem Funkspruch, ohne SDS (Short Data Service) übernommen. Der Beamte befand sich den Vorgaben entsprechend, zum Anzeigezeitpunkt im Bereithalteraum der PI N.N. Die dienstjunge Beamtin B.B. ihren Streifenkollegen ihrer Ansicht nach unmissverständlich über den gegenständlichen angeordneten Einsatz. Der Beamte soll seiner Kollegin jedoch lautstark durch die geschlossene Türe entgegnet haben, dass sie in der Bereithaltezeit keine Funksprüche anzunehmen habe, verblieb im Bereithalteraum und unterließ es in weiterer Folge zu diesem angeordneten Einsatz der Leitfunkstelle abzugehen. Die zufahrende Streife N.N. stellte im Zuge der Gefahrenforschung vor Ort fest, dass es sich um eine haltlose Anzeige einer Betrunkenen handelte, siehe Einsatzprotokoll der LLZ, als Beilage.
B.B. legte aufgrund des geschilderten Anlassfalls am 05.03.2020 ein Versetzungsgesuch vor und begründete dies damit, dass sie Angst habe, mit dem Beamten ihren Dienst verrichten zu müssen.
2a.) Der Beamte steht im Verdacht durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 iVm § 16 Abs. 2 und 4 iVm § 21 Abs. 2 SPG (Gefahrenerforschung hinsichtlich eines möglichen gefährlichen Angriffes und dessen Abwehr) verstoßen zu haben, wonach der Beamte es unterlassen hat, die nominierte Gefahrenerforschung hinsichtlich eines möglichen gefährlichen Angriffes und dessen Abwehr zu besorgen, sowie seine Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert, und unparteiisch, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben.
2b.) Der Beamte steht im Verdacht durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen des § 44 Abs. 1 BDG in Verbindung mit 3.2.4 der Exekutivdienstrichtlinie (EDR) verstoßen zu haben, indem er die klare Weisung des Funksprechers der vorgesetzten Landesleitzentrale der LPD N.N. missachtete, nicht unverzüglich eingeschritten sei und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 begangen zu haben.
Beweismittel
Bekanntwerden der Dienstpflichtverletzungen:
zu 1.: Der Stellvertreter des Kommandanten der PI N.N., C.C. wurde am 02.03.2020 vom Opfer A.A. persönlich vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. A.A. gab dabei sinngemäß gegenüber C.C. an, dass sie bzw. ihr Ehegatte, D.D., im Sommer des Vorjahres bei einem Beamten der PI N.N. (wie sich später herausstellte, handelte es sich um den Beamten eine Anzeige gegen ihren Nachbar E.E. erstattet habe.
Erhebungen, Ergebnis und Zusammenfassung: Das Ehepaar N.N. führte gegen den Nachbarn E.E. einen Zivilprozess und wollte zu Beweiszwecken für dieses Zivilverfahren eine Aussage des betreffenden Beamten über die damalige Anzeigeerstattung. Über die Anzeige des Ehepaares A.A./D.D. fanden sich auf der PI keine Aufzeichnungen. Der Sachverhalt wurde daraufhin von C.C. fernmündlich dem BPK N.N. (F.F.) gemeldet. Die schriftliche Ausfertigung der Meldung ist der Anzeige als Beilage angeschlossen. Die Einvernahmen von A.A. und D.D. (beide vom BPK N.N. verfasst) sind als Beilage angeschlossen. Beide gaben bei dieser Befragung sinngemäß an, dass E.E. das Opfer A.A. zu Boden gestoßen, sie verletzt und ihr den Weg versperrt hätte und dass sie beim Beamten die Anzeige erstattet hätten. Die weiteren Erhebungen zur Anzeige der A.A./D.D. gegen E.E. wegen Körperverletzung und Nötigung wurden von C.C. durchgeführt. Nach Einvernahme des Beamten und E.E., wurde der Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft N.N. unter der GZ N.N. vorgelegt. Der Abschlussbericht ist als Beilage angeschlossen.
Auskunftsperson: C.C. und G.G. wurden vom BPK N.N. als Zeugen einvernommen, siehe Beilage. C.C. führt in seiner Einvernahme sinngemäß die Kenntniserlangung der Dienstpflichtverletzung und seine Meldungslegung an. G.G. gibt in seiner Einvernahme sinngemäß an, dass er das Gespräch zwischen dem Ehepaar A.A./D.D. und dem Beamten mitgehört habe.
Zu 2.: Erhebungen, Ergebnis und Zusammenfassung: Der Stellvertreter des Kommandanten der PI N.N., C.C. erlangte am 05.03.2020 durch die persönliche Meldung der B.B. vom Sachverhalt, Kenntnis. Dieser Sachverhalt wurde von C.C. ebenfalls dem BPK N.N. (F.F.) gemeldet.
Sonstiges: Der Dienstbericht der PI N.N. und das Einsatzprotokoll der Landesleitzentrale der LPD N.N. sind als Beilagen angeschlossen.
Auskunftspersonen: Die persönliche Meldung von B.B. ist als Beilage angeschlossen. Darin schildert sie sinngemäß den Sachverhalt wie unter Punkt 2 angeführt.
Angaben des Verdächtigen: Der Beamte wurde am 08.04.2020 von F.F. und H.H. einvernommen.
zu 1.: der Beamte gab sinngemäß an, dass er sich an den vorgebrachten Sachverhalt nicht erinnern könne, seine Angaben.
zu 2.: Der Beamte habe, wenngleich er die Vorhalte der Kollegin konträr darstellte, indem er davon ausgegangen sei, dass eine andere Streife den Einsatz übernehmen wird. Auch brachte er die Wirkung eines eingenommenen Schmerzmittels ins Spiel; seine Angaben.
Mit Beschluss der BDB vom 28.12.2020 wurde gegen den Beamten wegen des im Spruch dem Beamten zum Vorhalt gemachten Verhaltens ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Am 11.05.2021 langte ha eine Note der Staatsanwaltschaft N.N. vom vom 22.04.2021, AZ N.N. ein. Danach wurde das gegen den Beamten wegen § 302 StGB vom 02.03.2020 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden ist
In weiterer Folge wurde für den 30.06.2021 eine Verhandlung anberaumt, welche jedoch aufgrund überraschender beruflicher Unabkömmlichkeit des Verteidigers zu diesem Termin aber auch aufgrund des Gesundheitszustandes zweier Zeugen auf den 21.09.2021 verlegt und in Anwesenheit des Beamten durchgeführt wurde. Angeführter Termin musst aus Gesundheitsgründen beim Verteidiger kurzfristig abberaumt werden. Schlussendlich wurde die Verhandlung für 10.12.2021 anberaumt und in Anwesenheit des Beamten durchgeführt.
Der Senat hat dazu erwogen:
Rechtsvorschriften:
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Verpflichtung, dienstliche Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
§ 43 Abs. 2 BDG zufolge hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen, und ihre Weisungen, sofern verfassungsgesetzlich nichts anders bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Hinsichtlich der Bezeichnung der Weisung ist jede Art (zum Beispiel Dienstauftrag, Erlass, Richtlinien, Instruktion, Dienstvorschrift, Vereinbarung, Sprachregelung etc.) erlaubt KUCSKO-STADLMAYER, S 227. Maßgeblich ist, dass der normative Charakter und die Handlungs- und Unterlassungspflicht klar zum Ausdruck kommt (VwGH 5.11.1976, 1337/75, 3.9.2002, 99/09/0118, 20.11.2003, 2002/09/0088, 17.11.2004, 2001/09/0035, 15.9.2004, 2001/09/00239).
Punkt 2.10. „Anzeigen“ der Allgemeinen Polizeidienstrichtlinie (APD-RL) besagt, dass die Bediensteten verpflichtet sind, Anzeigen entgegenzunehmen, die erforderlichen Erhebungen zu führen und an die zuständigen Behörden oder Dienststellen weiter zu leiten. Die im Rahmen der Anzeigenerstattung getätigten Aussagen von Beschuldigten, Opfern, Zeugen und Auskunftspersonen sind grundsätzlich in Vernehmungsprotokollen zu dokumentieren.
Punkt 3.2 Abs. 1, Z. 4 der Exekutivdienstrichtlinien-DER zufolge ist wesentliches Element des Exekutivdienstes der Streifendienst, welcher den Zweck hat, im Bedarfsfall, über Weisung oder Anzeige, unverzüglich einzuschreiten.
Ad Punkt 1.)
Der Beamte wurde mit Urteil des Landesgerichts N.N. rechtskräftig vom Vorwurf der Begehung des Amtsmissbrauchs freigesprochen, da kein Schuldbeweis erbracht werden konnte. Wenngleich der in Prüfung gezogene Sachverhalt keinen gerichtlich strafbaren Tatbestand verwirklicht hat, zumal die für die Verwirklichung eines solchen erforderliche subjektive Tatseite nicht nachweisbar ist, stand dennoch die Verletzung von Bestimmungen des Beamtendienstrechtsgesetzes im Raum, weshalb das Verhalten des Beamten einer gesonderten disziplinarrechtlichen Überprüfung zu unterziehen war. Der Beamte räumte ein, sich dunkel an den Vorfall erinnern zu können, doch war für ihn aufgrund dessen, dass die Zeugin A.A. nicht gut der deutschen Sprache mächtig war, der Sachverhalt nicht klar. Die Zeugin A.A., deren Sprachkenntnisse – wie sich der Senat überzeigen konnte- tatsächlich nicht sehr gut sind – gab bei der Verhandlung an, von Verletzungen gesprochen zu haben, die sie jedoch dem Beamten nicht zeigen wollte. Der Zeuge D.D., welcher der deutschen Sprache bestens mächtig ist, erklärte, dass dem Beamten der Sachverhalt geschildert worden ist, wonach seine Gattin mehr oder minder geschlagen worden und daraufhin zu Boden gefallen ist und Schmerzen verspürt hatte. Damit steht aber zweifelsohne ein von Amts wegen zu erhebender Sachverhalt fest und war der Beamte – wie die Disziplinaranwaltschaft richtig ausgeführt hat – im Sinne des Offizialprinzips verpflichtet gewesen, entsprechend den Bestimmung des Sicherheitspolizeigesetzes Erhebungen zu pflegen und den Vorfall zu dokumentieren. Selbst wenn die Zeugin, wie sie angegeben hat, Abstand von einer Anzeige nehmen wollte, ist dies im Sinne des Offizialprinzips beim Verdacht einer Körperverletzung unerheblich und hätte dann der Beamte zumindest einen Bericht nach § 100 Abs. 3a StPO an die Staatsanwaltschaft legen müssen. Entgegen der Ansicht der Verteidigung ist daher diesbezüglich die Begehung einer Dienstpflichtverletzung gegeben. Er hat damit nicht die ihm obliegenden Aufgaben aus eigenem unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung gewissenhaft und engagiert erfüllt und hat er überdies die Bestimmung der Allgemeinen Polizeidienstrichtlinie nicht erfüllt, von welcher er einräumte, den Inhalt der in Rede stehenden Bestimmung gekannt zu haben.
Die Schuld-und Straffrage war daher zu bejahen. Dem Beamten ist zumindest bedingt vorsätzliche Begehung vorwerfbar.
Unbeachtlich in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass im Endeffekt die gegen den Nachbarn der Belastungszeugin erstattete Anzeige zu keiner Verurteilung desselben führte. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Vorfallzeitpunkt und hätte der Beamte damals tätig werden müssen. Es ist jedoch der Ansicht der Disziplinaranwaltschaft, wonach der Beamte sich geweigert hatte, eine Anzeige aufzunehmen, entgegen zu treten. Der Zeuge D.D. gab diesbezüglich befragt an, dass er nicht glaube, dass der Beamte dies verweigert hat. Im Strafverfahren gab der angeführte Zeuge sogar zu Protokoll, dass der Beamte dezidiert nicht bekundet hatte, keine Anzeige aufzunehmen.
Ad Punkt 2.)
Diesbezüglich wurde seitens der Staatsanwaltschaft N.N. ebenso das Ermittlungsverfahren wegen § 302 StGB gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt. Auch in diesem Fall stand die Verletzung von Bestimmungen des Beamtendienstrechtsgesetzes im Raum. Der Beamte bestätigte auch in diesem Fall die entsprechende Bestimmung der Exekutivdienstrichtlinie gekannt zu haben. Seine Rechtfertigung, wonach die Kollegin B.B. nur von einem Funkspruch nicht jedoch von einem Einsatz wegen Morddrohung gesprochen hat, vermag ihn jedoch nicht zu exkulpieren ebenso wenig die Aussage, wonach es üblich sei, der Landesleitzentrale mitzuteilen, dass sich die Streife in der Bereithaltezeit befindet und diese zu ersuchen, eine andere Streife mit dem Einsatz zu befassen. Letztere Aussage wurde überdies widerlegt durch die Angaben des Zeugen I.I., stellvertretender Polizeiinspektionskommandant N.N., der betonte, dass seit der Landesleitzentralenreform (ELKOS), welche Ende 2019/Anfang 2020 umgesetzt worden ist, von der Landesleitzentrale abgesetzten Funksprüchen jedenfalls Folge zu leisten ist. Der Landesleitzentrale ist aufgrund der Statustaste erkennbar, ob sich eine Streife im Bereithaltemodus befindet und wird die örtlich zuständige Streife beauftragt. Mag es vor dieser Umsetzung üblich gewesen sein, dass eine sich in Bereithaltezeit befindliche Streife um Übernahme eines Einsatzes durch eine aktive Streife ersuchen konnte und dem – was aber vom “ good will“ des Funksprechers abhing – von der Landesleitzentrale entsprochen wurde, war es seitdem üblich, dass zusätzlich zur örtlich zuständigen Streife eine andere sich zur Unterstützung anbieten konnte. Unmaßgeblich ist, ob die Statustaste 6 oder 2 aktiviert war, zumal beide Statustasten der Landesleitzentrale signalisieren, dass die Einheit sich in der Bereithaltezeit befindet. Dass dem so ist, ist auch durch die Kopie der Einsatzchronologie vom Bezug habenden Tag, verifiziert, nämlich durch das Kürzel DP. Die Zeugin B.B. hat auch bestätigt, dass sie beim Einrücken in die Bereithaltezeit die Statustaste 6 aktiviert hatte. Wie die Zeugin erläuterte, hatte sie den Funkspruch entgegengenommen und den Einsatz bereits übernommen, wobei sie auch mitbekommen hat, dass ein weiterer Funkwagen zum Einsatzort beordert worden ist. Gegenständliche Angaben erfahren ihre Bestätigung durch das im Akt aufliegende Einsatzprotokoll. Den Exekutivdienstrichtlinien zufolge sind jedoch Anweisungen der Landesleitzentrale Folge zu leisten hat. Dabei ist der Einsatzgrund nicht von Bedeutung. Wenn der Beamte ins Treffen führt, aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits absolvierten siebzehn stündigen Dienstes in Kombination mit dem aufgrund seiner Rückenschmerzen eingenommenen Schmerzmittels übermüdet gewesen zu sein, ist für ihn hiermit nichts gewonnen. Dass der Beamte nach siebzehn Stunden Dienst müde ist, ist zwar nachvollziehbar. Dennoch kommt diesem Umstand keine schuld-befreiende Wirkung zu. Die Art des von ihm ausgeübten Berufes bringt es nun mal mit sich, dass er mitunter trotz Müdigkeit dienstlichen Aufträgen nachkommen muss. Er selbst räumt ein, nicht ausgefahren zu sein, womit es als erwiesen anzunehmen ist, dass er einer seitens der Landesleitzentrale erteilten Anordnung keine Folge geleistet und damit den Bestimmungen der Exekutivdienstrichtlinie zuwidergehandelt hat.
Die Schuld-und Straffrage war daher zu bejahen, wobei dem Beamten vorsätzliches Vorgehen zur Last gelegt werden muss.
Ad Punkt 3.)
Nachdem der Beamte nicht ausgefahren ist, ist er auch nicht seiner im § 21 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz verankerten Verpflichtung, einen gefährlichen Angriff im Sinne des
§ 16 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz ein Ende zu setzen, nachgekommen.
Sohin hat er es unterlassen, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung aus eigenem gewissenhaft und engagiert zu erfüllen. Sein Verhalten ist überdies objektiv geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner Aufgaben zu beeinträchtigen, vermittelt er doch damit den Eindruck, sein Wohl-befinden über den Anspruch der Bevölkerung, im Ernstfall Schutz und Hilfe durch die Polizei erfahren zu können, zu stellen. Der Beamte hat sich bewusst entschieden, nicht auszufahren, weshalb er vorsätzlich gehandelt hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Strafbemessung
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienst-pflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflicht-verletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienst-leistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Beamten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflicht-verletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Bei den vom Beamten begangenen Dienstpflichtverletzungen handelt es sich um schwere, zumal die Befolgung von Weisungen zu einer Säule einer funktionierenden Verwaltung zählt.
Nachdem sein Vorgesetzter, Inspektionskommandant J.J., ihn als einen Beamten beschreibt, der immer noch zu privaten Negativbewertungen dienstlicher Vorgaben/Befehle neigt, erscheint bereits aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer Strafe angezeigt.
Diese Einschätzung erfährt ihre Bekräftigung durch die von J.J. verfasste Beschreibung der Einstellung des Beamten zum Dienst. Wenngleich er - unter dem Eindruck des anhängigen Disziplinarverfahrens - sich nunmehr, wie betont wurde, „auffällig“ wohlverhalten dürfte, lässt er derselben zufolge dennoch jegliches proaktive Engagement am Dienst vermissen.
Aus generalpräventiven Gründen ist jedenfalls unumgänglich, Kollegen zu verdeutlichen, dass ein derartiges Fehlverhalten unhaltbar ist und bedingungslos sanktioniert wird.
Im Sinne des § 93 Abs. 2 BDG wurde die ad Punkt 2.) dem Beamten zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung als die schwerere gewertet und danach die Strafe bemessen. Die weiteren Dienstpflichtverletzungen wurden als Erschwerungsgrund gewertet.
Als Milderungsgrund war seine bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit zu werten.
Der Senat erachtete die Strafe im umseits erkannten Ausmaß für tat- und schuldangemessen, wobei bei der Strafbemessung auch seine finanziellen Verhältnisse berücksichtigt wurden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2022