TE Vwgh Erkenntnis 1981/12/9 81/03/0221

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Veröffentlicht am 09.12.1981
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Index

KFG
40/01 Verwaltungsverfahren
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

AVG §10 Abs1
AVG §10 Abs2
KFG 1967 §103 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des JS in L, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, Fadingerstraße 15, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Juli 1981, Zl. VerkR-12.954/2-1981-II/Kp, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Beamter der Bundespolizeidirektion Linz erstattete am 4. April 1981 auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung die Anzeige, der Beschwerdeführer habe am 4. April 1981 gegen 1,10 Uhr in Linz, Müller-Guttenbrunnstraße nächst der Kreuzung mit dem Angerholzweg, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt. Bei der Anhaltung seien Alkoholisierungssymptome, nämlich gerötete Bindehäute der Augen und ein leicht schwankender Gang festgestellt worden. Da der Alkotest um 1,15 Uhr nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei (der Luftbalg sei nur ein Viertel aufgeblasen gewesen), sei der Beschwerdeführer, der darum auch ersucht habe, dem Polizeiarzt zur klinischen Untersuchung vorgeführt worden. Der Beschwerdeführer habe angegeben, eine Halbe Bier und zwei Gespritzte getrunken zu haben, aber nähere Angaben verweigert. Bei der um 1,55 Uhr erfolgten klinischen Untersuchung gelangte der Polizeiarzt zu folgendem Befund: Sprache deutlich, Gang schwankend, Alkoholgeruch der Atemluft ja, Rötung der Augenbindehäute ja, Benehmen erregt und renitent, Rhombergprobe unsicher, Pupillenreaktion träge, Nystagmus grobschlächtig. In seinem Gutachten führte der Arzt aus, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit fahruntüchtig gewesen sei, verursacht durch verminderte Reaktionsfähigkeit bedingt durch Alkoholeinwirkung (unabhängig von der Höhe des Blutalkoholgehaltes) sowie durch Übermüdung und Erregung, wobei die letzteren Faktoren aber als unerheblich anzusehen seien. In einem zusätzlich angeschlossenen Befund und Gutachten verwies der Polizeiarzt darauf, daß nach der klinischen Untersuchung nochmals ein Alkotest durchgeführt worden sei, wobei eine Verfärbung bis 1 mm unter die Strichmarke eingetreten sei, allerdings der Test abermals durch den Beschwerdeführer nicht korrekt erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe selbst erklärt, sehr müde zu sein, da er seit 7 Uhr früh gearbeitet und auswärts unterwegs gewesen sei.

Bei seiner am 26. Mai 1981 erfolgten Beschuldigtenvernehmung wurden dem Beschwerdeführer Anzeige und Gutachten des Polizeiarztes vorgehalten, worauf er eine schriftliche Stellungnahme zusagte. In dieser (eingelangt bei der Bundespolizeidirektion Linz am 9. Juni 1981) führte er zusammenfassend aus, sich keiner „Alkoholisierung“ schuldig gemacht zu haben.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. Juni 1981 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 4. April 1981 um 1,10 Uhr am genannten Ort seinen Pkw 1.) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und 2.) hiebei den Zulassungsschein für das Fahrzeug nicht mitgeführt und deshalb zu 1.) eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO und zu 2.) eine solche nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG begangen. Über ihn wurden Geldstrafen, nämlich zu 1.) nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO von S 10.000,-- und zu 2.) nach § 134 Abs. 1 KFG von S 300,-- (Ersatzarreststrafen von 14 Tagen und 6 Stunden) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen hinsichtlich der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren allein bedeutsamen Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung ausgeführt, daß der Tatbestand auf Grund der dienstlichen Wahrnehmung der beiden Beamten und des Befundes und Gutachtens des Polizeiarztes erwiesen sei. Da die Prüfung der Atemluft mittels Testgerät nicht ordnungsgemäß habe durchgeführt werden können (der Beschwerdeführer habe zweimal nur schwach geblasen, sodaß sich die Blasbälge nicht ordnungsgemäß gefüllt hätten), sei es zu der klinischen Untersuchung gekommen. Nach Wiedergabe des ärztlichen Befundes wurde sodann dargelegt, der Arzt sei zu der gutächtlichen Feststellung gelangt, daß der Beschwerdeführer in einem Maße, das mindestens 0,8 %o Blutalkoholgehalt entspreche, alkoholbeeinträchtigt und zufolge der Alkoholeinwirkung im Zusammenhang mit Übermüdung alkoholbedingt wegen verminderter Reaktionsfähigkeit fahruntüchtig gewesen sei. Bei dem Arzt, der die Untersuchung vorgenommen habe, handle es sich um einen für den amtsärztlichen Dienst besonders ausgebildeten Polizeiarzt mit langjähriger Erfahrung, dem eine richtige Konstatierung der Alkoholbeeinträchtigung zuzubilligen sei.

In seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer insbesondere darauf, daß wohl dem Polizeiarzt die entsprechende Erfahrung zur richtigen Beurteilung zuzubilligen sei. Nach dem Gutachten des Polizeiarztes habe er sich aber nicht in einem Zustand, der mindestens 0,8 %o Blutalkoholgehalt entsprochen habe, befunden. Trotzdem habe der Arzt seine Fahruntüchtigkeit ausgesprochen. Es könne wohl erwartet werden, daß die dabei verwendeten Vordrucke vollständig ausgefüllt würden. Er ersuche deshalb um Wiederausfolgung der „Lenkerberechtigung“, da er sich der angelasteten Tat nicht schuldig gemacht habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Juli 1981 wurde die lediglich in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen dargelegt, daß der Amtsarzt sämtliche Befunde erhoben habe und sein Gutachten vollständig und schlüssig sei. Der Arzt habe zwar eine Aussage, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit mit Sicherheit einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,8 %o aufgewiesen habe, nicht treffen können, jedoch eine Fahruntüchtigkeit auf Grund der gegebenen Alkoholisierung (allenfalls auch bei weniger als 0,8 %o) in Verbindung mit anderen Faktoren (nämlich Übermüdung und Erregung) angenommen. Eine solche Feststellung stehe im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Beeinträchtigung durch Alkohol (ohne Rücksicht auf die Höhe des Blutalkoholgehaltes) im Sinne des § 5 Abs. 1 erster Satz StVO schon dann gegeben sei, wenn sich eine Person infolge Alkoholgenusses nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befinde, in der sie ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken zu beachtenden Vorschriften zu befolgen vermöge, mithin also fahruntüchtig sei. Dasselbe gelte auch, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht ausschließlich auf Alkoholgenuß, sondern auch auf andere Komponenten (z. B. Übermüdung und Erregung) zurückzuführen sei. Bei der gegenständlichen eindeutigen Sach- und Rechtslage komme dem Ergebnis des (zweiten) Alkotests keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Polizeiarzt habe ihn zweimal für fahruntauglich erklärt, da er eine Fahruntüchtigkeit infolge „Alkoholisierung“ und eine solche infolge „Übermüdung und Erregung“ festgestellt habe, was denkunmöglich sei, auch fehle im angefochtenen Bescheid eine klare Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer nur aus dem einen oder dem anderen Grunde fahruntauglich gewesen sei, entbehrt jeder Grundlage.

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO darf derjenige, der sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber gilt nach dieser Gesetzesstelle der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt aus dem zweiten Satz des § 5 Abs. 1 StVO keineswegs, daß eine Beeinträchtigung durch Alkohol erst bei einem Blutalkoholwert von 0,8 %o eintritt. § 5 Abs. 1 leg. cit. kommt auch zum Tragen, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht ausschließlich auf Alkoholgenuß, sondern auch auf andere Komponenten (wie z. B. die Einnahme von Medikamenten oder Ermüdungszustände) zurückzuführen ist. (Vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1980, Zl. 1292/80, auf welches wie hinsichtlich der weiteren zitierten, nichtveröffentlichten Entscheidungen unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, und die dort zitierte weitere Judikatur.) Selbst wenn die Fahruntüchtigkeit nicht allein durch die Alkoholmenge, sondern überwiegend durch solche andere Umstände verursacht wurde, ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO gegeben. Nur jene Fahruntüchtigkeit, die überhaupt nicht durch Alkohol hervorgerufen wurde, ist der Vorschrift des § 58 Abs. 1 StVO zu unterstellen. (Vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1979, Zl. 1877/79, und die dort zitierte weitere Judikatur.)

Wie dem schon in der Sachverhaltsdarstellung ausführlich wiedergegebenen Gutachten des Polizeiarztes unmißverständlich zu entnehmen ist, hat dieser den Beschwerdeführer nicht zweimal für fahruntauglich erklärt, sondern aus den verschiedenen Befunden, im Zusammenhalt mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers über seinen Alkoholkonsum und die zugegebene Übermüdung, die Schlußfolgerung gezogen, daß der Beschwerdeführer fahruntüchtig gewesen sei, wobei diese Fahruntüchtigkeit auf Alkoholeinwirkung (unabhängig von der Höhe des Blutalkoholgehaltes) sowie, dies aber in unerheblichem Ausmaß, auf Übermüdung und Erregung des Beschwerdeführers zurückzuführen sei. Dieses Gutachten hat die belangte Behörde auch der Begründung des angefochtenen Bescheides zugrunde gelegt und ausgeführt, daß der Beschwerdeführer aus den vom Polizeiarzt angeführten Gründen fahruntauglich gewesen sei.

Als unzutreffend erweist sich in diesem Zusammenhang auch die Meinung des Beschwerdeführers, der Polizeiarzt habe die erhobenen Befunde doppelt verwertet, nämlich als Symptome für eine Alkoholisierung und als solche für das Vorliegen der anderen Umstände. Mag das eine oder andere Symptom (z. B. die Rötung der Augenbindehäute) auch bei Übermüdung auftreten, ist dies jedenfalls z. B. in Ansehung eines Geruches der Atemluft nach Alkohol und insbesondere der trägen Pupillenreaktion, die ein maßgebliches Zeichen für das Vorliegen einer durch Alkoholeinwirkung hervorgerufenen Fahruntüchtigkeit ist (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1980, Zl. 1292/80), keineswegs der Fall.

Wenn auch der Arzt im Formblatt über die Untersuchung im Befundteil den Vordruck über die Reaktionsfähigkeit nicht angekreuzt hat, so hat er in seinem Gutachten eindeutig die Feststellung getroffen, daß eine Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers, verursacht durch verminderte Reaktionsfähigkeit, und zwar bedingt vor allem durch Alkoholeinwirkung, vorgelegen sei. Die Frage der mangelnden Reaktionsfähigkeit ist letztlich eine solche der Schlußfolgerung des ärztlichen Sachverständigen, wobei sich dieser, wie sein Befund zeigt, auf mehrere Alkoholisierungssymptome stützen konnte, darunter, wie bereits oben dargelegt wurde, auf die ein untrügliches Zeichen einer Fahruntüchtigkeit, bewirkt durch Alkoholbeeinträchtigung, hinweisende träge Pupillenreaktion.

Letztlich sind auch die Ausführungen, soweit sie mit der Durchführung und dem Ergebnis der zweiten Atemluftprobe in Verbindung stehen, nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen. Wie dem ergänzenden Befund und Gutachten des Polizeiarztes vom 4. April 1981 zu entnehmen ist, erfolgte diese erst nach der klinischen Untersuchung, die bereits eindeutig die Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers ergeben hatte, sodaß schon deshalb ihr Ergebnis nicht mehr von entscheidender Bedeutung sein konnte, ganz abgesehen davon, daß die Atemluftprobe als solche keinen Beweis für das tatsächliche Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Alkoholbeeinträchtigung bildet. Überdies hat der Beschwerdeführer, worauf der Polizeiarzt in seinem ergänzenden Gutachten ausdrücklich verwiesen hat, auch die zweite Atemluftprobe nicht korrekt durchgeführt, sodaß also ihr Ergebnis völlig unmaßgeblich ist; trotzdem erreichte aber die Verfärbung beinahe die Strichmarke des Röhrchens. Die Behauptung des Beschwerdeführers, der zweite Alkotest sei eindeutig negativ verlaufen und spreche deshalb gegen seine Fahruntüchtigkeit, steht daher mit der Aktenlage im Widerspruch. Der im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, daß dem Ergebnis des (zweiten) Alkotests keine entscheidungswesentliche Bedeutung beizumessen sei, kann daher nicht wirksam entgegengetreten werden.

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie die Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO in subjektiver und objektiver Richtung für gegeben erachtete.

Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 9. Dezember 1981

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Rechtsmittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1981030221.X00

Im RIS seit

25.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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