TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/5 VGW-109/007/5697/2021

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Veröffentlicht am 05.01.2022
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Entscheidungsdatum

05.01.2022

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz

Norm

EpidemieG 1950 §3b
EpidemieG 1950 §7
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1
EpidemieG 1950 §32 Abs3
BDG 1979 §51 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde der A. AG gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 40 – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht) vom 16.03.2021, Zl. …, betreffend Dienstnehmer-Vergütung nach dem Epidemiegesetz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Beschwerdegegenstand und Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag der nunmehr beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung einer Vergütung wegen der Absonderung ihres Dienstnehmers B. C. für den Zeitraum von 28.09.2020 bis 02.10.2020 abgewiesen (§ 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Epidemiegesetz). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass keine Absonderung gemäß § 7 Epidemiegesetz verfügt worden sei.

Die Beschwerde stützt sich darauf, dass beim Sohn des Dienstnehmers der Verdacht auf eine COVID-19-Infektion bestanden habe, weshalb der Dienstnehmer mit der Gesundheitshotline 1450 Kontakt aufgenommen habe. Der Sohn des Dienstnehmers sei am 27.09.2020 getestet worden. Die Gesundheitshotline habe dem Dienstnehmer sowie der gesamten Familie angeordnet, sich bis zum Vorliegen eines Testergebnisses in Quarantäne zu begeben. Das negative Testergebnis des Sohnes sei am 02.10.2020 übermittelt worden, woraufhin die Quarantäne beendet worden sei.

Das Verwaltungsgericht führte am 09.06.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Dienstnehmer als Zeuge einvernommen wurde. Dabei gab er an (Hervorhebungen durch das Verwaltungsgericht):

„Mein Sohn hatte damals Fieber, Halsweh und Husten. Meine Lebensgefährtin hat dann bei 1450 angerufen. Es wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er zu Hause bleiben soll. Es würde jemand vorbeikommen für eine Coronatest. Dieser Anruf war am Sonntag in der Früh. Nach dem bis Mittwoch niemand zum Testen da war, ergab ein neuerlicher Anruf bei 1450, dass man auch auf der F. zum Test fahren dürfte. Wir sind dann sofort dort hin und haben am Freitag u Mittag das Testergebnis erhalten. Das Ergebnis war negativ. Es wurde bei dem Ersttelefonat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gesamte Familie zu Hause bleiben müsse. Für uns war das deswegen relevant, weil der ältere Sohn, er in einen Block in der Berufsschule gehabt hätte. So konnte er den auch nicht besuchen.

[Über Befragen des BfV]

Es war für mich eindeutig, dass es hier eine Anordnung ist, die ich „jedenfalls“ zu befolgen hätte.“

Das Verwaltungsgericht ersuchte 1450 bzw. dessen Betreiber Fonds Soziales Wien sowie das Magistrat der Stadt Wien (MA 15 und MA 40) um eine Stellungnahme und Aufzeichnungen über eine Absonderung, Quarantäne, einen Krankheits- oder Ansteckungsgefahrverdacht des Dienstnehmers.

Mit Schreiben vom 18.11.2021 teilte die beschwerdeführende Partei mit, dass die Verhandlung am 06.12.2021 „im Hinblick auf die COVID-19-Situation unbesucht bleiben“ werde, da es sich um eine reine Rechtsfrage handle und übermittelte eine Äußerung aus einem Verfahren vor dem VfGH (E 221/2021, E 422/2021).

Mit Schreiben vom 01.12.2021 teilte der Fonds Soziales Wien mit, dass die Gesundheitsberatung Wien 1450 nicht für telefonische Absonderungsbescheide zuständig ist. COVID-19-Absonderungen werden von der Magistratsabteilung 15 für die Stadt Wien ohne Beteiligung des Fonds Soziales Wien wahrgenommen. Der FSW wird für die Magistratsabteilung 15 lediglich im Bereich der COVID-19-Verdachtsfallabklärung tätig.

Das Verwaltungsgericht führte am 06.12.2021 eine (fortgesetzte) öffentliche mündliche Verhandlung durch. Das Erkenntnis wurde sogleich verkündet.

Ein Beschwerdevertreter beantragte mit am 27.12.2021 eingelangten Schreiben die Langausfertigung des am 13.12.2021 zugestellten Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

Feststellungen

B. C. ist Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei. Der Dienstnehmer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur beschwerdeführenden Partei (§ 17 PTSG).

D., Sohn des B. C., hatte im September 2020 Fieber, Halsweh und Husten. Die Lebensgefährtin des B. C. hat in der Folge bei der Gesundheitshotline 1450 angerufen. Es wurde ihr gegenüber nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der Sohn und die restliche Familie zu Hause bleiben soll. Es würde jemand vorbeikommen für einen Corona-Test. Dieser Anruf erfolgte am 27.09.2020 (Sonntag in der Früh). Nachdem bis 30.09.2020 (Mittwoch) niemand zum Testen im Haushalt der Familie C. war, ergab ein neuerlicher Anruf bei 1450, dass man auch auf der F. zum Test fahren dürfte. Die dortige Drive-in-Teststraße wird vom Samariter Bund betrieben. Die Familie ist unverzüglich dorthin gefahren und hat am 02.10.2020 (Freitag zu Mittag) das Testergebnis des D. C. erhalten; dieses Testergebnis war negativ.

Ein Corona-Test des B. C. erfolgte (jedenfalls zeitraumbezogen) nicht. Es ist gegenüber B. C. – jedenfalls für den antragsgegenständlichen Zeitraum – keine durch ein funktionell der zuständigen Behörde (dem Gesundheitsamt, d.h. dem Magistrat der Stadt Wien) zurechenbares Organ (auch im weiteren Sinn) ausgesprochene oder angeordnete Absonderung des B. C. in Befehls- oder Bescheidform erfolgt. Eine normative Anordnung, sich (für den antragsgegenständlichen Zeitraum) in Heimquarantäne zu begeben, erfolgte gegenüber B. C. nicht.

Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Akt, Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 09.06.2021 und 06.12.2021 und Einvernahme des Zeugen B. C. sowie Anfragen an die belangte Behörde (Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht), an den Gesundheitsdienst – Magistratsabteilung 15 des Magistrats der Stadt Wien sowie an den Fonds Soziales Wien als Betreiberin der Gesundheitshotline laut Impressum von 1450.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen deckungsgleich aus dem Beschwerdevorbringen und den Aussagen des Zeugen. Strittig ist im Beschwerdefall lediglich die rechtliche Beurteilung der erfolgten Abläufe und Gespräche.

Es lässt sich aus dem Beschwerdevorbringen sowie aus den (insoweit erfolglosen) Anfragen an die beteiligten Stellen eine Absonderung des B. C. durch Hoheitsakt (d.h. eine Absonderung mittels Bescheid oder AuvBZ durch/für die Gesundheitsbehörde) nicht rekonstruieren. Dass ein Befehl mit Zwangsfolge vorlag, ist in der Beschwerdekonstellation nach den Feststellungen, die sich im Wesentlichen mit dem Beschwerdevorbringen decken, auszuschließen. Es ist notorisch, dass bei den Kontakten/Gesprächen, die im Beschwerdefall stattgefunden haben, keine drohende physische Sanktion zu erwarten ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde stützt sich darauf, dass beim Sohn des Dienstnehmers der Verdacht auf eine COVID-19-Infektion bestanden habe, weshalb der Dienstnehmer mit der Gesundheitshotline 1450 Kontakt aufgenommen habe. Der Sohn des Dienstnehmers sei am 27.09.2020 getestet worden. Die Gesundheitshotline habe dem Dienstnehmer sowie der gesamten Familie angeordnet, sich bis zum Vorliegen eines Testergebnisses in Quarantäne zu begeben. Das negative Testergebnis des Sohnes sei am 02.10.2020 übermittelt worden, woraufhin die Quarantäne beendet worden sei.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt:

Der Dienstnehmer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur beschwerdeführenden Partei (§ 17 PTSG).

Eine Absonderung ist für einen Beamten eine gerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst. Er bekommt für die Zeit der Absonderung seine Bezüge weiterbezahlt und hat keinen Verdienstentgang iSd Epidemiegesetz (vgl. zum umgekehrten Fall kein Anspruch auf Entgelt bei privatrechtlichem Angestellten VwSlg 11.388 A/1984).

Nach § 51 Abs. 1 BDG 1979 ist eine allgemeine Meldepflicht des Beamten bei Abwesenheit vom Dienst dann normiert, wenn dieser nicht vom Dienst befreit oder enthoben ist. Letzteres ist insbesondere bei den im BDG geregelten Fällen der erlaubten Abwesenheit vom Dienst (insbesondere Urlaub, vgl. §§ 65 ff BDG 1979), aber auch bei anderen rechtlich begründeten Verpflichtungen/Verhinderungen wie eben bei einer Absonderung nach dem Epidemiegesetz gegeben (VwGH 30.09.1996, 95/12/0212).

Aus einer Absonderung nach dem Epidemiegesetz ergeben sich für den Beamten keine besoldungsrechtlichen Nachteile (vgl. insb. § 12c und § 13c GehG). Im Beschwerdefall sind keine Nachteile, die einen Ersatz auslösen, erkennbar.

Wie der VwGH in seiner Rsp zu Dienstnehmer-Vergütungen gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Epidemiegesetz betont, tritt dann, wenn der Arbeitnehmer nach den im Einzelfall maßgeblichen Bestimmungen vom Arbeitgeber für die Zeit der Absonderung Zahlungen/Entgeltbestandteile dennoch bzw. ohnehin erhält und somit kein Ausfall an Entgelt beim Arbeitnehmer bewirkt wird, kein Übergang des Anspruchs auf den Arbeitgeber nach dem Epidemiegesetz ein (VwGH 09.08.2021, Ro 2021/03/0007, Rz 6, am Ende des zweiten Absatzes; so auch VwGH 22.06.2021, Ra 2021/09/0094, Rz 22; 22.09.2021, Ra 2021/09/0189, Rz 11; siehe zuletzt auch 22.10.2021, Ra 2021/09/0193, Rz 10, zu von der Leistungsbereitschaft unabhängigen Entgeltbestandteilen). Was ein Dienstnehmer jedenfalls erhält, ist nicht ersatzfähig (VwGH 21.10.2021, Ra 2021/03/0105, Rz 8).

Der öffentlich-rechtliche Bedienstete, für den im Absonderungsfall eine rechtmäßige Abwesenheit vom Dienst besteht, die (zudem) von Haus aus keine Einbußen finanzieller Natur bewirkt, kann dem Dienstgeber somit keinen Anspruch gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Epidemiegesetz vermitteln. Aufgrund der maßgeblichen dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen kein Ausfall und keine bloß freiwillige Weiterbezahlung vorlag, ist ein solcher Anspruch nicht gegeben.

Schon aus diesem Grund besteht im Beschwerdefall kein Vergütungsanspruch und war dem Antrag kein Erfolg bescheiden. Die Antragsabweisung erfolgte zu Recht. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist ergänzend anzumerken:

Soweit die beschwerdeführende Partei den Anspruch auf eine Vergütung auf einen telefonischen AuvBZ durch 1450 stützen wollte, ist dem entgegenzuhalten:

Ein Vergütungsanspruch gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 Epidemiegesetz setzt voraus, dass eine Absonderung gemäß §§ 7 oder 17 Epidemiegesetz vorliegt. Eine solche Absonderung gemäß § 7 Epidemiegesetz kann aber nur als Bescheid und in Ausnahmefällen als Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ) ergehen (VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173, insb. Rz 15 und 20). Nichthoheitliche Anordnungen und Empfehlungen (etwa durch eine „Gesundheitshotline“) erfüllen die Voraussetzungen einer Absonderung gemäß § 7 Epidemiegesetz nicht (so der VfGH in jenem Verfahren, aus dem die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Äußerung mit Schreiben vom 18.11.2021 übermittelt wurde; VfGH 06.10.2021, E 221/2021).

§ 3b Epidemiegesetz, der eine Erweiterung des Ersatzanspruchbereiches auf eine selbstüberwachte Heimquarantäne erstreckt, ist mit BGBl. I 23/2021 eingefügt worden und erst am 21.01.2021 in Kraft getreten. Für den Beschwerdefall besteht bereits kein zeitlicher Anwendungsbereich dieser Bestimmung. Es wurde gegenständlich auch kein „SARS-CoV-2-Antigentest zur Eigenanwendung“ durchgeführt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es für die wirksame Erlassung eines mündlich verkündeten Bescheides der Beurkundung sowohl des Bescheidinhaltes als auch der Tatsache seiner Verkündung, widrigenfalls von einer Bescheiderlassung nicht gesprochen werden kann. Eine Unterlassung dieser Beurkundung hat zur Folge, dass ein Bescheid nicht existent wird (VwGH 29.09.1992, 91/09/0186; 20.03.2001, 2000/11/0285; 07.09.2020, Ro 2020/01/0007; VfSlg. 15.873/2000).

Eine derartige Verkündung und Beurkundung ist gegenständlich in keiner Weise erfolgt. Es liegt kein telefonischer oder mündlicher Bescheid vor. Es gab im Beschwerdefall keinen telefonischen Bescheid durch die Gesundheitsbehörde. Es ist auch keine Kommunikation der Gesundheitsbehörde mit dem Dienstnehmer nachvollziehbar. Der FSW hat eine Stellungnahme erstattet, aus der hervorgeht, dass dieser bzw. dessen Mitarbeiter beim Betrieb der Nummer 1450 keine telefonischen Bescheide erlassen. Absonderungen erfolgen und erfolgten alleine durch den Magistrat Wien (MA 15).

Eine mündliche Äußerung eines Verwaltungsorgans ist nur dann als Befehl (AuvBZ) zu werten, wenn sie nach den Umständen des Falles hinreichend deutlich als normative Anordnung zu erkennen ist (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/02/0041; 09.06.2021, Ra 2019/11/0180). Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (VwGH 27.02.2013, 2012/17/0430; Hengstschläger/Leeb, AVG § 67a Rn 45). Werden keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, liegt keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (VwGH 09.06.2021, Ra 2019/11/0180).

Es kommt für die Beurteilung der Zwangsandrohung und anderer Befehlselemente auf eine objektive Betrachtungsweise an (VwGH 26.06.2018, Ra 2018/05/0184; 09.06.2021, Ra 2019/11/0180). Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken (VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010).

Nur derjenige ist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen AuvBZ legitimiert, der durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen subjektiven Rechten verletzt sein kann. Dies trifft regelmäßig nur auf den Adressaten der Maßnahme als unmittelbar davon Betroffenen zu (VwGH 09.03.2018, Ra 2017/03/0054; 04.04.2019, Ro 2018/01/0012).

Bei einem Telefonat mit einem Mitglied einer Familie kann nicht gleichzeitig eine Gesamtabsonderung der Gesamtfamilie ausgesprochen werden. Es gäbe schließlich im Fall einer Bescheiderlassung auch keinen Gesamtbescheid, der nur einem Familienmitglied gegenüber erlassen werden müsste und alleine dadurch Wirkungen für sämtliche haushaltsangehörigen Familienmitglieder hätte.

Eine freiwillige, eigeninitiative „Absonderung“ ist nach § 32 Abs. 1 Z 1 Epidemiegesetz nicht entschädigungsfähig. Eine solche „Absonderung“ liegt auch dann vor, wenn sie im Hinblick auf eine bloße (allenfalls staatliche im weiteren Sinn) Empfehlung erfolgt. Die Einrichtung/Gesundheitsberatung 1450, die nach einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und dem Dachverband der Sozialversicherungsträger „über die Zusammenarbeit für den bundesweiten Rollout und Dauerbetrieb der Gesundheitsberatung 1450“ die Beantwortung gesundheitsbezogener Fragen zur Aufgabe hat, ist weder gesetzlich mit Hoheitsgewalt betraut, noch sind ihre Mitarbeiter nach dem Gesamtbild der Umstände den zu Absonderungen nach § 7 Epidemiegesetz zuständigen Organen bzw. Behörden (§ 43 Abs. 3 und 4 Epidemiegesetz) zugeordnet oder zurechenbar. Die Erlassung hoheitlicher, iSd § 32 Abs. 1 Z 1 Epidemiegesetz vergütungsfähiger Anordnungen durch Mitarbeiter von 1450, die sohin keine zu Anordnungen befugte Behörde, sondern vielmehr eine Einrichtung des Bürgerservice ist, scheidet daher von vornherein aus (VfGH 06.10.2021, E 221/2021-27, E 422/2021-21, Rz 16 f).

Absonderungsempfehlungen und anderen Formen nicht-hoheitlicher Verhaltensempfehlungen und Ratschläge, die von einer Stelle stammen, die keine Hoheitsgewalt hat, bewirken keine Rechtsfolgen.

Anrufe des Magistrats als Bezirksverwaltungsbehörde, des Gesundheitsamtes oder sonstiger der Stadt Wien zurechenbarer Einrichtungen oder Mitarbeiter gab es im gegenständlichen Fall nicht (zur Relevanz solcher mündlicher Kontakte VfGH 06.10.2021, E 4201/2021; zum Erfordernis der Zurechenbarkeit zur Gesundheitsbehörde etwa auch VwGH 20.10.2021, Ra 2021/09/0158, Rz 14).

Selbst wenn es eine solche Kommunikation gegeben hätte, wäre diese keine Absonderung, wie sie nach dem Gesetz und nach der Rechtsprechung erforderlich wäre (VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173, Rz 25 ff).

Im Beschwerdefall liegt somit keine Absonderung gemäß § 7 Epidemiegesetz in Form eines Bescheides oder AuvBZ durch 1450 vor.

Ebenso wenig ist im Beschwerdefall eine Absonderung gemäß § 7 Epidemiegesetz in einer Teststraße bzw. anlässlich der Abgabe/Abnahme eines Corona-Tests nachvollziehbar. Wenn dort Mitarbeiter des Samariterbundes oder sonstiger Einrichtungen Tests durchführen und Ratschläge/Empfehlungen äußern, ist eine Zurechnung zur Behörde ausgeschlossen. Nach objektiver Betrachtungsweise könnte der Adressat einer Anordnung eines Organs der öffentlichen Sicherheit (Polizist) oder eines sonstigen unzweifelhaft nach außen hin erkennbaren hoheitlichen Organs (einer Behörde oder Gebietskörperschaft) wohl in der Regel einen Befehl iSd zitierten Rsp betreffend drohender Zwang, Durchsetzbarkeit, Befolgungsanspruch annehmen. Bei einem in einer Coronavirus-Teststraße befindlichen Bediensteten handelt es sich jedoch um keine solches Organ.

Im Beschwerdefall liegt somit keine Absonderung gemäß § 7 Epidemiegesetz in Form eines Bescheides oder AuvBZ im Zuge der Abgabe eines Tests vor.

Die beschwerdeführende Partei hat eine Stellungnahme aus einem VfGH-Verfahren zu einem ähnlich gelagerten Fall vorgelegt. In diesem Schriftsatz wurde dem Verwaltungsgericht durch die beschwerdeführende Partei ein Feststellungsmangel bezüglich drohender physischer Sanktionen bei Nichtbefolgung unterstellt. Es ist für das Verwaltungsgericht jedoch nicht ersichtlich, welche Sanktion bei einer Nichtbefolgung einer Anordnung eines 1450-Telefonisten oder eines Teststraßenmitarbeiters drohen sollte. Die beschwerdeführende Partei zeigt auch nicht auf, welche dies sein sollten.

Abstrakte Ausführungen zu vermeintlichen Verfahrensmängeln (in einem anderen Verfahren) ohne Bezugnahme auf den konkreten Beschwerdefall stellen insbesondere keine Beweisanträge dar. Die Ausführungen im Schriftsatz aus einem Verfahren vor dem VfGH nach einer Entscheidung des OÖ LVwG sind nicht geeignet, über ein Beschwerdevorbringen hinaus konkrete Beweisthemen und -mittel aufzuzeigen, die gegenständlich aufzunehmen gewesen wären. Insbesondere wurde kein Vorbringen dazu erstattet, wie das Verwaltungsgericht jenseits der amtswegig ermittelten Elemente zu einer anderen Sachverhaltsannahme kommen hätte können. Dass eine Zuordnung von am Beschwerdefall beteiligten Personen zur Gesundheitsbehörde möglich wäre, ist nicht ersichtlich. Bei CoronaTest-Strassen handelt es sich um keine „staatliche“ oder hoheitliche Einrichtung (auch nicht in einem weiteren Sinn).

Die gerichtlichen Straftatbestände der §§ 178 f StGB knüpfen an eine Krankheit bzw. die Gefahr deren Verbreitung an und nicht an eine Absonderung oder sonstiges Verwaltungshandeln bzw. Verwaltungsakte. Eine Verwaltungsübertretung liegt u.U. bei Nichtbefolgung einer Absonderungsanordnung vor, wobei hier – so wie in § 32 Abs. 1 Z 1 Epidemiegesetz – eine Maßnahme iSd § 7 Epidemiegesetz Voraussetzung wäre. Unmittelbare Rechtsfolgen jenseits gesetzlicher Pflichten ergeben sich aus Quarantäne-Ratschlägen oder Aufforderungen von privater, nicht-staatlicher Seite, die eben nicht einen Bescheid oder AuvBZ darstellen können, nicht.

Eine normative Anordnung, die einer Behörde zuzurechnen wäre, liegt im Beschwerdefall nicht vor. Es liegt keine Absonderung iSd § 7 Epidemiegesetz vor. Der Vergütungstatbestand des § 32 Abs. 1 Z 1 Epidemiegesetz ist nicht erfüllt. Auch auf einen anderen Tatbestand lässt sich die begehrte Vergütung nicht stützen.

Auch aus diesem Grund ist keine Antrags- und Beschwerdeberechtigung gegeben; (auch) aus diesem Grund war die Beschwerde abzuweisen.

Die in der Beschwerde angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken (explizit angesprochen Eigentumsfreiheit und Gleichheitsgrundsatz) teilt das Verwaltungsgericht nicht. Es scheint nicht unsachlich die Vergütungstatbestände in einem abschließenden Katalog (so schon VwSlg 11.388 A/1984; keine analoge Anwendung in [vermeintlich] gleichgelagerten Fällen; vgl. VwGH 24.02.2021, Ra 2021/03/0018) zu regeln. Die Vergütungstatbestände knüpfen ein einzelne Handlungs- und Rechtsformen an. Gegenständlich ist eben ein Bescheid (oder im Ausnahmefall ein AuvBZ) erforderlich.

Verfahrensmängel liegen nicht vor. Im Übrigen wären solche grundsätzlich im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sanierbar. Am Ende des hiesigen Verfahrens verzichtete die beschwerdeführende Partei auf eine Verhandlungsteilnahme (06.12.2021), weil lediglich eine Rechtsfrage vorliege.

Die Beschwerde war aus diesen Gründen als unbegründet abzuweisen. Der begehrte Anspruch besteht nicht. Die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung einer Dienstnehmer-Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz erfolgte zu Recht.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Rechtslage ist aufgrund der zitierten Gesetzeslage klar und durch die angeführte Rechtsprechung geklärt (siehe insbesondere VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173, zum Bescheid als Grundform der Absonderung, sowie VfGH 06.10.2021, E 221/2021). Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Auch Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf zwei gleichwertige, voneinander unabhängige Begründungsstränge, sodass eine Revision nicht von der Lösung einzelner Rechtsfragen abhinge (vgl. zu im Wesentlichen identischen Konstellationen nach § 32 Epidemiegesetz VwGH 13.10.2021, Ra 2021/09/0156; 20.10.2021, Ra 2021/09/0158; 20.10.2021, Ra 2021/09/0175).

Schlagworte

Verdienstentgang; Dienstnehmer-Vergütung; Meldepflicht; Abwesenheit vom Dienst; Dienstenthebung; Verdacht auf Infektion; Antigentests zur Eigenanwendung; selbstüberwachte Quarantäne; eigeninitiative Absonderung; Absonderung; mündlich verkündeter Bescheid; telefonischer Bescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.109.007.5697.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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