Entscheidungsdatum
02.11.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G304 2196781-1/20E
G304 2196786-1/12E
G304 2196784-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , (BF1), der XXXX , geb XXXX , (BF2), und der XXXX , geb. XXXX , (BF3), StA. Irak, die BF1 und BF2 vertreten durch RA Mag. Martin SAUSENG, die BF3 gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, die BF2, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.04.2018, Zl. XXXX (BF1), XXXX (BF2), XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkte I. werden als unbegründet abgewiesen.
II. Den Beschwerden gegen Spruchpunkte II. wird stattgegeben und den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.
III. Den Beschwerdeführern wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III. - VI. werden ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem in der Sprucheinleitung angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF oder BF1, BF2 und BF3) auf internationalen Schutz vom 25.02.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ihre Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in den Irak nicht zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
2. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
3. Am 29.05.2018 wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständlichen Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF sind irakische Staatsangehörige, stammen aus Bagdad, und gehören der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung an.
Die BF1 und BF2 haben in Bagdad geheiratet. Die BF3 ist deren mündig minderjährige 16 Jahre alte Tochter. Die BF1 und BF3 gehören der Volksgruppe der Turkmenen und die BF2 gehört der Volksgruppe der Araber an.
Alle drei BF sprechen Arabisch.
1.2. Die BF lebten im Irak in Bagdad, wo sie noch Familienangehörige der BF2 als familiäre Anknüpfungspunkte haben – ihre Mutter und zwei Brüder.
In Mossul leben ein Onkel und eine Tante des BF1 und zwei Schwestern der BF2.
1.3. Die BF sind legal aus dem Irak ausgereist und illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist.
1.4. Das Fluchtvorbringen des der sunnitisch muslimischen Glaubensrichtung angehörenden BF1 rund um einen von ihm als angeblichen Kommandanten gegen schiitische Milizangehörige erteilten Schießbefehl und einer (strafrechtlichen) Verfolgung deswegen, worauf sich auch die BF2 und BF3 stützen, war unglaubwürdig.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass den BF im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.
Es war nicht feststellbar, dass die BF im Irak der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sind. Solche Gründe wurden nicht geltend bzw. nicht glaubhaft gemacht.
2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
2.1. (Ehemalige) Politische Lage (Auszug)
Gemäß der Verfassung aus 2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (LIP 6.2015).
Die nationalen Wahlen, die im April 2014 stattfanden, hatte zwar abermals der zuvor amtierende Premierminister Nouri al-Maliki gewonnen, da es jedoch auf Grund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände gegen ihn gab, trat er im August 2014 auf kurdischen, internationalen, aber auch auf innerparteilichen Druck hin zurück (GIZ 6.2015). Maliki wird unter anderem vorgeworfen, mit seiner sunnitenfeindlichen Politik (Ausgrenzung von sunnitischen Politikern, Niederschlagung sunnitischer Demonstrationen, etc.) deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen, wie dem IS, beigetragen zu haben (Qantara 17.8.2015) Infolgedessen wurde die schiitisch dominierte Regierung des Premierministers Nuri al-Maliki von einer nationalen Einheitsregierung mit Beteiligung von Sunniten und Kurden unter dem gemäßigteren Premierminister Haidar al-Abadi abgelöst (HRW 29.1.2015). Abadi ist ebenfalls Schiite und ein Parteikollege Malikis in der Da´wa-Partei. Er ist mit dem Versprechen angetreten, das ethno-religiöse Spektrum der irakischen Bevölkerung wieder stärker abzudecken (GIZ 6.2015), und zunächst konnten durch seine Ernennung zum irakischen Premierminister tatsächlich einige gesellschaftliche Gräben geschmälert werden. Von einer tatsächlichen Versöhnung zwischen den ethnischen und religiösen Gruppierungen ist jedoch nichts zu bemerken (ÖB 12.2016). Abadis Reformen sind bislang nur oberflächlicher Natur oder harren noch ihrer Umsetzung. Unterstützt werden die Reformpläne der Regierung bislang immerhin durch die höchste geistliche Autorität der Schhiiten, Großajatollah Al-Sistani (AA 7.2.2017). Insgesamt ist die Zentralregierung aber schwach, Premierminister Abadi kann gegen die internen Rivalitäten der schiitischen Parteien aber nicht viel ausrichten. Er ist von zahlreichend Herausforderern umgeben: Dem Ex-Premierminister Nouri al-Maliki, dem Oppositionsführer und populärer Priester Muqtada al-Sadar, sowie den anderen Anführern schiitischer Milizen (Stansfield 26.4.2017)
Quellen:
? LIP – Das Länderinformationsportal (6.2015): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2015): Irak – Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/irak/geschichte-staat/
? Qantara (17.8.2015): Der Irak ist irreversibel gespalten, https://de.qantara.de/inhalt/der-aufstieg-des-is-und-der-zerfall-des-irak-der irak-ist-irreversibel-gespalten
? Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015, http://www.ecoi.net/local_link/295451/416499_en.html
? ÖB – Österreichische Botschaft Amman (12.2016): Asylländerbericht – Irak, per Email
? AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf
? Stansfield – Gareth – Professor of Middle East Politics and the Al-Qasimi Chair of Arab Gulf Studies at the University of Exeter (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting, 25.-26- April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf
2.2. Sicherheitslage
Staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017).
Quelle:
? AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf
2.3. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)
Neben den regulären irakischen Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden existieren vor allem auch die schiitischen Milizen, die unter der Dachorganisation der Volksmobilisierung (PMF) zusammengefasst wurden (USDOS 3.3.2017)
Quelle:
? USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2017 – Iraq,
2.3.1. Volksmobilisierungseinheiten (PMF)
Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017)
Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF
Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).
Quelle:
? Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/ file_upload/90_1504517740_bfa-staatendokumentation-ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31.pdf
2.4. Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung aus 2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. (AA 7.2.2017).
Quelle:
? AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf
2.5. Minderheiten – auch auf Sunniten bzw. sunnitische Araber und sunnitische Turkmenen bezogen
Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60-65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17-22%) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15-20%) (AA 7.2.2017).
Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten faktisch unter weitreichender Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 7.2.2017).
Sunnitische Turkmenen, insbesondere solche aus den vormals vom IS kontrollierten Gebieten, werden wie sunnitische Araber manchmal an der Rückkehr in ihre Heimatregionen gehindert:
Sunniten leiden unter dem Pauschalverdacht, mit dem IS zu sympathisieren. In manchen Orten, die die Popular Mobilization Forces vom IS zurückerobert hatten, werden überhaupt keine ehemaligen Ortseinwohner zurückgelassen. (WP 23.11.2016)
Quelle:
? AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf
2.6. Militärdienst/Dienst bei PMF-Milizen
Nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 wurde die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und ein Freiwilligen-Berufsheer eingeführt (Niqash 24.3.2016).
Den Soldaten der regulären Armee droht im Falle einer Desertion aus der Armee per Gesetz die unehrenhafte Entlassung in Verbindung mit einer langjährigen Haftstrafe, bei Desertion zum Fein die Todesstrafe (ÖB 12.2016)
Quelle:
? Niqash (24.3.3016): We would rather immigrate: Cunning Iraqi Plan to Turn Voluntary Militias Into Army Backfires, http://www.niqash.org/en/articles/polotics/5227/
? ÖB – Österreichische Botschaft Amman (12.2016): Asylländerbericht – Irak, per Email
2.7. Grundversorgung / Wirtschaft
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten.
Hauptarbeitgeber ist der Staat. (AA 7.2.2017).
Quelle:
? AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf
2.8. Rückkehr
Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 7.2.2017)
Quelle:
? AA-Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https:// www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf
2.9. Echtheit der Dokumente/Zugang zu gefälschten Dokumenten
Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 7.2.2017).
Quelle:
? AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt.
2.2. Zu den Personen der BF:
Die in der Sprucheinleitung angeführte Identität und Staatsangehörigkeit der BF ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, ebenso wie dass die BF aus Bagdad stammen, der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung angehören, der BF1 und die BF3 der Volksgruppe der Turkmenen zugehörig sind und die BF2 der Volksgruppe der Araber angehört sowie alle drei BF die arabische Sprache sprechen.
2.3. Zum Fluchtvorbringen der BF
Die BF2 und die BF3 haben vor dem BFA keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht und stützen sich auf das Fluchtvorbringen des BF1.
Im Folgenden wird die niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA am 20.03.2018 auszugsweise wiedergegeben:
„Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:
VP: Ich war zuständig für den Wachdienst beim Agrarministerium. Unsere Vorschriften lauteten alles abzunehmen, was Besucher dabei hatten auch die Waffen. Wir haben auch nach dem Grund des Besuches nachgefragt. Jeder Besucher bekam einen Besucherausweis. Diese musste diesen sichtlich am Oberkörper anbringen. Eines Tages kamen 2 Fahrzeuge des Innenministeriums vorbei. Die Männer waren uniformiert. Ich beobachtete vom Büro aus die Kontrolltätigkeiten meiner Soldaten. Diese Männer wollten sich nicht an die Vorschriften halten. Also ging ich nach draußen. Es kam zuerst zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten. Dann eröffneten die Männer das Feuer. 2 meiner Leute und 3 dieser Männer wurden dabei schwer verletzt. Am selben Tag haben sich mein Minister und der Innenminister deswegen getroffen. Mein Vorgesetzter hat mir befohlen mich zum Innenministerium zu einer Einvernahme zu begeben. Ich habe dem Befehl zugestimmt, jedoch habe ich diesem nicht Folge geleistet. Ich hätte am nächsten Tag mich beim Innenministerium melden sollen. Das habe ich jedoch nicht getan. Ich ging nachhause, wir packten zusammen und sind am nächsten Tag am Nachmittag zum Bruder meiner Frau gegangen. Ich habe dort gewartet und hoffte, dass sich die Lage beruhigen würde. 12 Tage nachdem ich mich bei meinem Schwager aufhielt, ging ich noch einmal ging ich zu meinem Haus im Bezirk (…), um weitere Bekleidung zu holen. Ich war 15-20 Minuten dort und bei der Rückfahrt ca. 2,5-3 km von meinem Zuhause entfernt, kam mir ein Fahrzeug entgegen, aus diesem auf meinem Fahrzeug geschossen wurde.
Anm. Die EV wird für 5 Minuten unterbrochen (10:50 Uhr)
Die EV wird fortgesetzt (10:53 Uhr)
Es war ein weißes Auto. Mein Fahrzeug wurde nicht beschädigt.
LA: Wo wurde dann hin geschossen?
VP: Sie haben sich offensichtlich verschossen. Die Straßen sind sehr breit.
LA: Woher wollen Sie wissen, dass die Schüsse ihnen galten?
VP: Die haben sicher nicht auf was Anderes geschossen.
LA: Wurden Sie verfolgt?
VP: Man braucht ca. 10 Minuten, um umkehren zu können.
LA: War ein Hindernis zwischen den 2 Fahrbahnen?
VP: Es waren Leitplanken dazwischen.
A: Waren Sie mit dem Auto dort?
VP: Ja.
LA: Was passierte weiter?
VP: Ich fuhr zu meinem Schwager. Ich beschloss das Land nach Jordanien zu verlassen. Dafür brauchte ich jedoch Reisepässe für meine Frau und meine Tochter. Ich habe meinen Anwalt später angerufen und gebeten diese Reisepässe zu beantragen (12 oder 13.01.2016). 15 Tage später habe ich die Reisepässe bekommen (18.01.2016). Am 27.01.2016 habe ich mein Heimatland verlassen.
LA: Wozu hatten Sie einen Anwalt?
VP: Ich hatte einen Anwalt, weil er mich wegen meines Hauses und meines Hotels vertrat.
LA: Warum hat Ihre Frau nicht die Reisepässe geholt?
VP: Weil für meine Tochter der Vater das erledigen muss. In meinem Fall, hatte mein Anwalt von mir die Vollmacht dazu.
LA: Hat es in dem Zeitraum bei Ihrem Schwager irgendwelche Vorfälle gegen Sie gegeben?
VP: Nein.
LA: Warum sind Sie nicht bei Ihren Landsleuten den Turkmenen in der Türkei geblieben?
VP: Mein Visum war gefälscht. Die Türkei mag die Turkmenen nicht und die Verlängerung dieses Visums war nicht möglich. Ich wollte ursprünglich nach Jordanien zu meinem Onkel. Aber es war mir nicht möglich.
Ich und meine zwei verletzten Soldaten.
LA: Wann wurde ihr Haus beschossen?
VP: Als ich in der Türkei war.
LA: Wann haben Sie die Fotos bekommen?
VP: In der Türkei.
LA: Wie lange waren Sie dort?
VP: von 27.01.2016 bis 16.02.2016.
LA: Wurden Sie persönlich bedroht?
VP: Ich war bedroht, weil ich zum Innenministerium gehen musste für eine Einvernahme. Das Innenministerium gehört zu den Tair Sadri, den Schiitenführer. Die Männer, welche angeschossen wurden, gehörten zu seiner Gruppe.
LA: War Ihr Minister auch ein Schiit?
VP: Er war ein Sunnit.
LA: Wie hätte man den Vorfall aufklären können, ohne Sie zu befragen?
VP: Wenn die Schiiten einen erwischen, würden sie mich töten.
LA: Warum haben Sie hier in Österreich um Asyl angesucht und nicht in den anderen EU-Ländern, die Sie passiert haben?
VP: Wir wurden von der Polizei weitergeleitet und bis nach Österreich.
LA: Wann genau war der Zwischenfall mit den Leuten des Innenministeriums bei Ihrer Arbeitsstelle?
VP: Am 22.12.2015.
LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?
VP: Ja. Wenn ich erwischt worden wäre, wäre ich verurteilt worden. Ich wurde beschuldigt einen Schießbefehl gegeben zu haben.
LA: Wer hat Ihnen das gesagt, dass Sie beschuldigt werden, einen Schießbefehl abgegeben zu haben?
VP: Ich war der Kommandant und mein Vorgesetzter, der General sagte, dass ich einen Befehl gegeben hätte.
LA: Wo hielten Sie sich auf, als diese Schüsse abgegeben wurden?
VP: Ich war im Büro.
LA: Waren Sie allein im Büro?
VP: ja ich und ein weiterer Soldat.
LA: Sie hatten also einen Zeugen, der es wusste, dass Sie keinen Befehl zum Schießen gaben?
VP: Er hätte das aus Angst nicht bezeugt.
(…).“ (AS 87ff)
Zunächst ist anzuführen, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass der BF, angeblich beim Agrarministerium für den Wachdienst zuständig gewesen, der Aufforderung seines Vorgesetzten sich zum Innenministerium zu einer Einvernahme zu begeben nicht Folge geleistet haben soll.
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass sich der BF danach 12 Tage lang problemlos bei seinem Schwager, dem Bruder seiner Frau, aufhalten und dann wieder für 15-20 Minuten um Kleidung zu holen zu seinem Haus in seinem Heimatbezirk zurückkehren können haben soll, ist doch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF, sollte er tatsächlich zu einem Einvernehmungstermin vor dem Innenministerium nicht erschienen sein, gesucht und auch bei seinem Schwager gefunden worden wäre.
Nachdem der BF wieder – für 15 bis 20 Minuten – bei seinem Haus gewesen sein soll, soll dann auf der Rückfahrt ca. 2,5 bis 3 Kilometer von seinem Zuhause entfernt aus einem ihm entgegenkommenden Fahrzeug auf sein Fahrzeug geschossen worden sein (AS 89).
Laut anfänglicher Angabe des BF soll – direkt – auf sein Fahrzeug geschossen, sein Fahrzeug jedoch nicht beschädigt worden sein. Befragt wo dann hin geschossen worden sei gab er an:
„Sie haben sich offensichtlich verschossen. Die Straßen sind sehr breit.“ (AS 89)
Dann befragt woher er wissen wolle, dass die Schüsse ihm gegolten hätten, gab der BF an:
„Die haben sicher nicht auf was Anderes geschossen.“ (AS 89)
Demnach hat er auf die Frage, woher er wissen wolle, dass die angeblichen Schüsse ihm gegolten hätten, keine konkrete Antwort geben, sondern nur mutmaßlich anführen können, dass „die sicher nicht auf was Anderes geschossen“ hätten.
Der BF gab an, „sie haben sich offensichtlich verschossen“ (AS 89). Wie er in dem entgegenkommenden Fahrzeug auf der laut seinen Angaben durch Leitplanken getrennten anderen Fahrbahn mehr als eine Person erkennen können haben soll, geht aus seinem Vorbringen nicht hervor.
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, wie man in dem entgegenkommenden Fahrzeug das Gesicht des BF bzw. das Kennzeichen seines Fahrzeuges erkennen können hätte.
Die BF1 und BF2 haben sich zudem hinsichtlich der vorgelegten Fotos von einem Haus mit Einschusslöchern in den Hausmauern widersprochen:
Die niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA gestaltete sich diesbezüglich wie folgt:
„LA: Wann wurde ihr Haus beschossen?
VP: Als ich in der Türkei war.
LA: Wann haben Sie die Fotos bekommen?
VP: In der Türkei.
LA: Wie lange waren Sie dort?
VP: Von 27.01.2016 – 16.02.2016.
(…).“ (AS 91)
Laut Beschwerdevorbringen sollen sie gleich „nach der Ankunft der BF in der Türkei“ vom Schwager des BF1 erfahren haben, dass ihr Haus unter Beschuss geraten wäre, wobei ihnen von diesem auch dies bescheinigende Fotos geschickt worden sein sollen (AS 281).
Die niederschriftliche Einvernahme der BF2 vor dem BFA am 20.03.2018 gestaltete sich diesbezüglich wie folgt:
„LA: Was hat es mit den Fotos mit Einschusslöchern in den Mauern auf sich?
VP: Die hat mein Bruder uns vor ca. 7 Monaten geschickt. Meine ehemalige Nachbarin rief meinen Bruder an, dass er unser Haus anschauen soll.
LA: Wusste Ihr Bruder, wer auf das Haus geschossen hat?
VP: Nein.
LA: Gab es in Ihrem Bezirk Aufstände, die diese Einschusslöcher erklären können?
VP: Ich weiß es nicht. Es gibt aber viele Nachrichten von Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten.
(…).“ (AS 67)
Das diesbezügliche Vorbringen der BF2 spricht nicht für einen aufgrund einer persönlichen Bedrohung ihres Mannes erfolgten Beschuss ihres Hauses, sondern für im Zuge allgemeiner Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten in der Hausmauer entstandene Einschusslöcher.
Während der BF vor dem BFA behauptete, dass sein Haus während seines Aufenthaltes in der Türkei – im Zeitraum vom 27.01.2016 bis 16.02.2016 – beschossen worden sei und er in diesem Zeitraum auch von seinem Schwager die Fotos von seinem zerschossenen Haus erhalten habe, sollen ihnen laut Angaben seiner Ehegattin, der BF2, die besagten Fotos ca. sieben Monate vor ihrer Einvernahme vor dem BFA vom 20.03.2018 von ihrem Bruder zugesandt worden sein.
Die an die BF2 gestellte Frage, ob ihr Bruder gewusst habe, wer für die Einschusslöcher verantwortlich gewesen sei, verneinte die BF2. Die Ehegattin des BF1 hätte jedenfalls, wenn ihr Haus tatsächlich so wie der BF1 vor dem BFA angab unmittelbar nach Bedrohung des BF1 in der Türkei zerstört worden wäre Kenntnis davon haben müssen, zumal ihr Bruder lediglich mit ihr kommuniziert und die BF2 somit die erste Person gewesen wäre, die diese Information erhalten hätte.
Der BF1 hat mit der Vorlage der besagten Fotos offensichtlich versucht hat, seine behauptete Verfolgung bzw. eine unmittelbare Bedrohung glaubhaft zu machen, dies jedoch vergeblich.
Er soll nach dem besagten Zwischenfall im Ministerium zu seinem Schwager gefahren sein, nach einem 12-tägigen Aufenthalt dort kurz zu seinem Haus gefahren sein um sich Bekleidung zu holen, auf dem Rückweg aus einem anderen Fahrzeug beschossen worden sein und nach Rückkehr zu seinem Schwager beschlossen haben, „das Land nach Jordanien zu verlassen“ (AS 89). Dieses Vorbringen setzte er wie folgt fort:
„(…) Dafür brauchte ich jedoch Reisepässe für meine Frau und meine Tochter. Ich habe meinen Anwalt einen Tag später angerufen und gebeten diese Reisepässe zu beantragen (12. oder 13.01.2016) 15 Tage später habe ich die Reisepässe bekommen. (18.01.2016). Am 27.01.2016 habe ich mein Heimatland verlassen.“ (AS 91)
Die etwas später vor dem BFA an ihn gestellte Frage, ob es in dem Zeitraum bei seinem Schwager irgendwelche Vorfälle gegen ihn gegeben habe, verneinte der BF. (AS 91)
Wie er sich mit seiner Frau und Tochter problemlos zunächst 12 und dann weitere 15 Tage bei seinem Schwager aufhalten können haben soll, ohne dort von irgendjemandem aufgesucht worden zu sein, zeugt nicht davon, dass der BF1 für irgendjemanden von persönlichem Interesse gewesen wäre.
Sein Anwalt, der laut seinen früheren Angaben vor dem BFA sein angebliches Hotel führen (AS 85) bzw. laut seinen späteren Angaben in der Einvernahme den BF wegen seines Hauses und seines Hotels vertreten haben soll (AS 91), soll für ihn, seine Frau und seine Tochter die Reisepässe besorgt haben.
Auf die Frage, warum nicht seine Frau die Reisepässe geholt habe, antwortete der BF:
„Weil für meine Tochter der Vater das erledigen muss. In meinem Fall, hatte mein Anwalt von mir die Vollmacht dazu.“ (AS 91)
Dass problemlos für den BF, seine Frau und seine Tochter Reisepässe beantragt werden können hätten, ist in der vom BF geschilderten Situation nicht nachvollziehbar.
Die BF2 gab befragt wann sie ihre Reisepässe beantragt habe, in ihrer Einvernahme vor dem BFA Folgendes an:
„Unser Anwalt hat die Reisepässe vor unserer Ausreise besorgt. Er hatte eine Vollmacht diese zu beantragen. Wir gingen beim Antrag mit dem Anwalt zum Passamt um Fingerabdrücke abzugeben.“ (AS 61)
Auch wenn der BF1 behauptete die Reisepässe über seinen Anwalt beantragt zu haben, musste dennoch seine Ehegattin und ihre gemeinsame Tochter bei der Antragsstellung selbst bei der Behörde anwesend sein, um dort Fingerabdrücke abzugeben.
Das Vorbringen der BF2, nachdem sie zu ihrem Bruder gegangen wären die Reisepässe beantragt zu haben (AS 63) bzw. den Anwalt zum Passamt begleitet zu haben (AS 61), ist widersprüchlich zu ihren Angaben vor dem BFA befragt was sie in den 15 Tagen bei ihrem Bruder gemacht hätten, immer dortgeblieben und nicht nach draußen gegangen zu sein (AS 65).
Dass sowohl der BF1 – in Zusammenhang mit der angeblichen Dauer zwischen Beauftragung seines Anwaltes mit der Reisepassbesorgung bis zu deren Erhalt – als auch die BF2 – bezüglich des angeblichen Gesamtaufenthaltes bei ihrem Bruder – von 15 Tagen gesprochen hat, zeugt von einem einstudierten Fluchtvorbringen.
Befragt, wann genau der Zwischenfall mit den Leuten des Innenministeriums bei seiner Arbeitsstelle gewesen sei, gab der BF an:
„Am 22.12.2015.“ (AS 91)
Hätte dieser Zwischenfall tatsächlich am 22.12.2015 stattgefunden, hätte sich der BF seine Angaben zur Aufenthaltszeit bei seinem Schwager zugrunde legend vom Tag nach dem besagten Zwischenfall am 23.12.2015 an gerechnet 12 Tage bis 04.01.2016 und, nachdem er wieder kurz bei seinem Haus gewesen und zu seinem Schwager zurückgekehrt wäre und tags darauf seinen Anwalt um Reisepassbesorgung gebeten hätte, weitere 15 Tage bis zum Erhalt der Reisepässe am 20.01.2016 und nicht, wie es laut diesbezüglicher Angabe des BF1 der Fall gewesen sein soll, am 18.01.2016 (AS 91), und dann noch weitere Tage bis zum Verlassen seines Heimatlandes am 27.01.2016 bei seinem Schwager aufgehalten haben.
Der BF gab zudem unkonkret an, am 12.01. oder 13.01.2016 seinen Anwalt mit der Reisepassbeantragung beauftragt zu haben (AS 89, 91), will die Reisepässe dann jedoch genau 15 Tage danach am 18.01.2016 erhalten haben, was für ein Wenden des BF an den besagten Anwalt genau am 13.01.2016 sprechen würde.
Der BF soll von seinem Anwalt zudem wegen des Hauses und Hotels vertreten worden sein (AS 91).
Sein angeblicher Anwalt soll laut Angabe des BF jedoch auch für die Beantragung der Reisepässe eine Vollmacht gehabt haben. Wann ihm diese dafür erteilt bzw. eine schriftliche Vollmacht dafür übergeben worden sein soll, geht aus dem Vorbringen des BF nicht hervor, soll er den Anwalt doch nur telefonisch um Reisepassbeantragung gebeten haben (AS 89).
Aufgefallen ist, dass der BF da von „seinem“ Anwalt gesprochen hat, vorhin in der Einvernahme vor dem BFA jedoch von „unserem“ Anwalt gesprochen bzw. angegeben hat:
„(…) Unser Anwalt führt das Hotel. Er hat einen 10 Jahres Vertrag. Das Hotel wurde in ein Wohnhaus umgewandelt, wo viele Familien leben. Wir haben einen Teil des Geldes im Vorhinein bekommen. Wir bekamen 90.000,- USD. Das Geld ging im Mittelmeer verloren. Meine Mutter hatte das Geld.“ (AS 85, 87)
Der BF1 gab da zunächst ausdrücklich in der Gegenwartsform an, „unser Anwalt führt das Hotel“, welches laut seinem unmittelbar nachfolgenden Vorbringen jedoch mittlerweile kein Hotel mehr, sondern ein Wohnhaus mit vielen darin lebenden Familien sein soll.
Der BF1 soll jedenfalls bei seinem Schwager in Ruhe auf die Reisepässe warten können haben, bevor er am 27.01.2016 zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter aus dem Irak ausgereist ist.
Eine persönliche Bedrohung konnte der BF nicht anführen.
Befragt danach gab er an:
„Ich war bedroht, weil ich zum Innenministerium gehen musste für eine Einvernahme. Das Innenministerium gehört zu den Tair Sadri, den Schiitenführer. Die Männer, welche angeschossen wurden, gehörten zu seiner Gruppe.“ (AS 91)
Dann befragt, ob sein Minister auch ein Schiit gewesen sei, gab der BF an:
„Er war ein Sunnit.“ (AS 91)
Der ihm vorgesetzte Minister, Nouri al-Maliki (AS 79), wäre laut seinen Angaben Sunnit gewesen (AS 91). Der besagte vormalige (Premier-)Minister Nouri al-Maliki hat laut Länderfeststellungen jedoch aufgrund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände hervorgerufen und ist im August 2014 auf innerparteilichen Druck hin unter Vorwurf, mit einer sunnitenfeindlichen Politik deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen, wie dem IS, beigetragen zu haben, zurückgetreten bzw. folglich von einer nationalen Einheitsregierung mit Beteiligung von Sunniten und Kurden unter dem gemäßigteren Premierminister Haidar al-Abadi, einem Parteikollegen Malikis, abgelöst worden.
Der BF1, ein Sunnit, der von seinem unmittelbar vorgesetzten General beschuldigt worden sein soll, einen Schießbefehl gegen schiitische Soldaten des Innenministeriums gegeben zu haben, soll nicht zum besagten Ladungstermin erschienen sein.
Eine persönliche Bedrohung hat er jedenfalls nicht anführen können.
Befragt, wie man den Vorfall aufklären können hätte, ohne den BF zu befragen, gab dieser an:
„Wenn die Schiiten einen erwischen, würden sie mich töten.“ (AS 91)
Aufgefallen ist bezüglich dieser Aussage, dass der BF allgemeingehalten mit „wenn die Schiiten einen erwischen“ begann, und dann auf ihn persönlich bezogen fortsetzte, „würden sie mich töten“. (AS 91)
In der Beschwerde wurde diesbezüglich angeführt:
„Als der BF1 zu einer Einvernahme beim Innenministerium vorgeladen wurde, entschloss er sich nicht hinzugehen, da das Innenministerium mit der politischen Strömung Al-Tayar al-Sadri verbunden ist, welche mit schiitischen Milizen im Irak vernetzt ist. Da die angeschossenen Männer zur Tayar-Sadri Bewegung gehörten, fürchtete der BF1, von schiitischen Milizen getötet zu werden.“ (AS 281)
Der BF1 gab demnach in der Beschwerde wie vormals auch in seiner Einvernahme vor dem BFA an, gefürchtet zu haben, getötet zu werden und deshalb nicht zum Einvernehmungstermin beim Innenministerium erschienen zu sein.
Etwas später in seiner Einvernahme sprach er jedoch nicht mehr von einer Furcht, bei Erwischen durch die Schiiten gleich getötet zu werden, sondern gab er befragt ob er alle Fluchtgründe genannt habe, Folgendes an:
„Ja. Wenn ich erwischt worden wäre, wäre ich verurteilt worden. Ich wurde beschuldigt einen Schießbefehl gegeben zu haben.“ (AS 91)
Wäre der BF tatsächlich beschuldigt worden, einen Schießbefehl gegeben haben, wäre er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit deswegen auch an allen möglichen Aufenthaltsorten, darunter auch bei seinem ebenso in Bagdad aufhältigen Schwager, gesucht und gefunden worden.
Dass sich der BF bei seinem Schwager insgesamt 28 Tage (12 Tage und nach kurzer Rückkehr in sein Haus und Beauftragung seines Anwaltes mit der Reisepassbeantragung weitere 15 Tage) lang aufhalten können haben soll, ohne seitens der Behörde oder schiitischer Milizen dort aufgesucht worden zu sein, zeugt nicht von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens.
Widersprüchlich dazu sprach die BF2 zudem nicht wie ihr Mann davon, zunächst 12 Tage, nach kurzzeitiger Rückkehr des BF1 zum Haus (AS 89) bis zur Ausstellung ihrer Reisepässe weitere 15 Tage (AS 91) und dann noch bis 27.01.2016 (AS 85, 91) bei ihrem Bruder bzw. dem Schwager des BF1 gewesen zu sein, sondern nur davon, sich insgesamt „ca. 15 Tage“ bei ihrem Bruder aufgehalten zu haben (AS 63).
In ihrer Einvernahme vor dem BFA am 20.03.2018 befragt was sie von der Bedrohung ihres Mannes mitbekommen habe, gab die BF2 an:
„Mein Mann hat mir nicht viel erzählt. Er erzählte nur, dass er Probleme mit den Milizen des Innenministeriums hatte. Er hatte Probleme mit den Wächtern des Innenministeriums. Diese haben meinen Mann vorgeworfen, dass mein Mann den Auftrag gegeben hätte. Auf die Leute des Innenministeriums zu schießen.“ (AS 63)
Dann befragt, wann ihr Mann ihr dies erzählt habe, gab die BF2 an:
„Nachdem mein Mann mit seinem Auto Lebensmittel kaufen war und er nachhause kam, hatte er zu mir gesagt, dass er beschossen wurde. Seine Mutter hat darauf gesagt, dass er jetzt etwas tun sollte, wir durften nicht mehr in Bagdad leben. Am nächsten Tag fuhren wir zu meinem Bruder. Dort blieben wir ca. 15 Tage.“ (AS 63)
Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass, wenn sie bereits einen Tag nach dem behaupteten Zwischenfall im Ministerium zum Schwager des BF1 gezogen wären, wie es laut Vorbringen des BF1 der Fall gewesen sein soll, der BF1 seiner Frau bereits zu diesem Zeitpunkt davon berichtet hätte.
Während die BF2 in ihrer Einvernahme vor dem BFA angab, der BF1 sei als er mit seinem Auto Lebensmittel einkaufen gefahren wäre beschossen worden (AS 63), soll laut Angaben des BF1 vor dem BFA aus einem entgegenkommenden Fahrzeug auf sein Fahrzeug geschossen worden sein, als er sich nachdem er nochmals kurz bei seinem Haus gewesen wäre um Bekleidung zu holen auf der Rückfahrt zu seinem Schwager befunden hätte (AS 89).
In der Beschwerde wurde diesbezüglich Folgendes vorgebracht:
„Zum Vorhalt der Behörde, die Angaben des BF1, wonach er auf dem Rückweg nach Hause einer Schussattacke war, würden in Widerspruch gegenüber den Angaben seiner Ehegattin stehen, wird Folgendes ausgeführt: Der BF1 ging 12 Tage nachdem die BF beim Bruder der BF2 untergetaucht waren zu seinem Haus zurück um Bekleidung zu holen. Auf dem Rückweg zum Schwager machte der BF1 einen Zwischenstopp um Lebensmittel zu kaufen und kam es danach zu der Schussattacke auf das Auto des BF1. Hätte die belangte Behörde die BF ihren Ermittlungspflichten entsprechend befragt, so hätte er bereits im Zuge seiner Einvernahme den Vorfall detaillierter schildern können und so den vermeintlichen Widerspruch aufklären können.“ (AS 234, 235)
Es war Aufgabe der BF1 und BF2, in ihrer jeweiligen Einvernahme vor dem BFA vollständig und detailreich ihre Fluchtgründe zu schildern, wofür ihnen, wie aus den beiden Niederschriften über ihre Einvernahmen vor dem BFA hervorgehend, genug Gelegenheit gegeben und auch kein zeitliches Limit gesetzt wurde.
Bei den besagten durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vorgehaltenen widersprüchlichen Angaben der BF1 und BF2 handelt es sich entgegen des Beschwerdevorbringens nicht um einen „vermeintlichen“, sondern um einen tatsächlichen, offensichtlichen Widerspruch bzw. um offensichtliche widersprüchliche Angaben der BF1 und BF2.
Davon, dass die BF zum besagten Zeitpunkt bereits beim Schwager des BF1 aufhältig gewesen wären und der BF1 von dort nochmals kurz zu ihrem Haus zurückgekehrt wäre – um Bekleidung zu holen, wie es laut Angaben des BF1 der Fall gewesen sein soll – hat die BF2 jedenfalls nicht berichtet, sollen sie sich doch laut ihrem Vorbringen zum Zeitpunkt als der BF1 Lebensmittel einkaufen gefahren wäre noch in ihrem Haus und nicht bei ihrem Bruder aufgehalten haben (AS 63).
Laut Angaben der BF2 soll dem BF1 nach seinem Beschuss von seiner Mutter zu ihrer Ausreise geraten worden sein (AS 63). Laut Angaben des BF1 in seiner Einvernahme vor dem BFA soll er hingegen selbst seinen Ausreiseentschluss gefasst bzw. beschlossen haben, „das Land nach Jordanien zu verlassen“ (AS 89).
Der BF gab dann etwas später in seiner Einvernahme vor dem BFA an:
„(…) Ich wollte ursprünglich nach Jordanien zu meinem Onkel. Aber es war mir nicht möglich. Ich und meine 2 verletzten Soldaten.“ (AS 91)
Warum ihm eine Reise zu seinem Onkel nicht möglich gewesen wäre, geht aus seinem Vorbringen nicht hervor bzw. hat der BF1 nicht angeführt.
Auffällig war, dass der BF1 seiner Angabe, eine Reise zu seinem Onkel nach Jordanien sei ihm nicht möglich gewesen, hinzufügte „ich und meine 2 verletzten Soldaten“ (AS 91), obwohl er vor dem BFA davor nachdem er davon berichtet hatte, zwei seiner Leute wären im Zuge der besagten Schießerei vor dem Ministerium schwer verletzt worden (AS 89), kein Wort mehr von den „2 seiner Leute“ gesprochen, sondern nur davon berichtet hat, selbst am nächsten Tag mit seiner Familie zu seinem Schwager gezogen zu sein und sich dort zunächst 12 Tage und nachdem er kurz zu seinem Haus zurückgekehrt wäre um Bekleidung zu holen weitere 15 Tage bis zum Erhalt der Reisepässe und dann noch bis am Ausreisetag am 27.01.2016 aufgehalten zu haben.
Mit dem Nachsatz, „ich und meine 2 verletzten Soldaten“ wollte der BF1 offenbar nur die von ihm zuvor in der Einvernahme geschilderte Schießerei vor dem Ministerium in Erinnerung rufen, bei welcher „2 seiner Leute“ schwer verletzt worden sein sollen.
In der Beschwerde wurde bezüglich der vom BF1 behaupteten vor einem Ministerium stattgefundenen Schießerei Folgendes vorgebracht:
„Dem BF1 droht aufgrund des Verdachts, er habe den Schießbefehl erteilt sowie aufgrund der Nichtbefolgung der Ladung zur Einvernahme beim Innenministerium, Verfolgung von staatlicher Seite sowie von schiitischen Milizen, die als verlängerter Arm der Regierung zu sehen sind.“ (AS 281).
An späterer Stelle der Beschwerde wurde Folgendes vorgebracht:
„Der BF1 wird aufgrund seiner Desertion von der irakischen Regierung verfolgt sowie von schiitischen Milizen aufgrund des Verdachts des Schießbefehls gegen schiitische Soldaten des Innenministeriums erteilt zu haben. (…).“ (AS 302).
Der BF1 nahm in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA durchwegs auf den von ihm abgegebenen Schießbefehl, nicht jedoch auf eine ihm drohende (strafrechtliche) Verfolgung wegen Desertion Bezug. Auf die Frage, ob er alle Fluchtgründe genannt habe, gab der BF1 vor dem BFA an:
„Ja. Wenn ich erwischt worden wäre, wäre ich verurteilt worden. Ich wurde beschuldigt einen Schießbefehl gegeben zu haben.“ (AS 91)
Zuvor in der Einvernahme vor dem BFA nahm der BF1 nur insofern indirekt auf eine angebliche Desertion Bezug, als er befragt nach einer persönlichen Bedrohung Folgendes vorbrachte:
„Ich war bedroht, weil ich zum Innenministerium gehen musste für eine Einvernahme. Das Innenministerium gehört zu den Tair Sadri, den Schiitenführer. Die Männer, welche angeschossen wurden, gehörten zu seiner Gruppe.“ (AS 91)
Der BF1 gab an, bei Erwischen durch die Schiiten getötet zu werden, und brachte dann vor, er wäre bei Erwischen verurteilt bzw. sei beschuldigt worden, einen Schießbefehl gegeben zu haben. (AS 91).
Angst wegen Nichterscheinens vor dem Innenministerium bestraft zu werden, brachte er jedoch nicht vor, auch nicht zuvor in der Einvernahme vor dem BFA befragt nach seiner Rückkehrbefürchtung, gab er doch befragt danach an, er würde festgenommen werden, bzw. erklärte er nach im Herkunftsland begangenen Strafrechtsdelikten befragt, er werde beschuldigt den Soldaten einen Schießbefehl gegeben zu haben (AS 87).
Der BF1 gab vor dem BFA befragt nach Problemen mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen in seinem Heimatland Probleme „mit der Polizei“ an, und bejahte auch ein gegen ihn anhängiges Gerichtsverfahren (AS 87). Der BF konnte jedoch nicht angeben, wie bzw. von wem er von dem angeblich gegen ihn anhängigen Gerichtsverfahren erfahren haben soll.
Das Vorbringen des BF1 bescheinigende schriftliche Unterlagen konnte der BF1 – bis dato – nicht vorlegen bzw. nachreichen.
Soweit mit Beschwerdevorbringen vorgehalten wird, es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, entsprechend ihrer Ermittlungspflicht dem BF1 konkrete Fragen zum Grund der Desertion zu stellen (AS 300), wird darauf hingewiesen, dass kein Bedarf daran bestand, hat der BF1 doch in seiner Einvernahme vor dem BFA nicht ausdrücklich angeführt, dass er wegen Desertion bzw. Fernbleibens vom Termin zur Einvernahme vor dem Innenministerium beschuldigt bzw. strafrechtlich verfolgt worden wäre, und hat der BF1 außerdem von selbst angegeben, er würde bei Erwischen durch die Schiiten getötet werden bzw. wäre, wenn er erwischt worden wäre, wegen des besagten Schießbefehls verurteilt worden (AS 91). Aus Furcht davor wäre er demnach somit dem Innenministerium ferngeblieben. Eine Furcht vor (strafrechtlicher) Verfolgung wegen Desertion hat er vor dem BFA nicht dargelegt.
Im Beschwerdeschreiben das vormalige Fluchtvorbringen des BF1 steigernd war erst von einer neben einer Verfolgung des BF1 von schiitischen Milizen aufgrund des Verdachts eines gegen schiitische Soldaten des Innenministeriums erteilten Schießbefehls bestehenden Verfolgung seitens der irakischen Regierung aufgrund Desertion des BF1 die Rede (AS 302). Dafür konnte kein Beweismittel vorgelegt werden.
Eine Verfolgung des BF1 seitens des Staates besteht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ebenso wenig wie eine Verfolgung seitens mit staatlichen Behörden eng verknüpfter schiitischer Milizen, wäre dem BF1 und seinen Familienangehörigen doch ansonsten nicht nach dem laut Vorbringen des BF1 vor dem BFA rund einmonatigen Aufenthalt bei seinem ebenso in Bagdad lebenden Schwager eine legale Ausreise aus dem Irak möglich gewesen.
Aus amtsbekannten Länderberichten bzw. aus dem, dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten, Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak, Thema: „Update der AFB: Rekrutierung, Desertion/Fernbleiben, Kündigung bei/von Polizei, Armee, Armee, PMF, etc. vom 08.09.2017 geht hervor, dass laut Auskunft des Verbindungsbeamten des BM.I für den Nahen Osten vom 12.10.2016 desertierte Soldaten nur illegal ausreisen können, und Soldaten die noch im Dienst sind, nicht so einfach ausreisen können, auch wenn sie im Urlaub sind, brauchen sie doch dafür eine Reise-Genehmigung von ihrer Einheit, und dass laut Asylländerbericht der Österreichischen Botschaft Aman von Dezember 2016 im Falle einer Desertion aus der Armee den irakischen Soldaten die unehrenhafte Entlassung in Verbindung mit einer langjährigen Haftstrafe, bei Desertion zum Feind die Todesstrafe droht.
Auf eine Desertion des BF1 wird hier jedoch nicht weiter eingegangen, zumal der BF1 sein Fluchtvorbringen vor dem BFA nicht auf eine Verfolgung wegen Desertion, sondern auf eine Verfolgung wegen eines angeblich von ihm erteilten Schießbefehls gegen schiitische Soldaten des Innenministeriums gestützt hat.
Das Vorbringen des BF1 rund um einen ihm angelasteten Schießbefehl konnte – unter anderem deshalb – nur für unglaubwürdig gehalten werden, weil sich der BF1 während angeblich die Schüsse abgegeben worden wären laut diesbezüglich anfänglichen Angaben vor dem BFA ebenso wie die kämpfenden Soldaten vor dem Ministerium draußen (AS 89), laut seinen späteren dazu widersprüchlichen Angaben vor dem BFA hingegen „im Büro“ im Ministerium drinnen aufgehalten haben soll (AS 93).
Anfangs sprach der BF1 vor dem BFA davon, vom Büro aus die Kontrolltätigkeiten seiner Soldaten beobachtet zu haben und dann, als sich die Männer nicht an die Vorschriften wollen hätten, nach draußen gegangen zu sein, wobei es zuerst zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten gekommen wäre und dann die Männer das Feuer eröffnet hätten (AS 89).
Laut späterer Angaben vor dem BFA soll der BF1 zum Zeitpunkt der Schussabgabe in seinem Büro gewesen sein (AS 93).
Der BF1 gab da an, mit der Polizei Probleme gehabt zu haben, ohne näher anführen können zu haben, worin seine Probleme mit der Polizei gelegen wären. Er bejahte ein gegen ihn anhängiges Gerichtsverfahren und gab an, er müsste sich beim Gericht melden und es werde auch ein Verfahren gegen ihn geführt, ohne ein schriftliches Beweismittel dafür vorlegen können zu haben. Als Begründung dafür, dass der BF keine schriftlichen Unterlagen dazu habe, gab er an, „so ein Schreiben nicht beantragt“ zu haben, bzw. „geflohen“ zu sein (AS 87).
Er hätte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit über seinen angeblichen Anwalt, mit welchem er laut seinen Angaben noch vor seiner Ausreise Kontakt gehabt und welcher ihn in bestimmten Angelegenheiten vertreten haben soll, oder über seinen Schwager, dem Bruder seiner Frau, einen Nachweis für seine angebliche strafrechtliche Verfolgung erlangen können.
Bezüglich des Verhältnisses des BF1 zu seinem Schwager brachte der BF1 in seiner Einvernahme vor dem BFA Folgendes vor:
„(…) Meine Frau telefoniert mit ihren Verwandten. Wenn ich etwas brauche kann auch ihr Bruder mir das, was ich brauche, im Irak besorgen. (…) Er macht alles für meine Frau. Als ich ausreisen wollte, wollte mein Schwager verhindern, dass meine Frau mitgeht, jedoch ist sie wegen meiner Tochter mitgereist.“ (AS 87)
Daraufhin befragt, warum sein Schwager Originaldokumente wie Schulzeugnisse nicht besorgen könne, gab der BF1 an:
„Es traut sich keiner in mein Haus zu gehen.“ (AS 87)
Wenn sein Schwager wie der BF1 angab alles für seine Frau macht hätte er bei tatsächlich gegen den BF1 anhängigem Strafgerichtsverfahren sich auch um einen Nachweis dafür kümmern und diesen den BF nach Österreich schicken können, zumal dafür auch kein Gang in das Haus des BF1, in welches sich laut Angaben des BF1 niemand trauen würde, notwendig gewesen wäre.
Sein Schwager soll sich außerdem nach Ausreise der BF getraut haben in das Haus des BF1 zu gehen, wie aus der Angabe des BF1 befragt wer die Fotos von ihrem Haus von innen gemacht habe, „mein Schwager“ (AS 87), hervorgeht.
Fest steht jedenfalls, dass der BF bislang kein schriftliches Beweismittel für seine behauptete (strafrechtliche) Verfolgung vorlegen konnte, und selbst die Vorlage bzw. Nachreichung eines solchen vom zugrunde gelegten auch aktuell gültigen Länderbericht, dass im Irak jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung zu beschaffen ist, überschattet wäre.
Befragt ob der BF schon einmal an Kriegseinsätzen beteiligt oder an Krampfeinsätzen beteiligt gewesen bzw. mit dem IS in Kontakt gekommen sei (AS 81), gab der BF an:
„Ja, in der Zeit, als die Amerikaner noch im Irak waren. Nach 2011 habe ich an keinen Kampfhandlungen mehr teilgenommen. Mit dem IS hatte ich persönlich keinen Kontakt auch an keinen Kampfhandlungen mit diesen.“ (AS 83)
Dann befragt, wie lange sein Vertrag als Soldat gegolten habe, ob der BF einen unterschrieben habe und ob es diesen noch gebe, gab der BF an:
„Es war ein unbefristeter Vertrag. Man konnte freiwillig sich vom Dienst befreien.“ (AS 83)
Nach Wiederholung der Frage gab der BF an:
„Wenn man als Offizier arbeitet, darf man nicht den Dienst beenden. Das entscheidet ein Gericht.“ (AS 83)
Daraufhin befragt wie man den Vertrag kündigen könne gab der BF an:
„Ein normaler Soldat hat kein Problem, der sitzt maximal ein bis 2 Monate in Haft und das war´s. Ein Offizier darf nicht einmal das Land verlassen. 2012 musste ich in den Iran, aus gesundheitlichen Gründen meines Bruders. Er hatte Krebs. Ich musste um Genehmigung ansuchen, das war nicht sehr einfach.“ (AS 83)
Wäre der BF tatsächlich Offizier gewesen, hätte er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bereits die Frage wie lange sein Vertrag als Soldat gegolten habe berichtigt anstatt direkt darauf zu antworten.
Der BF hat sich insofern widersprochen, als er zunächst auf einen Vertrag als Soldat Bezug nehmend angab, man habe sich freiwillig vom Dienst befreien können (AS 83), nach Wiederholung der Frage hingegen auf eine Offiziersstellung Bezug nehmend angab, als Offizier nicht den Dienst beenden dürfen zu haben, entscheide dies doch ein Gericht (AS 83).
Der BF gab nachdem er davon berichtet hatte, von seinem Vorgesetzten, einem General, beschuldigt worden zu sein, einen Schießbefehl gegeben zu haben (AS 91, 93) befragt wo er sich aufgehalten habe, als diese Schüsse abgegeben worden seien, an:
„Ich war im Büro.“ (AS 93)
Daraufhin befragt ob er alleine im Büro gewesen sei, gab der BF an:
„Ja ich und ein weiterer Soldat.“ (AS 93)
Diese Angabe spricht für eine Stellung des BF als Soldat und nicht als Offizier, welcher er laut seinen vorherigen Angaben in der Einvernahme, „ich Vorgesetzter von anderen Offizieren, welche dienstgradniedriger waren“ (AS 81), gewesen sein soll.
Während der BF in der Erstbefragung bezüglich des in seinem Herkunftsstaat zuletzt ausgeübten Berufs angab, bis 01.01.2016 beim Militär gewesen zu sein (AS 1), soll er laut seinen anfänglichen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA „bis zu seiner Ausreise“ Wachesoldat beim Eingang des Landwirtschaftsministeriums gewesen sein (AS 79), seinen späteren Angaben vor dem BFA zufolge nach dem besagten Zwischenfall im Ministerium vom 22.12.2015 jedoch keiner Tätigkeit mehr nachgegangen sondern sich zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter bei seinem Schwager aufgehalten haben (AS 89).
Befragt wann der BF seinen letzten Wohnsitz im Irak endgültig verlassen habe, gab er an:
„Zuerst zogen wir in eine an anderen Bezirk namens (…) zu meinem Schwager. Das war am 23.12.2015. Am 27.01.2016 reisten wir mit einem LKW nach Kirkuk. Von dort versteckt in einem Bus, beim Notausgang, wo Tee und Zigaretten verwahrt werden, (Zeichnung) bis (…) (Türkei). Das war über 11 Stunden Fahrt.“ (AS 85)
Auf die Angabe des BF1, versteckt in einem Bus in die Türkei ausgereist zu sein, befragt warum er dann für den 27.01.2016 Ausreise- und Einreisestempeln in seinem Reisepass habe, gab der BF an:
„Ich gab meinen Reisepass dem Busfahrer, welcher USD 1.000,- für die Stempel und USD 500,- für den Busfahrer selbst. Die Stempel braucht man, damit man in der Türkei ein Hotel nehmen kann.“ (AS 85)
Die niederschriftliche Einvernahme des BF1 vor dem BFA gestaltete sich im Folgenden wie folgt:
„LA: Wozu verstecken, wenn Sie doch Geld gezahlt haben? In Ihrem Reisepass steht doch nicht, dass Sie Offizier sind?
VP: Es gibt einen Computer, wo die Grenzbeamten meine Daten abfragen können. Ich wurde von der Behörde gesucht.
LA: Wurden Sie am Grenzübergang entdeckt?
VP: Nein. Der Bus wird beim Grenzübergang mit einer Ultraschallkamera kontrolliert.
(…).“ (AS 85)
Dass der BF1 versteckt und unentdeckt in einem Bus über die Grenze fahren können hätte ist nicht glaubhaft, wäre er doch spätestens bei besagter Kontrolle mittels Ultraschallkamera entdeckt worden.
Diesbezüglich wurde in der Beschwerde Folgendes vorgebracht:
„Wenn die belangte Behörde dem BF1 weiter vorhält, er wäre von er Ultraschallkamera in jedem Winkel des Busses gefunden worden, so wird dazu Folgendes ausgeführt: Der BF1 hielt sich im Reisebus im Bereich des Notausganges, wo Tee und Zigaretten verwahrt wurden, auf (siehe S 7 Bescheid des BF1). Durch die Rauchentwicklung an dieser Stelle ist es dem BF1 gelungen, von der Ultraschallkamera nicht im Zuge der Grenzkontrolle entdeckt zu werden.“ (AS 235)
Diesbezüglich handelt es sich um eine bloße Ausrede bzw. ein zu den diesbezüglichen Angaben des BF1 vor dem BFA gesteigertes Vorbringen, war doch vor dem BFA nicht die Rede von einer „Rauchentwicklung im Bereich des Notausgangs“, sondern sprach der BF1 da nur davon, sich „beim Notausgang, wo Tee und Zigaretten verwahrt werden“, versteckt gehalten zu haben (AS 85).