TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/15 W191 2247797-1

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Veröffentlicht am 15.11.2021
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Entscheidungsdatum

15.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W191 2247797-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2021, Zahl 1276767602-210473103, zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 10 und 57 Asylgesetz 2005, § 18 BFA-VG und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II.     Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Fremdenpolizeigesetz 2005 auf zehn Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein serbischer Staatsangehöriger, wurde am 07.04.2021 wegen des dringenden Verdachts des Suchtgifthandels festgenommen und in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert. Am 08.04.2021 wurde über den BF die Untersuchungshaft verhängt.

1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) erließ am 09.04.2021 einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG, der zu vollziehen sei, sobald der BF aus der Untersuchungs- bzw. Strafhaft entlassen werde.

1.3. Mit Schreiben des BFA vom 13.04.2021 wurde der BF über das Ergebnis der Beweisaufnahme – der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot – in Kenntnis gesetzt und ihm die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

1.4. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.09.2021, 62 Hv 64/2021s, wurde der BF gemäß §§ 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (SMG) sowie §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

1.5. Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid vom 06.10.2021 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) nicht erteilt, gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen (Spruchpunkt I.) und in Spruchpunkt II. festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.

In Spruchpunkt IV. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.

In der Begründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF. Es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina. Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde damit begründet, dass beim BF gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG „die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich“ sei.

Die Erlassung des Einreiseverbotes begründete das BFA mit § 53 Abs. 3 Z 5 FPG, da der BF von einem Gericht zu einer mehr als dreijährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

1.6. Mit Schreiben seines Vertreters vom 25.10.2021 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG).

Ausgeführt wurde, dass es die erste Verurteilung des BF sei und dieser in Bosnien in einer schwierigen Situation gewesen sei. Seine Eltern seien krank gewesen und er habe aufgrund der Pandemie keine Arbeit finden können. Daher habe er begonnen, Suchtgift zu verkaufen. Er bereue seine Taten zutiefst. Ein unbefristetes Einreiseverbot sei nicht verhältnismäßig, zumal der BF ein reumütiges Geständnis abgelegt habe und bisher unbescholten gewesen sei.

1.7. Das BFA legte den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 27.10.2021 vor und gab eine Stellungnahme ab, in der ausgeführt wurde, dass im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität den privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen keinesfalls Vorrang eingeräumt werden könne. Vielmehr weise die Bereitwilligkeit des BF, die durch seine Taten allfällig geförderten, notorisch bekannten körperlichen und seelischen Folgen der Drogenkonsumenten in Kauf zu nehmen, auf eine hohe kriminelle Energie sowie eine beachtliche Herabsetzung der Hemmschwelle hin. Mit Verweis auf das hohe Rückfallrisiko im Bereich der Suchtgiftdelikte lasse sein auf Gewinn gerichteter, zu Delinquenz neigender Charakter jedenfalls auf eine Rückfallgefährlichkeit schließen.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde vom 25.10.2021.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

3.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Seine Muttersprache ist Bosnisch.

3.2. Der BF wies laut Ergebnis der Einschau in das Zentrale Melderegister zu folgenden Zeitpunkten eine Meldeadresse im Bundesgebiet auf:

?        08.04.2021 – laufend   Justizanstalt Wien-Josefstadt

Der BF war – abgesehen von der Verbüßung seiner Untersuchungs- bzw. Strafhaft – nie im Bundesgebiet gemeldet. Es konnte nicht festgestellt werden, wann der BF in das Bundesgebiet einreiste.

3.3. Der BF verfügt über keine familiären oder sonstigen nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration in Österreich in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht hervorgekommen.

3.4. Der BF war zuletzt ohne legale Beschäftigung, regelmäßiges Einkommen oder nennenswerte Vermögenswerte.

3.5. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 03.09.2021, 62 HV 64/2021s, gemäß §§ 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall, Abs. 3 SMG sowie §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Der BF wurde schuldig gesprochen, in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge im Zeitraum von Mitte Februar 2021 bis zuletzt 07.04.2021 in wiederholten „Angriffen“ insgesamt zumindest 2.500 Gramm Heroin, 12.000 Gramm Marihuana, 101,3 Gramm Speed, 5 Gramm Kokain und 10 Gramm Crystal Meth an zehn bis 15 unbekannte Abnehmer verkauft zu haben.

Mildernd wurden die geständige Verantwortung, die Sicherstellung eines Teils des Suchtgiftes und der bisher ordentliche Lebenswandel, erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die mehrfachen Tatangriffe und die mehrfachen Deliktsqualifikationen gewertet.

4. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in der Beschwerde.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des BF stützen sich auf die Angaben des BF in der Beschwerde sowie auf die eingeholten Registerabfragen des BVwG (Strafregister, Zentrales Melderegister).

Die Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilung ergibt sich aus einer Einschau in das Strafregister und der im Akt einliegenden Urteilsausfertigung.

5. Rechtliche Beurteilung:

5.1. Anzuwendendes Recht:

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das FPG und das AsylG verweisen, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

5.2. Rechtlich folgt daraus:

Zu Spruchteil A):

5.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 25.10.2021 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 29.10.2021 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

5.2.2. Zur Beschwerde:

Das Vorbringen in der Beschwerde war bezüglich der Spruchpunkte I. bis III. nicht geeignet, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen.

Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt IV. war teilweise Erfolg beschieden und die Dauer des Einreiseverbotes auf zehn Jahre herabzusetzen.

5.2.3. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides:

5.2.3.1. Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung):

Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde. Der BF befand sich seit spätestens April 2021 im Bundesgebiet, sein Aufenthalt war nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat festgestellt.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Gemäß Art. 20 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise, und soweit sie die in Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e angeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e SDÜ in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex gelten für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, für einen Drittstaatsangehörigen die dort genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 Schengener Grenzkodex werden die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise und bei der Ausreise systematisch abgestempelt. Ist das Reisedokument eines Drittstaatsangehörigen nicht mit dem Einreisestempel versehen, so können gemäß Art. 12 Abs. 1 Schengener Grenzkodex die zuständigen nationalen Behörden annehmen, dass der Inhaber des Reisedokuments die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer nicht oder nicht mehr erfüllt. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Schengener Grenzkodex kann diese Annahme vom Drittstaatsangehörigen durch jedweden glaubhaften Nachweis widerlegt werden, insbesondere durch Belege wie Beförderungsnachweise oder Nachweise über seine Anwesenheit außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten hat.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG verfügen, unzulässig wäre (§ 9 Abs. 3 BFA-VG).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) und des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).

Zu den in der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt.

Der EGMR bzw. die EMRK verlangen zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines „effektiven Familienlebens“, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. v. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234).

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gegen Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der VwGH hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwN).

5.2.3.1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina und als solcher Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist als Inhaber eines gültigen biometrischen Reisepasses nach Maßgabe des Anhanges II zu Art. 1 Abs. 2 Visumpflicht-Verordnung für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit.

Der BF stellt – wie in Punkt 5.2.3.3. unten ausgeführt – aufgrund seiner Straftaten und der damit einhergehenden Verurteilung wegen Suchtgifthandels eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Er erfüllt daher nicht die Voraussetzungen gemäß Art. 5 SDÜ und ist daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Rückkehrentscheidung war daher, wie vom BFA ausgeführt, auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu stützen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG in Verbindung mit Art 8 EMRK zulässig ist, ist weiters eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

5.2.3.1.2. Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine maßgeblichen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte. Er hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des Familien- oder Privatlebens.

Der BF ist nicht legal erwerbstätig und verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel. Zudem war der BF im Bundesgebiet nie ordnungsgemäß gemeldet.

Er hat die überwiegende Dauer seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht und wurde dort sozialisiert, weshalb davon auszugehen ist, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Der BF beherrscht auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache.

Der BF wurde aufgrund der Verbrechen der Vorbereitung des Suchtgifthandels und des Suchtgifthandels zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Im Lichte der nach § 9 BFA-VG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass vorhandene familiäre oder nachhaltige private Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts überwiegen würden. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.       die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.       sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.       sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben. Es liegen nach den Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vor, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Daher war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 57 AsylG und §§ 46, 52 FPG als unbegründet abzuweisen.

5.2.3.2. Zur Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht dargelegt hat und wie sich aus den oben dargelegten Ausführungen ergibt, erwies sich die sofortige Ausreise des unrechtmäßig in Österreich aufhältigen BF im Interesse der öffentlichen Ordnung (zur Verhinderung von Suchtgiftkriminalität) als erforderlich. Der BF hat durch sein bisheriges Verhalten (Vorbereitung des Suchtgifthandels und Suchtgifthandel, keine ordentliche Meldung im Bundesgebiet) unzweifelhaft gezeigt, dass er bislang nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist somit zu Recht erfolgt.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das BFA von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Da einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt wurde und die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit gegenständlichen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wird, ist keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren.

5.2.3.3. Zum Einreiseverbot:

5.2.3.3.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       […]

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist; […]

Gemäß § 53 Abs. 4 FPG beginnt die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

Gemäß § 53 Abs. 5 FPG liegt eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung der Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl. auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 5 FPG gestützt und im Wesentlichen mit dem Umstand begründet, dass der BF auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und seines bisherigen Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Letztlich liege auch eine negative Gefährlichkeitsprognose vor.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).

Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat unter anderem nach § 53 Abs. 3 Z 5 FPG zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

5.2.3.3.2. Der BF ist als bosnischer Staatsangehöriger Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er wurde von einem inländischen Strafgericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt. Diese Strafen sind noch nicht getilgt (§ 53 Abs. 5 FPG).

Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot daher zu Recht auf § 53 Abs. 3 Z 5 FPG (Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren) gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens davon auszugehen sei, dass der BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Der BF wollte sich durch den Verkauf und die Vermittlung von Suchtmitteln eine (fortlaufende) Einnahmequelle verschaffen und nahm dafür die Schädigung der Gesundheit anderer Personen in Kauf.

Die wohl geplante und organisierte Vorgehensweise bei der Vorbereitung des Suchtgifthandels (Verkauf und Organisation als Mitglied einer kriminellen Vereinigung) wiegt besonders schwer. Gerade die massive Gefährdung der Gesundheit von Menschen durch das Überlassen und den Verkauf von Drogen stellt nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls eine hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Aufgrund der Drogenkriminalität in Verbindung mit dem Fehlen eines legalen, geregelten Einkommens ist eine beträchtliche Wiederholungsgefahr anzunehmen und kann eine Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen werden, zumal der BF im Bundesgebiet auch nicht gemeldet ist.

Im Falle des BF ist darüber hinaus zudem zu berücksichtigen, dass er im besonders sensiblen Bereich der Suchtmittelkriminalität – und hier in einer großen, das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge mit äußerst gefährlichen Drogen wie Heroin, Kokain und Crystal Meth – agiert hat.

Sein Aufenthalt stellt daher eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, die ein Einreiseverbot erforderlich macht. Da der BF erst vor wenigen Monaten rechtskräftig verurteilt wurde und sich nach wie vor in Strafhaft befindet, kann noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgegangen werden. Dazu bedarf es grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens.

Das Gewicht des Fehlverhaltens des BF ist mit Rücksicht auf die, die begangenen Taten kennzeichnende Schuldform des Vorsatzes und die Menge des besessenen Suchtgiftes (Heroin, Marihuana) keinesfalls als gering zu betrachten.

Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, stellt jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) dar, ebenso wie die Verhinderung des unrechtmäßigen Aufenthalts von Fremden im Bundesgebiet.

Der VwGH hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (z.B. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249 mwN).

In seinem Erkenntnis vom 03.07.2018, Ra 2018/21/0099, hat der VwGH zudem erwogen, dass auch aus einem einmaligen Fehlverhalten – entsprechende Gravidität vorausgesetzt – eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden kann. Im Hinblick darauf seien die Verhängung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes auch gegen langjährig rechtmäßig in Österreich aufhältige Fremde gegebenenfalls nicht zu beanstanden.

Um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, bedarf es grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 22. 01.2015, Ra 2014/21/0009 und 22.03.2018, Ra 2017/22/0194).

Der Wohlverhaltenszeitraum des Fremden in Freiheit ist üblicherweise umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (VwGH 26.04.2018, Ra 218/21/0027).

Dieses Fehlverhalten bietet einen klaren Grund für die Annahme, dass vom Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Stellt man hier das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in Österreich dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gegenüber, so kommt man zu dem Ergebnis, dass der straffällige BF eine derartige Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, dass sein privates Interesse an einem Verbleib in Österreich zurückstehen muss.

Ein Eingriff in das Privatleben des BF durch die Erlassung eines Einreiseverbotes ist daher im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig.

Da sich das angeordnete Einreiseverbot als rechtmäßig erwiesen hat, war die Beschwerde insoweit gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 5 FPG als unbegründet abzuweisen.

5.2.3.3.3. Zur Dauer des Einreiseverbotes:

Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des unbefristeten Einreiseverbots als nicht angemessen:

Ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG kann unbefristet erlassen werden. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sind das konkrete Fehlverhalten und der Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe, aber auch die familiären und privaten Umstände des Betroffenen maßgeblich zu berücksichtigen.

Das dargestellte Verhalten des BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Verhinderung von strafbaren Handlungen massiv zuwidergelaufen.

Es wurde vom BFA ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.

Die festgesetzte – unbefristete – Dauer des Einreiseverbots steht nach Ansicht des erkennenden Gerichtes bei Abwägung aller dargelegten Umstände nicht in angemessener Relation.

Der BF wurde bei einem Strafrahmen von bis zu fünfzehn Jahren zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. In Anbetracht dieser Relation sowie der Tatsache, dass es sich um die erste Verurteilung des BF gehandelt hat und er ein Geständnis abgelegt hat, war die Dauer des Einreiseverbotes auf zehn Jahre herabzusetzen.

Allerdings erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des BF eine Herabsetzung des Einreiseverbotes auf weniger als zehn Jahre als nicht angemessen, zumal das persönliche Fehlverhalten des BF nicht etwa in einem einmaligen „Fehltritt“ und einer daran folgenden Besserung seines Verhaltens bestand.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des BF getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbots daher spruchgemäß in angemessener Weise auf zehn Jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit teilweise Folge zu geben.

5.2.3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.

Dem BVwG liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich erörtert hätte werden müssen. Die Ausführungen in der Beschwerde sind daher nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise (vergleiche § 10 VwGVG) darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entgegen dem Parteienantrag eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH bezüglich Rückkehrentscheidungen und zu den Voraussetzungen für die Erlassung und Bemessung eines Einreiseverbotes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen sowie Interessenabwägungen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung waren.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Einreiseverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen Pandemie Privat- und Familienleben Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W191.2247797.1.00

Im RIS seit

25.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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