Entscheidungsdatum
18.01.2022Norm
MSG NÖ 2010 §6 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Einzelrichter Dr. Becksteiner über die Beschwerde von Frau A (***, ***) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 30. November 2020, ***, betreffend grundbücherliche Sicherstellung der Frau A mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 30.01.2018 und 01.12.2019 für die Zeit vom 01.12.2017 bis 30.11.2019 gewährten Leistungen im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Gesamthöhe von € 13.742,61 zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 6 NÖ Mindestsicherungsgesetz – NÖ MSG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
Mit dem vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bekämpften Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg die grundbücherliche Sicherstellung der Kosten der Frau A mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 30.01.2018 und 01.12.2019 für die im Zeitraum 01.12.2017 bis 30.11.2019 gewährten Leistungen im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von € 13.742,61 zu Gunsten des Landes Niederösterreich als Träger der Mindestsicherung angeordnet (Liegenschaft EZ ***, Grundbuch ***).
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde mit dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführerin mehrmals zugesichert worden sei, dass es zu keinem Kostenersatzverfahren kommen werde. Verwiesen wird beispielsweise explizit auf ein Schreiben vom 13.11.2020.
Des weiteren verweist die Beschwerdeführerin auf den Umstand, dass laut Gesetzestext es sich um eine „Kannbestimmung“ handle, eine Verpflichtung zur grundbücherlichen Sicherstellung bestehe hingegen nicht. Die Beschwerdeführerin wirft die Frage auf, warum sie nicht mit anderen hilfsbedürftigen Menschen gleichgestellt sei. Weiters wird die Frage aufgeworfen, wie eine derartige Sicherstellung überhaupt zulässig sein könne, wenn sich die Verhältnisse nicht geändert hätten. Überdies würde die Hälfte der Liegenschaft den Kindern gehören und käme es durch die grundbücherliche Eintragung zu einer Wertminderung des Hauses. Dies entspreche nicht den Vorgaben von § 19 NÖ SHG. Verwiesen wird letzten Endes auf § 28 NÖ SHG und behauptet, dass kein Rechtsanspruch auf Kostenersatz bestünde.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat wie folgt erwogen:
Unbestritten hat die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg der nunmehrigen Beschwerdeführerin Leistungen im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit Bescheiden vom 30.01.2018, ***, und 01.12.2019, ***, bewilligt. Im Zeitraum vom 01.12.2017 bis 30.11.2019 wurde insgesamt ein Betrag von € 13.742,61 geleistet.
Des weiteren ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ *** des Grundbuches KG *** mit den Grundstücken *** Baufläche (10) und *** Gärten (10) mit einer Gesamtfläche von 571 m² und der Adresse *** ist.
Ebenfalls unbestritten ist der Umstand, dass die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vor Erlassung des nunmehr bekämpften Bescheides mit Schreiben vom 13. November 2020 der Beschwerdeführerin mitgeteilt hat, dass das Kostenersatz-verfahren eingestellt wurde und die nunmehrige Beschwerdeführerin daher keinen Kostenersatz leisten müsse.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat wie folgt erwogen:
Das NÖ Mindestsicherungsgesetz trat gemäß § 51 Abs. 3 NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetz mit Inkrafttreten dieses Gesetzes (und somit mit 01. Jänner 2020) außer Kraft. Nach den Übergangsbestimmungen (insbesondere § 50 Abs. 4 NÖ SAG) ist im Kostenersatz- und Rückerstattungsverfahren für Leistungen, welche für die Zeit vor dem Inkrafttreten des NÖ SAG gewährt wurden, das NÖ Mindestsicherungsgesetz, LGBl. 9205, in der Fassung LGBl. Nr. 23/2018, anzuwenden.
Nach § 6 Abs. 4 NÖ MSG ist von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen so lange abzusehen, als dieses der Deckung des notwendigen Wohnbedarfes der hilfesuchenden Person und der ihr gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten oder in Lebensgemeinschaft lebenden Personen dient. Werden Leistungen nach diesem Gesetz oder wurden Leistungen nach § 9 NÖ Sozialhilfegesetz länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate bezogen, kann allerdings eine grundbücherliche Sicherstellung der Ersatzforderung vorgenommen werden.
Gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 NÖ MSG ist die Person, der Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährt worden sind, zum Ersatz der dafür aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn und insoweit im Fall des § 6 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird.
Gemäß § 28 Abs. 1 NÖ MSG können Ersatzansprüche nach diesem Abschnitt nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Anspruch genommen wurde, mehr als 3 Jahre verstrichen sind. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB).
Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungsgerichtes handelt es sich beim verfahrensgegenständlichen Themenbereich (Umfang des Kostenersatzes, Personenkreis der Kostenersatzpflichtigen, grundbücherliche Sicherstellung von Ersatzforderungen) zumindest teilweise um in Verwaltungsvorschriften enthaltene zivilrechtliche Bestimmungen. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wesensgehalt dieser Bestimmungen und andererseits auch aus den wiederholten Verweisen auf das ABGB.
Das österreichische Zivilrecht sieht grundsätzlich die Möglichkeit eines Forderungsverzichtes vor. Im gegenständlichen Fall hat die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg mit Schreiben vom 13.11.2020, ***, der nunmehrigen Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass das Kostenersatzverfahren eingestellt wurde und sie daher keinen Kostenersatz leisten müsse. Damit wurde seitens der zuständigen Behörde ein Verzicht auf Ersatz der bis Mitte November 2020 aufgewendeten Kosten im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung abgegeben, sodass mangels Forderung auch eine grundbücherliche Sicherstellung nicht mehr möglich ist.
Daran kann auch die Bestimmung von § 28 Abs. 4 NÖ MSG nichts ändern, wonach von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen und der Verwertung eines nach § 6 Abs. 4 sichergestellten Vermögens abgesehen werden kann, wenn dadurch unverhältnismäßig hohe Kosten oder ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand vermieden wird. Das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 13. November 2020 ist jedenfalls der Beschwerdeführerin zugestellt und damit im Außenverhältnis wirksam geworden. Damit hat der Verzicht jedenfalls und unabhängig von § 28 Abs. 4 NÖ MSG Rechtswirksamkeit erlangt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Revision war zuzulassen, da zum Themenkreis rechtswirksamer Verzicht auf Kostenersatzforderungen Rechtsprechung nicht existiert.
Schlagworte
Sozialrecht; Mindestsicherung; Leistungen; grundbücherliche Sicherstellung; Rückerstattung; Forderungsverzicht;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.113.001.2021Zuletzt aktualisiert am
24.01.2022