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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, in der Beschwerdesache des R in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in K, gegen die Erledigung des beim Vorstand der Post- und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes und des Bundesministers für Finanzen vom 5. Juni 1996, Zl. 105812-32/96, betreffend Dienst- und Verwendungsabgeltung nach dem Gehaltsgesetz 1956, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit der als Bescheid bezeichneten vom Beschwerdeführer vorgelegten Erledigung vom 5. Juni 1996 wurde über seine Berufung gegen den Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg vom 13. Oktober 1995 - in Neufassung des erstinstanzlichen Spruches - wie folgt abgesprochen:
"Auf Ihren Antrag vom 29. Mai 1995 wird festgestellt, daß Ihnen für den Zeitraum vom 13. März 1995 bis einschließlich 14. April 1995 keine Dienst- und Verwendungsabgeltung gemäß §§ 105 und 106 des Gehaltsgesetzes 1956 gebührt.
Gleichzeitig wird Ihre Berufung gemäß § 66 Absatz 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 im Zusammenhalt mit § 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und der §§ 105 und 106 des Gehaltsgesetzes 1956 abgewiesen."
Diese Erledigung trägt folgenden Kopf:
"Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft
Generaldirektion - Personalamt"
Die Fertigungsklausel lautet:
"Für den Bundesminister
i.V. (Nennung einer Organwalterin)"
Gegen diese als Bescheid qualifizierte Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Gemäß den für die Beurteilung der gegenständlichen Erledigung als Bescheid in formeller Hinsicht (§ 58 Abs. 3 AVG) maßgebenden §§ 18 Abs. 4 Satz 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 (dessen Anwendbarkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 DVG bzw. § 17 Abs. 4 des im Beschwerdefall nach seinem § 21 anzuwendende Poststrukturgesetzes = Art. 95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) müssen unter anderem alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Bezeichnung der Behörde in schriftlichen Bescheidausfertigungen wesentliche Bedeutung zu. Fehlt eine solche Bezeichnung, so kann das betreffende Schriftstück - mag es auch sonst die Merkmale eines Bescheides aufweisen - nicht als Bescheid angesehen werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1987, 87/02/0036, vom 5. Juni 1987, 85/18/0149, und vom 30. Oktober 1991, 91/03/0247). Dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde ist Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes (vgl. hiezu nochmals die bereits zitierten Erkenntnisse vom 14. Mai 1987 und vom 5. Juni 1987) - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde; ist die bescheiderlassende Behörde nicht erkennbar (die Erledigung einer bestimmten Behörde nicht zurechenbar), so liegt ein Bescheid nicht vor (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1991, 91/18/0172, 0173, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1993, 92/10/0448, sowie Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 410, unter Berufung auf Winkler, Der Bescheid, Seite 131 mit weiteren Judikaturhinweisen).
Welcher Behörde die angefochtene Erledigung zuzuordnen ist, ist anhand des äußeren Erscheinungsbildes nach objektiven Gesichtspunkten (nicht aber danach, welche Behörde sie erlassen hätte müssen) zu beurteilen. Die im Beschwerdefall angefochtene Erledigung kann demnach keiner bestimmten Behörde zugeordnet werden:
Einerseits nennt der Kopf das beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichtete Personalamt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 des Poststrukturgesetzes nimmt dieses Personalamt die Funktion einer obersten Dienstbehörde für die in Abs. 1 genannten Beamten (das sind die bisher bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten aktiven Beamten, die nach dem ersten Satz des Abs. 1 leg. cit. ex lege auf die Dauer ihres Dienststandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder einem Unternehmen, an dem diese Aktiengesellschaft zumindest mehrheitlich beteiligt ist, zur Dienstleistung zugewiesen werden) wahr. Das Personalamt wird vom Vorsitzenden des Vorstandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft geleitet. Der Vorsitzende des Vorstandes ist in dieser Funktion an die Weisungen des Bundesministers für Finanzen gebunden. Abs. 3 dieser Bestimmung richtet zur Wahrnehmung der bisher den Post- und Telegraphendirektionen zugekommenen Funktionen einer nachgeordneten Dienstbehörde bestimmte Personalämter bei Betriebsstellen der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft ein. Gemäß § 17 Abs. 4 leg. cit. gilt für die gemäß Abs. 2 und 3 eingerichteten Personalämter § 2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29, sinngemäß. Diese Bestimmungen stehen im Zusammenhang mit der sogenannten "Privatisierung" der Post sowie der gleichzeitig erfolgten Auflösung des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (vgl. dazu die im Strukturanpassungsgesetz 1996 im Art. 91 enthaltene Novelle des Bundesministeriengesetzes 1986). Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dem beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamt die Stellung einer (selbständigen) Behörde zukommt, die wegen ihrer Funktion als oberste Dienstbehörde u.a. über Berufungen gegen Bescheide nachgeordneter Behörden in letzter Instanz in dienst- und besoldungsrechtlichen Angelegenheiten der diesem Unternehmen zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten zu entscheiden hat und die wegen der Leitungsfunktion des Vorsitzenden des Vorstandes dieser Aktiengesellschaft (mangels einer Einschränkung auf die innere Leitung ist damit auch die Vertretung nach außen erfaßt) eine monokratische Behörde ist. Die Weisungsbefugnis des Bundesministers für Finanzen nach § 17 Abs. 2 letzter Satz des Poststrukturgesetzes ändert nichts an der selbständigen Behördeneigenschaft des genannten Personalamtes. Sie stellt lediglich klar, daß die Wahrnehmung der Diensthoheit im Sinne des Art. 21 Abs. 3 B-VG durch ein oberstes Organ des Bundes (im Sinne des Art. 19 B-VG) gegeben ist (so zutreffend die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, 72 Blg. Sten. Prot. NR 20. GP auf Seite 322 zu § 17 Abs. 2, 3 und 4 Poststrukturgesetz). Aus der Weisungsbefugnis des Bundesministers für Finanzen kann nicht abgeleitet werden, daß das zweifellos neben dem Bundesministerium eingerichtete Personalamt (vgl. § 17 Abs. 2 und 4 des Poststrukturgesetzes) im Namen und unter der (außenwirksamen) Leitung des Bundesministers für Finanzen als dessen Hilfsapparat anstelle des Bundesministeriums tätig zu werden hat. Eine solche weder vom Wortlaut noch der Systematik des Poststrukturgesetzes gebotene Auslegung verstieße im übrigen auch gegen Art. 77 Abs. 1 B-VG (vgl. dazu die Ausführungen bei Mayer, B-VG, unter I.1. zu Art. 77 B-VG und die dort angeführte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Dies bedeutet also, daß der Bundesminister für Finanzen zwar nicht Berufungsbehörde in dienst- und besoldungsrechtlichen Verfahren der der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder eines von ihr beherrschten Unternehmens kraft Gesetzes zur Arbeitsleistung zugewiesenen Beamten ist, ihm jedoch die Stellung der sachlich in Betracht kommenden obersten Behörde zukommt, weil hiefür nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Möglichkeit genügt, unter anderem durch Ausübung des Weisungsrechtes den Inhalt der (unterbliebenen) Entscheidung zu bestimmen (vgl. dazu z.B. VwSlg. 2742/A und 12.123/A). Daraus folgt z.B., daß im Falle der Säumigkeit des beim Vorstand eingerichteten Personalamtes der Bundesminister für Finanzen mit Devolutionsantrag nach § 73 AVG anzurufen ist, und erst im Falle der Säumigkeit des Bundesministers eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sein wird. Zur - derzeitigen - Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen in den von der Entschließung des Bundespräsidenten, BGBl. Nr. 54/1995, übertragenen Ernennungsfällen von Beamten der Post- und Telegraphenverwaltung (nunmehr der Beamten des Post- und Fernmeldewesens) wird auf die Ausführungen im hg. Beschluß des heutigen Tages, Zl. 96/12/0101, verwiesen.
Andererseits wurde die angefochtene Erledigung nach ihrer Fertigungsklausel "Für den Bundesminister" erlassen. Obwohl in der Erledigung dieser Bundesminister nicht näher bezeichnet wird, kommt nach der oben dargelegten Rechtslage nur der Bundesminister für Finanzen hiefür in Betracht (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Vollziehungsklausel des Poststrukturgesetzes).
Abgesehen vom Kopf und der Fertigungsklausel enthält der angefochtene Bescheid weder in seinem Spruch noch in seiner Begründung (siehe hingegen die hievon abweichende Gestaltung in dem mit hg. Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 96/12/0247, teilweise erledigten Fall) irgendeinen Hinweis, welcher (dieser beiden oder allenfalls einer dritten) Behörde diese Erledigung zugeordnet werden kann. Bei dieser (besonderen) Fallkonstellation, bei der für eine (von EINER Behörde zu treffenden) normativen Willensentscheidung gleichzeitig zwei Behörden als bescheiderlassende Organe "angeboten" werden, kann bei objektiver Betrachtung weder der im Kopf noch der in der Fertigungsklausel genannten Behörde der Vorrang gegeben werden, sodaß es dem durch den jeweiligen Bescheid Betroffenen nicht erkennbar ist, welcher Behörde die als Bescheid gekennzeichnete Erledigung zuzurechnen ist. Die Entscheidung dieser Frage darf in keinem Fall dem jeweiligen Spürsinn des durch den Bescheid betroffenen Adressaten überlassen werden. Die Einhaltung der Zuständigkeitsregeln steht in enger Nahebeziehung zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter und stellt damit eine rechtsstaatliche Forderung von grundlegender Bedeutung dar (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 5. April 1990, 90/09/0009). Dies bedeutet, daß bei der Anführung der bescheiderlassenden Behörde jeweils klar und unmißverständlich zum Ausdruck kommen muß, welche Behörde gehandelt hat. Es genügt nicht, daß die eingeschrittene Berufungsbehörde in Korrektur des äußeren Anscheines des jeweils angefochtenen Erledigung aus dem rechtlichen Zusammenhang erschlossen werden kann.
Da die im Beschwerdefall angefochtene, als Bescheid bezeichnete Erledigung nicht mit der nötigen Eindeutigkeit erkennen läßt, welcher Behörde sie zuzurechnen ist, kann sie nicht als Bescheid im Sinne der die Prozeßvoraussetzungen vor dem Verwaltungsgerichtshof regelnden Bestimmungen (Art. 131 B-VG in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG) qualifiziert werden.
Die Beschwerde war daher mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Schlagworte
Anrufung der obersten Behörde Behördenbezeichnung Behördenorganisation Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht Einhaltung der Formvorschriften Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Verhältnis zu anderen Materien und Normen Verhältnis zu anderen Normen und Materien Zuständigkeit Instanzenzug sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996120244.X00Im RIS seit
25.01.2001