Entscheidungsdatum
04.10.2021Norm
ArbVG §109Spruch
W121 2240095-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Erika ENZLBERGER-HEIS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH, Fleischmarkt 1/3. Stock, 1010 Wien, gegen den Bescheid der XXXX des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , betreffend die Errichtung einer Schlichtungsstelle und Bestellung des Vorsitzenden und der Beisitzer dieser Schlichtungsstelle gemäß §§ 29 iVm 97 Abs 1 Z 4 und 109 ArbVG, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Antrag vom XXXX begehrte der Betriebsrat für das fliegende Personal der XXXX (in der Folge als Antragsteller bzw. mitbeteiligte Partei bezeichnet) bei der XXXX des Landesgerichts XXXX (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) die Errichtung einer Schlichtungsstelle gemäß § 144 ff Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß §§ 97 Abs 1 Z 4 iVm 109 ArbVG. Neben der Nominierung der Arbeitnehmer-Beisitzer wurde XXXX als Vorsitzender namhaft gemacht.
Mit Bekanntgabe vom XXXX sprach sich die XXXX (in der Folge als Antragsgegnerin bzw. Beschwerdeführerin bezeichnet) gegen die Errichtung der beantragten Schlichtungsstelle aus und wendete im Wesentlichen ein, bei der Beschwerdeführerin bestehe aufgrund einer nichtigen Betriebsratswahl vom XXXX wegen mehrerer gröberer Verletzungen von Grundsätzen des österreichischen Rechts kein Betriebsrat. Der zuletzt rechtswirksam gewählte Betriebsrat sei am XXXX zurückgetreten. Im Übrigen würden die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Sozialplan nicht vorliegen. Zum begehrten Abschluss eines Sozialplans wendete die Beschwerdeführerin ein, dass die Behauptung des Antragstellers wonach die Basis am XXXX geschlossen werden solle, unrichtig sei, da die XXXX wiedereröffnet werde. Lediglich eine kleine Minderheit der XXXX die die neuen Bedingungen des Kollektivvertrages/Bedingungen und Bestimmungen vom XXXX nicht akzeptiert hätten, seien gekündigt worden. Ungeachtet der mangelnden Aktivlegitimation des Antragstellers, sei auch die materiell rechtliche Voraussetzung, nämlich, dass ein wesentlicher Teil der Beschäftigten von den Änderungen (Kündigungen) betroffen sei, nicht erfüllt.
Die mitbeteiligte Partei bestritt das Vorbringen der Beschwerdeführerin und brachte im Wesentlichen vor, dass die Betriebsratswahl vom XXXX nicht nichtig sei. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, wonach auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Abschluss eines Sozialplans gar nicht vorliegen würden, gab die mitbeteiligte Partei an, dass es zwar richtig sei, dass - entgegen der ursprünglichen Androhung - die Beschwerdeführerin die XXXX nicht geschlossen habe. Tatsächlich sei es aber zu einer Einschränkung des Betriebs sowie zu „Massenkündigungen“ gekommen.
Mit Schriftsatz XXXX brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der XXXX betrieb der Beschwerdeführerin in XXXX zur Gänze eingestellt worden sei. Mangels XXXX betriebs bzw. aktiven XXXX personals seien die Voraussetzungen für den Abschluss eines Sozialplans nicht mehr gegeben.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid der XXXX des Landesgerichts XXXX (belangte Behörde) vom XXXX wurde über Antrag der mitbeteiligten Partei eine Schlichtungsstelle zur Entscheidung einer Streitigkeit über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß §§ 29 iVm 97 Abs 1 Z 4 und 109 ArbVG errichtet. Als Vorsitzender wurde der Richter des Landesgerichts XXXX , XXXX , bestellt. Als Beisitzer wurden XXXX bestellt.
Zusammenfassend wurde im genannten Bescheid festgehalten, dass beim Landesgericht XXXX als Arbeits- und Sozialgericht bereits Entscheidungen zur Frage einer allfälligen auch hier zu beurteilenden Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom XXXX ergangen seien. In beiden Verfahren ( XXXX verbunden mit XXXX Vorfrage bzw XXXX ) sei die behauptete Nichtigkeit der Wahl (noch nicht rechtskräftig) verneint worden. Gemäß § 60 ArbVG könne die Nichtigkeit bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses jederzeit auch durch Klage auf Feststellung beim Gericht geltend gemacht werden. Das Urteil des Gerichts über die Nichtigkeit der Wahl habe bindende Wirkung. Die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl bewirke, dass die bereits bestehende Rechtslage deklarativ festgestellt werde (Kallab in ZellKomm3, Band 2, § 60 ArbVG, Rz 10). Die rechtzeitige Erhebung einer Berufung gegen das Urteil erster Instanz hemme gemäß § 61 Abs 1 Z 5 ASGG nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den Eintritt der Verbindlichkeit der Feststellung. Allerdings sei nur ein erstgerichtliches ein positives oder negatives Feststellungsbegehren stattgebendes Feststellungsurteil verbindlich (Neumayr in ZellKomm3, § 61 ASGG, Rz 15). Da die Frage der Nichtigkeit der Betriebsratswahl im Verfahren XXXX verbunden mit XXXX nur als Vorfrage behandelt worden sei, im Verfahren XXXX ein das erhobene negative Feststellungsbegehren abgewiesen worden sei, würden diese Urteile für den vorliegenden Rechtsstreit allerdings keine Bindungswirkung entfalten. Die Beurteilung der Nichtigkeit habe daher, wenngleich auf Grundlage der Beweisergebnisse der verlesenen Gerichtsakten, als Vorfrage neuerlich zu erfolgen.
In einer Gesamtbewertung kam die belangte Behörde sodann zu dem Schluss, dass die mitbeteiligte Partei im Rahmen einer nicht nichtigen Betriebsratswahl gewählt worden sei und daher auch zur vorliegenden Antragstellung berechtigt gewesen sei. Die Aktivlegitimation der mitbeteiligten Partei sei daher zu bejahen. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, wonach die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Sozialplan nicht vorliegen würden, sei festzuhalten, dass die XXXX des Landesgerichts den Antrag lediglich formal dahingehend zu prüfen habe, ob der Antrag von einem dazu Berechtigten gestellt worden sei und ob es sich überhaupt um eine in die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle fallende Rechtsstreitigkeit handle, widrigenfalls der Antrag auf Errichtung zurückzuweisen sei. Nur der Schlichtungsstelle selbst obliege es hingegen, über den Antrag in materieller Hinsicht zu entscheiden. Daher seien die Voraussetzungen für einen durch Entscheidung der Schlichtungsstelle zu substituierenden Sozialplan – wie das Vorliegen von Nachteilen für die Arbeitnehmerschaft durch eine Betriebsänderung – nicht bereits durch die XXXX bei der Errichtung der Schlichtungsstelle zu beurteilen. Ob die weiteren Voraussetzungen für einen Sozialplan materiell-rechtlich vorliegen, sei nicht im Rahmen des Errichtungsverfahrens, sondern erst von der Schlichtungsstelle selbst zu beurteilen. Da die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom XXXX , ausdrücklich darauf verwiesen habe, keine Beisitzer zu nominieren, seien die im Spruch ersichtlichen Beisitzer aus der Liste der Dienstgeber zu bestimmen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin XXXX fristgerecht Beschwerde und machte unter Darlegung näherer Beschwerdegründe im Wesentlichen erneut geltend, dass es keine Rechtsgrundlage für die Einsetzung einer Schlichtungsstelle gebe, da die mitbeteiligte Partei ein nichtexistierender Betriebsrat für das fliegende Personal der Beschwerdeführerin sei. Der letzte Betriebsrat sei am XXXX zurückgetreten und nicht rechtswirksam ersetzt worden, da die Betriebsratswahl bei einer Gesamtbeurteilung nichtig sei. Erneut wurde zudem darauf verwiesen, dass auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Sozialplan nicht vorliegen würden. Die Behauptung, wonach die Basis am XXXX geschlossen werden solle, sei unrichtig, da die XXXX nicht geschlossen worden sei. Ungeachtet der mangelnden Aktivlegitimation der mitbeteiligten Partei, sei auch die materiell rechtliche Voraussetzung, nämlich, dass ein wesentlicher Teil der Beschäftigten von den Änderungen (Kündigungen) betroffen sei, nicht erfüllt. Zudem werde der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge der mitbeteiligten Partei auftragen, die Wahlliste vorzulegen, die der Wahlvorstand der Betriebsratswahl vom XXXX zu Grunde gelegt habe.
Mit Schreiben vom XXXX wurde die gegenständliche Beschwerde samt den erforderlichen Akten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Diese sind am XXXX eingelangt.
Mit Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom XXXX gab diese an, dass es verfahrensgegenständlich nur um den Errichtungsbescheid gehe (zum Unterschied zwischen der bloßen Errichtung der Schlichtungsstelle durch die XXXX des Landesgerichts und einem inhaltlichen, eine Betriebsvereinbarung substituierenden Bescheid der Schlichtungsstelle werde auf näher dargelegte Rechtsprechung verwiesen). Bis dato sei noch kein Schlichtungsstellenverfahren über die Voraussetzungen und den etwaigen Inhalt eines Sozialplans erfolgt, weil die Beschwerdeführerin bereits diesen Errichtungsbescheid bekämpft und behauptet habe, die mitbeteiligte Partei würde aufgrund der Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom XXXX gar nicht existieren. Im zivilgerichtlichen Hauptverfahren wegen Anfechtung und Nichtigkeit der Betriebsratswahl sei – nachdem die mitbeteiligte Partei bereits in erster Instanz beim XXXX vollinhaltlich obsiegt habe – nunmehr auch vom Oberlandesgericht XXXX bestätigt worden, dass die Betriebsratswahl vom XXXX rechtmäßig (d.h. weder anfechtbar noch nichtig) gewesen sei. Es handle sich dabei um eine zivilrechtliche Vorfrage für das gegenständliche Verwaltungsverfahren und seien die Verwaltungsbehörden und –gerichte (nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils) an die diesbezügliche Beurteilung der Zivilgerichte gebunden. Das Urteil des XXXX , wurde ebenfalls übermittelt.
Mit Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom XXXX führte diese im Wesentlichen aus, dass obwohl das vorgelegte Urteil des XXXX rechtskräftig sei, die Errichtung der Schlichtungsstelle nach wie vor unzulässig sei. Es gebe im vorliegenden Fall keine materielle Grundlage für einen Sozialplan, was eine Grundvoraussetzung für die Errichtung der Schlichtungsstelle sei. Die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für den Abschluss eines Sozialplans oder die Errichtung einer Schlichtungsstelle seien nicht gegeben.
Mit Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom XXXX diese an, dass sämtliches Vorbringen der Beschwerdeführerin in der übermittelten Stellungnahme für das gegenständliche Verfahren unbeachtlich sei, weil es die inhaltlichen Voraussetzungen des Sozialplans betreffe. Der Beschwerdeführerin scheine nach wie vor die Zweigliedrigkeit des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle entgangen zu sein. Im gegenständlichen Verfahren sei ausschließlich die Prozessvoraussetzung der Antragslegitimation der Mitbeteiligten strittig gewesen. Die Beschwerdeführerin habe zu Unrecht behauptet, dass die Wahl des Betriebsrats nichtig gewesen sei und die Mitbeteiligte daher rechtlich nicht existieren würde. Dies sei mittlerweile mit dem bereits vorgelegten Urteil des XXXX rechtskräftig widerlegt worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Urteil des Oberlandesgerichts XXXX , ist bereits rechtskräftig geworden.
Die mitbeteiligte Partei ist im Rahmen einer Betriebsratswahl vom XXXX , die weder nichtig noch ungültig ist, gewählt worden.
Sie war zur gegenständlich erfolgten Antragstellung vom XXXX bei der belangten Behörde zur Errichtung einer Schlichtungsstelle gemäß § 144 ff ArbVG zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß §§ 97 Abs 1 Z 4 iVm 109 ArbVG legitimiert.
Die Voraussetzungen für die Errichtung einer Schlichtungsstelle liegen vor. Die Beschwerdeführerin hat keine Beisitzer nominiert.
2. Beweiswürdigung:
Der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie dem Gerichtsakt.
Dass die mitbeteiligte Partei im Rahmen einer (rechtmäßigen) Betriebsratswahl vom XXXX gewählt wurde, die weder nichtig noch ungültig ist, ergibt sich aus dem im zivilgerichtlichen Hauptverfahren wegen Anfechtung und Nichtigkeit der Betriebsratswahl – nachdem die mitbeteiligte Partei bereits in erster Instanz beim Landesgericht XXXX vollinhaltlich obsiegte – ergangenen und bereits rechtskräftig gewordenen Urteil des XXXX Dass das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist, wurde nicht bestritten, sondern vielmehr auch von der Beschwerdeführerin mit Stellungnahme vom XXXX außer Streit gestellt. Da es sich hierbei um eine zivilrechtliche Vorfrage für das gegenständliche Verwaltungsverfahren handelt, sind Verwaltungsbehörden und -gerichte (nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils) an die diesbezügliche Beurteilung der Zivilgerichte gebunden (Klicka in Fasching/Konecny3 111/2 § 411 ZPO Rz 83-84).
Zum Antrag in der Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht möge der mitbeteiligten Partei auftragen, die Wahlliste vorzulegen, die der Wahlvorstand der Betriebsratswahl vom XXXX zu Grunde gelegt habe, ist somit auszuführen, dass ein derartiger Auftrag an die mitbeteiligte Partei mangels Bedeutung für das hiesige Verfahren unterbleiben konnte. Dies deshalb, da mit genanntem Urteil des OLG bereits rechtskräftig entschieden wurde, dass die mitbeteiligte Partei im Rahmen einer Betriebsratswahl vom XXXX , die weder nichtig noch ungültig ist, gewählt worden ist, somit das Bundesverwaltungsgericht an die diesbezügliche Beurteilung der Vorfrage gebunden ist.
Dass die Beschwerdeführerin keine Beisitzer nominiert hat, ergibt sich aus ihrer Stellungnahme an die belangte Behörde vom XXXX , wonach sie ausdrücklich darauf verwiesen hat, keine Beisitzer zu nominieren.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Mangels materiengesetzlicher Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art 131 Abs 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes, soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Sieht ein Gesetz gemäß Art 130 Abs 2 Z 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, die gemäß Art 14b Abs 2 Z 1 in Vollziehung Bundessache sind. Sieht ein Gesetz gemäß Art 130 Abs 2 Z 3 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes.
Einschlägige Bestimmungen des ArbVG
Gemäß § 29 ArbVG sind Betriebsvereinbarungen schriftliche Vereinbarungen, die vom Betriebsinhaber einerseits und dem Betriebsrat (Betriebsausschuss, Zentralbetriebsrat, Konzernvertretung) andererseits in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist.
Gemäß § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG können Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 29 unter anderem zu Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 1 bis 6, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt, abgeschlossen werden.
Gemäß 109 Abs 1 ArbVG ist der Betriebsinhaber verpflichtet, den Betriebsrat von geplanten Betriebsänderungen zu einem Zeitpunkt, in einer Weise und in einer inhaltlichen Ausgestaltung zu informieren, die es dem Betriebsrat ermöglichen, die möglichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme eingehend zu bewerten und eine Stellungnahme zu der geplanten Maßnahme abzugeben; auf Verlangen des Betriebsrates hat der Betriebsinhaber mit ihm eine Beratung über deren Gestaltung durchzuführen. Als Betriebsänderungen gelten insbesondere die Einschränkung oder Stilllegung des ganzen Betriebes oder von Betriebsteilen oder die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, die eine Meldepflicht nach § 45a Abs 1 Z 1 bis 3 Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, auslöst.
Gemäß § 144 Abs 1 ArbVG ist zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluss, die Änderung oder die Aufhebung von Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, in welchen das Gesetz die Entscheidung durch Schlichtungsstellen vorsieht, auf Antrag eines der Streitteile eine Schlichtungsstelle zu errichten. Die Schlichtungsstelle ist am Sitz des mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofes, in dessen Sprengel der Betrieb liegt, zu errichten. Bei Streitigkeiten über den Abschluss, die Änderung oder Aufhebung von Betriebsvereinbarungen, deren Geltungsbereich Betriebe umfasst, die in zwei oder mehreren Sprengeln liegen, ist der Sitz des Unternehmens, dem die Betriebe angehören, maßgebend. Durch Vereinbarung der Streitteile kann die Schlichtungsstelle am Sitz eines anderen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofes errichtet werden. Ein Antrag auf Entscheidung einer Streitigkeit durch die Schlichtungsstelle ist an den Präsidenten des in Betracht kommenden Gerichtshofes zu richten.
Die Schlichtungsstelle besteht gemäß § 144 Abs 2 ArbVG aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern. Der Vorsitzende ist vom Präsidenten des Gerichtshofes auf einvernehmlichen Antrag der Streitteile zu bestellen. Kommt eine Einigung der Streitteile auf die Person des Vorsitzenden innerhalb von zwei Wochen ab Antragstellung (Abs 1) nicht zustande, so ist er auf Antrag eines der Streitteile vom Präsidenten des Gerichtshofes zu bestellen. Die Bestellung hat aus dem Kreise der Berufsrichter zu erfolgen, die bei dem Gerichtshof mit Arbeits- und Sozialrechtssachen befasst sind. Sie bedarf der Zustimmung des zu Bestellenden.
Jeder der Streitteile hat gemäß § 144 Abs 3 ArbVG zwei Beisitzer namhaft zu machen, davon einen aus einer Beisitzerliste; der zweite Beisitzer soll aus dem Kreise der im Betrieb Beschäftigten namhaft gemacht werden. Hat einer der Streitteile binnen zwei Wochen ab Antragstellung (Abs 1) die Nominierung der Beisitzer nicht vorgenommen, so hat der Präsident des in Betracht kommenden Gerichtshofes sie aus der Liste der Beisitzer jener Gruppe (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer), welcher der Säumige angehört, zu bestellen.
Gemäß § 146 Abs 2 letzter Satz ArbVG kann gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Zu A)
Wie sich aus den zitierten Gesetzesbestimmungen ergibt, ist eine Schlichtungsstelle (unter anderem) dann zu errichten, wenn dies zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluss eines Sozialplans iSd § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG von einem der Streitteile beantragt wird.
Eingangs ist festzuhalten, dass wenn ein Antrag des Betriebsrates eines Betriebs vorliegt, der auf die Einsetzung einer Schlichtungsstelle zur Entscheidung einer Streitigkeit über den Abschluss eines Sozialplanes, also einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung im Sinne des § 97 Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 ArbVG, gerichtet ist, § 144 Abs 1 ArbVG zwingend die Errichtung der Schlichtungsstelle vorsieht. Nur der Schlichtungsstelle obliegt es, die Voraussetzungen für den gegebenenfalls durch ihre Entscheidung zu substituierenden Abschluss eines Sozialplans, wie insbesondere, dass die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt, zu beurteilen. Eine "Vorprüfung" dieser Voraussetzungen im Rahmen der vom zuständigen Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes vorzunehmenden Errichtung der Schlichtungsstelle ist nicht vorgesehen (vgl. VwGH 30.06.2010, 2010/08/0116, sowie 12.09.2012, 2011/08/0349).
I. Die Beschwerdeführerin zieht in ihrer Beschwerde im Wesentlichen zunächst die Aktivlegitimation der mitbeteiligten Partei in Zweifel, indem sie behauptet, bei der Beschwerdeführerin bestehe aufgrund einer nichtigen Betriebsratswahl vom XXXX wegen mehreren gröberen Verletzungen von Grundsätzen des österreichischen Rechts kein Betriebsrat. Es mangle sohin an der notwendigen Aktivlegitimation der mitbeteiligten Partei.
Hierzu ist jedoch festzuhalten, dass die mitbeteiligte Partei im Rahmen einer Betriebsratswahl vom XXXX gewählt wurde, die weder nichtig noch ungültig ist. Dies ergibt sich aus dem im zivilgerichtlichen Hauptverfahren wegen Anfechtung und Nichtigkeit der Betriebsratswahl – nachdem die mitbeteiligte Partei bereits in erster Instanz beim Landesgericht XXXX vollinhaltlich obsiegte – ergangenen und bereits rechtskräftigen Urteil des XXXX (mit diesem wurde das Urteil des Landesgerichts XXXX im Verfahren XXXX bestätigt). Dabei handelt es sich zweifellos um eine zivilrechtliche Vorfrage für das gegenständliche Verwaltungsverfahren, nämlich die Antragslegitimation (Bestehen oder Nichtbestehen eines Betriebsrats) der mitbeteiligten Partei. Verwaltungsbehörden und -gerichte sind nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils an die diesbezügliche Beurteilung der Zivilgerichte gebunden (Klicka in Fasching/Konecny3 111/2 § 411 ZPO Rz 83-84). Da es sich hierbei somit um eine zivilrechtliche Vorfrage für das gegenständliche Verwaltungsverfahren handelt, sind sowohl die belangte Behörde als auch das Bundesverwaltungsgericht an die diesbezügliche Beurteilung des Oberlandesgerichts gebunden, woraus sich die Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei ergibt.
Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass – wie die belangte Behörde zutreffend ausführte – zwar bereits zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ein erstinstanzliches Urteil des Landesgerichts XXXX als Arbeits- und Sozialgericht im Verfahren XXXX vorlag, in dem das erhobene negative Feststellungsbegehren abgewiesen worden war. Zutreffend führte die belangte Behörde jedoch zunächst auch aus, dass gemäß § 60 ArbVG die Nichtigkeit bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses jederzeit auch durch Klage auf Feststellung beim Gericht geltend gemacht werden kann. Das Urteil des Gerichts über die Nichtigkeit der Wahl hat bindende Wirkung. Die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl bewirkt, dass die bereits bestehende Rechtslage deklarativ festgestellt wird (Kallab in ZellKomm3, Band 2, § 60 ArbVG, Rz 10). Die rechtzeitige Erhebung einer Berufung gegen das Urteil erster Instanz hemmt gemäß § 61 Abs 1 Z 5 ASGG nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den Eintritt der Verbindlichkeit der Feststellung. Wie die belangte Behörde zudem zutreffend ausführte, ist allerdings nur ein erstgerichtliches ein positives oder negatives Feststellungsbegehren stattgebendes Feststellungsurteil verbindlich (Neumayr in ZellKomm3, § 61 ASGG, Rz 15), weshalb die belangte Behörde zunächst die Vorfrage selbst zu beurteilen hatte. Demgegenüber liegt aber nunmehr im Beschwerdeverfahren, wie bereits ausgeführt, das rechtskräftige Urteil des XXXX , mit dem das (erstgerichtliche) Urteil des Landesgerichts XXXX , bestätigt wurde, vor, weshalb die zivilrechtliche Vorfrage rechtskräftig entschieden ist und das Bundesverwaltungsgericht an die diesbezügliche Beurteilung des Oberlandesgerichts gebunden ist.
II. Das weitere Beschwerdevorbringen, wonach auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Sozialplan nicht vorliegen würden, die XXXX nicht geschlossen worden sei und auch kein wesentlicher Teil der Beschäftigten von Änderungen (Kündigungen) betroffen sei, geht ins Leere zumal die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Sozialplan nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind. Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der übermittelten Stellungnahme vom XXXX ist aus diesem Grund für das hiesige Verfahren rechtlich unbeachtlich, da auch jenes die inhaltlichen Voraussetzungen des Sozialplans betrifft.
Wie bereits ausgeführt, obliegt es nur der Schlichtungsstelle, die Voraussetzungen für den gegebenenfalls durch ihre Entscheidung zu substituierenden Abschluss eines Sozialplans, wie insbesondere, dass eine Betriebsänderung wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt, zu beurteilen. Eine "Vorprüfung" dieser Voraussetzungen im Rahmen der vom zuständigen Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes vorzunehmenden Errichtung der Schlichtungsstelle ist nicht vorgesehen (vgl. VwGH 30.06.2010, 2010/08/0116, sowie 12.09.2012, 2011/08/0349).
Der hier gegenständliche Teil des Verfahrens betrifft aber nur die Errichtung der Schlichtungsstelle an sich. Die Entscheidung erfolgt durch den Präsidenten des Gerichtshofs im Rahmen der Justizverwaltung in Bescheidform. Hierfür sind nur Prozessvoraussetzungen zu prüfen, konkret die örtliche und sachliche Zuständigkeit und die Antragslegitimation. All das ist ausschließlich auf Basis der Behauptungen im verfahrenseinleitenden Antrag zu überprüfen (Weiß in Körber-Risak/Wolf, Die Betriebsvereinbarung vor der Schlichtungsstelle [2009] 130).
Ob die weiteren Voraussetzungen für einen Sozialplan materiell-rechtlich vorliegen, ist nicht von der XXXX im Rahmen des Errichtungsverfahrens, sondern erst von der Schlichtungsstelle selbst zu beurteilen. Die darauf abzielenden materiell-rechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführerin waren daher bei der Errichtung der Schlichtungsstelle bzw. der nunmehrigen Beschwerdebehandlung nicht zu beurteilen.
III. Zur Zusammensetzung der Schlichtungsstelle ist auszuführen, dass diese nicht bekämpft wurde. Im vorliegenden Fall hat die mitbeteiligte Partei VPräs. XXXX als Vorsitzenden namhaft gemacht, die Beschwerdeführerin hat sich nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen; ein Gegenantrag wurde nicht gestellt. Konkrete Gründe, die die Bestellung des Richters, XXXX , untunlich erscheinen lassen, waren der Aktenlage nicht zu entnehmen. Er hat der Bestellung zugestimmt. Da die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom XXXX ausdrücklich darauf verwiesen hat, keine Beisitzer zu nominieren, wurden die im Spruch der belangten Behörde ersichtlichen Beisitzer zu Recht aus der Liste der Dienstgeber bestimmt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs 3 dieser Bestimmung hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen. Gemäß Abs 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Im vorliegenden Fall konnte der Sachverhalt durch die Aktenlage, insbesondere durch die bereits vorgelegten Beweismittel hinreichend geklärt werden und es waren darüber hinaus nur Rechtsfragen zu klären. Des Weiteren wurde zu diesen in der Beschwerde und den daraufhin erstatteten Äußerungen der mitbeteiligten Partei und der Beschwerdeführerin ausreichend Vorbringen zur Klärung der Rechtsfragen erstattet, sodass das erkennende Gericht der Ansicht war, dass eine mündliche Erörterung und die Aufnahme weiterer Beweise keine weitere Klärung der Rechtsfragen und des Sachverhalts gebracht hätte. Aus diesem Grund konnte, trotz diesbezüglichem Antrag der Beschwerdeführerin, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Antragslegimitation Betriebsrat Betriebsvereinbarung Bindungswirkung Rechtskraft der Entscheidung Schlichtungsstelle Voraussetzungen VorsitzenderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W121.2240095.1.00Im RIS seit
26.01.2022Zuletzt aktualisiert am
26.01.2022