TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/23 W171 2248316-1

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Veröffentlicht am 23.11.2021
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Entscheidungsdatum

23.11.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs3
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1

Spruch


W171 2248316-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2021, Zahl: XXXX und die Anhaltung in Schubhaft seit 13.09.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 13.09.2021 wird gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 3 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO als unbegründet abgewiesen.

II. Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit dem 10.11.2021 gemäß Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz, 1. Fall Dublin III-VO für rechtswidrig erklärt.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Zi. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung n i c h t vorliegen.

IV. Die Anträge der Parteien auf Kostenersatz werden gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

V. Der beschwerdeführenden Partei wird Verfahrenshilfe im Umgang der Befreiung von der Eingabengebühr gewährt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge BF) versuchte illegal von Österreich kommend nach Deutschland einzureisen und wurde diesem von der deutschen Polizei die Einreise verweigert.

Am 13.04.2021 um ca. 22:15 Uhr wurde der BF von der deutschen Polizei an die österreichische Polizei übergeben, aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes gem. § 39 FPG festgenommen und in das PAZ verbracht.

Am 14.04.2021 um 12:10 Uhr wurde der BF von der Polizei niederschriftlich einvernommen. Bei der niederschriftlichen Einvernahme gab der BF an, dass er in Österreich keinen Asylantrag stellen wolle, keinen Wohnsitz in Österreich habe, keine Familienangehörigen in Österreich bzw. einem Mitgliedsstaat habe, niemanden in Österreich kenne bei dem er wohnen könne, über keine Barmittel verfüge, sich bei niemanden in Österreich Geld ausleihen könne, noch nie von einem Mitgliedsstaat in sein Heimatland zurückverbracht worden sei, nach Frankreich weiterreisen und nicht in Schubhaft genommen werden wolle.

Eine erkennungsdienstliche Behandlung ergab mehrere Eurodac-Treffer der Kategorie 1 in Bulgarien und Rumänien. Der BF hat daher bereits in Bulgarien und Rumänien je einen Asylantrag gestellt.

Ein Konsultationsverfahren mit dem zuständigen Mitgliedsstaat und ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde eingeleitet.

Der BF stellte am 25.04.2021 in Österreich dann doch einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 15.05.2021 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wurde und sprach das BFA darin aus, dass Rumänien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 Ziffer 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.

Aufgrund dessen wurde der BF schließlich am 09.07.2021 erstmalig nach Rumänien überstellt.

Der BF reiste jedoch wieder in das Bundesgebiet zurück und wurde am 12.09.2021 aufgrund einer Festnahmeanordnung gem. § 34/3/1 BFA-VG festgenommen und in das PAZ überstellt. Er stellte am 12.09.2021 einen Asyl-Folgeantrag.

Ein neuerliches Konsultationsverfahren zur Rückübernahme (Rumänien) wurde am 15.09.2021 eingeleitet.

Am 13.09.2021 wurde der BF einvernommen und führte dabei im Wesentlichen aus, dass die von ihm angegebenen Daten stimmen würden. In Rumänien drohe ihm seine Abschiebung nach Afghanistan und sei er dort schlecht behandelt worden. Er wolle in Österreich leben u. arbeiten und seine Familie herholen. Er wolle nicht nach Rumänien zurückkehren. Seine gesamte Familie sei weiterhin in Afghanistan. Er besitze € 60,-- jedoch keine Bankomat- bzw. Kreditkarte und habe keinen Wohnsitz in Österreich. Er sei gesund, habe aber psychischen Druck wegen der Familie und der Taliban. Er werde sich eher töten, als nach Rumänien oder aber Afghanistan zurückzukehren. Er würde nach Frankreich gehen.

Daraufhin wurde die gegenständliche Schubhaft mit Mandatsbescheid zur Sicherung des Rücküberstellungsverfahrens über den BF verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass der BF über kein gültiges Reisedokument verfüge und illegal nach Österreich wiedereingereist sei. Der BF habe keinen Aufenthaltstitel für das Schengengebiet und habe am 12.09.2021 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt. Er weigere sich das Bundesgebiet zu verlassen und verfüge nicht über ausreichende Barmittel um seinen Unterhalt zu finanzieren. Er habe im Inland keinen Wohnsitz, keine Familienangehörigen und sei gesund. Für das Verfahren des BF sei Rumänien zuständig. Die Sicherung der Abschiebung sei erforderlich, da der BF nicht vertrauenswürdig und davon auszugehen sei, dass er auch hinkünftig nicht gewillt sei, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit habe daher ergeben, dass das private Interesse des BF auf Schonung seiner persönlichen Freiheit den Interessen des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Die Verhängung der Schubhaft sei auch eine ultima ratio Maßnahme. Die Anordnung eines gelinderen Mittels käme nicht in Frage, da damit nicht das Auslangen gefunden werden könne.

Am 28.09.2021 erteilte Rumänien gem. Art. 18 Dublin III VO seine Zustimmung zur Rückübernahme des BF.

Am 02.11.2021 wurde im Hinblick auf den Asylfolgeantrag vom 12.09.2021 dieser mit Bescheid des BFA gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und sprach das BFA darin aus, dass Rumänien gemäß 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 Ziffer 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 16.11.2021 binnen offener Frist Beschwerde an das BVwG. Diese wurde am 17.11.2021 an das BVwG weitergeleitet und in der Folge ab 19.11.2021 der Behandlung zugeführt.

Mit Beschwerde vom 16.11.2021 (bei Gericht eingelangt am 17.11.2021) gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid führte die Rechtsvertretung im Wesentlichen aus, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da das BFA eine Überstellung des BF nicht innerhalb der sechswöchigen Frist des Art. 28 Abs. 3 Dublin III VO bewerkstelligen habe können. Darüber hinaus fehle es aufgrund der der Behörde zuzuschreibenden Verzögerung im Asyfolgeantragsverfahren an der Verhältnismäßigkeit der andauernden Haft. Weiters sei eine Überstellung des BF nach Rumänien innerhalb der Höchstfrist aufgrund der herrschenden CoVid- Situation nicht möglich. Schließlich sei erhebliche Fluchtgefahr nicht gegeben und verfüge der BF nunmehr über eine Wohnmöglichkeit bei einem Freund der Familie. Näheres, mit Ausnahme der Adresse und des Namens des potentiellen Unterkunftgebers, wurden nicht mitgeteilt. Schubhaft könne keine Standardmaßnahme sein und sei im vorliegenden Fall jedenfalls nicht von erheblicher Fluchtgefahr im Sinne der Dublin III-VO auszugehen.

Hinsichtlich der Verwendung eines gelinderen Mittels seien keine konkreten Ausführungen getroffen worden und wäre die Verhängung eines gelinderen Mittels jedenfalls als ausreichend anzusehen gewesen.

Weiters beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einvernahme eines informierten Vertreters des BFA zur Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung und die Einvernahme des BF, die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Eingabengebühr, sowie Aufwandsersatz als Ersatz des Schriftsatzaufwandes des BF als obsiegende Partei.

Das BFA legte dem Gericht am 17.11.2021 den gegenständlichen Verwaltungsakt vor, erstattete vorerst nur eine inhaltsleere Stellungnahme, die aufgrund gerichtlicher Intervention sodann am 18.11.2021 skizzierend wie folgt ergänzt wurde:

„Zur Verfahrenschronologie:

Der Beschwerdeführer wurde bereits am 09.07.2021 erstmals nach Rumänien überstellt.

Gegenständliches Verfahren:

Asylantrag (Folgeantrag) am 12.09.2021.

KV wurde am 15.09.2021 an Rumänien versandt.

Zustimmung der rumänischen Behörde gem. Art 18 (1) (b) liegt vom 28.09.2021 vor.

Zuteilung des Verfahrens auf internationalen Schutz am 05.10.2021.

Übernahme der Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs 3 und § 15a AsylG durch den Beschwerdeführer am 08.10.2021.

Ein geplantes Parteiengehör für 22.10.2021 musste storniert werden.

Das Parteiengehör wurde am 29.10.2021 durchgeführt.

Am 02.11.2021 wurde der Bescheid gem. § 5 AsylG, § 61 FPG expediert und an den Beschwerdeführer ausgefolgt.

Die dagegen erhobene Beschwerde ist am 16.11.2021 ho. eingelangt.

Die Beschwerdevorlage wurde am 17.11.2021 an das BVwG übermittelt.

Eine Überstellung nach Rumänien ist bis 28.03.2022 möglich.

Über den Beschwerdeführer wurde am 13.09.2021 gem. Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.

Ab der Zustimmung Rumäniens hatte die Behörde 6 Wochen Zeit für die Erlassung des Bescheides gem. § 5 AsylG, § 61 FPG. Dieser wurde am 02.11. expediert, eine rechtzeitige Zustellung erfolgte. Inkl. der Rechtsmittelfrist wurde die 6-Wochen-Frist nicht überschritten und ist die Anhaltung des BF in Schubhaft daher nicht bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen, dass im Allgemeinen in Zeiten der Pandemie es zu Herausforderungen im Zeit- und Terminmanagement kommt.

Im konkreten Fall wurden keine Fristen versäumt und kam es auch nicht zu unnötigen Verzögerungen.

Rumänien akzeptiert grundsätzlich weiterhin Überstellungen nach der Dublin III-VO. Im Anhang befindet sich die letzte Ausschreibung von Rumänien betreffend Testregime und sonstigen Vorgaben.

Einen konkreten Abschiebetermin gibt es in diesem Fall (noch) nicht, da es keine rechtskräftige bzw. durchführbare Entscheidung gibt.

Eine Außerlandesbringung kann erst nach rechtskräftiger bzw. durchführbarer Entscheidung geplant werden, wozu auch ein Reisedokument seitens der Behörde ausgestellt werden wird.

Abschließend darf nochmals darauf hingewiesen werden, dass, wie aus den beigefügten Dokumenten ersichtlich, Überstellungen nach Rumänien möglich sind.

Zur Fragestellung warum kein gelinderes Mittel angeordnet wurde:

Der Asylweber hat sich wiederholt aus dem für sein Asylverfahren zuständigen Staat entfernt, es besteht anscheinend keine vorhandene Rückkehrwilligkeit. Der Asylwerber ist mittellos.

Da erhöhter Sicherungsbedarf besteht und nicht davon auszugehen ist, dass die behördlichen Anordnungen eingehalten werden, ist nicht davon auszugehen dass dem gelinderen Mittel nachgekommen wird.

Eine Wohnsitzauflage ist aufgrund erhöhtem Sicherungsbedarf nicht zweckmäßig.

Die Meldeverpflichtung ist aufgrund erhöhtem Sicherungsbedarf nicht zweckmäßig.

Zur Frage ob weiterhin erhebliche Fluchtgefahr besteht:

Aufgrund bereits einmal erfolgter Überstellung, hoher Mobilität der Partei, kein Abwarten des Verfahrens im zuständigen Staat, und untertauchen in andere Länder (dokumentierter beabsichtigter Aufenthalt in AT, DE, FR, etc. lt. Aufgriffsmeldungen und Niederschrift) ist der Asylwerber für die Behörden nicht greifbar.“

Als Beilage wurde ein Schreiben der rumänischen Dublinabteilung vom 12.10.2021 übersandt, aus dem sich für das Gericht der konkret gültige modus vivendi für Abschiebungen nach Rumänien entnehmen ließ. Gleichbedeutend hiezu ergibt sich daraus, dass aktuell Abschiebungen nach Rumänien unter Einhaltung von derzeit üblichen CoVid-Maßnahmen durchgeführt werden können. Kostenersatz wurde nicht beantragt.

Am 19.11.2021, einen Tag nach Ablauf der gerichtlichen eingeräumten Frist hiezu, legte die Rechtsvertretung schließlich eine schriftliche Erklärung des potentiellen Unterkunftgebers vor, ohne näher auszuführen, weshalb die gerichtliche Frist hiebei nicht eingehalten werden konnte.

Ebenso am 19.11.2021 lange die Beschwerde gegen den zurückweisenden Beschluss des BFA vom 02.11.2021 in Asylantragsverfahren bei Gericht ein.

Auf Ersuchen des Gerichts erstattete der amtsärztliche Dienst der LPD am 18.11.2021 und am 22.11.2021 je ein Gutachten zum Gesundheitszustand des BF aus denen sich im Wesentlichen entnehmen ließ, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung aus psychiatrischer Sicht keine über das Maß hinausgehende psychische Belastung des BF aufgrund der Haftsituation gegeben war, der BF einen guten Allgemeinzustand aufwies und sich der BF glaubhaft und klar von Suzidialität distanzierte. Der BF wurde als haft- und verhandlungsfähig befundet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein, ist Staatsangehöriger Afghanistans und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

1.2. Er stellte am 25.04.2021 und am 12.09.2021 in Österreich je einen Antrag auf internationalen Schutz. Das erste Verfahren wurde mit Bescheid des BFA zurückweisend entschieden und gemäß § 61 FPG wurde weiters die Außerlandesbringung angeordnet und diese nach Rumänien für zulässig erklärt. Einer Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 30.07.2021 nicht stattgegeben.

1.3. Am 09.07.2021 wurde der BF nach Rumänien überstellt und reiste wieder nach Österreich zurück, wo er am 12.09.2021 einen Asylfolgeantrag stellte. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 02.11.2021 zurückweisend entschieden. Am 16.11.2021 wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde eingebracht. Diese ist seit 19.11.2021 beim BVwG anhängig. Eine Entscheidung des Gerichts ist noch nicht ergangen.

1.4. Der BF verfügt nicht über ein gültiges Reisedokument.

Zu den formalen Voraussetzungen des Schubhaftverfahrens:

2.1. Rumänien erteilte mit Note vom 28.09.2021 seine Zustimmung zur Rückübernahme des BF.

2.2. Die Beschwerde des BF gegen die Entscheidung des BFA im Dublinverfahren vom 02.11.2021 ist am 19.11.2021 am BVwG eingelaufen.

2.3. Der BF ist haftfähig und die Gefahr eines Suizides ist nach eigenen Angaben des BF derzeit nicht aktuell.

Zur erheblichen Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Die Anordnung zur Außerlandesbringung vom 02.11.2021 ist durchsetz- aber noch nicht durchführbar.

3.2. Der BF ist bei aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist.

3.3. Der BF verfügte bisher nicht über eine aufrechte Meldeadresse (außer im PAZ).

3.4. Gegen den BF besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme und hat er sich in der Vergangenheit durch die Weiterreise nach Österreich dem Asylverfahren in Rumänien entzogen.

3.5. Im Zeitpunkt der Asylfolgeantragsstellung am 12.09.2021 bestand gegen den BF bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3.6. Der BF hat bereits in Rumänien und Bulgarien Asylanträge gestellt und hat versucht von Österreich nach Deutschland weiterzureisen. Darüber hinaus hat er bereits mehrmals angegeben, nach Frankreich weiterreisen zu wollen.

3.7. Der BF wurde bereits einmal nach Rumänien überstellt und ist wieder nach Österreich zurückgekehrt.

3.8. Der BF ist während der Schubhaft bereits einmal in Hungerstreik getreten und verweigerte die Bestätigung der Übernahmen eines behördlichen Schriftstücks.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen und hat keine nennenswerten Kontakte im Inland. Er ist sozial nicht integriert.

4.2. Der BF ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

4.3. Der BF verfügt seit dem Beschwerdeverfahren über einen gesicherten Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahren (1.1. – 1.4.):

Der Verfahrensgang und die hiezu getroffenen Feststellungen sowie die Feststellungen zur Person des BF (1.1 bis 1.4), ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, deren Akteninhalt der BF in keiner Phase des Verfahrens substantiiert entgegengetreten ist. Die Vorlage der Beschwerde im 2. Asylverfahren ergibt sich aus dem gerichtsinternen Register.

2.2. Zu den formalen Voraussetzungen des Schubhaftverfahrens (2.1.-2.3.):

Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass Rumänien am 28.09.2021 seine Zustimmung zur Rückübernahme schriftlich erteilt hat. Auch die Beschwerde geht von diesem Datum aus (2.1.). Das Einlangen der Beschwerde im Asylverfahren bei Gericht lässt sich dem elektronischen gerichtinternen System entnehmen (2.2.).

Die Haftfähigkeit des BF (2.3.) ergibt sich aus den beiden aktuellen amtsärztlichen Gutachten im Schubhaftbeschwerdeverfahren vom 18.11.2021 und 22.11.2021.

2.3. Zur erheblichen Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit (3.1. – 3.8.):

Die Feststellungen 3.1 bis 3.8 gründen sich auf die Angaben im Akt des BVwG, auf die Angaben im Akt des laufenden Dublinverfahrens des BVwG sowie auf die Einsicht in das Zentrale Melderegister. Das Vorliegen einer durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung (3.1.) ergibt sich aus den Angaben im Akt und blieb dies im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens unbestritten. Die Anordnung zur Außerlandesbringung ist noch nicht durchführbar, da innerhalb der aktuell laufenden 7 Tagefrist seitens des BVwG nicht über die aufschiebende Wirkung entschieden worden ist. Hinsichtlich der Feststellung zu 3.2. wird ausgeführt, dass sich aus dem Akteninhalt ergibt, dass der BF bereits einmal von Österreich nach Rumänien überstellt worden ist und sodann zurückgekehrt ist (3.7.). Nach Einsicht in das zentrale Melderegister ergab sich, dass der BF (außerhalb des PAZ) in Österreich bisher keine Meldeadresse hatte (3.3.).

Durch seine Weiterreise von Rumänien nach Österreich hat sich dieser den dortigen Behörden und dem dort laufenden Asylverfahren nunmehr wiederholt entzogen (3.4.). Zum Zeitpunkt des zweiten Asylantrages in Österreich (12.09.2021) bestand bereits eine durchsetzbare Maßnahme aus dem ersten Asylverfahren in Österreich, die noch gültig gewesen ist (3.5.).

Aus dem IZR ergibt sich, dass der BF bereits in Rumänien und Bulgarien je einen Asylantrag gestellt hatte und beim Versuch von Österreich nach Deutschland weiterzureisen, zurückgeschoben worden ist. Darüber hinaus gab der BF im Rahmen seiner Einvernahme am 13.09.2021 glaubhaft an, nach Frankreich weiterreisen zu wollen (3.6.).

Aus der Anhaltedatei und dem Behördenakt lässt sich entnehmen, dass der BF sich während laufender Schubhaft bereits zu einem kurzen Hungerstreik entschlossen hat und die Bestätigung der Übernahme des Dublinbescheides des BFA vom 02.11.2021 verweigert hat (3.8.).

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1. – 4.3.):

Aus einer Zusammensicht der persönlichen Angaben des BF im Rahmen der Einvernahmen und den Eintragungen im ZMR ergibt sich, dass der BF wie in 4.1. festgestellt, keine Familienangehörigen und auch sonst keine nennenswerten Kontakte in Österreich hat. Er ist in keiner Weise integriert. Auch ergaben sich im Verfahren keine legalen Erwerbsmöglichkeiten oder auch Mittel der Selbsterhaltung (4.2.). Erst im Beschwerdeverfahren wurde (nach anfänglich völlig unsubstanziiertem Vorbringen) schließlich doch eine Bestätigung des potentiellen Unterkunftgebers vorgelegt. Hiezu erlaubt sich das Gericht festzuhalten, dass es sich bei den durch das Gericht festgesetzte Fristen nicht lediglich um eine Bitte oder Empfehlung handelt und die nicht fristgerechte Vorlage von Beweismitteln nicht nur eine Missachtung des Gerichts darstellt, sondern auch die Gefahr birgt, in die Entscheidung nicht mehr einbezogen werden zu können. Im vorliegenden Fall konnte das Gericht jedoch nach näherer Prüfung in weitere Folge von einem gesicherten Wohnsitz ausgehen (4.3.).

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im – gegenüber der Dublin II-VO neuen – Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223 [in Druck]).

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

„Fluchtgefahr“ definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die zum Vollzug von EU-Verordnungen erforderlichen innerstaatlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften bereitstellen. Um der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts willen ist jedoch der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften nur in dem zum Vollzug der Verordnung notwendigen Umfang zulässig. Den Mitgliedstaaten ist es in Bezug auf Verordnungen des Unionsrechts verwehrt, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Änderung ihrer Tragweite oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Inhalt haben. Es besteht ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU-Verordnungen durch verbindliches innerstaatliches Recht. Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht nur dort, wo von der Verordnung eine nähere Konkretisierung selbst verlangt wird (Öhlinger/Potatcs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht³, 2006,138 f.).

Eine derartige Ausnahme liegt vor, wenn Art. 2 lit. n Dublin III-VO dem Gesetzgeber aufträgt, Kriterien für Vorliegen von Fluchtgefahr zu regeln (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 94 [in Druck]). § 76 Abs. 2a FPG sieht solche Kriterien vor. Vor dem Hintergrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 28 Dublin III-VO hätte die belangte Behörde die Schubhaft jedoch jedenfalls auch nach dieser Bestimmung verhängen müssen. Die über das Vorliegen der Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit (vgl. Erwägungsgrund 20 Dublin III-VO) hinausgehenden Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft nach Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO hat die belangte Behörde aber nicht geprüft.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfestellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessne Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, selbst wenn daraus keine Haftunfähigkeit resultiert, kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes des Fremden und der bisherigen Dauer der Schubhaft die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend gewesen wäre (im Zusammenhang mit behaupteter Haftunfähigkeit wegen psychischer Beschwerden vgl. VwGH 05.07.2012, Zl. 2012/21/0034; VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/21/0123; VwGH 29.02.2012, Zl. 2011/21/0066). Der Krankheit eines gemeinsam geflüchteten Familienmitglieds kann insofern Bedeutung zukommen, als eine sich aus der Erkrankung ergebende Betreuungsbedürftigkeit auch die Mobilität der übrigen Familienmitglieder einschränken und damit die Gefahr eines Untertauchens in die Illegalität vermindern könnte (vgl. VwGH vom 28.02.2008; Zl. 2007/21/0391).

In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.

Im Judikat des VwGH vom 26. April 2018, Ro 2017/21/0010 führt der Gerichtshof zur Fristenberechnung betreffend Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz wie folgt in einem Rechtssatz aus:

„Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 Dublin III-VO verkürzt für Personen, die nach Art. 28 Dublin III-VO in Haft genommen worden sind, die in Art. 21, 23 und 24 Dublin III-VO vorgesehenen Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuches auf einen Monat ab Stellung des Antrages auf internationalen Schutz und die in Art. 22 bzw. Art. 25 Dublin III-VO normierte Frist für die Antwort auf dieses Gesuch bzw. für den Eintritt der Zustimmungsfiktion durch Verschweigung auf zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-VO verkürzt in diesen Fällen die in Art. 29 Dublin III-VO vorgesehene Frist für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf sechs Wochen. Die sechswöchige Frist beginnt mit der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder mit dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Vom Begriff der aufschiebenden Wirkung iSd Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-VO ist auch die "automatische" Aussetzung der Überstellung nach Art. 27 Abs. 3 lit. b Dublin III-VO erfasst, dem das in §§ 16 Abs. 2 Z 1, Abs. 4 und 17 Abs. 1 BFA-VG 2014 nach nationalem österreichischen Recht vorgesehene Modell entspricht. Von diesem Verständnis geht auch der EuGH im Urteil EuGH 13.9.2017, C-60/16, ausdrücklich aus. Nach diesem Urteil kommt es nicht darauf an, ob dem Rechtsbehelf oder der Überprüfung iSd Art. 27 Abs. 3 lit. a und b Dublin III-VO ex lege aufschiebende Wirkung zukommt oder deren Gewährung iSd Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO von einem Antrag der betroffenen Person abhängig gemacht wird. An diese verkürzten Fristen nach Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO knüpft Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 4 Dublin III-VO an, indem er anordnet, dass die Haft bei Überschreiten der Fristen nicht aufrecht erhalten werden darf.“

Unter RZ 15 des zitierten Judikates stellt der VwGH klar fest, dass ein neuerlicher Beginn einer zweiten, nun auf Art. 28 Abs. 3 Unterabsatz 3, 2. Fall Dublin III – VO gestützten 6-Wochenfrist für die Überstellung nach Ablauf der ersten Frist (1. Fall leg. cit.) nicht mit der ausdrücklichen Annahme des Überstellungsgesuchs durch den Aufnahmestaat, sondern erst mit der tatsächlichen Durchführbarkeit der Anordnung der Außerlandesbringung (neu) zu laufen beginnen kann.

In dieser Fallkonstellation hatte der VwGH jedoch im Auge, dass die 6-Wochenfrist des 2. Falles noch vor Ende der Frist des 1. Falles des Artikels 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz zu laufen begonnen hat.

3.1.3. Bescheidprüfung:

Die Behörde geht in ihrem Bescheid von der Erfüllung der Tatbestände der Ziffern 1, 3, 6 und 9 des § 76 Absatz 3 FPG aus. Hiezu ist festzuhalten:

Die Tatbestandsmerkmale der Ziffer 1 sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung zum Sicherungsbedarf verwiesen. Festzuhalten ist, dass der BF bisher an den Verfahren an sich mitgewirkt hat und auch weder die Rückkehr noch die Abschiebung umgangen oder behindert hat. Es kann ihm daher kein Vorwurf gemacht werden, dass er bis zur angefochtenen Entscheidung durch sein Verhalten die Tatbestandsmerkmale der Ziffer 1. leg. cit. erfüllt hätte.

Dem entgegengesetzt stellt sich das Heranziehen der Ziffer 3 hinsichtlich des Bestehens einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme als zutreffend dar. Der BF hat sich jedenfalls nachweislich dem rumänischen Asylverfahren zwei Mal durch Ausreise nach Österreich entzogen und damit klar gezeigt, dass er nicht gewillt ist, die Beendigung von Verfahren auch abzuwarten. Durch die Wiederholung dieser Vorgehensweise indiziert diese ganz klar einen markanten Sicherungsbedarf, der sich durch die Erfüllung weiterer Tatbestandmerkmale (hier Zi. 6 und 9 leg. cit.) zur erheblichen Fluchtgefahr erhöht.

Bezüglich der Qualifikation der Ziffer 6 (litera a, b und c) stellt sich klar dar, dass der BF auf Grund der EURODAC-Eintragungen jedenfalls in Rumänien und Bulgarien zuvor bereits je einen Asylantrag gestellt hatte und daher auch Rumänien für die Durchführung des Asylverfahrens des BF zuständig ist. Die Tatbestandsmerkmale der Ziffer 6a sind daher erfüllt.

Der BF hat dem festgestellten Sachverhalt gemäß versucht, von Österreich aus nach Deutschland weiterzureisen. Die Ziffer 6b ist daher ebenso also erfüllt anzusehen.

In der Einvernahme vom 13.09.2021 führte der BF klar und glaubhaft aus, nach Frankreich ausreisen zu wollen und hat sohin auch die Merkmale der Ziffer 6c erfüllt.

Als weiteren Sicherungsgrund unterstellt die Behörde in ihrem Bescheid die Erfüllung des Tatbestandes der Ziffer 9, die auch zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erfüllt wurde. Der BF verfügt weder über familiäre- noch über sonst nennenswerte Kontakte in Österreich. Er hat in Österreich nicht gearbeitet und hat er auch nicht die Aussicht, in Österreich legal arbeiten zu können. Ausreichende existenzsichernde Mittel waren ebenso nicht vorhanden. Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durfte das BFA auch davon ausgehen, dass der BF über keinen gesicherten Wohnsitz verfügte, da der BF selbst in der Einvernahme auf AS 32 angibt, keinen Wohnsitz zu haben. Der Bescheid ist daher zu Recht darauf gestützt, dass der BF zum Zeitpunkt der Erlassung über keinen Wohnsitz verfügte. Die Tatbestandsmerkmale der Ziffer 9 waren daher bei Bescheiderlassung zur Gänze erfüllt.

Im vorliegenden Fall ist daher nach Ansicht des Gerichtes im Rahmen einer Gesamtbetrachtung von erheblicher Fluchtgefahr des BF i.S.d. Dublin III – VO auszugehen. Er hat bisher in den Verfahren zwar mitgewirkt und so war die Ziffer 1 nicht erfüllt. Die durch die Behörde im Rahmen des Verfahrens herausgearbeiteten übrig gebliebenen Kriterien (Ziffer 3, Ziffer 6a, 6b, 6c und 9) reichen jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls aus, um von erheblicher Fluchtgefahr im Sinne des Artikels 28 der Dublin III-VO auszugehen und eine freiheitsentziehende Maßnahme rechtfertigen zu können. Im Ergebnis geht das erkennende Gericht daher im vorliegenden Fall vom Vorliegen eines erheblichen Sicherungsbedarfs aus und war daher der in Beschwerde gezogene Schubhaftbescheid nicht wesentlich zu bemängeln.

Ergänzend darf angemerkt werden, dass der BF aufgrund seiner Wiedereinreise nach Österreich nach einer Abschiebung auch Ziffer 2 leg. cit. erfüllt hätte, was von der Behörde jedoch nicht herangezogen wurde.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass die im Rahmen der gerichtlichen Abwägung zu berücksichtigenden Kriterien nicht ausreichend geeignet waren, die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen. Der BF hielt sich in der Vergangenheit illegal in Österreich auf und hatte keine Meldeadressen. Er reiste vor der jeweiligen Verfahrensbeendigung aus Rumänien aus und entzog sich damit dem Verfahren. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigte. Er hat in Österreich bereits zuvor einen erfolglosen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurde nach Rumänien überstellt. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer neuerlichen Außerlandesbringung des BF kundgetan. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF zum Verbleib auf freiem Fuße weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine baldige Außerlandesbringung durchführen zu können, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Es war daher dem BF nach Ansicht des Gerichtes zunächst zuzumuten, die Zeit bis zu seiner gesetzmäßigen Abschiebung in Schubhaft zuzubringen.

3.1.5. Die Anordnung eines gelinderen Mittels hätte nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung geführt. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre, da der BF nach eigenen Wünschen, nach Frankreich weitergereist wäre. Es war daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ein evidentes Interesse daran hat, nicht nach Rumänien oder in seine Heimat abgeschoben zu werden, nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder weiterreisen würde. Auch hat das behördliche Beweisverfahren klar ergeben, dass der BF nicht freiwillig in seine Heimat zurückkehren will und ihm dabei auch jedes Mittel recht sein würde, eine Rückführung nach Rumänien zu verhindern. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel seinerzeit bei Bescheiderlassung eine ausreichende Sicherung des BF bedeutet hätte. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann. Das zu BVwG XXXX zitierte Judikat (ein Judikat der erkennenden Gerichtsabteilung selbst) bereitet für Rechtsvertreter immer wieder Probleme bei der Auslegung bzw. bei der Vergleichbarkeit mit anderen Fallkonstellationen. Der zitierte Fall ist, wie fast immer wenn es zu diesem Zitat kommt, mit dem laufenden Fall in keiner Weise vergleichbar. Während es im zitierten Fall lediglich um die Bewertung eines kurzen Meldeverstoßes ging (sonst lag hier nichts Wesentliches vor), hatte der BF im vorliegenden Fall nie eine Meldeadresse (sohin wohl kein einfaches Versehen!), und reiste in mehrere Länder der EU. Dazu kommt noch, dass der BF versuchte sich nach Deutschland abzusetzen und angab, nach einer Freilassung nach Frankreich weiterreisen zu wollen. Die Fälle sind daher in keiner Weise ähnlich und kann das zitierte Judikat im vorliegenden Fall nicht vergleichsweise herangezogen werden. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erwies sich daher zunächst auch als „ultima ratio“. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben waren und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne war auch das Kriterium der „ultima ratio“ im behördlichen Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.7. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der ursprünglichen Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßigen Verhängung.

3.1.8. Entgegen der unbegründeten Ansicht der Rechtsvertretung des BF sind Außerlandesbringungen nach Rumänien trotz der vorliegenden Pandemie nach wie vor möglich. Das Gericht hat nach den Informationen des BFA (siehe Verfahrensgang) keine Zweifel daran, dass eine Abschiebung des BF innerhalb der vorgesehenen Höchstfristen für Dublinschubhaften an sich zu bewerkstelligen wäre. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Unmöglichkeit der Abschiebung und konnte daher auch von einer Einvernahme eines informierten Vertreters Abstand genommen werden.

Zu Spruchpunkt II – Rechtswidrigkeit der Anhaltung seit 10.11.2021:

Gemäß Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz 1. Fall der Dublin III – VO hat die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedsstaat in den zuständigen Mitgliedsstaat spätestens innerhalb von 6 Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme zu erfolgen. Alternativ (2. Fall) kann die Berechnung der 6-Wochenfrist mit dem Zeitpunkt beginnen, in dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Art. 27 Abs. 3 leg. cit. keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Unstrittig ist im Verfahren hervorgekommen, dass Rumänien mit Note vom 28.09.2021 der Rückübernahme des BF schriftlich zugestimmt hat. Der Fristenlauf des Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz 1. Fall der Dublin III-VO endete daher mit 09.11.2021. Die Frist des 1. Falles ist daher bei richtiger Berechnung zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bereits abgelaufen. Der BF ist daher nach der Bestimmung des Art. 28 Abs. 4 nicht länger in Haft zu halten.

Wendet man die Bestimmung des Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz 2. Fall an, so ergibt sich folgende Berechnung:

Die zugrunde zu legende Entscheidung des BFA vom 02.11.2021 ist aktuell noch nicht durchführbar und hat daher nach der Terminologie der Dublin III- VO sohin noch immer „aufschiebende Wirkung“. Die Anordnung zur Außerlandesbringung (und um diese geht es hier) verliert ihre „aufschiebende Wirkung“ gemäß § 17 Abs.1 BFA-VG erst eine Woche nach Vorlage des Rechtsmittels (Beschwerde gegen die zurückweisende Dublinentscheidung vom 02.11.2021) beim Bundesverwaltungsgericht.

Nach den Recherchen des erkennenden Gerichts wurde die bezughabende Beschwerde erst am 19.11.2021 dem BVwG vorgelegt und ist daher zum Entscheidungszeitpunkt die oben angeführte gesetzliche Wochenfrist noch nicht abgelaufen. Der Fristenlauf für eine Fristberechnung gemäß Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz 2. Fall Dublin III-VO hat daher aktuell noch nicht begonnen und kann hier die Lücke seit dem 10.11.2021 daher auch nicht füllen.

Der Beschwerde war daher in diesem Punkt wegen Überschreitung der 6-Wochenfrist des Art. 28 Abs. 3, 3. Unterabsatz 1. Fall stattzugeben und festzustellen, dass die gegenständliche Schubhaft seit dem 10.11.2021 rechtswidrig ist bzw. war.

Zu Spruchpunkt III. – Fortsetzung der Anhaltung:

Zunächst wird auf die Ausführungen zu Spruchpunkt II. verwiesen. Daraus ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung eine Anhaltung weder innerhalb der Frist zu Fall 1, noch unter die Frist zu Fall 2 zu subsumieren wäre. Die relativ späte Bescheiderlassung im Dublinasylverfahren bzw. die gänzliche Ausnutzung der rechtmäßigen Beschwerdefrist gegen die Dublinasylentscheidung haben sohin dazu geführt, dass aktuell eine Fortführung der Anhaltung des BF in Schubhaft nicht rechtskonform stattfinden kann. Es war daher unter III. im Spruch eine Fortführung der laufenden Schubhaft mangels Vorliegens der notwendigen Voraussetzungen für nicht zulässig zu erklären.

Zu Spruchpunkt IV – Kostenbegehren:

Da die beschwerdeführende Partei nicht vollständig obsiegte, steht ihr nach der im Spruch zitierten Gesetzesstelle bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Kostenersatz.

Zu Spruchpunkt V. Verfahrenshilfe:

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Das BFA-VG sieht für seinen, das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffenden Anwendungsbereich allerdings keine ausdrückliche Regelung vor, ob oder inwieweit im Rahmen der kostenlosen Rechtsberatung nach § 52 BFA-VG auch eine Befreiung von allfälligen zu entrichtenden Gerichtsgebühren oder anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren (§ 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO) möglich ist (siehe etwa auch VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004). Für Beschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 7 Abs. 1 BFA-VG sind die Bestimmungen des VwGVG anzuwenden. Da in diesen Fällen eine gesetzliche Gebührenbefreiung nicht besteht, unterliegen derartige Beschwerden der Verpflichtung zur Entrichtung der Eingabegebühr nach § 14 Tarifpost 6 Abs. 5 Z 1 lit. b GebG iVm BuLVwG- EGebV. Im vorliegenden Fall handelt es sich dabei um eine Gebühr von € 30,--.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr findet somit in § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1Z 1 lit. a ZPO grundsätzlich eine geeignete Rechtsgrundlage.

Der BF hat im Rahmen seines abgegebenen Vermögensbekenntnisses glaubwürdig seine Vermögenslosigkeit dargetan und hat das gerichtliche Verfahren durch Einblick in die Anhaltedatei ebenso kein Vermögen des BF ergeben.

Es war daher gemäß § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO dem gegenständlichen Antrag stattzugeben und die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr zu gewähren.

Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt und beurteilt werden. Die, wenn auch etwas zögerliche, Vorlage der Urkunden (Erklärung des potentiellen Unterkunftgebers, Stellungnahme der Behörde) waren geeignet das Vorbringen der Beschwerdeschrift einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen und lagen Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung danach nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist, da die Lösung in der verordnungkonformen Berechnung der zulässigen Haftfristen nach der Dublin III – VO gelegen ist.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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