Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* W*, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft in St. Veit an der Glan, gegen die beklagten Parteien 1. P* Gesellschaft m.b.H. & Co. KG, und 2. P* Gesellschaft m.b.H., *, beide vertreten durch Mag. Konrad Burger-Scheidlin, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 37.540,33 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. August 2021, GZ 2 R 150/21b-165, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin unterzog sich im Jahr 2010 einer Schönheitsoperation, aus der sie mit ihrer Klage Arzthaftungsansprüche ableitet. Nach den Feststellungen erfolgte die Operation nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Das ausführliche Aufklärungsgespräch fand einen Tag vor der Operation statt.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die ärztliche Aufklärung hat grundsätzlich so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist offenbleibt (RIS-Justiz RS0118651). Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt sich nicht die von ihr als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehene Frage, ob die ärztliche Aufklärung hier insofern an einem Mangel litt, weil es an einer angemessenen Überlegungsfrist der Klägerin zwischen der Aufklärung und der Durchführung der Operation gefehlt haben könnte. Es steht nämlich fest, dass die Klägerin auch dann in die Operation wie sie tatsächlich durchgeführt wurde eingewilligt hätte, wenn sie früher (und/oder umfangreicher) als tatsächlich geschehen aufgeklärt worden wäre. Damit gelang den Beklagten jedenfalls der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (vgl RS0108185; RS0111528 [T5]).
[3] Soweit sich die Klägerin gegen diese Feststellung mit dem Argument wendet, es seien Regeln der Beweislastverteilung verletzt worden, so überzeugt dies nicht, weil es sich um eine positive Feststellung handelt und sich Fragen der Beweislastverteilung nur bei negativen Feststellungen stellen (vgl RS0039939 [T23, T26]). Wenn die Klägerin die Ansicht vertritt, anstelle der genannten Feststellung hätte eine negative Feststellung getroffen werden müssen, so übersieht sie, dass der Oberste Gerichtshof selbst nicht Tatsacheninstanz, sondern vielmehr an die Feststellungen der Tatsacheninstanzen gebunden ist (vgl RS0042903).
[4] Ob sogenannte „überschießende“ Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen und daher zu berücksichtigen sind, ist – abgesehen von Fällen einer krassen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz – eine nicht revisible Frage des Einzelfalls (RS0037972 [T15, T16]; RS0112213 [T2]). Eine solche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt in Bezug auf die bereits genannte Feststellung zum rechtmäßigen Alternativverhalten nicht vor. Das in der vorbereitenden Tagsatzung festgelegte Prozessprogramm sah die Klärung der Frage vor, „ob die Klägerin bei ausreichender Aufklärung in die Durchführung der klagsgegenständlichen Operation eingewilligt hätte“. Aufgrund des zuvor erstatteten widerstreitenden Vorbringens der Parteien zur Frage, wie sich die Klägerin bei gehöriger Aufklärung verhalten hätte, ging bereits das Erstgericht – jedenfalls vertretbar – von einem entsprechenden Einwand der Beklagten aus.
Textnummer
E133621European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00116.21Y.1129.000Im RIS seit
25.01.2022Zuletzt aktualisiert am
25.01.2022