TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/7 W140 2211302-22

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80 Abs4

Spruch


W140 2211302-22/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.07.2020, XXXX , wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist (Spruchteil A). Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig (Spruchteil B).

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

„Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im Jahr 2006 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.09.2008 wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 22.02.2016 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Gleichzeitig wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist.

3. Am 08.11.2018 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft neuerlich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (Folgeantrag). Mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.12.2018 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben, woraufhin das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11.12.2018 feststellte, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig sei. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichts vom 12.03.2019 abgelehnt. Die in weiterer Folge erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.05.2019 zurückgewiesen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.12.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Der BF wurde von 07.12.2018 bis 03.06.2019 in Schubhaft angehalten.

5. Mit Bescheid vom 09.05.2019 wies das Bundesamt den (zweiten) Antrag des BF auf internationalen Schutz in Österreich wegen entschiedener Sache zurück und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem BF nicht gewährt.

6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.04.2019, 30.04.2019 und 24.05.2019 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechter-haltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist. Dieser Bescheid wurde dem BF am 10.05.2019 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

7. Am 03.06.2019 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen und zwecks Vollziehung der mit Urteil eines Bezirksgerichtes über ihn verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von einem Monat in eine Justizanstalt überstellt.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.07.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung angeordnet.

Nach Entlassung aus der Strafhaft am 03.07.2019 wurde der Schubhaftbescheid in Vollzug gesetzt. Seither wird der BF in Schubhaft angehalten.

9. Am 11.07.2019 erhob der BF Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 01.07.2019, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.07.2019 abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

10. Mit Bescheid vom 30.07.2019 erteilte das Bundesamt dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Unter einem erließ das Bundesamt gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot und erkannte einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.09.2019 abgewiesen.

11. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2019, 20.11.2019, 11.12.2019, 08.01.2020, 30.01.2020, 25.02.2020 und 23.03.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

12. Mit Schreiben vom 06.03.2020 stellte der BF durch seinen Rechtsvertreter Anträge auf Wiederaufnahme der mit den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vom 09.04.2018 und 11.12.2018 abgeschlossenen asylrechtlichen Verfahren. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2020 wurde dieser Antrag hinsichtlich des mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.2018 abgeschlossenen Verfahrens zurückgewiesen, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.04.2020 wurde der Antrag hinsichtlich des mit Erkenntnis vom 09.04.2018 abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen.

13. Mit Schriftsatz vom 27.03.2020 erhob der BF Beschwerde gegen seine Anhaltung in Schubhaft, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.04.2020 abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

14. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.04.2020, 18.05.2020 und 15.06.2020 wurde wiederum festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

15. Das Bundesamt legte am 06.07.2020 fristgerecht die Akten neuerlich gemäß §22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor und verwies in einer ausführlichen Stellungnahme insbesondere auf das Vorverhalten des BF, seine fehlende Kooperationswilligkeit sowie die vom Bundesamt unternommenen Bemühungen im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.15. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, diese wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2019 erlassen – die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.09.2019 abgewiesen.

2.3. Der BF wurde von 07.12.2018 bis 03.06.2019 in Schubhaft angehalten. Am 03.06.2019 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen und trat eine gerichtliche Haftstrafe an. Seit der Entlassung aus der Strafhaft am 03.07.2019 befindet sich der BF wiederum in Schubhaft.

2.4. Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

3.1.1. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 05.08.2011 wurde der BF als junger Erwachsener wegen des Vergehens der Hehlerei gemäß § 164 Abs. 2 Strafgesetzbuch – StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt.

3.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 22.09.2015 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 2 Z 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG im Tatzeitraum Frühjahr 2014 bis April 2015 in einem das 15-fache der Grenzmenge überschreitenden Ausmaß zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.

3.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 27.02.2017 wurde der BF wegen des Verbrechens der Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB sowie des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke gemäß § 278e Abs. 2 StGB (unter Bedachtnahme auf eine vorangegangene Verurteilung) zu einer unbedingten Zusatz-freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt. Der BF hat sich während eines näher genannten Zeitraumes in den Jahren 2013 und 2014 an einem näher genannten Ort in Syrien und in anderen Orten als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese oder deren strafbare Handlungen fördert (§ 278 Abs. 3 StGB), indem er in ein Ausbildungslager einer näher genannten Gruppierung reiste, sich dort einer terroristischen Ausbildung unterzog und bis zu seiner Rückkehr nach Österreich an Kampfhandlungen dieser terroristischen Vereinigung, unter anderem am Angriff auf ein näher genanntes Gebäude, teilnahm und sich zu Beginn der oben angeführten Tathandlung etwa einen Monat lang in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoff, Schuss- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder in einer anderen ebenso schädlichen oder gefährlichen spezifisch zur Begehung einer terroristischen Straftat nach § 278c Abs. 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB geeigneten Methode oder einem solchen Verfahren unterweisen ließ, um eine solche terroristische Straftat unter Einsatz der erworbenen Fähigkeiten zu begehen, indem er in dieser Zeit eine Ausbildung in einem Lager einer näher genannten Gruppierung in einem Ort in Syrien absolvierte, wobei er im Gebrauch von Schusswaffen geschult wurde.

3.1.4. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 03.04.2018 wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt. Der BF hat eine näher genannte Person in einer näher genannten Justizanstalt am Körper verletzt, indem er dieser Person einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte, wodurch sich die Person eine Prellung des linken Augapfels und eine Rissquetschwunde an der linken Augenbraue zuzog.

3.1.5. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 04.03.2019 wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Monat rechtskräftig verurteilt. Dabei wurde das reumütige Geständnis mildernd und die überaus brutale Vorgangsweise erschwerend gewertet.

3.2. Der BF ist ein islamistischer Extremist, der der Salafistenszene zuzurechnen ist. Der BF und seine Brüder befürworten den IS (islamischer Staat – gelistete Terrororganisation).

3.3. Der BF hat wiederholt gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen; hervorzuheben ist:

Er wurde etwa im Jahr 2012 vier Mal rechtskräftig wegen Geschwindigkeitsübertretungen, sieben Mal wegen Abgabenverkürzung nach dem Parkometergesetz, einmal wegen Über-holens, einmal wegen Fahrens auf Gehwegen, drei Mal wegen Missachtung des Park- und Halteverbots, zwei Mal wegen Fahrens ohne Führerschein, drei Mal nach dem Kraftfahrgesetz wegen der Fahrzeugzulassung und einmal wegen der Verletzung der Ausweispflicht nach dem Fremdenpolizeigesetz verwaltungsbehördlich bestraft. Da er die verhängten Geldstrafen nicht beglich, wurden über ihn Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

Im Jahr 2013 wurde der BF neuerlich einmal wegen Geschwindigkeitsübertretung, fünf Mal wegen Abgabenverkürzung nach dem Parkometergesetz, zwei Mal wegen Missachtung des Park- und Halteverbots, sechs Mal nach dem Kraftfahrgesetz wegen der Fahrzeugzulassung und einmal wegen Störung der öffentlichen Ordnung verwaltungsbehördlich bestraft. Da er die verhängten Geldstrafen nicht beglich, musste er neuerlich Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen.

Der BF wurde in den Jahren 2014 und 2015 einmal rechtskräftig wegen der Überlassung des Fahrzeuges an eine Person ohne erforderliche Lenkberechtigung, einmal wegen Fahrens ohne Führerschein, einmal wegen Verletzung der Höchstgeschwindigkeit, einmal wegen Missachtung des Park- und Halteverbots, einmal wegen Verletzung des Meldegesetzes, drei Mal wegen Verweigerung der Lenkerauskunft nach dem Kraftfahrgesetz und zwei Mal wegen Missachtung der Pickerlpflicht verwaltungsbehördlich bestraft.

Im Jänner 2015 ersuchte eine Landespolizeidirektion um die Einziehung des Konventions-reisepasses des BF wegen des Verdachts der Verbindung zum islamischen Extremismus/Terrorismus. Der Konventionsreisepass wurde schließlich im Zuge einer Ver-kehrskontrolle eingezogen.

3.4. Darüber hinaus wurde der BF während seiner Anhaltung in Haft wegen mehrfachen Fehlverhaltens bestraft bzw. ermahnt. So wurde etwa in der Zelle des BF wiederholt ein Mobiltelefon aufgefunden.

3.5. In Österreich leben die Ehefrau des BF sowie seine Eltern und Geschwister. Der BF befand sich in den vergangenen Jahren durchgehend in Haft und hat daher in den vergangenen Jahren weder mit seiner nunmehrigen Ehefrau noch mit den anderen Verwandten im gemeinsamen Haushalt gelebt. Die genannten Angehörigen konnten den BF auch nicht von seinen schweren Straftaten und den weiteren zahlreichen Verstößen gegen die österreichische Rechtsordnung abhalten.

3.6. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird er untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.7. Am XXXX wurde ein Heimreisezertifikatsverfahren betreffend den BF bei der russischen Botschaft eingeleitet. XXXX wurde der BF bei der russischen Botschaft interviewt. Er war jedoch nicht kooperativ und weigerte sich Fragen zu beantworten und seine Identität bekannt zu geben.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats sowie die neuerliche Durchführung eines Interviews wurden mehrfach vom Bundesamt urgiert.

Mit Schreiben vom XXXX gab das Ministerium für innere Angelegenheiten der Russischen Föderation bekannt, dass eine Übernahme des BF vorläufig abgelehnt wird, da in den Registern des Innenministeriums von Russland kein Foto des BF vorhanden ist und die Identität des BF nicht feststeht. Die Botschaft teilte mit, dass für eine Identifizierung des BF eine schriftliche Bestätigung eines nahen Verwandten, der in den jeweiligen Registern des Innenministerium eingetragen ist, benötigt werde. Bei Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Mutter des BF sowie Bekanntgabe deren Telefonnummer und Vorlage eines Fotos des BF wäre eine Identifizierung möglich.

Die Mutter des BF wohnt in Österreich. Diese wurde mittels Bescheid zu einem Termin beim Bundesamt geladen. Diese konnte den Termin jedoch wegen einer Erkrankung nicht wahrnehmen.

Der Vater des BF wurde für den XXXX zum Bundesamt geladen, erschien jedoch nicht, da er erkrankt sei. Der Vater des BF wurde neuerlich für den XXXX zum Bundesamt geladen, erschien aus gesundheitlichen Gründen auch zu diesem Termin nicht und teilte dem Bundesamt mit, dass er weder bereit noch dazu verpflichtet sei, bei der Identifizierung seines Sohnes mitzuwirken.

Am XXXX fand ein neuerliches Interview des BF durch eine Delegation der russischen Vertretungsbehörde statt. Der BF weigerte sich erneut mitzuwirken.

Am XXXX erfolgte durch das Bundesamt ein Amtshilfeersuchen an ein Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zwecks Mitteilung von Erkenntnissen und Identitätsfeststellung. Dieses ergab, dass der BF und seine Familie unzweifelhaft aus einer russischen Teilrepublik stammen würden.

Am XXXX wurde ein Ansuchen an die Botschaft der Republik Georgien betreffen die Ausstellung eines Heimreisezertifikats gestellt, bei dem diesbezüglichen Interview verweigerte der BF wiederum die Beantwortung der an ihn gestellten Fragen.

In den Verfahrensakten des Bundesamtes die Familienangehörigen des BF betreffend konnten keine Originaldokumente vorgefunden werden, die eine Identifizierung des BF ermöglichen.

Mit Verfügung vom XXXX erließ die zuständige Behörde in der Schweiz gegen den BF ein – neuerliches – Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren. Das Bundesamt stellte am XXXX aufgrund dieses Einreiseverbotes für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein ein Amtshilfeersuchen an das Bundesamt für Polizei (fedpol) in XXXX , ob eventuell Dokumente oder persönliche Schriftstücke des BF vorliegen, welche bei der Botschaft der Russischen Föderation zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats verwendet werden könnten. Eine diesbezügliche Antwort ist noch ausständig.

3.8. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich. Diese verzögert sich, da der BF nicht mit den Behörden zusammenarbeitet, um eine Abschiebung zu verhindern. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des BF.

3.9. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 15.06.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes, den Akt des Asylgerichtshofes das Asylverfahren des BF betreffend sowie in die Akten des Bundes-verwaltungsgerichtes die Asyl-, die Schubhaftverfahren sowie das Verfahren zur Erlassung eines Einreiseverbotes den BF betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, den oben genannten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Die Anträge des BF auf internationalen Schutz wurden rechtskräftig abgewiesen bzw. zurückgewiesen. Der BF ist daher weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben.

1.3. Die Feststellungen zu den erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus den vorgelegten Bescheiden und insbesondere auf den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2019 betreffend.

Dass der BF von 07.12.2018 bis 03.06.2019 und seit 03.07.2019 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft und etwa dadurch belegt, dass er am 23.09.2019 in einem Zahnambulatorium behandelt wurde.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des BF. Die auszugsweise festgestellten Verstöße des BF gegen die österreichische Rechtsordnung hat bereits das Bundesamt im Bescheid vom 01.07.2019 festgehalten. Diese ergeben sich zum Teil auch aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie dem Akteninhalt und sind überdies unstrittig.

2.2. Die Feststellungen zu den in Österreich aufhältigen Familienangehörigen des BF ergeben sich aus den Angaben des BF vor dem Bundesamt (vgl. etwa Seite 4 der Niederschrift vom 03.12.2018).

Dass sich der BF in den vergangenen Jahren durchgehend in Haft befand und in den vergangenen Jahren weder mit seiner nunmehrigen Ehefrau noch mit den anderen Verwandten im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister in Zusammenschau mit einer Einsichtnahme in das Strafregister.

Die genannten Angehörigen konnten den BF auch nicht von seinen schweren Straftaten und den weiteren, zahlreichen Verstößen gegen die österreichische Rechtsordnung abhalten. Es kann nicht von einem aufrechten, gefestigten Familienleben des BF in Österreich ausgegangen werden.

2.3. Dass der BF nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des BF, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie auch seinem Verhalten während der Haft. Dass er nicht bereit ist, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren oder am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung mitzuwirken, hat er selbst angegeben; dies geht etwa auch aus dem Bericht über den Termin in der Konsularabteilung der Botschaft der Russischen Föderation hervor.

Konkret wurde der BF am XXXX bei der russischen Botschaft interviewt. Er war jedoch nicht kooperativ und weigerte sich Fragen zu beantworten und seine Identität bekannt zu geben. Auch bei einem neuerlichen Interview am XXXX vor einer Delegation der russischen Vertretungsbehörde verweigerte der BF seine Mitwirkung.

Das Gericht geht unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des BF davon aus, dass der BF bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

2.4. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt, aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen sowie aus der Stellungnahme vom 06.07.2020. Sobald ein Heimreisezertifikat vorliegt, erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des BF.

2.5. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 15.06.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung(…)

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren bei der russischen Botschaft eingeleitet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde vom Bundesamt bereits mehrfach urgiert und fand zuletzt am XXXX ein weiteres Interview des BF statt. Auch bei der georgischen Vertretungsbehörde wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet, ein Interviewtermin fand bereits statt. Sobald ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt wird, erfolgt zeitnah eine Abschiebung des BF. Auf Grund der vom Bundesamt gepflogenen umfangreichen Bemühungen ein Heimreisezertifikat zu erlangen ist daher mit einer Abschiebung des BF zu rechnen.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG aus.

Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der BF konnte weder durch seine Familienangehörigen noch durch Strafhaften zu einem rechtskonformen Verhalten bewegt werden. Der BF weigert sich das österreichische Bundesgebiet freiwillig zu verlassen.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem BF ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Es steht außer Streit, dass der BF familiäre Bezugspunkte in Österreich aufweist. Es ist aber gerade dieses familiäre Umfeld, welches umso mehr die kriminelle Laufbahn des BF als bedenklich scheinen lässt, sodass vor dem Hintergrund einer notwendigen Gesamtschau die Begehung weitere Delikte in Freiheit zu erwarten ist; dies umso mehr, als nicht einmal die Anhaltung in Strafhaft den BF davon abhielt und er insbesondere auch während seiner Anhaltung in Haft weitere Straftaten begangen hat.

Das Bundesamt hat nach Rechtskraft der aufenthaltsbeendenden Maßnahme umgehend ein Heimreisezertifikatsverfahren gegen den BF eingeleitet. Das Bundesamt hat die Ausstellung eines Heimreisezertifikats regelmäßig urgiert und somit auf eine besonders kurze Anhaltung in Schubhaft hingewirkt. Darüber hinaus wurden vom Bundesamt zahlreiche weitere Verfahrenshandlungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF gesetzt.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF wurde wegen mehrerer Verbrechen und insbesondere wegen Verbrechen im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Vom BF geht daher in besonderem Maße eine hohe Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Diese Gefahr manifestiert sich zusätzlich durch die weiteren wiederholten Straftaten (Hehlerei, Körperverletzung, Delikte nach dem Suchtmittelgesetz), die zu strafgerichtlichen Verurteilungen des BF geführt haben. Besonders hervorzuheben ist dabei auch der Umstand, dass der BF nicht einmal durch bereits vollzogene Strafhaften von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abgehalten werden konnte. Es besteht daher insgesamt ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bedingt. Dass sich die Erlangung dieses Dokumentes verzögert, ist dem Verhalten des BF zuzurechnen, da er wiederholt an seiner Identitätsfeststellung nicht mitgewirkt hat und mit den Behörden nicht kooperiert. Es obliegt dem BF durch eine Kooperation mit den Behörden und Mitwirkung bei seiner Identitätsfeststellung die Dauer der Schubhaft möglichst kurz zu halten.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er sich behördlichen Verfahren entzieht und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt umgehend eine Abschiebung des BF. Die Ausstellung des Heimreisezertifikats scheint derzeit wahrscheinlich, insbesondere auch auf Grund der Bemühungen des Bundesamtes im Rechtshilfeweg Dokumente der schweizer Behörden zum Nachweis der Identität des BF zu erlangen. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 03.07.2019 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig.

3.1.7. Der BF wird derzeit auf Grund des Schubhaftbescheides vom 01.07.2019 In Schubhaft angehalten. Dieser Bescheid wurde vom Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung erlassen. Das Verfahren zur Erlassung der genannten aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde mit Parteiengehör des Bundesamtes vom 17.06.2019 eingeleitet. Im Zeitpunkt der Einleitung dieses Verfahrens wurde der BF nicht in Schubhaft, sondern in gerichtlicher Strafhaft zum Vollzug der mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 04.03.2019 verhängten Freiheitsstrafe von einem Monat angehalten.

Unmittelbar vor Vollzug der genannten gerichtlichen Strafhaft wurde der BF von 07.12.2018 bis 03.06.2019 in Schubhaft angehalten. Dieser Schubhaft lag der Bescheid des Bundesamtes vom 06.12.2018, der auf Grundlage des § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung erlassen wurde, zu Grunde. Im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war der BF auf Grund seines am 08.11.2018 gestellten Antrages auf internationalen Schutz Asylwerber. Dieses Asylverfahren wurde durch den Bescheid des Bundesamtes vom 09.05.2019, dem BF am 10.05.2019 zugestellt, in erster Instanz rechtskräftig – negativ – abgeschlossen.

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist, eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt, der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Da es sich bei der seit 01.07.2019 angeordneten Schubhaft dem angeordneten Zweck nach um die Sicherung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens – zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – handelt und die zeitlich davor liegende Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen eines Asylverfahrens angeordnet war, geht das erkennende Gericht davon aus, dass die nunmehrige Anhaltung des BF in Schubhaft nicht wegen desselben Sachverhaltes erfolgt, wegen dem er bereits von 07.12.2018 bis 03.06.2019 in Schubhaft angehalten worden ist.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.8. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.9. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.(…)“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 03.08.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) verwies in einer ausführlichen Stellungnahme insbesondere auf das Vorverhalten des BF, seine fehlende Kooperationswilligkeit sowie die vom BFA unternommenen Bemühungen im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF.

Am 05.08.2020 übermittelte das BFA folgende ergänzende Stellungnahme:

„Mit Erkenntnis des BVwG vom 13.07.2020, Zahl XXXX wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Am 22.11.2019 hat ein allgemeines Treffen der EU-Mitgliedsstaaten mit dem Russischen Migrationsdienst in Brüssel stattgefunden, bei dem in Gesprächen zwischen dem Migrationsdienst und der Europäischen Kommission eine Lösung zur Klärung von Problemfällen angestrebt wurde. Es wurden durch das BMI, XXXX , beim Russischen Migrationsdienst die bestehenden Probleme angesprochen und Unterlagen übergeben.

Auf Grund dessen konnte erwirkt werden, dass die Botschaft der Russischen Föderation einem Ansuchen des BFA für ein 2. Interview zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für Herrn XXXX zustimmte.

Bei diesem Interview am XXXX zur Identfizierung weigerte sich Herr XXXX jedoch erneut mitzuwirken und machte keine Angaben zu seiner Person oder Herkunft.

Die Botschaft ersuchte nun das BFA, nach Möglichkeit das Original des Reisepasses der Mutter, in der die Kinder eingetragen sind, vorzulegen. Es würde das Foto im Reisepass von XXXX mit seinem aktuellen Foto verglichen werden, um ihn dadurch identfizieren zu können. Der Reisepass sollte sich bei der Mutter, Frau XXXX , befinden. Eine Kopie dieses Reisepasses liegt beim BFA auf.

Die Exekutive wurde daher durch das BFA beauftragt, bei Frau XXXX in deren Wohnung in XXXX Nachschau zu halten. Laut Mitteilung vom 29.03.2020 der Fremdenpolizei in XXXX ist Frau XXXX nach deren Aussage jedoch seit dem Jahre 2006 nicht mehr in Besitz dieses russischen Reisepasses. Sie gab an, diesen Reisepass damals bei der Asylantragstellung beim Bundesasylamt in XXXX abgegeben und nicht mehr zurückbekommen zu haben. Nach umfangreichen Recherchen durch das BFA und nochmaliger Durchsuchung des Papieraktes von Frau XXXX konnte das Original des Reisepasses nicht aufgefunden werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Reisepass seitens des Bundesasylamtes im Jahre 2006 einbehalten wurde. Dieser sollte sich daher noch bei Frau XXXX befinden, was jedoch bestritten wird.

Da eine Vorlage des Originals des Russischen Reisepasses der Mutter des BF bei der Russischen Botschaft aus heutiger Sicht nicht möglich ist, wird seitens des BFA am XXXX bei der Botschaft nochmals die vorhandene Kopie des Reisepassses von Frau XXXX vorgelegt mit dem Ersuchen, die Daten zu überprüfen (Fotoabgleich).

Das BFA führt aktuell erneute Gespräche mit der Botschaft der Russischen Föderation und ersucht diese um Bekanntgabe der weiteren Vorgangsweise.

Im konkreten Fall liegt es gänzlich in der Hand des Fremden, die Erlangung eines Heimreisezertifikates im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht zu ermöglichen und dadurch die laufende Schubhaft so kurz als möglich zu halten. Es kann nicht sein, dass der Fremde durch Verstoß gegen ihn treffende Mitwirkungspflichten bzw. durch Fehlinformationen der Behörden gegenüber insofern einen Vorteil ziehen kann, als dadurch eine rechtmäßige Abschiebung von vornherein unmöglich gemacht wird. Durch ein rechtmäßiges Alternativverhalten würde zu jeder Zeit des Verfahrens die Möglichkeit bestehen, dieses wesentlich zu verkürzen und eine ehebaldigste Beendigung der Schubhaft durch Ausreise in seinen Herkunftsstaat zu erreichen. Tut er dies nicht, so ist ihm nach Ansicht ho. Behörde das angemessene Zuwarten einer Klärung im Stande der Schubhaft zumutbar (so auch BVwG 24.2.2017, XXXX ).

Der Genannte ist überdies weiterhin haftfähig. Ein aktueller Ambulanzbefund des Universitätsklinikums Salzburg vom 30.09.2019 stellt die Diagnose, dass der Genannte zwar an Durchschlafstörungen leidet, ansonsten jedoch einen unauffälligen psychischen Status aufweist. Der Genannte wünscht überdies keine Psychopharmaka.

Der Genannte befindet sich derzeit im PAZ XXXX in Schubhaft.

Zusammengefasst gelangt die Behörde somit zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.

Entsprechend des bisherigen Verhaltens des BF begründen die im Schubhaftbescheid ausführlich dargelegten Kriterien eine Fluchtgefahr und gefährdet der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 FPG.

Seitens des Bundesamtes war aus dem bisherigen Verhalten des BF jedenfalls deutlich erkennbar, dass dieser keinesfalls vertrauenswürdig ist und die begründete Annahme besteht, dass er seiner Ausreiseverpflichtung selbstständig und freiwillig nicht nachkommen wird.

Wie bereits ausführlich dargelegt, besteht im konkreten Fall aufgrund der persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund des bisherigen Verhaltens ein hohes Risiko des Untertauchens. Zur Sicherung der Abschiebung ist daher die Schubhaft über den Zeitraum von 4 Monaten aufrecht zu halten.“


Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Die vom Bundesverwaltungsgericht im angeführten Erkenntnis übernommenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. zu den Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Der BF wird derzeit aufgrund des Schubhaftbescheides vom 01.07.2019 in Schubhaft angehalten. Dieser Bescheid wurde vom BFA gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung erlassen. Das Verfahren zur Erlassung der genannten aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde mit Parteiengehör des BFA vom 17.06.2019 eingeleitet. Im Zeitpunkt der Einleitung dieses Verfahrens wurde der BF nicht in Schubhaft, sondern in gerichtlicher Strafhaft zum Vollzug der mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 04.03.2019 verhängten Freiheitsstrafe von einem Monat angehalten.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Es sind auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Vorerkenntnis abweichenden und für die Freilassung des BF sprechenden Sachverhaltes führen könnten, sodass die vom BF zu verantwortende Schubhaft weiter fortzusetzen ist.

Mit Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 07.08.2020 wurde die Haftfähigkeit des BF bestätigt. Es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis. Auch die Feststellungen des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Hinsichtlich der vom Vorerkenntnis übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche Beweiswürdigung zu verweisen. Die Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den BF sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist ergibt sich als Konsequenz daraus.

Dass der BF nicht bereit ist, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren oder am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung mitzuwirken, hat er selbst angegeben; dies geht etwa auch aus dem Bericht über den Termin in der Konsularabteilung der Botschaft der Russischen Föderation hervor. Konkret wurde der BF am XXXX bei der Russischen Botschaft interviewt. Er war jedoch nicht kooperativ und weigerte sich Fragen zu beantworten und seine Identität bekannt zu geben. Auch bei einem neuerlichen Interview am XXXX vor einer Delegation der russischen Vertretungsbehörde verweigerte der BF seine Mitwirkung.

Das Gericht geht unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des BF davon aus, dass der BF bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) bemüht. Ein HRZ-Verfahren mit der Russischen Botschaft ist im Laufen. Seitens des BFA wird am XXXX bei der Russischen Botschaft nochmals die vorhandene Kopie des Reisepasses der Mutter des BF - mit dem Ersuchen die Daten zu überprüfen / Fotoabgleich - vorgelegt. Das BFA führt aktuell erneute Gespräche mit der Russischen Botschaft.


3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. – Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten