TE OGH 2021/11/25 3Ob155/21x

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E* GmbH, 2. N* GmbH, *, beide vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic und andere Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Mag. Karl Komann, Rechtsanwalt in Villach, wegen Leistung, Herausgabe und Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. Juni 2021, GZ 2 R 95/21i-45, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 10. März 2021, GZ 20 Cg 8/20h-41, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]            Die Klägerinnen schlossen (damals noch im Vorgründungsstadium) mit der Beklagten am 1. Dezember 2016 einen Kaufvertrag über eine in deren Eigentum stehende Liegenschaft, wobei ein Kaufpreis von insgesamt 10.000.000 EUR vereinbart wurde. Vereinbart war die Fälligkeit des Kaufpreises (wie auch der Nebenkosten) fünf Monate nach Vorliegen bestimmter näher bezeichneter Urkunden in grundbuchsfähiger Form. Da diese Urkunden erst Ende Juli 2018 vorlagen, wäre der Kaufpreis samt Nebenkosten also bis Ende Dezember 2018 zu zahlen gewesen.

[2]            Ab dem Sommer 2018 kümmerte sich der Geschäftsführer der Klägerinnen um eine Finanzierung des Kaufpreises und führte in diesem Zusammenhang Gespräche mit verschiedenen Banken und Investoren. Ab Oktober/November 2018 verhandelte er mit der A* Bank. Deren Finanzierungsangebot sah einen Eigenmittelanteil von 3.550.000 EUR vor. In diesem Zusammenhang wurde (offenbar, weil die Klägerinnen nicht über ausreichende Mittel verfügten) zwischen dem Geschäftsführer der Klägerinnen und der Bank die Bereitstellung des geforderten Eigenkapitals mittels Mezzanine-Kapital ein Thema. Die Bank schlug vor, dass dieses von der Verkäuferin gewährt und – nachrangig gegenüber der Bank – auch im Grundbuch sichergestellt werde.

[3]            Am 18. Februar 2019 schlossen der Geschäftsführer der Klägerin und der damalige Bevollmächtigte der Beklagten daraufhin folgende Vereinbarung:

„[Die Beklagte] gibt [den Klägerinnen] ein Mezzanine-Kapital von 2,5 Mio EUR für 36 Monate ab Erhalt mit einer Fixverzinsung von 10 % pro Jahr. Das Mezzanine-Kapital wird in der Betreibergesellschaft eingetragen als Sicherheitsleistung (erster Rang Grundbuch – Bank für den restlichen Kaufpreis EUR 7,5 Mio). Die Zinsen werden auf ein Konto nach Wahl [der Beklagten] monatlich überwiesen. Bei Verzug von 5 Wochen wird das Mezzanine-Kapital fällig. Erste Zinszahlung EUR 20.833,00 wurde im Voraus bezahlt am 21. Jänner 2019 in bar und die zweite im Februar 2019 überwiesen an den Bevollmächtigten […].

[4]            Darüber hinausgehende Zinszahlungen wurden von den Klägerinnen nicht geleistet.

[5]       Da die Beklagte finanzielle Schwierigkeiten hatte, bat ihr Bevollmächtigter den Geschäftsführer der Klägerinnen Anfang 2019 um ein Darlehen. Am 6. März 2019 schlossen der Bevollmächtigte für die Beklagte, die Klägerinnen und ein Dritter als Darlehensgeber eine Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag vom 1. Dezember 2016, wonach der Beklagten ein Darlehen von 350.000 EUR zur Verfügung gestellt werde, das bei Kaufpreisbezahlung an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sei. Als Gegenleistung für dieses Darlehen wurde den Klägerinnen ein Zahlungsaufschub für die Kaufpreiszahlung auf das Treuhandkonto bis zum 30. September 2019 eingeräumt.

[6]       Am 5. Juni 2019 wurde von denselben Personen eine weitere Zusatzvereinbarung zum Kaufvertrag geschlossen, in der den Klägerinnen ein weiterer Zahlungsaufschub bis zum 30. November 2019 eingeräumt und von ihnen „für dieses Entgegenkommen der Verkäuferin ein weiteres Darlehen von EUR 150.000,00 zur Verfügung gestellt“ wurde.

[7]            Letztlich wurde der Kaufpreis nicht durch die A* Bank, sondern durch eine andere Bank finanziert. Diese bestätigte den Klägerinnen mit Schreiben vom 20. November 2019 die Finanzierung in Höhe von insgesamt 11.000.000 EUR, wobei dieser Betrag „Kaufkosten, aber auch Nebenkosten, Planungskosten, Architekt, Fundamentalplatten, Außenanlagen, Gutachten und Errichtung eines Musterhauses“ beinhaltete.

[8]            Ab ungefähr Oktober 2019 war zwischen den Streitteilen ein Treuhänderwechsel ein Thema; von wem das ursprünglich ausging, konnte nicht festgestellt werden. Mit Vereinbarung vom 4. Dezember 2019 (Nachtrag zur Treuhandvereinbarung vom 1. Dezember 2016) legten sie fest, dass der bisherige Treuhänder ausscheiden und zum neuen Treuhänder ein Rechtsanwalt bestellt werde. In dieser Vereinbarung heißt es ua:

„Die Käuferinnen haben die Kaufpreise bisher nicht beim Treuhänder hinterlegt. Unter den Treugebern besteht Einvernehmen, dass die Transaktion zeitnah nach vollständiger und formgerechter Übernahme der Treuhandschaft abgewickelt wird, weshalb kurzfristig auch einvernehmlich neue Anmerkungen von Veräußerungsrangordnungen beantragt werden. Da auch die Nebengebühren zur Bezahlung der Grunderwerbssteuern und der Eintragungsgebühren nicht auf dem Treuhandkonto des ausscheidenden Treuhänders erlegt wurden, konnte die ursprünglich geplante Selbstberechnung nicht durchgeführt werden und hat er die Rechtsgeschäfte beim Finanzamt angezeigt.

[9]            Im Zusammenhang mit dem Treuhänderwechsel wurde nicht konkret darüber gesprochen, dass sich daraus eine Änderung der Kaufpreisfälligkeit ergebe. Sowohl der Geschäftsführer der Klägerinnen als auch der Bevollmächtigte der Beklagten gingen damals davon aus, dass der Kaufpreis im Laufe des Dezember 2019 erlegt werden sollte und die Fälligkeit des Kaufpreiserlags im Sinne der Vertragsbestimmung spätestens am 30. Dezember 2019 eintrete.

[10]     Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 teilte der neue Treuhänder dem Bevollmächtigten der Beklagten mit, dass er davon ausgehe, dass mit dem Zufluss des Kaufpreises auf das Treuhandkonto in den nächsten zwei Wochen gerechnet werden könne.

[11]     Am 24. Dezember 2019 war der Auftrags- und Treuhandvertrag zwischen den Streitteilen und dem neuen Treuhänder fertig formuliert. Am 27. Dezember 2019 wurde dieser Vertrag vom Treuhänder, dem Geschäftsführer der Klägerinnen und dem Bevollmächtigten der Beklagten unterzeichnet. Darin heißt es ua:

„Der Treuhänder hat für die Abwicklung der Treuhandschaft bei der […] das Treuhandkonto […] eröffnet. Auf dieses Konto haben die Käuferinnen auf die im Kaufvertrag vom 1. Dezember 2016 vereinbarten Kaufpreise von insgesamt EUR 10.000.000,00 einen Betrag von EUR 7.540.000,00 unwiderruflich spesenfrei zur Überweisung zu bringen. Die Differenz von EUR 2.460.000,00 wird mit dem Anspruch der Käuferinnen auf Zuzählung des Mezzanine-Kapitals verrechnet; die Zuzählung des danach offenbleibenden Mezzanine-Kapitalbetrags in Höhe von EUR 40.000,00 erfolgt aus dem Treuhanderlag. […]

Weiters haben die Käuferinnen die Grunderwerbssteuer in Höhe von 3,5 % des Kaufpreises und die Grundbuchseintragungsgebühr in der voraussichtlichen Höhe von 1,1 % des Kaufpreises […] iHv insgesamt EUR 460.000,00 auf das Anderkonto des Treuhänders […] unwiderruflich spesenfrei zur Überweisung zu bringen.

[12]           Nach Unterfertigung dieser Vereinbarung forderte der neue Treuhänder den Bevollmächtigten der Beklagten auf, ihm das Original der von ihm unterfertigten Treuhandvereinbarung zu übermitteln, was dieser jedoch nicht tat. Der Treuhänder versuchte auch, eine aktuelle Vollmacht der Beklagten für ihren Bevollmächtigten zu besorgen. Der Bevollmächtigte der Beklagten teilte dem Treuhänder mit, dass ihm eine solche Vollmacht zur Verfügung stehe – er hatte sie zwischen 18. und 21. Dezember 2019 von der sich im Ausland aufhaltenden Beklagten erhalten –, er übermittelte sie aber nicht an den Treuhänder, weil die Beklagte ihm aufgetragen hatte, sie nicht vor vollständigem Kaufpreiserlag herauszugeben.

[13]           Am 30. Dezember 2019 ersuchte der Treuhänder die finanzierende Bank um Expressüberweisung des Kaufpreises auf das Treuhandkonto. Mit Buchungs- und Wertstellungsdatum 3. Jänner 2020 wurden seitens der Bank 6.432.000 EUR (für die Erstklägerin) und 1.108.000 EUR (für die Zweitklägerin) auf das Treuhandkonto gebucht. Mit Wertstellungs- und Buchungsdatum 7. Jänner 2020 buchte die Bank weitere 255.774 EUR (für die Erstklägerin) und 92.000 EUR (für die Zweitklägerin) auf das Treuhandkonto. Mit Buchungs- und Wertstellungsdatum 3. Jänner 2020 erfolgte seitens der Zweitklägerin eine weitere Buchung von 92.000 EUR auf das Treuhandkonto. Überdies wurden am 7. Jänner 2020 von einem Dritten weitere 112.300 EUR auf dem Treuhandkonto gutgeschrieben. Insgesamt wurden daher auf dem Treuhandkonto 8.000.074 EUR gutgeschrieben.

[14]     Am Vormittag des 3. Jänner 2020 verfasste der damalige Rechtsvertreter der Beklagten ein Rücktrittsschreiben an die beiden Klägerinnen, das er diesen jeweils mit eingeschriebenem Brief übermittelte. Dieses Schreiben ging eingeschrieben am 5. Jänner 2020 auch an den Treuhänder, der den Rücktritt mit E-Mail vom 7. Jänner 2020 an den damaligen Beklagtenvertreter als nicht berechtigt qualifizierte. Die beiden an die Klägerinnen gerichteten Rücktrittsschreiben wurden am 7. Jänner 2020 von der Tochter des Geschäftsführers der Klägerinnen übernommen.

[15]           Im Kaufvertrag war vereinbart, dass es für die Rechtzeitigkeit der Kaufpreiszahlung „auf die Aufgabe des Geldes durch die Käuferin ankommt“. Der Vertragsverfasser und ursprüngliche Treuhänder, ein Notar, erklärte diese von ihm formulierte Klausel den Vertragsparteien bei Unterzeichnung des Kaufvertrags so, dass der Kaufpreis dann rechtzeitig erlegt ist, wenn das Geld die Sphäre des Käuferkontos verlassen hat; das Geld müsse also „aus der Sphäre des Käufers weg“, aber noch nicht bereits am Treuhandkonto wertgestellt sein.

Weiters wurde im Vertrag Folgendes vereinbart:

„Sollte eine der Käuferinnen mit der Bezahlung der vorerwähnten Beträge ganz oder teilweise mehr als einen Monat säumig sein, so hat die Verkäuferin das Recht, durch einseitige schriftliche Erklärung gegenüber beiden Käuferinnen den Rücktritt vom Vertrag zu erklären, dies unter Aufrechterhaltung allfälliger Schadenersatzansprüche.“

[16]     Allen Vertragsparteien war klar, dass aufgrund dieser Regelung eine weitere Nachfristsetzung nicht erforderlich ist.

[17]           Die Klägerinnen begehren die Verpflichtung der Beklagten, 1.) sämtliche für die Abwicklung des Kaufvertrags vom 1. Dezember 2016 samt den Nachträgen zu diesem Vertrag sowie für die Eigentumsverschaffung notwendigen Handlungen in der für die Durchführung erforderlichen Form vorzunehmen, insbesondere den Nachtrag zum Kaufvertrag zu unterfertigen bzw zu genehmigen und diverse näher bezeichnete, vom Treuhänder zur Verfügung gestellte Formulare zu unterfertigen;

2.) sämtliche für die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerinnen notwendigen Unterlagen herauszugeben, und

3.) ab sofort jedwede Handlungen und Verfügungen zu Lebzeiten und von Todes wegen zu unterlassen, die in die Rechtsposition der Klägerinnen in welcher Weise auch immer bezüglich der kaufgegenständlichen Liegenschaften eingreifen, insbesondere das Führen von Vertragsverhandlungen mit Dritten, den Abschluss von Rechtsgeschäften jeder Art, insbesondere die Annahme von Kaufanboten, den Abschluss von Vorverträgen und Kaufverträgen etc.

[18]     Der Vertragsrücktritt der Beklagten sei nicht berechtigt und rechtsunwirksam, weil der Kaufpreis rechtzeitig erlegt worden sei.

[19]           Die Beklagte wendete insbesondere ein, sie sei berechtigt vom Vertrag zurückgetreten, weil die Klägerinnen am 30. Dezember 2019 weder den Kaufpreis noch die Nebengebühren noch die Verzugszinsen bezahlt hätten. Die Mezzanine-Kapital-Vereinbarung sei für die Beklagte zutiefst nachteilig und daher sittenwidrig und nichtig. Diesbezüglich wäre auch der Treuhänder verpflichtet gewesen, die Beklagte bzw deren Bevollmächtigten darüber aufzuklären. Eine Zinszahlung sei nicht erfolgt, obwohl die Fälligkeit des Mezzanine-Kapitals eingetreten sei. Die Klägerinnen hätten daher den Kaufpreis in der Gesamthöhe erlegen müssen; auch darauf habe sie ihren Rücktritt vom Vertrag gestützt. Die Beklagte selbst sei nicht in Verzug geraten, sie habe sämtliche Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag eingehalten. Infolge völligen Vertrauensverlusts der Beklagten sei sie auch zum Rücktritt vom Vertrag aus wichtigem Grund berechtigt gewesen.

[20]           Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kaufpreis sei nicht am 30. Dezember 2019 und damit nicht rechtzeitig bezahlt worden, sodass der Rücktritt der Beklagten schon aus diesem Grund berechtigt sei. Es müsse daher weder geprüft werden, ob der Rücktritt auch wegen vollständigen Vertrauensverlusts gerechtfertigt gewesen wäre, noch ob die Mezzanine-Kapital-Vereinbarung überhaupt wirksam sei.

[21]           Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen nicht Folge und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Nach der vertraglichen Regelung habe der Rücktritt durch einseitige schriftliche Erklärung zu erfolgen. Für solche Willenserklärungen gelte die Empfangstheorie, dh es bedürfe zu ihrer Wirksamkeit des Zugangs an den Empfänger. Da die Rücktrittsschreiben den Klägerinnen unstrittig erst am 7. Jänner 2020 zugegangen seien, zu diesem Zeitpunkt aber auf den Treuhandkonten schon insgesamt 8.000.074 EUR eingegangen gewesen seien, sei dieser Rücktritt insofern unwirksam gewesen, als damit rechtzeitig – nämlich vor Zugang der Rücktrittserklärung – Überweisungen über 8.000.000 EUR laut Vereinbarung vom 27. Dezember 2019 vorgenommen worden seien. Dennoch sei das Klagebegehren unberechtigt, weil die Beklagte wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei. Dass sie auch mit ihrem Prozessstandpunkt klar zum Ausdruck bringe, am Vertrag nicht festhalten zu wollen, könne nicht zweifelhaft sein. Die Klägerinnen selbst seien offenkundig nicht bereit, den Vertrag über das Mezzanine-Kapital zu erfüllen, der ihrer Meinung nach gelte. Die Beklagte habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur zweimal die vereinbarten Monatszinsen bezahlt worden seien, nämlich für Jänner und Februar 2019, und dass eine Sicherheitsleistung vereinbart gewesen sei, die nicht erbracht worden sei. Weiters mache sie konkret geltend, dass vereinbarungsgemäß bei Verzug von fünf Wochen (mit den Zinsen) das Mezzanine-Kapital fällig werde. Die Klägerinnen stützten sich zwar auf die Gültigkeit der Vereinbarung, behaupteten aber selbst nicht einmal, sie erfüllt zu haben bzw sich daran zu halten. So hätten sie gar nicht behauptet, weitere als die festgestellten Zinszahlungen geleistet zu haben, und nicht erklärt, warum das Mezzanine-Kapital bisher nicht fällig geworden sein solle. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Mezzanine-Kapital-Vereinbarung mit der Vereinbarung vom 27. Dezember 2019 neuerlich in Kraft gesetzt worden sei, wäre für die Klägerinnen nichts gewonnen, weil sie nicht einmal behauptet hätten, dass sie die Vereinbarung erfüllt hätten. Diese könne nicht losgelöst vom Kaufvertrag gesehen werden, weil damit doch ein wesentlicher Teil desselben erfüllt werde. Diese Nichterfüllung der Mezzanine-Kapital-Vereinbarung durch die Klägerinnen habe die Beklagte zum Rücktritt vom Kaufvertrag spätestens im Februar 2020 berechtigt, der entsprechend ihrem Prozessverhalten auch als erklärt anzusehen sei. Ginge man mit der Beklagten von der Unwirksamkeit der Mezzanine-Kapital-Vereinbarung aus, wäre ohnehin der am 3. Jänner 2020 erklärte Rücktritt wirksam, weil dann eben wesentlich zu wenig bezahlt worden wäre.

[22]           Mit ihrer außerordentlichen Revision streben die Klägerinnen primär die Stattgebung ihrer Begehren an.

[23]           Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[24]           Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

[25]     1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Vertragsrücktritt der Beklagten, soweit er auf eine verspätete Zahlung des Kaufpreises von 8.000.000 EUR gestützt wurde, unberechtigt war:

[26]           1.1. Die Beklagte hat das bereits in der Klage erstattete Vorbringen, wonach den Klägerinnen die Rücktrittsschreiben erst am Nachmittag des 7. Jänner 2020 zugegangen seien, während die Abbuchung von ihren Konten (spätestens) am Vormittag des 7. Jänner 2020 erfolgt sei, nicht substanziiert bestritten, sodass es als unstrittig zugrunde zu legen ist.

[27]           1.2. Der Rücktritt ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und wird erst mit deren Zugang an den Erklärungsempfänger wirksam (RS0018264; vgl auch 4 Ob 518/88). Nach Übergabe und erfolgter Annahme der Leistung können keine Ansprüche nach § 918 ABGB, sondern allenfalls Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden (RS0018234).

[28]           1.3. §§ 918 ff ABGB sind nachgiebiges Recht. Die Parteien können daher abweichende Vereinbarungen treffen, die die Setzung einer Nachfrist entbehrlich machen (RS0024012 [T1]). In diesem Sinn haben die Parteien im Kaufvertrag eine spezielle Regelung des Rücktrittsrechts für den Fall des Verzugs mit der Kaufpreiszahlung getroffen, aufgrund derer keine Nachfristsetzung erforderlich war. Dies ändert aber nichts daran, dass die Rücktrittserklärung der Beklagten den Klägerinnen zugehen musste, um wirksam zu werden.

[29]           1.4. Da die Klägerinnen bei Zugang der Rücktrittsschreiben mit dem von ihnen bar zu leistenden Teil des Kaufpreises (samt Nebengebühren) nicht mehr in Verzug waren, war der Vertragsrücktritt der Beklagten unwirksam.

[30]           2. Die Klägerinnen zeigen zwar zutreffend auf, dass die Beklagte keine nochmalige Rücktrittserklärung (bloß) wegen eines Verzugs der Klägerinnen mit der Zahlung der Zinsen aus der Mezzanine-Kapital-Vereinbarung behauptet hat. Allerdings hat sie sich entgegen dem Revisionsvorbringen bereits in der Klagebeantwortung sehr wohl darauf berufen, dass sie den Rücktritt vom Vertrag in weiterer Folge auch darauf gestützt habe, dass die Fälligkeit des Mezzanine-Kapitals mangels Zinszahlung längst eingetreten sei (und auch schon bei Unterfertigung der [neuen] Treuhandvereinbarung eingetreten gewesen sei), weshalb die Klägerinnen den gesamten Kaufpreis von 10.000.000 EUR erlegen hätten müssen; außerdem sei mangels Sicherstellung im Grundbuch bzw infolge Dissens keine gültige Vereinbarung über das Mezzanine-Kapital zustande gekommen, überdies sei diese Vereinbarung sittenwidrig und daher nichtig.

[31]           3.1. Wirtschaftlich betrachtet, bedeutet die hier zwischen den Parteien getroffene Mezzanine-Kapital-Vereinbarung nichts anderes, als dass die Beklagte den Klägerinnen auf diese Weise einen Teil des Kaufpreises kreditierte, weil der Anspruch der Klägerinnen auf das Mezzanine-Kapital mit ihrer Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung verrechnet werden sollte; demgemäß war dieser Teil des Kaufpreises also nicht sogleich bei dessen Fälligkeit, sondern erst nach Ende der Laufzeit der Mezzanine-Kapital-Vereinbarung zu leisten.

[32]           3.2. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Klägerinnen, wonach sich die Verzugsregelung in dieser Vereinbarung nur auf einen Verzug mit dem Mezzanine-Kapital (und nicht mit den Zinsen) beziehe. Da nämlich das Mezzanine-Kapital von der Beklagten gerade nicht in bar zu leisten war, konnte sie damit auch nicht in Verzug geraten. In Hinblick darauf, dass sich die Wortfolge „Verzug von 5 Wochen“ im Satz nach der Regelung findet, wonach die Zinsen monatlich überwiesen werden, kann die Vereinbarung vielmehr nur so verstanden werden, dass bei Verzug mit der Zinszahlung „das Mezzanine-Kapital“, also der entsprechende Teil des von den Klägerinnen zu leistenden Kaufpreises, fällig wird.

[33]           3.3. Hingegen ist die Argumentation der Klägerinnen nicht von der Hand zu weisen, wonach die – laut Vereinbarung „ab Erhalt“ fällige – Verzinsung erst mit Fälligkeit der Leistung des restlichen Kaufpreises durch sie, also mit Ende Dezember 2019 zu laufen beginnen konnte. Sieht man nämlich die Mezzanine-Kapital-Vereinbarung als (Teil-)Kreditierung des Kaufpreises, wäre nicht verständlich, warum die Klägerinnen Zinsen aus dem – ja gerade nicht tatsächlich an sie geflossenen – Mezzanine-Kapital schon vor Fälligkeit des (Rest-)Kaufpreises zahlen müssen sollten.

[34]           3.4. Da dieser Gesichtspunkt vom Erstgericht nicht mit den Parteien erörtert wurde, erweist sich zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung schon aus diesem Grund die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen als unumgänglich.

[35]           3.5. Schon jetzt ist zu diesem Thema festzuhalten, dass für den Fall, dass sich dieser Standpunkt der Klägerinnen als zutreffend erweisen sollte, sie – angesichts des Umstands, dass unstrittig die Zinsen für zwei Monate bereits im Vorhinein gezahlt wurden – vor Ende März 2020 gar nicht zur Zinsenzahlung verpflichtet sein konnte; die in der Vereinbarung genannte Frist von fünf Wochen wäre demnach erst Anfang Mai 2020 abgelaufen gewesen. Da aber die Beklagte zu diesem Zeitpunkt schon längst den Rücktritt vom Vertrag erklärt hatte, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sie auch nicht (mehr) bereit war, den Klägerinnen einen Teil des Kaufpreises zu kreditieren. Damit würde aber in dieser Konstellation eine Verpflichtung der Klägerinnen zur Zahlung von Zinsen jedenfalls ausscheiden.

[36]           4. Sofern das fortgesetzte Verfahren ergeben sollte, dass die Beklagte ihren Vertragsrücktritt nicht auf einen Verzug der Klägerinnen mit der Zinszahlung aus der Mezzanine-Kapital-Vereinbarung stützen kann, wäre der von ihr ebenfalls als Rücktrittsgrund geltend gemachte völlige Vertrauensverlust, der vom Erstgericht im ersten Rechtsgang ausdrücklich nicht geprüft wurde, zu untersuchen. Weiters wären Feststellungen zu treffen, aufgrund derer der Einwand der Beklagten, die Mezzanine-Kapital-Vereinbarung sei unwirksam bzw sittenwidrig, beurteilt werden kann.

[37]     5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E133629

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00155.21X.1125.000

Im RIS seit

26.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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