TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/28 G308 2247570-1

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Veröffentlicht am 28.10.2021
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Entscheidungsdatum

28.10.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


G308 2247570-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geb. XXXX , StA. CHINA, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BFA-St) vom XXXX .2021, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A)       Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde bzw. BFA) vom XXXX .2021 wurde über den chinesischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX (im Folgenden: betroffener Fremder oder BF), gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 22.10.2021 wurde der Akt von der belangten Behörde dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger Chinas, seine Muttersprach ist Mandarin. Er hat keine gesundheitlichen Probleme; er ist uneingeschränkt haftfähig.

Der BF reiste im Jahr 2012 nicht rechtmäßig nach Österreich ein, und stellte am 27.03.2012 einen Asylantrag im Bundesgebiet.

Das Asylverfahren wurde am 01.02.2013 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs, Zl. C2 430693-1/2012/3E vom 01.02.2013 negativ abgeschlossen und es wurde eine Ausweisung gegen den BF ausgesprochen. Diese erwuchs in Rechtskraft und ist durchsetzbar.

Der BF tauchte in weiterer Folge unter, entzog sich dem Zugriff der Behörde und hielt sich in weiterer Folge widerrechtlich im Bundesgebiet auf.

Die BF wurde am 27.06.2021 um 13:30 Uhr von der Finanzpolizei in einem Lokal in XXXX angetroffen. Da er keine Ausweisdokumente mit sich führte wurde er um 13:45 Uhr durch die Polizei gern. § 39 FPG festgenommen.

Nach Abfrage der Person konnte die gegenständliche Identität festgestellt werden.

Auf Grund des Sachverhaltes wurde um 15:00 Uhr der Festnahmegrund auf § 40 BFA-VG geändert. Der BF wurde in das PAZ XXXX überstellt.

Der BF wurde am 28.06.2021 von der Polizei mit einer Dolmetscherin für die Sprache chinesisch betreffend dem illegalen Aufenthalt und den weiteren durch das BFA geplanten Maßnahmen einvernommen.

Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes erließ die ho. Behörde am 28.06.2021 um 11:47 Uhr einen Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG.

Am 27.06.2021 wurde gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nun ivm. Einreiseverbot auf Grund der Mittellosigkeit eingeleitet.

Mit Informationsschreiben vom 29.06.2021 wurde dem BF gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater der BBU für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Über den BF wurde auf Grund des vorliegenden Sachverhalts mit XXXX 2021 XXXX Uhr die gegenständliche Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängt. Der BF befindet sich seit XXXX .2021 in Schubhaft, die derzeit im AHZ XXXX vollzogen wird.

Mit 12.07.2021 wurde durch die rechtliche Vertretung des BF ein Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr bei der Behörde eingebracht. Dieser Antrag wurde vorerst abgelehnt, es wurde jedoch a am 15.07.2021 durch die Behörde eine Zustimmung zur unterstützten freiwilligen Ausreise erteilt.

Durch den BF wurde am 22.07.2021 ein originaler chinesischer Reisepass vorgelegt.

Mit Aktenvermerken des BFA vom 26.07.2021, 26.08.2021 sowie 20.09.2021 wurde gern. § 80 Abs 6 FPG festgestellt, dass die Verhältnismäßigkeit zur weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegt.

Mit Schreiben der BBU vom 15.10.2021 wurde dem BFA durch die BBU mitgeteilt, dass das Verfahren zur freiwilligen unterstützten Ausreise mit Hochdruck betrieben wird, derzeit jedoch keine freien Plätze für einen Flug in die VR China zur Verfügung stehen. Über eine baldige Flugbuchung wird die Behörde jedoch umgehend informiert.

Mit Schreiben vom 22.10.2021 wurde mitgeteilt, dass nunmehr ein Flug für den 05.11.2021 gebucht werden konnte.

Der BF gibt nunmehr an nach China auszureisen. Doch besteht weiterhin die Gefahr, dass er sich dem Verfahren entzieht, um eine Abschiebung zu verhindern. Insbesondere lebte der BF seit 2013 im Verborgenen, verfügt über keine Meldeadresse und hat sich der Behörde durch Untertauchen entzogen.

Der BF ist gesund, strafrechtlich unbescholten, ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und arbeitete „schwarz“.

Er verfügt in Österreich über kein soziales Netzwerk, keine finanziellen Mittel zur Existenzsicherung und keinen gesicherten Wohnsitz.

Von einer dauerhaften Unmöglichkeit der Rückführung des BF nach China kann nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist es äußerst wahrscheinlich, dass eine zeitnahe Abschiebung bzw. Ausreise nach China durchgeführt werden kann.

Aus der Sicht des erkennenden Gerichtes liegen die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vor.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BF untertaucht, bevor er abgeschoben wird bzw. ausreist, als schlüssig anzusehen und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Aufgrund der eigenen Angaben des BF sowie des Akteninhalts steht fest, dass der BF sich weigerte, nach der rechtskräftig abgeschlossenen Rückkehrentscheidung Österreich freiwillig zu verlassen.

Es besteht weiterhin Fluchtgefahr, da der BF über keinerlei für diese Entscheidung relevanten persönlichen Anknüpfungspunkte und über keine Möglichkeit eines ordentlichen Wohnsitzes, keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügt und sich bereits mehrere Jahre durch Untertauchen den Behörden entzogen hat.

Bemerkungen zum Verfahren:

Aufgrund des Vorhandenseins eines originalen Reisedokuments und der Bestrebungen der BBU für eine freiwillige Ausreise des BF ist von einer raschen Ausreise des BF auszugehen.

Es ist weiters davon auszugehen, dass eine weitere Anhaltung in Schubhaft unerlässlich ist, da der BF sich bereits jahrelang den behördlichen Maßnahmen entzogen hat und ohne weitere Anhaltung höchstwahrscheinlich nicht mehr dazu bereit wäre, aus dem Bundesgebiet auszureisen.

Dass der BF über keinen ordentlichen Wohnsitz verfügt, ist aus dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister (ZMR) ersichtlich.

Sein bisheriges Verhalten und seine Lebensweise lassen keine Zweifel daran, dass er in Österreich nicht integriert ist und dass er seine Freilassung nur dazu nützen würde, durch Untertauchen sich seiner Abschiebung zu entziehen.

Die Behörde ist zutreffend von einer hohen Fluchtgefahr des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Der BF entzog sich seit der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf internationalem Schutz im Jänner 2013 über einen Zeitraum von mehreren Jahren den Behörden durch Untertauchen. Die Feststellungen zur mangelnden sozialen Verankerung in Österreich ergeben sich aus dem vorliegenden Behördenakt.

Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da der BF haftfähig ist und das Verfahren vom BFA effizient geführt wurde. Es ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird.

Zudem erweist sich, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere der mangelnden Vertrauenswürdigkeit, des Untertauchens (ohne Bekanntgabe eines Wohnsitzes), der Schwarzarbeit sowie einer mangelnden nachhaltigen sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF hat in der Vergangenheit keine ernsthafte Bereitschaft gezeigt, trotz aufrechter Ausreiseverpflichtung von sich aus Österreich zu verlassen und in seinen Herkunftsstaat China zurückzukehren.

Ebenso ist die nunmehrige Behauptung des BF nach China freiwillig zurückkehren zu wollen im Lichte der bereits angeführten Umstände nicht überzeugend, um die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung auch tatsächlich sichern zu können.

Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(…)

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(…)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(…)“

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit der Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt über keine Berechtigung zur Einreise in das und zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

Der BF verfügt über ein Reisedokument. An seiner chinesischen Staatsbürgerschaft bestehen keine Zweifel, sodass auch dahingehend mit keinem Hindernis zu rechnen ist.

Gegen den BF wurde am 01.02.2013 eine Ausweisung erlassen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Die Rückkehrentscheidung ist somit rechtlich wie faktisch durchsetzbar.

Da der BF in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige Bezugspersonen, keinen ordentlichen Wohnsitz bzw. sonst niemanden hat, bei dem er längerfristig Unterkunft nehmen könnte, er ferner bis dato keiner legalen Beschäftigung nachging und auch über kein Barvermögen verfügt, mangelt es in seinem Fall an der gesicherten Existenz eines Wohnsitzes sowie der Sicherung seines Lebensunterhalts in Österreich. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft ist bei ihm zudem zu befürchten, dass er sich durch Absetzen ins Ausland dem Zugriff der österreichischen Fremdenbehörden entziehen wird.

In Anbetracht dessen geht von ihm jedenfalls eine erhebliche Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 FPG aus, weshalb das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des BF überwiegt.

Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere der mangelnden Vertrauenswürdigkeit sowie seiner fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF hat bislang keine Bereitschaft gezeigt, trotz aufrechter Ausreiseverpflichtung aus Österreich auszureisen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Es haben sich keine Umstände ergeben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer nicht möglich wäre, somit ist die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt gegeben.

Abgesehen davon hat der BF nunmehr erklärt freiwillig ausreisen zu wollen.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von verstärkter Fluchtgefahr, nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt, dass das öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung bzw. Ausreise wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Schubhaft ist trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer auch erfolgen könnte.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die andauernde Schubhaft kann daher – auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung – fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einreiseverbot faktischer Abschiebeschutz Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Gesundheitszustand Haftfähigkeit Mittellosigkeit öffentliche Interessen psychische Störung Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G308.2247570.1.00

Im RIS seit

25.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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