Entscheidungsdatum
18.11.2021Norm
AVG §78Spruch
W191 2232092-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Serbien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weber, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2021, Zahl 309201001-200124381, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 69 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein serbischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2004 nach Österreich ein. Seit dem Jahr 2010 verfügte der BF über einen „Aufenthaltstitel EG“.
1.2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.11.2011, 124 HV 116/11d, wurde der BF gemäß § 142 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
1.3. Mit Bescheid vom 14.01.2012 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG).
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der BF zur Finanzierung seines Lebensunterhalts Banküberfälle begangen habe. Die Gefährlichkeit seines Verhaltens zeige sich anhand des Umstandes, dass er über einen Zeitraum von zirka neun Jahren fünf Banküberfälle begangen habe, wenn es ihm nicht möglich gewesen sei, seinen Lebensunterhalt auf legale Weise zu finanzieren. Auch seine familiären Bindungen hätten ihn nicht davon abgehalten, straffällig zu werden. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bindungen ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten könnten. Es sei nicht möglich, eine günstige Zukunftsprognose zu stellen.
1.4. Der BF wurde nach teilweiser Verbüßung der Freiheitsstrafe am 08.01.2015 unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus der Strafhaft entlassen und reiste am gleichen Tag freiwillig mit Unterstützung durch den Verein Menschenrechte Österreich nach Serbien aus.
1.5. Mit Schreiben seines Vertreters vom 30.01.2020 beantragte der BF die Aufhebung des Aufenthaltsverbots. Er führte aus, dass er vor fünf Jahren nach Serbien abgeschoben worden sei und sich seither dort aufhalte. Er habe in Serbien wieder geheiratet und lebe dort mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern. In Serbien sei er unbescholten und verdiene monatlich rund 43.000 Dinar. In Österreich würden seine geschiedene Frau sowie seine beiden Kinder im Alter von 18 und 16 Jahren leben, zu welchen immer wieder telefonischer Kontakt bestehe und die ihn in Serbien besuchen würden. Er wolle zu seiner Cousine und seinem Cousin samt deren Familien in Frankreich sowie zu sehr guten Freunden in Holland und Schweden wieder persönlichen Kontakt aufnehmen können. In Vorlage gebracht wurden eine beglaubigte deutsche Übersetzung eines serbischen Strafregisterauszuges und eine Bescheinigung in serbischer Sprache über das Nettoeinkommen des BF von Oktober bis Dezember 2019 samt beglaubigter deutscher Übersetzung.
1.6. Mit Schreiben vom 12.02.2020 verständigte das BFA den BF über die beabsichtigte Abweisung seines Antrages, ersuchte um die Beantwortung von Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen und gewährte eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme.
1.7. Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung des BFA vom 06.05.2020 wurde der Antrag des BF vom 31.01.2020 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 14.01.2012 erlassenen Aufenthaltsverbots gemäß § 69 Abs. 2 FPG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von Euro 6,50 gemäß § 78 AVG binnen zwei Wochen aufgetragen (Spruchpunkt II.).
1.8. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Beschluss vom 31.08.2021, W144 2232092, als unzulässig zurück, da die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift der als Bescheid bezeichneten Erledigung des BFA vom 06.05.2020 keine elektronische Genehmigung erhalte und der Schriftzug der im Verwaltungsakt aufliegenden, als „Bescheid“ bezeichneten Erledigung des BFA vom 06.05.2020 nicht die Merkmale einer Unterschrift erfülle.
1.9. Das BFA erließ am 28.09.2021 einen im Wesentlichen gleichlautenden Bescheid und wies den Antrag des BF vom 31.01.2020 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 14.01.2012 erlassenen Aufenthaltsverbots gemäß § 69 Abs. 2 FPG ab (Spruchpunkt I.). Der BF habe gemäß § 78 AVG die Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von Euro 6,50 zu entrichten (Spruchpunkt II.).
1.10. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG und verwies auf seine Beschwerde vom 02.06.2020. Die Hälfte seines zehnjährigen Einreiseverbotes sei bereits seit längerem überschritten.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde vom 12.10.2021.
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
3.1. Der BF ist Staatsangehöriger Serbiens, führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Seine Muttersprache ist Serbisch.
3.2. Der BF reiste im Jahr 2004 nach Österreich ein. Seit dem Jahr 2010 verfügte der BF über einen „Aufenthaltstitel EG“.
3.3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.11.2011, 124 HV 116/11d, wurde der BF gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Der BF wurde schuldig gesprochen, in Wien durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen, nämlich nachgenannte Geldbeträge, Nachgenannten mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abgenötigt zu haben, und zwar:
- am 07.02.2002 einem Angestellten der RAIBA 33.450 Euro, indem er einen Zettel mit dem sinngemäßen Inhalt „100.000 Euro in Fünfhundertern – 3 KG TNT“ vorlegte, wobei er eine Ledertasche mit einer Bombenattrappe mit sich führte;
- am 08.04.2004 einer Angestellten der BAWAG 30.000 Euro, in dem er einen Zettel mit dem sinngemäßen Inhalt „Geben Sie mir 100.000 Euro, kein Alarmpaket, machen Sie keine Probleme und lösen Sie keinen Alarm aus, sonst fliegt das Haus in die Luft, denn in dem Koffer ist eine Bombe, welche ich auch mit meinem Handy zünden kann“ vorlegte, wobei er einen Aluminiumkoffer mit sich führte und ein Mobiltelefon sichtbar in der Hand hielt;
- in dem er jeweils einen Zettel mit dem sinngemäßen Inhalt „Das ist ein Überfall, ich bin bewaffnet, machen Sie keine Fehler und geben Sie mir das Geld“ vorlegte
- am 30.12.2010 einer Angestellten der RAIBA 11.600 Euro
- am 04.03.2011 einer Angestellten der BAWAG 21.410 Euro
- am 01.04.2011 einer Angestellten der BAWAG 40.000 Euro
Mildernd wurde das reumütige Geständnis, die Unbescholtenheit und der Beitrag zur Wahrheitsfindung, erschwerend die Tatwiederholung gewertet.
3.4. Mit Bescheid vom 14.01.2012 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 FPG.
Der BF wurde nach teilweiser Verbüßung der Freiheitsstrafe am 08.01.2015 unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus der Strafhaft entlassen und reiste am gleichen Tag freiwillig mit Unterstützung durch den Verein Menschenrechte Österreich nach Serbien aus.
3.5. In Österreich leben die Ex-Frau des BF sowie seine beiden Kinder im Alter von 17 und 19 Jahren. Der BF hat regelmäßig telefonischen Kontakt mit seiner Ex-Frau und seinen Kindern, diese besuchen ihn auch in Serbien.
Sein Cousin und seine Schwägerin, seine Cousine und sein Schwager leben mit deren Kindern in Frankreich, in Schweden und den Niederlanden leben Freunde des BF.
3.6. Der BF lebt mit seiner neuen Ehefrau, mit der er zwei Kinder hat, in Serbien. Er ist erwerbstätig und verdient monatlich rund 43.000 Dinar.
4. Beweiswürdigung:
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.
Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in der Beschwerde.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des BF in Österreich und Serbien stützen sich auf die Angaben des BF in der Beschwerde sowie in seinem Antrag und auf die eingeholten Registerabfragen des BVwG (Strafregister, Fremdenregister).
Die Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilung ergibt sich aus einer Einschau in das Strafregister und der im Akt einliegenden Urteilsausfertigung.
5. Rechtliche Beurteilung:
5.1. Anzuwendendes Recht:
Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im FPG enthaltenen Bestimmungen in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das FPG verweist, anzuwenden.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
5.2. Rechtlich folgt daraus:
Zu Spruchteil A):
5.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 13.10.2021 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 18.10.2021 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.
5.2.2. Zur Beschwerde:
Das Vorbringen in der Beschwerde war nicht geeignet, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen.
5.2.3. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides:
5.2.3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes):
5.2.3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 25 FPG bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 – das ist der 01.01.2014 – erlassene Aufenthaltsverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31.12.2013 gemäß § 69 Abs. 2 und 3 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten.
Das hier gegenständliche, auf zehn Jahre befristete Aufenthaltsverbot wurde mit dem oben angeführten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 14.01.2012 rechtskräftig erlassen und ist auch nach dem 01.01.2014 weiterhin gültig.
Was den Eintritt der Durchsetzbarkeit und den Beginn der Dauer des Aufenthaltsverbotes anbelangt, so richten sich gemäß der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 30 FPG in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017), der Beginn und der Ablauf der Frist von vor dem 01.11.2017 erlassenen und durchsetzbar gewordenen Aufenthaltsverboten nach § 67 Abs. 4 zweiter Satz FPG in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2012.
Gemäß § 67 Abs. 4 FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung, ist bei der der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist (bezogen auf die Dauer des Aufenthaltsverbotes) beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.
Gemäß § 70 Abs. 1 FPG werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
Das gegenständliche Aufenthaltsverbot wurde mit Wirksamkeit vom 14.01.2012 rechtskräftig erlassen. Der BF befand sich ab 09.09.2011 durchgehend in Haft. Der BF wurde am 08.01.2015 bedingt aus der Strafhaft entlassen, wodurch der Freiheitsentzug endete.
Gemäß § 125 Abs. 30 in Verbindung mit § 67 Abs. 4 zweiter Satz in Verbindung mit § 70 Abs. 1 FPG war der Eintritt der Durchsetzbarkeit für die Dauer des Freiheitsentzuges in Strafhaft aufgeschoben.
Die Durchsetzbarkeit des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes trat somit am 08.01.2015 ein.
Der mit „Gegenstandslosigkeit und Aufhebung“ betitelte § 69 FPG in der Fassung des BGBl. I. Nr. 87/2012 lautete:
„(1) Eine Ausweisung wird gegenstandslos, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung (§ 70) nachgekommen ist. § 27b gilt.
(2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
(3) Das Aufenthaltsverbot tritt außer Kraft, wenn einem EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.“
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen (VwGH 21.07.2011, Zl. 200/18/0898; 24.01.2012, Zl. 2011/18/0267; 30.07.2014, Zl. 2012/22/0112; 26.03.2015, Zl. 2013/22/0297).
Bei der Beurteilung nach § 69 Abs. 2 FPG kommt es darauf an, ob aufgrund einer Änderung der für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgebenden Umstände oder aufgrund einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage davon ausgegangen werden kann, dass die seinerzeitige Annahme, der Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen zuwiderlaufen, nicht mehr aufrechterhalten werden kann (VwGH 06.09.2012, Zl. 2012/18/0032).
Ergänzend ist zur Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbotes auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach, wenn das Vorliegen einer Gefährdung immer noch zu bejahen und auch sonst die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zulässig ist, der Antrag auf dessen Aufhebung abzuweisen ist, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde die gesetzlich höchstzulässige Dauer (noch) nicht überschritten wurde (VwGH 24.01.2012, Zl. 2011/18/0267). Im Rahmen eines Verfahrens zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist die Möglichkeit, die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen, nicht vorgesehen (VwGH 27.06.1996, Zl. 95/18/0953).
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).
5.2.3.1.2. Der gegenständliche Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass der BF in Serbien unbescholten sei und einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Außerdem würden in Österreich seine beiden Kinder und seine Ex-Frau leben. Er wolle zudem seine Cousins und Cousinen in Frankreich und Freunde in Schweden und den Niederlanden besuchen.
Um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, bedarf es grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 22. 01.2015, Ra 2014/21/0009 und 22.03.2018, Ra 2017/22/0194).
Der Wohlverhaltenszeitraum des Fremden in Freiheit ist üblicherweise umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (VwGH 26.04.2018, Ra 218/21/0027).
Der BF wurde – trotz Ablegung eines Geständnisses – zu fünf Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt.
Aufgrund der Schwere der Straftaten (Drohung mit Bombenattrappen), des überaus langen Tatbegehungszeitraumes (mehrere Jahre), der Höhe der erbeuteten Summe und der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe ist der seit Haftentlassung verstrichene Zeitraum jedenfalls als zu kurz anzusehen, um davon ausgehen zu können, dass bei dem nunmehr in Freiheit befindlichen BF ein nachhaltiger positiver Gesinnungswandel in erkennbarer Weise herbeigeführt worden wäre. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der BF nunmehr einer Erwerbstätigkeit in Serbien nachgeht und erneut geheiratet hat und Vater zweier (weiterer) Kinder geworden ist.
Konkrete geänderte oder neue Umstände, die nach der Haftentlassung eingetreten wären, und für eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden, wurden im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht. Vielmehr hat sich der Lebensmittelpunkt des BF nachhaltig nach Serbien verlegt, da sich dort seine nunmehrige Ehefrau sowie seine zwei minderjährigen Kinder aufhalten.
Seine beiden älteren, in Österreich wohnhaften Kinder, können den Kontakt mit dem BF auch weiterhin telefonisch, über moderne Telekommunikationsmittel oder durch Besuche in Serbien aufrechterhalten werden.
Insoweit im Antrag und in der Beschwerde auf den Kontakt des BF zu seiner Ex-Frau und den gemeinsamen Kindern und deren Aufenthalt in Österreich hingewiesen wurde, ist entgegenzuhalten, dass auch dieser Umstand allein nicht ausreicht, um vor dem Hintergrund der Gründe, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, eine Rechtswidrigkeit des weiteren Aufenthaltsverbotes zu erblicken, zumal diese Beziehungen bereits bei Begehung der Straftaten und Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestanden haben.
Anhaltspunkte, dass die im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes getroffene Gefährdungsprognose nunmehr gänzlich anders zu beurteilen wäre, haben sich nicht ergeben.
Auch im Lichte der nach § 9 BFA-VG in Verbindung mit Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung haben sich im Vergleich zu dem im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes zugrunde gelegten Sachverhalt keine neuen oder geänderten Umstände ergeben, denen zufolge ein Überwiegen des persönlichen Interesses des BF am Schutz des Privat- und Familienlebens gegenüber dem öffentlichen Interesse an der weiteren Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes anzunehmen gewesen wäre.
In einer Gesamtbetrachtung der dargelegten Erwägungen war somit nicht davon auszugehen, dass sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des BF geändert hätten, weshalb auch ein Überwiegen der behaupteten persönlichen Interessen an einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner Aufrechterhaltung nicht anzunehmen ist. Die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen (VwGH 03.10.2013, Zl. 2013/22/0083; 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).
Da sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes als rechtmäßig erwiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 69 Abs. 2 FPG als unbegründet abzuweisen.
5.2.3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Kostenausspruch):
Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde der Bescheid in seinem gesamten Inhalt und Umfang angefochten, somit auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des Bescheides, wonach der BF gemäß § 78 AVG eine Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von 6,50 Euro binnen zwei Wochen zu entrichten habe.
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG hat die Beschwerde die Gründe zu enthalten, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt. In der vom Vertreter des BF verfassten Beschwerde wurden jedoch keinerlei Gründe vorgebracht, aus denen sich die Rechtswidrigkeit dieses Kostenausspruchs ergeben würde.
Da auch sonst nicht ersichtlich ist, weshalb der Kostenausspruch allenfalls rechtswidrig wäre, und sich der Kostenausspruch auch zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften stützt, war die Beschwerde auch insoweit, als sie sich gegen Spruchpunkt II. des Bescheides richtet, als unbegründet abzuweisen.
5.2.3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.
Dem BVwG liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich erörtert hätte werden müssen. Die Ausführungen in der Beschwerde sind daher nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise (vergleiche § 10 VwGVG) darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entgegen dem Parteienantrag eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH bezüglich der Aufhebung von Aufenthaltsverboten auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen sowie Interessenabwägungen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung waren.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot Interessenabwägung Kostenbeitrag mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Rechtmäßigkeit Verwaltungsabgabe Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W191.2232092.2.00Im RIS seit
25.01.2022Zuletzt aktualisiert am
25.01.2022