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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
StGB §5 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des F C in B, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. August 2018, LVwG-S-1384/001-2017, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. Mai 2017 wurde der Revisionswerber der sechsfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 52 Abs. 2 Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt und wurden über ihn sechs Geldstrafen in der Höhe von je EUR 3.500,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Er habe als Betreiber des Lokals C in B zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht. Diese Glücksspielgeräte habe er „mit dem Vorsatz zugänglich gemacht, fortgesetzt Einnahmen aus der Durchführung dieser Ausspielungen zu erzielen“.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis (Spruchpunkt 1.). Das LVwG erlegte dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 4.200,-- auf (Spruchpunkt 2.) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).
3 Begründend führte das LVwG u.a. aus, bei einer Kontrolle am 1. März 2017 seien in dem Lokal C in B sechs Glücksspielgeräte vorgefunden worden. Der Angestellte des Revisionswerbers habe einen Auszahlungsschlüssel gehabt, er habe die Auszahlungen vorgenommen und die Geräte bei Gewinn auf Null gestellt. Es sei eine Mietvereinbarung vom 1. September 2016 vorgelegt worden, laut welcher der Revisionswerber der U s.r.o. eine Fläche von 15 m2 an diesem Standort „zur Aufstellung von Internet- und Werbeterminals für einen monatlichen Mietentgelt von € 600,-- vermietet“ habe. Zu den (in der Beschwerde) geltend gemachten Konkretisierungsmängeln (im Straferkenntnis) werde festgehalten, dass das Vorfinden der seit dem 16. September 2016 aufgestellten Geräte im Lokal des Beschwerdeführers am 1. März 2017 jedenfalls inkludiere, dass der Revisionswerber die Aufstellung der Geräte geduldet habe.
4 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. November 2018, E 4173/2018-5, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge erhob der Revisionswerber gegen das genannte Straferkenntnis die vorliegende Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, die im Straferkenntnis angelastete Tat des „unternehmerisch Zugänglichmachens“ gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG sei nicht hinreichend konkretisiert worden. Daher sei bereits vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses Verfolgungsverjährung eingetreten.
6 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dabei hat die Umschreibung der Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden (vgl. VwGH 20.8.2019, Ra 2019/16/0101).
7 Dazu ist zunächst anzumerken, dass sich bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung der Tatvorwurf auf alle erforderlichen Tatbestandselemente des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG bezieht, sodass vom Eintritt der Verfolgungsverjährung vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nicht auszugehen ist. Darüber hinaus enthält die Begründung des Straferkenntnisses einen Hinweis auf den Mietvertrag mit der Veranstalterin der Ausspielungen, zu dem das LVwG dann nähere Feststellungen u.a. über das vereinbarte Mietentgelt getroffen hat. Dass der Revisionswerber an der Wahrung seiner Verteidigungsrechte gehindert oder der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre, ist somit nicht ersichtlich.
8 Der Revisionswerber bringt weiters vor, das LVwG habe entgegen § 60 AVG nicht begründet, warum es von einer vorsätzlichen Tatbegehung durch den Revisionswerber ausgegangen ist.
9 Im Spruch des Straferkenntnisses wirft die belangte Behörde dem Revisionswerber vor, er habe die vorgefundenen Glücksspielgeräte „mit dem Vorsatz zugänglich gemacht“, um „fortgesetzt Einnahmen aus der Durchführung dieser Ausspielungen zu erzielen“. Das LVwG hat durch seine abweisende Entscheidung im angefochtene Erkenntnis den Spruch des Straferkenntnisses übernommen (vgl. VwGH 17.5.2019, Ra 2018/17/0246).
10 Der Begriff „Vorsatz“, der im VStG nicht definiert wird, ist nach der hg. Judikatur in dem in § 5 StGB umschriebenen Sinn zu verstehen (vgl. etwa VwGH 15.5.1991, 90/10/0152, mwN). Gemäß § 5 Abs. 1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
11 Der Vorwurf eines solchen Willensentschlusses muss aber in der Entscheidung durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen hinreichend untermauert werden (vgl. VwGH 20.4.1998, 97/17/0179, mwN).
12 Solche Feststellungen fehlen im erstinstanzlichen Straferkenntnis zur Gänze. Das angefochtene Erkenntnis beschränkt sich auf allgemeine Ausführungen zu fahrlässigem Verhalten nach § 5 VStG und die Feststellung, dass der Revisionswerber keinerlei Gründe geltend gemacht habe, welche ein geringes oder gar mangelndes Verschulden glaubhaft machen könnten. Feststellungen zur Frage des Vorwurfs des vorsätzlichen Handelns sind dem angefochtenen Erkenntnis aber nicht zu entnehmen. Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich insofern der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.
13 Da das LVwG in Verkennung der Rechtslage solche entscheidungserheblichen Feststellungen unterließ, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen war.
14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
15 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 17. Dezember 2021
Schlagworte
VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019170017.L00Im RIS seit
26.01.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022