TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/30 95/12/0106

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Veröffentlicht am 30.09.1996
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

PensionsO Wr 1966 §9;
PG 1965 §9 Abs1 impl;
PG 1965 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des K in M, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 14. März 1995, Zl. MA 2/111/93, betreffend Zurechnung nach § 9 PO 1966, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1941 geborene Beschwerdeführer steht als Sanitätsgehilfe des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes i. R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien; bis zu seiner mit 8. September 1992 erfolgten amtswegigen Versetzung in den Ruhestand gemäß § 52 Abs. 2 lit. a DO 1966 wurde der Beschwerdeführer im "Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst der Stadt Wien" verwendet.

Dieser Ruhestandsversetzung lag u.a. ein ärztliches Gutachten vom 10. Juni 1992 zugrunde, nach dem beim Beschwerdeführer die "Wiedererlangung der Dienstfähigkeit als Sanitätsgehilfe wegen der Wirbelsäulendegeneration nicht mehr zu erwarten ist. Gegen eine Verwendung für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Heben und Tragen über 10 kg besteht nach Abschluß der Physikotherapie kein Einwand". Auf Grund dieses Gutachtens wurde bei einer Reihe von Organisationseinheiten der Stadt Wien eine Verwendungsmöglichkeit für den Beschwerdeführer gesucht. Die Pensionierung erfolgte, nachdem alle befaßten Stellen erklärt hatten, daß in ihrem Bereich keine dem amtsärztlichen Gutachten entsprechende Tätigkeit vorhanden sei.

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 5. August 1993 wurde auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 31. August 1992 und auf Grund der Gutachten eines Sachverständigen für Berufskunde vom 19. Oktober 1992 und vom 9. Juni 1993 entschieden, daß eine Zurechnung gemäß § 9 PO 1966 nicht verfügt werden kann. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, im amtsärztlichen Gutachten sei festgestellt worden, daß auf Grund der Wirbelsäulendegeneration mit Bandscheibenprotrusion L5/S1 eine andauernd eingeschränkte Rumpfbeweglichkeit und ein recidivierendes Lumbalsyndrom bestehe. Das Tragen eines Stützmieders und orthopädische Betreuung seien erforderlich. Weiters habe der amtsärztliche Sachverständige festgestellt, daß körperlich leichte Tätigkeiten ohne Heben und Tragen über 10 kg, ohne Arbeiten in gebückter Haltung und mit der Möglichkeit eines Wechsels der Körperhaltung (Gehen, Stehen, Sitzen) zumutbar seien. Unter diesen Voraussetzungen werde eine normale tägliche Arbeitszeit mit normalen Erholungspausen für möglich gehalten. Der berufskundliche Sachverständige sei in seinem Gutachten vom 19. Oktober 1992 zu dem Schluß gekommen, daß eine Arbeitskraft mit den beim Beschwerdeführer bestehenden gesundheitlichen Leistungseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in andere Hilfsberufe verwiesen werden könne. Als solche Verweisungsberufe habe der Sachverständige angeführt:

Bürogehilfe, Portier in Fabriken, Ämtern, Geschäftshäusern u. dgl., Werkstättenschreiber und ergänzend im Gutachten vom 9. Juni 1993 Hilfskraft in einer Registratur. Diese Erwerbstätigkeiten seien dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner sozialen Stellung als Sanitätsgehilfe des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes auch zumutbar.

Im Rahmen des Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer die Richtigkeit des amtsärztlichen Gutachtens nicht in Zweifel gezogen, jedoch gegen die Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen Einwendungen erhoben und dazu im wesentlichen vorgebracht, die Tätigkeit eines Sanitätsgehilfen gehe auf Grund der umfassenden Ausbildung, die er im Verlaufe seiner Berufsausübung zu absolvieren gehabt habe, über eine bloße Hilfstätigkeit hinaus, weshalb eine Zumutbarkeit der genannten Verweisungsberufe nicht gegeben sei. Diesem Vorbringen sei zu erwidern, daß in den berufskundigen Gutachten nicht wahllos Hilfsarbeiten als Verweisungsberufe angeführt worden seien, sondern solche aufgezählt worden seien, die auf Grund der dafür notwendigen Ausbildung bzw. der sozialen Stellung den Sanitätshilfsdiensten annähernd gleichwertig seien. Es seien dies eben die Berufe des Bürogehilfen, des Werkstättenschreibers sowie des Portiers, der seinen Dienst in Ämtern, Geschäftshäusern, Banken usw. versehe, wobei diese Verweisungsberufe den gleichen sozialen Status wie Sanitätshilfsberufe besäßen. Als weiterer Verweisungsberuf komme die Tätigkeit einer Hilfskraft in der Registratur in Frage, die sowohl dem vorliegenden Leistungskalkül als auch dem sozialen Status einer Sanitätshilfskraft entspreche. Die Arbeit einer Hilfskraft in der Registratur umfasse das Zusammenstellen von Aktenvorgängen, Paginieren von Seiten, Anbringen von Registernummern nach Aktenplänen, Ablegen der Akten in Ordner oder Schachteln, Herausnehmen von Aktenvorgängen aus der Registratur und Anschließen an neu eingelangte Akten, wobei ca. zwei Drittel der Arbeit im Sitzen und ein Drittel im Gehen und Stehen zu absolvieren sei. Es handle sich um eine leichte körperliche Tätigkeit mit der gelegentlichen Verwendung von Bürotritten oder Zimmerleitern bis drei Sprossen, mit wenigen handschriftlichen Arbeiten, dem Herausziehen und Einstellen von Ordnern mit einer Hand aus den Registraturfächern bis zu einem Höchstgewicht von 3 kg. Dem Einwand des Beschwerdeführers hinsichtlich der sozialen Stellung eines Sanitätsgehilfen wegen der erforderlichen Ausbildung im Sanitätshilfsberuf und der verpflichtenden Fort- und Weiterbildung sei entgegenzuhalten, daß die Ausbildung zum Sanitätsgehilfen in den §§ 44 und 45 des Krankenpflegegesetzes geregelt sei und neben einer praktischen Ausbildung auch einen theoretischen Teil in Form von Kursbesuchen umfasse. Die Tätigkeiten eines Sanitätsgehilfen würden in der Regel auf Anordnung von Ärzten ausgeführt und seien in die Kategorie der Hilfstätigkeiten einzuordnen, auch wenn sich Sanitätsgehilfen meist in einem Angestelltenverhältnis befänden. Bei dem Beruf "Sanitätshilfe" handle es sich nicht um einen Lehr- oder Anlernberuf, sondern - wie auch im Krankenpflegegesetz zum Ausdruck gebracht - um Hilfstätigkeiten, weshalb eine Verweisung in die vorher erwähnten Hilfsberufe durchaus zumutbar sei. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer trotz der festgestellten gesundheitlichen Leistungseinschränkungen nicht unfähig geworden sei, einen zumutbaren Erwerb auszuüben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich im wesentlichen gegen die Zumutbarkeit der Verweisungsberufe im Hinblick auf das Sozialprestige aussprach und die Bedeutung seiner ehemaligen Beschäftigung herausstellte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, in den Berufungseinwendungen sei der Umstand gerügt worden, daß dem Beschwerdeführer als Sanitätsgehilfen des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes Erwerbstätigkeiten wie Bürogehilfe, Portier, Werkstättenschreiber und Hilfskraft in einer Registratur nicht zumutbar seien und diese nicht seiner sozialen Stellung entsprächen. Von der belangten Behörde sei daher zu prüfen, ob die vom berufskundigen Sachverständigen unter Berücksichtigung der im amtsärztlichen Sachverständigengutachten festgestellten Leistungseinschränkungen genannten Verweisungsberufe dem Beschwerdeführer zumutbar seien. Wie sich aus den Bestimmungen des IV. Teiles des Krankenpflegegesetzes ergebe, umfaßten die Tätigkeiten auf dem Gebiet der Sanitätshilfsdienste überwiegend einfache Hilfsdienste sowie die Leistung erster Hilfe, die Vornahme von Entseuchungen, etc. In diesem Sinne habe der berufskundige Sachverständige in seinem Gutachten vom 19. Oktober 1992 ausgeführt, daß das Berufsbild eines Sanitätsgehilfen vor allem darin bestehe, bei Erkrankten bzw. Unfallopfern in "Erste-Hilfe-Situationen" die Erstversorgung durchzuführen. Hiezu gehöre die Bergung, die richtige Lagerung, das Anlegen von Kompressen und Notverbänden, die Wiederbelebung, die Geburtshilfe, die richtige Betreuung von Patienten auf der Einsatzfahrt, die richtige Handhabung des Instrumentariums, mit dem der Einsatzwagen ausgestattet sei, sowie dessen Reinigung und Pflege. Bei Krankentransporten seien Patienten aus Wohnungen zum Einsatzwagen zu tragen. Im Lichte der genannten Bestimmungen seien auch die Organisations- und Dienstvorschriften für den Wiener Städtischen Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst, welche vorschrieben, daß Sanitätsgehilfen unmittelbar dem jeweiligen Stationsführer bzw. dem anwesenden Arzt unterstellt seien und deren Anweisungen zu befolgen hätten, zu verstehen. Weiters hätten Sanitätsgehilfen nach jedem Einsatz die Ausrüstung der Einsatzfahrzeuge zu überprüfen, Mängel zu melden und gegebenenfalls das Wageninnere zu reinigen. Aus der Tätigkeitsbeschreibung von Sanitätsgehilfen durch den Leiter des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes gehe hervor, daß Sanitätsgehilfen im Falle von Einsatzfahrten ohne Arzt u.a. "Erstdiagnosen" zu erstellen, Patienten zu beruhigen und einer Erstversorgung zu unterziehen hätten. Dazu sei auszuführen, daß die Erstellung einer "Erstdiagnose" nicht einer Beurteilung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen Krankheiten, Gebrechen etc. gleichkomme. Diese Beurteilung unter Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel sei gemäß den Bestimmungen des Ärztegesetzes 1984 ausschließlich Ärzten vorbehalten. Bei der Erstellung von "Erstdiagnosen" durch Sanitätsgehilfen sei dies als die Äußerung einer Meinung eines medizinischen Laien zu verstehen, wie diese auch von anderen medizinischen Laien (z.B. freiwilligen Helfern der Bergrettung nach einer Schulung) erfolge. Aus diesen Vorschriften sei somit entgegen der Meinung des Beschwerdeführers zu ersehen, daß der Verantwortungsbereich eines Sanitätsgehilfen ein sehr eingeschränkter sei und jenen anderer Hilfsberufe weitgehend entspreche. Vergleichbar habe das Oberlandesgericht Wien zur Tätigkeit einer Stationsgehilfin entschieden, daß diese keine Angestelltentätigkeit im Sinne des § 273 ASVG, sondern eine unqualifizierte Arbeitertätigkeit ausübe, auch wenn sie bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten versichert sei. Selbst wenn Stationsgehilfen eine mehrmonatige schulische Ausbildung absolviert hätten, entspreche ihre Befähigung nicht jener des diplomierten Krankenpflegepersonals. Zum Einwand des Beschwerdeführers, die Tätigkeit eines Sanitätsgehilfen sei vom Ausbildungsstatus im sozialen Prestige den Verweisungsberufen übergeordnet, sei festzuhalten, daß sich der Beschwerdeführer zweifelsfrei einer theoretischen und praktischen Ausbildung und während der Berufsausübung weiteren Schulungen habe unterziehen müssen. Dem sei aber zu erwidern, daß im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die soziale Geltung einer beruflichen Tätigkeit sich nicht vorwiegend nach den hiefür erforderlichen Vorkenntnissen und der mit ihnen verbundenen persönlichen Verantwortung, sondern überwiegend danach richte, in welche ihrer Gruppen die bestehende Gesellschaftsordnung diejenigen einreihe, die bestimmte Berufstätigkeiten verrichteten. Maßgeblich sei somit die soziale Einschätzung eines Beamten der Bedienstetengruppe des Sanitätshilfsdienstes, im Vergleich zu den im angefochtenen Bescheid angeführten Verweisungsberufen, wobei der Beruf des Sanitätsgehilfen einem Lehr- oder Anlernberuf nicht gleichzusetzen sei, weil es sich hiebei bloß um eine Hilfstätigkeit handle, und insbesondere keine Qualifikationen wie bei einer Arbeitskraft mit Lehrabschluß und fortlaufender Tätigkeit in einem Lehrberuf erforderlich seien.

Hinsichtlich der im erstinstanzlichen Bescheid dargestellten Verweisungsberufe sei - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - auszuführen:

Das Berufsbild des Bürogehilfen enthalte das Bedienen von "Adremaanlagen", Ablichtgeräten, Frankiermaschinen und ähnlichen einfachen Geräten, weiters die Ausführung einfacher Bürohilfsarbeiten wie das Fertigstellen der Brief- und Paketpost, das Führen einfacher Listen, das Austragen von Akten und das Verrichten ähnlicher, einfacher Arbeiten. Die Tätigkeit einer Hilfskraft in der Registratur erfordere das Zusammenstellen von Aktenvorgängen, Paginieren von Seiten, Anbringen von Registernummern nach Aktenplänen, Ablegen der Akten in Ordner oder Schachteln, Herausnehmen von Aktenvorgängen aus der Registratur und Anschließen an neu eingelangte Akten, Skartieren von Ablagegut nach dem Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen, Vernichten dieses Skartmaterials im Aktenreißwolf sowie das Vorbereiten von Ordnern bzw. von Ablageschachteln für folgende Ablagezeiträume, gelegentlich auch das Bedienen von Kopiergeräten. Sowohl die Tätigkeiten einer Registraturkaft als auch eines Bürogehilfen erforderten entsprechend hohes Verantwortungsbewußtsein, Genauigkeit, ein gutes Gedächtnis und eine rasche Auffassungsgabe, weil die richtige Lagerung und Evidenthaltung der Akten, die ordnungsgemäße Fertigstellung der Post bzw. die richtige Handhabung der diversen Geräte und Maschinen für die Erledigung der Akten und die Erfüllung der damit verbundenen Aufgaben sowohl im Rahmen der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Bereich nicht zuletzt auch auf Grund des stetig anwachsenden Ausmaßes der zu bewältigenden Arbeiten eine unabdingbare Voraussetzung bildeten. Es sei daher davon auszugehen, daß die Gesellschaftsordnung die soziale Stellung einer Registraturkraft und eines Bürogehilfen gleich hoch wie die eines Sanitätsgehilfen einschätze. Die Tätigkeit eines Portiers in Fabriken, Ämtern, Geschäftshäusern u.dgl. erstrecke sich auf das Erteilen einfacher Auskünfte, einfache telephonische Anmeldungen, Kontrolle von Passierscheinen und Ausfahrtspapieren sowie der Stechuhranlage und das Öffnen und Schließen von Toren und Schranken. Der Portier sei in vielen Fällen erster Ansprechpartner für Kunden, Lieferanten oder auch Parteien. Er habe sich höflich und hilfsbereit zu verhalten und den Betrieb zu kennen, um Fragen richtig beantworten zu können. Es sei davon auszugehen, daß dieser Tätigkeit seitens der Gesellschaft große Bedeutung zugerechnet werde, weil ein Portier sozusagen als "Visitkarte" des Unternehmens fungiere, überdies Überwachungsfunktion zu erfüllen habe und letztlich seine Kenntnisse im Gefahrenfall wichtig seien. Die soziale Geltung eines Portiers werde daher von der belangten Behörde als genauso hoch eingeschätzt wie die eines Sanitätsgehilfen. Zu den Aufgaben eines Werkstättenschreibers zähle das Anlegen von Produktionskarten, Ablesen von Produktionszahlen, Maschinenzeiten von Zählwerken, Eintragen von Produktionsziffern, Arbeitszeiten u.dgl. auf die Produktionskarten sowie das Zusammenstellen von Zahlenmaterial in Listenform. Dieser Beruf setze somit ein gutes Auffassungsvermögen, hohe Aufmerksamkeit und vor allem Genauigkeit bei der Erstellung der Listen und Produktionskarten voraus. Diese Listen und Produktionskarten stellten für den Betrieb eine wichtige Unterlage für die richtige Berechnung und Kontrolle der Produktion und somit für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes dar. Es sei somit davon auszugehen, daß die Gesellschaft der Tätigkeit eines Werkstättenschreibers vor allem im Hinblick auf die mit dieser Aufgabe übertragene Verantwortung genauso hohe Bedeutung und damit die gleiche soziale Geltung beimesse, wie der Tätigkeit eines Sanitätsgehilfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 der Pensionsordnung 1966, LGBl. Nr. 19/1967, ist dem Beamten, wenn er ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand der Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch ein Zeitraum von zehn Jahren, zu seiner ruhegenußfähigen Dienstzeit zur Stadt Wien zuzurechnen.

Im Hinblick auf die Inhaltsgleichheit dieser Bestimmung mit § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, ist auch die Heranziehung der Rechtsprechung zu dieser Regelung für den Beschwerdefall gerechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat beispielsweise mit Erkenntnis vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150, unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung ausgeführt:

Die Behörde hat zunächst auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können. Letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann. Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung.

Die soziale Geltung einer beruflichen Tätigkeit richtet sich nicht vorwiegend nach den hiefür erforderlichen Vorkenntnissen und der damit verbundenen persönlichen Verantwortung, sondern überwiegend danach, in welche ihrer Gruppen die bestehende Gesellschaftsordnung diejenigen einreiht, die bestimmte Berufstätigkeiten verrichten (vgl. in diesem Sinne beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1970, Slg. N. F. Nr. 7775/A).

Im Beschwerdefall wird nicht in Frage gestellt, daß der Beschwerdeführer die als Verweisungsberufe angeführten Tätigkeiten gesundheitlich gesehen verrichten könnte; der Beschwerdeführer bekämpft vielmehr nur die Zumutbarkeit dieser Verweisungsberufe. Die Beschwerde bringt diesbezüglich vor, die Ausbildung als Sanitätsgehilfe des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes sei in den §§ 44 und 45 des Krankenpflegegesetzes geregelt und bestehe aus praktischer Ausbildung und einem theoretischen Ausbildungsteil mit verpflichtenden 240 Stunden Kursbesuch, Ablegung einer Prüfung und Ausstellung eines Zeugnisses. Allein die Tatsache, daß dem Beschwerdeführer zwingend eine Ausbildung und Schulung vorgeschrieben sei, unterscheide seine Beschäftigung von den angeführten Verweisungsberufen. Es seien daher folgerichtig in den von der Arbeitsmarktverwaltung herausgegebenen Berufslexika zwar der Sanitätshilfsdienst (gemeinsam mit Laborgehilfen) aufgezählt und die Berufsvoraussetzungen und die Tätigkeitsmerkmale erwähnt, nicht aber seien in diesem Zusammenhang die dem Beschwerdeführer zugemuteten Verweisungsberufe genannt. In diesen Berufslexika seien alle Berufe aufgezählt, für die der Bildungsweg gesetzlich geregelt sei, für die eine schulische Ausbildung vorgesehen sei und für die von Institutionen Kurse und Schulungen vorgesehen seien. Bei der Beschäftigung des Beschwerdeführers habe es sich zum Unterschied von den Verweisungsberufen somit um ein Berufsbild gehandelt, an das ganz konkrete gesetzlich geregelte Anforderungen gestellt würden. Mindestausbildungserfordernis für hauptamtlich im Rettungs- und Krankentransportdienst eingesetztes Personal sei die Absolvierung eines Sanitätsgehilfenkurses innerhalb von zwei Jahren ab Berufsantritt. Die Ausbildung zum Sanitätsgehilfen erfolge in Kursen, die an Krankenanstalten eingerichtet seien und unter der Leitung eines fachlich geeigneten Arztes stünden. Unterrichtsfächer und Mindeststundenanzahl gliederten sich wie folgt:

"- Grundzüge der Hygiene und Infektionslehre     20 Stunden

- Grundzüge des Katastropheneinsatzes und

  Strahlenschutzes                               20 Stunden

- Erste Hilfe und Verbandslehre einschließlich

  Erste-Hilfe-Leistung bei Geburten              60 Stunden

- Einfache Instrumenten- und Gerätelehre         20 Stunden

- Grundzüge des Sanitäts-, Arbeits- und

  Sozialversicherungsrechts                      15 Stunden

                                                135 Stunden"

Überwiegend werde der Kurs als Blockveranstaltung mit einer drei- bis vierwöchigen Dauer abgehalten. Die mit Erfolg abgelegte kommissionelle Kursabschlußprüfung berechtige zum Führen der Berufsbezeichnung "Sanitätsgehilfe". Ein Beispiel für erweiterte Ausbildungsmodelle stelle die Qualifikation zum "Rettungssanitäter" für das - ausschließlich hauptamtliche - Personal des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes der Stadt Wien dar. Voraussetzung bildeten ein positiv abgeschlossener Sanitätsgehilfenkurs sowie eine zweijährige Praxis als Sanitätsgehilfe. Daran schließe sich ein theoretischer Kurs im Ausmaß von 100 Stunden sowie ein jeweils vierwöchiges Spitalspraktikum in den Bereichen Unfallchirurgie und interne Intensivmedizin (insgesamt 320 Stunden) an.

Der Beschwerdeführer verweist weiter auf die vom Chefarzt der Wiener Rettung verfaßte und von ihm im Verfahren vorgelegte Tätigkeitsbeschreibung, aus der sich ergebe, daß ein Großteil der Tätigkeiten ohne Arzt zu erfolgen habe (Erstdiagnose, Wundversorgung, richtige Lagerung, Pulskontrolle, EKG anlegen, reanimieren, ...). Es sei daher völlig verfehlt, wenn der angefochtene Bescheid davon ausgehe, es habe sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers um überwiegend einfache Hilfsdienste gehandelt. Den Kernbereich seiner Tätigkeiten hätten nämlich Einsätze ohne Mitwirkung eines Arztes dargestellt.

Der Beschwerdeführer sei sich im klaren, daß ein Verweisungsberuf dem bisherigen Beruf nicht vollkommen gleichwertig sein müsse. Eine gewisse Minderung oder Minderbewertung in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht müsse in Kauf genommen werden. Es seien aber als Verweisungsfeld seiner Meinung nach die Summe der Berufe derselben oder ähnlichen Berufsgruppe anzusehen, für die eine ähnliche Ausbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt würden. Es müsse also etwa auf die gleichen Anforderungen an Verantwortung, Umsicht, Handfertigkeit, Konzentration, Kenntnisse, Fähigkeiten, Vorbildung und Schulung ankommen. Es sei wohl nicht notwendig anzuführen, daß in der allgemeinen Wertigkeit der Öffentlichkeit das Prestige eines Sanitätsgehilfen im Rettungsdienst ein sehr hohes sei. Die davon betroffenen Menschen würden eben "eine Rettung", also Hilfe, die unter Umständen über Leben und Tod entscheiden könne, erwarten und dies im Hinblick auf den praktischen und theoretischen Ausbildungszustand des Berufsstandes zu Recht. Es wäre somit eine Verweisung nur in Tätigkeiten, die unmittelbar ähnlich gelagert seien, zulässig, wie etwa in Laboratorien, Ambulatorien, als Ordinationshilfe, Heimhilfe etc.; keineswegs aber in Tätigkeitsbereichen, die in keiner auch nur annähernden Art und Weise gleichartig seien oder ähnliche psychische oder physische Anforderungen stellten. Der berufskundige Sachverständige habe auf Grund der Stellungnahme des Beschwerdeführers zum ersten Gutachten in seinem zweiten Gutachten selbst darauf hingewiesen, daß der ursprünglich genannte Verweisungsberuf eines Wächters zweifellos unter dem sozialen Niveau des Sanitätshilfsdienstes liege. Es sei jedoch nicht ersichtlich, wieso Portier als Verweisungsberuf nach wie vor vorhanden sei, welcher eine eigentlich niedrigere Tätigkeit als der eines Wächters, dem ja eine gewisse Kontrollfunktion obliege, ausübe. Nach der eigenen Beschreibung des berufskundigen Sachverständigen bestehe die Tätigkeit des Portiers im wesentlichen im Erteilen einfacher telefonischer oder persönlicher Auskünfte sowie im Öffnen und Schließen von Toren. Auch die weiteren Verweisungsberufe wie Hilfskraft, Bürogehilfe oder Werkstättenschreiber (wobei letzterer Begriff weder im Berufslexikon aufscheine noch überhaupt im allgemeinen Sprachgebrauch bekannt sei) lägen jedenfalls unter dem sozialen Niveau eines Sanitätsgehilfen im Rettungsdienst. Allen drei restlichen Verweisungsberufen sei immanent, daß es sich um ganz einfache manipulative Vorgänge, wie Akten ein- und ausordnen, Ablesen und Eintragen von Ziffern und sonstigen einfachen Hilfsarbeiten handle. Es sei daher zusammenfassend ersichtlich, daß es sich bei den Verweisungsberufen um solche dem Beschwerdeführer nicht zumutbare unter seinem sozialen Status liegende Berufe handle, die keinerlei wie immer geartete Voraussetzungen benötigten, was schulische Ausbildung und schulische Weiterbildung in sach- und fachbezogener Hinsicht betreffe. Es handle sich dabei um Tätigkeiten, die von jedermann verrichtet werden könnten, während es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers um eine qualifizierte, unter Umständen über Leben und Tod entscheidende, ja teilweise ärztlichen Tätigkeiten nahekommende Beschäftigung gehandelt habe. Nicht nur in sachlicher Hinsicht, sondern auch in prestigemäßiger Hinsicht seien diese Verweisungsberufe als "Hilfsarbeiterberufe" in einem wesentlich geringeren Ansehen als der bisher vom Beschwerdeführer ausgeübte Beruf, sodaß ihm ein derartiger sozialer Abstieg billigerweise nicht zugemutet werden könne. Eine derartige Verweisung auf einen der angeführten Berufe würde auch am allgemeinen Arbeitsmarkt - rein theoretisch - eine entsprechend hohe Lohneinbuße mit sich bringen, was wiederum auf das geringe Ansehen und die geringere Wertigkeit dieser Berufe hinweise.

Diesem Vorbringen ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Ergebnis die Berechtigung nicht von vornherein abzusprechen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß ein im Hinblick auf die gesundheitlichen Beschränkungen noch möglicher anderer Erwerb dem Beamten zugemutet werden kann, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann.

Mit der Frage der sonstigen persönlichen Lebensumstände des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt. Primär ist aber die soziale Geltung der früheren Beschäftigung des Beschwerdeführers als Sanitätsgehilfe im Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst zu untersuchen, die nach seinem Vorbringen deutlich über die Tätigkeit eines Stationsgehilfen in einem Krankenhaus zu stellen ist. Auch wenn die soziale Geltung einer beruflichen Tätigkeit sich nach dem von der Behörde genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht VORWIEGEND nach den konkret erforderlichen Vorkenntnissen und der damit verbundenen Verantwortung richtet, so stellen diese Aspekte doch nicht von vornherein unwesentliche Faktoren für die Beurteilung der sozialen Geltung und damit auch für die Zumutbarkeit dar. Hinsichtlich beider Gesichtspunkte hat der Beschwerdeführer nicht als unbeachtlich zu wertende konkrete Vorbringen erstattet, denen die belangte Behörde bzw. der berufskundliche Sachverständige im wesentlichen nur mit dem Hinweis auf die rechtlich beschränkten Möglichkeiten des Sanitätshilfsdienstes begegnet sind. Trotz der für den Sanitätshilfsdienst rechtlich eingeschränkten Möglichkeiten hätte aber die belangte Behörde im Beschwerdefall unter Verwertung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Liste über die Tätigkeiten eines Sanitätsgehilfen bei der Wiener Rettung, insbesondere bei den "Einsätzen ohne Arzt", und unter Beachtung der für diese Tätigkeit notwendigen und tatsächlich erfolgten Ausbildung konkrete Vergleiche mit den angegebenen Verweisungsberufen hinsichtlich der notwendigen Ausbildung, dem Wissen und der Verantwortung vornehmen müssen. Weiters ist im Beschwerdefall zu bedenken, daß die soziale Geltung einer beruflichen Tätigkeit auch vom Grad der Selbständigkeit und der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung sowie vom Wert dieser für die betroffenen Personen bzw. Gegenstände abhängig sein wird.

Auch wenn die Auffassung des Beschwerdeführers, es seien ihm im wesentlichen nur Gesundheitsberufe als Verweisungsberufe zumutbar, unzutreffend ist und auch dem Hinweis auf die angeblich hohe Lohneinbuße bei den angegebenen Verweisungsberufen keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, so ist doch die Frage der sozialen Geltung einer Tätigkeit nicht völlig losgelöst von ihrem Wert am allgemeinen Arbeitsmarkt, der beispielsweise in der Einstufung in Kollektivverträgen zum Ausdruck kommt, zu sehen. Diesbezüglich hat die belangte Behörde keine Erhebungen angestellt und Feststellungen getroffen.

Da die belangte Behörde über die Zumutbarkeit der Verweisungsberufe notwendige weitere Erhebungen und Feststellungen und eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht vorgenommen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995120106.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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