Index
20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Regelung des Namens des unehelichen Kindes wegen zu eng gefaßten Antragsbegehrens; keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zu Akten positiver Gesetzgebung im Zuge der Aufhebung von GesetzesbestimmungenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. §165 ABGB lautet in der Fassung des BG BGBl. 403/1977:
"Das uneheliche Kind erhält den Geschlechtsnamen der Mutter."
1. Der vorliegende Antrag begehrt die Aufhebung des Wortteiles "Geschlechts" im §165 ABGB. Die Antragstellerinnen sind eine 1978 verwitwete Mutter und ihre 1993 geborene Tochter. Sie erachten diese Vorschrift als unmittelbar für sie wirksam und den Umweg über ein Namensänderungsverfahren (nach dem Namensänderungsgesetz - NÄG) für nicht zumutbar und tragen Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, insbesondere auch im Verhältnis zum Recht der Namensgebung (§165a ABGB), und wegen Verstoßes gegen Art8 EMRK vor.
2. Die Bundesregierung äußert sich zur Antragslegitimation wie folgt:
"1. Die angefochtene Gesetzesstelle regelt nicht den Namen der Erstantragstellerin, sondern lediglich den der Zweitantragstellerin. Insofern hat es den Anschein, daß die angefochtene Gesetzesstelle nicht die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Antragslegitimation bei Individualanträgen (VfSlg. 8009/1977 ua.) erforderliche unmittelbare Wirkung für die Erstantragstellerin aufweist. Die Rechtsvorschrift, derzufolge die Erstantragstellerin einen anderen Namen zu führen hat als ihren - von ihrem Kind zu führenden - Geschlechtsnamen ist ja §93 Abs1 ABGB, demzufolge die Erstantragstellerin den Familiennamen ihres verstorbenen Ehegatten zu führen hat (in Verbindung mit dem Fehlen einer Vorschrift, die eine Ablegung dieses Ehenamens ermöglicht).
Geht man aber mit den Antragstellerinnen davon aus, daß die Verschiedenheit der von ihnen kraft Gesetzes zu führenden Familiennamen die sie bewirkenden Rechtsvorschriften mit Verfassungswidrigkeit belastet, so ist keine zumutbare Möglichkeit zu sehen, wie die Erstantragstellerin die Frage dieser Verfassungswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof herantragen könnte. In den Kreis der Vorschriften, die die behauptete Verfassungswidrigkeit bewirken, wäre allenfalls auch §93 ABGB einzubeziehen, doch erschiene dessen Aufhebung nicht als geeigneteres Mittel zur Behebung der behaupteten Verfassungswidrigkeit als die des angefochtenen Wortteils.
Von diesen Erwägungen bestimmt, sieht die Bundesregierung davon ab, die Antragslegitimation der Erstantragstellerin zu bestreiten.
2. Anders als die Antragstellerinnen in ihren Ausführungen zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar annehmen, erhält das uneheliche Kind seinen Namen nicht etwa durch dessen Eintragung in das Geburtenbuch, sondern mit der Geburt selbst. Daher wird man die Antragstellerinnen nicht auf die Möglichkeit verweisen können, die Beurkundung dieses Namens im Verwaltungsverfahren nach §15 Abs3 des Personenstandsgesetzes berichtigen zu lassen. Auch insoweit erscheint der Antrag nicht unzulässig.
3. Im übrigen ist zur Frage der Antragslegitimation der Zweitantragstellerin folgendes zu erwägen:
Auch wenn dies im vorliegenden Individualantrag nicht ausdrücklich behauptet wird, kann ihm doch implizit entnommen werden, daß sich die Minderjährige in der Pflege ihrer Mutter befindet. Unter dieser Voraussetzung eröffnet das Namensänderungsgesetz 1988, BGBl. Nr. 195, insbesondere dessen §2 Abs1 Z6, den Antragstellerinnen die Möglichkeit zu einer Änderung des Familiennamens des Kindes.
Bei der Beurteilung eines derartigen Antrages auf Namensänderung hätte die Behörde vom gegenwärtigen, aus §165 ABGB abzuleitenden Familiennamen der Zweitantragstellerin auszugehen und daher den angefochtenen Wortteil anzuwenden.
Damit ist ein für die Zweitantragstellerin zumutbarer Umweg im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Antragslegitimation bei Individualanträgen aufgezeigt. Dabei erscheint es unerheblich, daß dem Antrag auf Namensänderung voraussichtlich stattgegeben werden wird und daher die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §165 ABGB gar nicht vom Verfassungsgerichtshof zu prüfen wäre. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt nämlich der Wunsch zur Gleichstellung des Namens des Kindes mit jenem der Familie, in der es lebt und aufwächst, eine verwaltungsrechtliche Namensänderung (vgl. ÖJZ 1991, 715 mit Besprechungsaufsatz von Zeyringer, ÖJZ 1991, 433 = ÖA 1991, 118 mit Anm. H. Pichler).
Der Antrag der Zweitantragstellerin erscheint damit als unzulässig."
In der Sache tritt die Bundesregierung den Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschrift im einzelnen entgegen.
II. Der Antrag ist unzulässig.
Es ist offenkundig, daß die gesetzliche Bestimmung des Namens eines Kindes nicht nur dieses selbst, sondern auch seine leiblichen Eltern betrifft und deren Rechtssphäre berührt. Ob die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens zur Namensänderung ein gangbarer Weg ist, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §165 ABGB vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen (vgl. dazu G175,176/92 vom 2. Dezember 1993 und G227/92 vom 18. Dezember 1993), kann hier dahingestellt bleiben. Denn der Antrag ist in der vorliegenden Form aus anderen Gründen unzulässig:
Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8155/1977 (S. 221) zusammenfassend dargelegt hat und seither in ständiger Rechtsprechung festhält, ist der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Norm derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. dazu VfSlg. 10936/1986 und in den Ergebnissen VfSlg. 10384/1985 mit VfSlg. 11574/1987). Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Gesetzgebung wäre (vgl. VfSlg. 12465/1990, S. 128).
Auch im vorliegenden Fall käme die bloße Beseitigung des Wortteiles "Geschlechts"- im §165 ABGB - wenngleich der entstehende sprachliche Torso hingenommen werden könnte (vgl. zB VfSlg. 8004/1977, 8410/1978 und 12481/1990) - einem dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Akt der positiven Gesetzgebung gleich. Es würde nämlich unter allen Umständen ohne Bedachtnahme auf die Vielfalt möglicher Gegebenheiten das uneheliche Kind einen Namen erhalten, den der Gesetzgeber grundsätzlich der für den Namenserwerb der Mutter maßgeblichen ehelichen Verbindung vorbehalten hat (vgl. §93 Abs3 ABGB). Im Falle der Verfassungswidrigkeit müßte daher §165 ABGB insgesamt aufgehoben werden. Der nur die Aufhebung eines Teiles ermöglichende Antrag ist daher zu eng.
Er ist folglich als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Namensrecht, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Individualantrag, Zivilrecht, KindschaftsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G258.1993Dokumentnummer
JFT_10058989_93G00258_00