Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
AVG §17 Abs3Spruch
W158 2135043-1/29E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Vorsitzende und die Richter Dr. Martin MORITZ und Mag. Volker NOWAK als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX AG, nunmehr: XXXX Bank AG, XXXX , vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, gegen den Vorstellungsbescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde vom 06.06.2016, GZ: XXXX , beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die FMA zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und unstrittiger, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
I.1. Mit Mandatsbescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde (im Folgenden: FMA) vom 24.11.2015 wurde der damaligen XXXX AG (im Folgenden: BF) ein Anteil an den Beiträgen für den Abwicklungsfinanzierungsmechanismus für das Jahr 2015 in Höhe von EUR 5.922.780,54 vorgeschrieben.
I.2. Die dagegen erhobene Vorstellung wies die FMA nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens mit dem im gegenständlichen Spruchkopf genannten Vorstellungsbescheid als unbegründet ab.
Neben der Berechnung des konkreten Betrags führte die FMA insbesondere aus, warum entgegen der Ansicht der BF ein Mandatsbescheid zu erlassen gewesen sei, dass das Ermittlungsverfahren rechtzeitig eingeleitet worden sei und dass aufgrund der Zeitraumbezogenheit nicht die aktuelle Fassung des BaSAG anzuwenden sei.
Die von der BF beantragte Akteneinsicht wurde von der FMA nur teilweise, nämlich in Bezug auf die von ihr gemeldeten Daten beziehungsweise in den Vorstellungsakt gewährt. Keine Einsicht gewährte die FMA der BF dagegen in die Daten der anderen Institute. Begründend führte die FMA dazu aus, der BF sei entsprechend ihren Anträgen Akteneinsicht im Vorstellungsverfahren eingeräumt worden. Entgegen ihren weiteren Anträgen sei ihr jedoch nicht auch Akteneinsicht in Ermittlungsergebnisse anderer Verfahren zu gewähren gewesen, da kein generelles Recht auf Akteneinsicht bestehe. Der BF stehe ein Recht auf Akteneinsicht nur zum Inhalt des Vorstellungsaktes zu, wozu ihr vollumfänglich Akteneinsicht gewährt worden sei. In die Verfahren anderer Institute sei keine Akteneinsicht zu gewähren. Unabhängig davon, könne auch keine Akteneinsicht gewährt werden, da damit Betriebsgeheimnisse und die Amtsverschwiegenheit verletzt werden würden. Dazu führte die FMA eine Abwägung durch und kam zum Ergebnis, dass das Interesse der anderen Institute die zum Teil nicht öffentlich zugänglichen Informationen und die Risikosituationen der Konkurrenzunternehmen, wodurch der BF eine Konkurrenzanalyse möglich wäre, geheim zu halten, höher sei, als das der BF auf Information. Soweit dies ohne Verletzung der Betriebsgeheimnisse oder der Amtsverschwiegenheit möglich sei, wären alle Informationen, die zur Nachvollziehbarkeit notwendig seien, im Bescheid offengelegt worden.
I.3. Dagegen erhob die BF am 04.07.2016 Beschwerde und beantragte, ihr sämtliche Datengrundlagen mitzuteilen, die für die rechnerische Nachvollziehung der im angefochtenen Bescheid angeführten Zahlenwerte erforderlich seien und eine angemessene Frist zur Prüfung der Berechnungen sowie zur Stellungnahme dazu einzuräumen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und auf Grundlage des unter vollständiger Wahrung des Parteiengehörs ermittelten Sachverhalts einen niedrigeren, in sachgerechter und rechtskonformer Anwendung der Kriterien nach § 126 Abs. 5 BaSAG dem tatsächlichen Risikoprofil der BF entsprechenden Beitrag zum Abwicklungsfinanzierungsmechanismus für das Jahr 2015 vorzuschreiben.
Begründend wurde auf das Wesentlichste zusammengefasst ausgeführt, es bestehe keine Grundlage für die Erlassung eines Mandatsbescheids. Zudem wurden unions- und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die anzuwendenden Regeln vorgebracht.
Zur beantragten Akteneinsicht führte die BF aus, die Berechnungsgrundlagen seien seitens der FMA nicht ausreichend transparent gemacht worden. Die Verwertung geheimer Informationen zu Lasten der BF sei aber unzulässig. Die FMA wäre daher verpflichtet gewesen, ihr Gelegenheit zu geben, von allen Ergebnissen der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen. Auch wären ihr alle Beweisquellen zugänglich zu machen, auf die sich die FMA in ihrem Bescheid stützen wolle. Das habe sie nicht getan und damit geheime Beweismittel verwertet, was nicht zulässig sei. Die Interessensabwägung sei verfehlt, da die pauschale Feststellung, es könnten womöglich Konkurrenzanalysen durchgeführt werden, nicht ausreiche, eine Geldleistung in Millionenhöhe vorzuschreiben. Mangels Akteneinsicht sei der BF nicht einmal eine oberflächliche, summarische Überprüfung der Richtigkeit der Beitragsvorschreibung möglich. Alternative Ansätze zur Herstellung eines Mindestmaßes an Transparenz, wie etwa eine auszugsweise Übermittlung in anonymisierter Form oder ein Zugänglichmachen in einem geschützten Datenraum, seien nicht einmal erwogen worden. Wären der BF die von ihr begehrten Informationen offengelegt worden, hätte sie die Richtigkeit der Berechnung überprüfen und dazu inhaltlich Stellung nehmen können. Da dies nicht erfolgt sei, sei der Bescheid aufgrund der mangelnden Transparenz rechtswidrig.
I.4. Die FMA legte die Beschwerde und die dazugehörigen Verwaltungsakten mit Schreiben vom 14.09.2016 vor und erstatte eine Stellungnahme zu den Beschwerdegründen. Darin wiederholte sie nach Darstellung des Verfahrensganges und Darlegung der Hintergründe und des Prozederes der Beitragsabrechnung zum Abwicklungsfinanzierungsmechanismus ihre Ansicht, dass die Daten der anderen Institute nicht zu veröffentlichen gewesen seien, da damit Betriebsgeheimnisse verletzt werden würden. Zudem habe die FMA die europarechtlich vorgesehene Methodik angewandt und könne die Daten nicht nach ihrem Ermessen austauschen.
I.5. Die BF äußerte sich nach Übermittlung der Stellungnahme der FMA dahingehend, dass sie nach wie vor davon ausgehe, dass der Mandatsbescheid gesetzwidrig erlassen worden und daher bereits aus diesem Grund aufzuheben sei.
Weiters führte die BF aus, es sei ihr nicht nachvollziehbar, warum es nicht möglich sein solle, die Vorschreibung derart zu gestalten, dass einerseits berechtigten Anforderungen an die Vertraulichkeit von Geschäftsinformationen Dritter in angemessenen Umfang entsprochen würden und andererseits der Inhalt des sie betreffenden Rechtsaktes nachvollziehbar sei.
Ergänzend zu den Anträgen in der Beschwerde wurde beantragt, der BF bekanntzugeben, welche Datengrundlagen für die Berechnungen herangezogen worden seien und welche Korrespondenz zwischen der FMA und dem Single Resolution Board zur Beitragsberechnung erfolgt sei. Allenfalls seien die Datengrundlagen in geschwärzter Form bekanntzugeben, wenn dies als zwingend notwendig erachtet werden sollte. Sollten einzelne der Informationen weder elektronisch noch schriftlich übermittelt werden können, werde die Gewährung von Akteneinsicht begehrt.
I.6. Die FMA replizierte darauf mit Schriftsatz vom 17.01.2017 und verwies auf ihre Ausführungen im Bescheid und in der Stellungnahme. Ergänzend wurde zu den unionsrechtlichen Bedenken Stellung genommen.
I.7. Am 20.09.2019 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung W230 (Mag. Philipp Cede) nach drei Jahren abgenommen und der nunmehr erkennenden Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
I.8. Ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerde mit Erkenntnis vom 16.11.2020, W158 2135043-1/10E (im Folgenden: Vorerkenntnis), als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurden die Bedenken der BF zur Zuständigkeit der FMA, zur Erlassung eines Mandatsbescheids, zur Zeitraumbezogenheit der angewendeten Bestimmungen sowie die unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken der BF umfassend behandelt, jedoch aus dort näher dargestellten Gründen verworfen. Der Beitrag der BF berechne sich nach dem im Erkenntnis näher dargestellten Verfahren.
Zur Akteneinsicht wurde festgehalten, dass die Ansicht der FMA, der BF seien alle Aktenbestandteile zugänglich gemacht worden, nicht zutreffe. Allerdings sei die Verweigerung der Akteneinsicht im Ergebnis berechtigt gewesen, da die Daten der anderen Institute einer unionsrechtlichen Geheimhaltungspflicht unterlägen. Da dem Bundesverwaltungsgericht aber alle entscheidenden Daten vorlägen, wäre trotzdem ein faires Verfahren gewährleistet. Auch im Beschwerdeverfahren wurde der BF daher keine weitere Akteneinsicht gewährt.
I.9. Nach Zustellung des Vorerkenntnisses beantragte die BF nochmals eine vollständige Aktenkopie und insbesondere eine Übermittlung der von der FMA zur Verfügung gestellten Unterlagen, die zur Berechnung des Betrags der BF notwendig waren, sowie die Unterlagen zur Berechnung durch das Bundesverwaltungsgericht.
I.10. In weiterer Folge wurde der BF Akteneinsicht in die nicht von der unionsrechtlichen Geheimhaltungspflicht umfassten Aktenbestandteile, insbesondere die unter I.6. genannte Stellungnahme der FMA sowie Tabellen zur Berechnung des Beitrags der BF und eine Dokumentation des Programmiercodes zur Berechnung der risikoangepassten Beiträge zum Abwicklungsfonds, gewährt.
I.11. Mit Beschluss vom 23.02.2021, E 4561/2020 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der nach der Akteneinsicht erhobenen Beschwerde ab.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass die von der BF behaupteten Rechtsverletzungen zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes seien. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen waren zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und zu Recht keine mündliche Verhandlung durchgeführt sowie das angefochtene Erkenntnis hinreichend begründet hat, nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen berührte, als die Rechtswidrigkeit einer angewendeten Verordnung behauptet wurde, ließ das Vorbringen der BF die Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte: Die Beitragsparameterverordnung widerspreche nicht § 126 Abs. 5 BaSAG iVm der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63, ABl. 2015 L 11, 44 (vgl. insbesondere Art. 20 Abs. 1 erster und zweiter Satz). Darüber hinaus bestünden auch unter dem Aspekt des Art. 18 B-VG keine Bedenken, weil die Bestimmungen der Beitragsparameterverordnung – angesichts der Zielsetzung des Abwicklungsfinanzierungsmechanismus und der verwendeten Risikoindikatoren – einer Auslegung zugänglich seien.
I.12. Mit Erkenntnis vom 06.04.2021, Ra 2021/02/0018, hob der Verwaltungsgerichtshof das Vorerkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Begründend wurde festgehalten, dass das Bundesverwaltungsgericht gegen die Verhandlungspflicht verstoßen habe, da die Frage inwiefern einer Partei Akteneinsicht zu gewähren sei, eine wesentliche Rechtsfrage sei, die nicht bloß „hochtechnischer“ Natur sei (wobei der in Anführungszeichen gesetzte Begriff nicht dem aufgehobenen Erkenntnis, sondern der Revisionsbeantwortung der FMA entstammt). Zudem habe sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht mit Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union auseinandergesetzt, welches hinsichtlich einer vergleichbaren Beitragsvorschreibung (auf europäischer Ebene) zum Schluss gekommen war, dass die Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht so extensiv ausgelegt werden könne, dass dadurch das Begründungserfordernis ausgehöhlt werden würde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang, der zugleich unstrittiger Sachverhalt ist, konnte aufgrund des unbedenklichen Akteninhalts festgestellt werden.
III. Rechtliche Beurteilung:
III.1. Zu Spruchpunkt A):
III.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Über Beschwerden gegen Bescheide der FMA entscheidet gemäß § 22 Abs. 2a FMABG das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Es ist daher ein Senat zur Entscheidung berufen.
III.1.2. Gemäß § 28 VwGVG hat das Verwaltungsgericht primär mit Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG erlaubt dem Bundesverwaltungsgericht jedoch abweichend davon, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. In einem solchen Fall ist die Behörde im fortgesetzten Verfahren an die rechtliche Beurteilung, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist, gebunden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung beziehungsweise der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird (VwGH 26.03.2021, Ra 2019/03/0128).
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach dieser Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 15.03.2021, Ra 2020/20/0376).
Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinne des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007).
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer (allenfalls) durchzuführenden Verhandlung zu vervollständigen sind (VwGH 18.05.2020, Ra 2018/11/0104). Ebenso rechtfertigt die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens die Aufhebung und Zurückverweisung nicht (VwGH 17.12.2020, Ra 2018/06/0241).
Trotz dieser damit insgesamt sehr restriktiven Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist im vorliegenden Fall die Aufhebung und Zurückverweisung gerechtfertigt:
Neben den oben angedeuteten Fragen (siehe dazu auch noch unten III.1.3.) war beziehungsweise ist im Verfahren insbesondere strittig, wieweit der BF Akteneinsicht zu gewähren ist beziehungsweise ob damit aufgrund der Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen das Begründungserfordernis ausgehöhlt würde. Zu dieser Frage hat die FMA aber überhaupt keine Ermittlungen getätigt, sondern dazu im Wesentlichen nur ausgeführt, der BF sei in den gesamten Vorstellungsakt Einsicht gewährt worden. Die Daten der anderen Institute beträfen nicht die Sache der BF und ihr könne daher keine Akteneinsicht gewährt worden. Im Übrigen könnte der BF auch aufgrund des zu schützenden Geschäftsgeheimnisses der anderen Institute keine Akteneinsicht gewährt werden.
Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht im Vorerkenntnis zwar im Ergebnis die Verweigerung der Akteneinsicht als gerechtfertigt ansah, hat es bereits dort ausgeführt, dass die Ansicht der FMA, der BF seien alle zur Ermittlung des Sachverhalts notwendigen Beweismittel offengelegt worden, nicht zutrifft, da die Daten der anderen Institute auch für den Vorstellungsbescheid maßgeblich waren (S. 23 des Vorerkenntnisses). An dieser Beurteilung hält das Bundesverwaltungsgericht auch weiterhin fest. Der von der BF erhobene Vorwurf, es seien ihr nicht alle Ergebnisse des Beweisverfahrens zur Gänze zugänglich gemacht worden, trifft daher unverändert zu.
Zur Ansicht im Vorerkenntnis, wonach die Verweigerung der Akteneinsicht in alle Daten der anderen Institute aufgrund der unionsrechtlichen Geheimhaltungspflicht der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 (im Folgenden: DelVO) gerechtfertigt wäre, wies der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf das Urteil des EuG vom 23.09.2020, T-414/17 hin, wonach das Gericht hinsichtlich einer vergleichbaren Beitragsvorschreibung (auf europäischer Ebene) zum Schluss kam, dass die Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht so extensiv ausgelegt werden könne, dass dadurch das Begründungserfordernis ausgehöhlt werden würde. Das Bundesverwaltungsgericht, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, habe es unterlassen, sich mit diesen Ausführungen auseinanderzusetzen.
Nun trifft es zwar zu, dass im Vorerkenntnis auf die vom Verwaltungsgerichtshof verwiesene Entscheidung des EuG, wie auch auf die Parallelentscheidungen (EuG jeweils vom 23.09.2020, T-414/17, XXXX /SRB, T-411/17, Landesbank Baden-Württemberg/SRB und T-420/17, Portigon/SRB) nicht eingegangen wurde. Allerdings wurde in diesen Parallelentscheidungen die Nichtigkeit primär mit wesentlichen Formfehlern beziehungsweise der fehlenden Feststellung des Beschlusses begründet (EuG jeweils vom 23.09.2020, T-414/17, XXXX /SRB, Rn 48, T-411/17, Landesbank Baden-Württemberg/SRB, Rn 55; T-420/17, Portigon/SRB, Rn 66). Die weiteren Überlegungen des Gerichts der Europäischen Union sind aber im Wesentlichen die Entscheidung nicht tragende Alternativbegründungen.
Nichtsdestotrotz ist aufgrund der Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auf diese Entscheidungen im nunmehrigen Verfahren einzugehen. Das EuG führte neben den Formmängeln, soweit von Interesse, im Wesentlichen aus, dass die Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht so extensiv ausgelegt werden kann, dass dadurch das Begründungserfordernis ausgehöhlt würde (EuG 23.09.2020, T-414/17, XXXX /SRB, Rn 82). In einem Parallelverfahren ging das EuG noch weiter und kam zur Beurteilung, dass die Methode zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 296 AEUV rechtswidrig ist, zumindest soweit es um den Teil der Methode geht, der die in dieser Delegierten Verordnung festgelegte Anpassung entsprechend dem Risikoprofil betrifft (EuG 23.09.2020, T-411/17, Landesbank Baden-Württemberg/SRB, Rn 140).
Diesen Erwägungen kann aber nicht vollinhaltlich gefolgt werden. Auch für den erkennenden Senat steht zwar außer Frage, dass Entscheidungen für die Rechtsunterworfenen verständlich und nachvollziehbar sein müssen und ihnen daher grundsätzlich zu allen verfahrensrelevanten Unterlagen Akteneinsicht zu gewähren ist. Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass § 17 Abs. 3 AVG von diesem grundsätzlichen Recht Ausnahmen vorsieht, etwa wenn dem berechtigte Interessen Dritter entgegenstehen. Das entspricht auch der Rechtsprechung. So hatte etwa der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.02.2008, Rs. C-450/06, Varec SA, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens in einem vergaberechtlichen Verfahren ebenfalls eine Abwägung zwischen dem Recht auf einem fairen Verfahren nach Art. 6 EMRK und dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die von Art. 8 EMRK geschützt werden, zu beurteilen. Er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass kein Anspruch auf unbegrenzten und uneingeschränkten Zugang zu allen relevanten Informationen besteht, sondern dieses Recht gegen das Recht anderer Wirtschaftsteilnehmer auf Schutz ihrer vertraulichen Angaben und ihrer Geschäftsgeheimnisse abzuwägen ist. Soweit insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet wird, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die nachprüfende Instanz über alle erforderlichen Informationen, vor allem auch über die vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnisse, verfügt, wird damit das Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMKR nicht verletzt und steht somit in Einklang mit den unionsrechtlichen Regelungen (vgl. Rn 51 bis 53 des genannten Urteils).
Der Gerichtshof begründet diese Erwägungen primär mit dem Schutz des lauteren Wettbewerbs. Eine uneingeschränkte Einsicht in alle (auch vertraulichen) Informationen könnte insofern die legitimen geschäftlichen Interessen einzelner öffentlicher oder privater Unternehmen berühren oder den lauteren Wettbewerb beeinträchtigen. Die Wahrung eines lauteren Wettbewerbs und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann zur Wahrung der Grundrechte eines Dritten oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich machen, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten (Rn 34, 38, 47, 50 mN aus der Rechtsprechung des EGMR).
Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass es unter gewissen Umständen zulässig ist, Aktenteile von der Einsicht auszunehmen und sie der Entscheidung trotzdem zugrunde zu legen (vgl. dazu sowie zum Folgenden: VfGH 10.10.2019, E 1025/2018). Nach den dortigen Erwägungen bedeutet der Umstand, dass einzelne Aktenbestandteile nach § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen werden, noch nicht zwingend, dass damit eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG einhergeht, wenn die Behörde die entsprechenden Aktenbestandteile dennoch heranzieht. Zwar stelle es den Grundsatz jedes rechtsstaatlich geordneten behördlichen Verfahrens dar, dass es keine geheimen Beweismittel geben darf, in bestimmten, außergewöhnlichen Fällen kann es aber zur Wahrung der Grundrechte eines Dritten beziehungsweise anderer Verfahrensbeteiligter oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich sein, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten, solange sichergestellt ist, dass sowohl die Behörde als auch das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht über alle entscheidungserheblichen Unterlagen vollumfänglich verfügen. Demnach muss der Schutz von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen so ausgestaltet sein, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verfahrensrechte der am Verfahren Beteiligten vereinbar ist und insgesamt eine Beachtung des Rechts auf ein faires Verfahren sichergestellt ist, wozu die den Parteien vorgehaltenen Informationen auf das unbedingt notwendige Ausmaß zu beschränken sind. Es besteht aber kein absoluter Vorrang verfahrensrechtlicher Gewährleistungen gegenüber Geheimhaltungsinteressen. Der Verfassungsgerichtshof hat auch explizit darauf hingewiesen, dass eine Abwägung auf Grundlage von § 17 Abs. 3 und § 45 Abs. 3 AVG nur mangels diesbezüglicher spezieller Regelung vorzunehmen ist (ähnlich auch VfGH 23.06.2020, E 706/2020).
In eine ähnliche Richtung geht auch die Argumentation des Generalanwalts in seinem Schlussantrag in den verbundenen Rechtssachen C-584/20 und C-621/20, denen die Rechtsmittel der Kommission und des Einheitlichen Abwicklungsausschusses gegen die Entscheidung des EuG vom 23.09.2020, T-411/17, Landesbank Baden-Württemberg/SRB zugrunde liegen. Auch der Generalanwalt hält dort fest, dass sich in gewissen Bereichen des Unionsrechts zeigt, dass die Unionsgerichte Beschränkungen der Begründungspflicht anerkannt haben, die ihren Grund im Geschäftsgeheimnis (Wettbewerbsrecht, staatliche Beihilfen und öffentliche Aufträge), in der Komplexität der Materie (Antidumpingmaßnahmen), in der Belastung der Entscheidungsbehörde (öffentlicher Dienst), oder in der Notwendigkeit, durch die abschreckende Wirkung von Geldbußen in Wettbewerbssachen auf das Verhalten von Unternehmen einzuwirken, sowie in zwingenden Erwägungen im Hinblick auf die Sicherheit der Union oder ihrer Mitgliedstaaten (Kampf gegen den Terrorismus) haben (Rn 144). Der Generalanawalt gelangt dann abschließend zum Ergebnis, dass das Gleichgewicht zwischen der Begründungspflicht und dem Geschäftsgeheimnis bei gleichbleibender Gesetzgebung gewahrt werden kann, sofern folgende Daten offengelegt werden:
? Höhe der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute;
? Höhe der aggregierten Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel) aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute;
? Gesamtbetrag der entsprechend dem Risikoprofil angepassten jährlichen Beiträge und
? Spannen, die den einzelnen Klassen von Risikoindikatoren entsprechen (Rn 156).
Nach Ansicht des Generalanwalts hat das Gericht der Europäischen Union aber mit seiner Feststellung, dass bestimmte Vorschriften dieser Delegierten Verordnung, mit denen die Berechnungsmethode im Einzelnen festgelegt werde, rechtswidrig seien, einen Rechtsfehler begangen (Rn 163). Das Beitragssystem der DelVO ist damit nach Ansicht des Generalanwalts nicht rechtswidrig.
Diesen Ausführungen des Generalanwalts ist auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 15.07.2021, C-584/20 im Wesentlichen gefolgt. Dort hält der Gerichtshof zunächst fest, dass die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, angepasst sein muss. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob eine Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet und insbesondere anhand des Interesses, das die Adressaten des Rechtsakts an Erläuterungen haben können. Ein beschwerender Rechtsakt ist folglich hinreichend begründet, wenn er in einem Kontext ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen. Es kann aber aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht abgeleitet werden, dass die Begründung jeder Entscheidung eines Organs, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union, mit der einem privaten Wirtschaftsteilnehmer die Zahlung eines Geldbetrags auferlegt wird, zwingend sämtliche Elemente enthalten muss, die es ihrem Adressaten ermöglichen, die Richtigkeit der Berechnung der Höhe dieses Geldbetrags zu überprüfen (Rn 104f).
Weiter führt der Gerichtshof dann aus, dass nach dem Grundsatz des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union grundsätzlich verpflichtet, den Wettbewerbern eines privaten Wirtschaftsteilnehmers von diesem erteilte vertrauliche Informationen nicht preiszugeben. Eine Einschränkung der Begründung in gewissem Maß ist daher rechtmäßig (Rn 109f). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung, die der Gerichtshof auch im konkreten Fall für anwendbar sieht, hält er dann weiter fest, dass sich bereits aufgrund der unionsrechtlich vorgegebenen Berechnungsmethode ergibt, dass Teile der Daten der anderen Institute nicht in die Begründung aufgenommen werden können, da andernfalls das Geschäftsgeheimnis der anderen Institute verletzt würde (Rn 113f).
Die Begründungspflicht ist nach dem Gerichtshof dann erfüllt, wenn den Adressaten eines Beschlusses, mit dem im Voraus erhobene Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds festgesetzt werden, zwar keine unter das Geschäftsgeheimnis fallenden Daten übermittelt werden, sie aber über die vom Einheitlichen Abwicklungsausschuss angewandte Berechnungsmethode und über ausreichende Informationen verfügen, um im Wesentlichen nachzuvollziehen, auf welche Weise ihre individuelle Situation bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags zum Einheitlichen Abwicklungsfonds in Anbetracht der Situation aller anderen betroffenen Institute berücksichtigt wurde (Rn 122).
Dem betroffenen Institut können nach den weiteren Erwägungen des Gerichtshofs ohne gegen die Pflicht zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses zu verstoßen, die Grenzwerte jeder „Klasse“ und die sich darauf beziehenden Indikatoren weitergeben werden. Die anderen Schritte der Methode zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds, die auf aggregierten Daten der betroffenen Institute beruhen, können in allgemeiner Form weitergegeben werden, ohne dass dadurch die Pflicht zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses verletzt würde. Die DelVo steht daher in keiner Weise der Möglichkeit entgegen, in allgemeiner und anonymisierter Form ausreichende Informationen offenzulegen, um es einem Institut zu ermöglichen, nachzuvollziehen, auf welche Weise seine individuelle Situation bei der Berechnung seines im Voraus erhobenen Beitrags zum Einheitlichen Abwicklungsfonds in Anbetracht der Situation aller anderen betroffenen Institute berücksichtigt wurde (Rn 137-139). Das Beitragssystem der DelVO ist damit auch nach dem Europäischen Gerichtshof nicht rechtswidrig (Rn 142).
Diesen Ausführungen des Generalanwalts und des Europäischen Gerichtshofs schließt sich das Bundesverwaltungsgericht – auch vor dem Hintergrund der oben zusammengefasst wiedergegebenen Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs – vollinhaltlich an. Durch die Einsicht in die oben genannten Daten der anderen Institute, wobei sich die Zahlen im gegenständlichen Verfahren nicht auf die aller Mitgliedsstaaten, sondern nur auf die der im Bundesgebiet zugelassenen Institute beziehen, beziehungsweise Übermittlung der Daten, die auf aggregierten Daten der betroffenen Institute beruhen, in allgemeiner Form kann einerseits deren Geschäftsgeheimnis geschützt werden und andererseits ist das Ergebnis der Berechnungen für die BF damit ausreichend nachvollziehbar. Es obliegt damit der FMA die zur Berechnung des Beitrags verwendeten Informationen zu den betreffenden Instituten in allgemeiner und anonymisierter Form an die BF zu übermitteln, soweit diese Informationen ohne Beeinträchtigung des Geschäftsgeheimnisses mitgeteilt werden können. Zu den Informationen, die zur Verfügung zu stellen sind, damit diese über eine hinreichende Begründung verfügt, gehören unter anderem die Grenzwerte jeder „Klasse“ und der sich darauf beziehenden Indikatoren, auf deren Grundlage der im Voraus erhobene Beitrag dem Risikoprofil der BF angepasst wurde (EuGH 15.07.2021, C-584/20 Rn 166f).
Der BF ist daher im fortgesetzten Verfahren zumindest teilweise Akteneinsicht zu gewähren. Ihr muss dann auch die Möglichkeit gegeben werden, Stellung dazu zu nehmen. Nach Lage des Falls ist davon auszugehen, dass aufgrund der Stellungnahme der BF weitere Ermittlungen zu tätigen sind. Dies ist im bisherigen erstinstanzlichen Verfahren nicht geschehen.
Die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht liegt aber vor allem nicht im Interesse der Raschheit oder wäre mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, weswegen auch § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG einer Aufhebung und Zurückverweisung nicht entgegensteht. Vielmehr ergibt sich im fortgesetzten Verfahren ein umfangreicher Ermittlungsbedarf, der in seiner Dimension einer Neudurchführung des Ermittlungsverfahrens gleichkommt, zumal die Akteneinsicht wie auch die sich daraus möglicherweise ergebenden notwendigen Berechnungen besonders umfangreich sind. Vor diesem Hintergrund ist aufgrund des besonders umfangreichen Verfahrensgegenstandes im vorliegenden Fall anzunehmen, dass die belangte Behörde mit ihren fachkundigen Mitgliedern rascher als das erkennende Gericht zu einer reformatorischen Entscheidung gelangen wird. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG liegen damit vor.
Das Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG steht auch nicht im Gegensatz zu der Bindungswirkung eines vorher ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nach § 63 Abs. 1 VwGG (VwGH 24.08.2020, Ra 2020/03/0066). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Eine Verhandlung kann aufgrund von § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
III.1.3. Ergänzend ist – mangels Befassung des Verwaltungsgerichtshofs mit diesen Fragen – mit Blick auf § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht unverändert daran festhält, dass die FMA berechtigt war, einen Mandatsbescheid zu erlassen. Der Bescheid ist daher nicht aus diesem Grund als rechtswidrig aufzuheben. Der BF gelang es während des gesamten Verfahrens nämlich nicht aufzuzeigen, dass der FMA bei der Bemessung des Beitrags irgendein Ermessensspielraum zugekommen wäre.
Soweit die Beschwerde dazu auf den Erwägungsgrund 23 der DelVO verweist, wurde bereits im Vorerkenntnis ausgeführt, dass sich daraus kein Ermessen der FMA ergibt. Vielmehr ist dieser erwähnte Erwägungsgrund 23 in Verbindung mit dem 25. Erwägungsgrund und Art. 9 Abs. 3 DelVO zu lesen, die auf den Risikoanpassungsmultiplikator und dessen Größe zwischen 0,8 und 1,5 Bezug nehmen. Für die Berechnung des Risikoanpassungsmultiplikators regelt Art. 9 Abs. 1 DelVO jedoch, dass dieser nach den in Art. 6 DelVO genannten Risikoindikatoren entsprechend der in Anhang I enthaltenen Formel bestimmt wird und mit den dort beschriebenen Verfahren miteinander kombiniert werden. Ein Ermessensspielraum steht der FMA daher nach dem Wortlaut der DelVO gerade nicht zu.
Im Verfahren vor den Höchstgerichten verweist die BF weiters auf Art. 6 Abs. 1 lit d und Abs. 5 DelVO, wonach die Abwicklungsbehörde das Risikoprofil anhand zusätzlicher von ihr bestimmter Risikoindikatoren bewertet. Auch diese sind aber nach Art. 6 Abs. 5 DelVO beziehungsweise im konkreten Fall auch durch § 3 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 BeiPaV im Vorhinein durch Gesetz beziehungsweise Verordnung festgelegt. Ein Ermessensspielraum kommt der FMA daher auch insofern nicht zu. Auch die Umgruppierung nach Anhang 1 Schritt 2 Z 3 DelVO, auf die die BF zu einem der FMA angeblich zukommenden Ermessen verweist, sieht gerade kein Ermessen der FMA vor, sondern gibt einen festen Maßstab zur Umgruppierung vor (arg: „Kann die Anzahl der Institute nicht glatt durch die Anzahl der Klassen dividiert werden, wird jeder der ersten Klassen, beginnend mit der Klasse der Institute mit den niedrigsten Rohindikatorwerten, ein weiteres Institut zugeordnet; dabei ist r der Rest nach Division der Anzahl der Institute, N, durch die Anzahl der Klassen, kij .“). Genauso verhält es sich bei Anhang 1 Schritt 3 DelVO. Auch dort wird mittels einer gesetzlich festgelegten Formel die Zuweisung des Werts gesetzlich geregelt.
Letztlich verweist auch das Gericht der Europäischen Union – wenn auch in einem etwas anderen Zusammenhang – darauf, dass der Abwicklungsbehörde kein Ermessen zukommt (siehe nur EuG 23.09.2020, T-414/17, XXXX /SRB, Rn 93). Die Voraussetzungen des § 57 AVG waren daher gegeben: Es handelt sich bei der Berechnungsmethodik der DelVO zwar um eine umfangsreiche, dennoch steht diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften fest und der Behörde kommt dabei kein Ermessensspielraum zu.
Entgegen der Ansicht der BF ist die FMA aufgrund des remonstrativen Charakters der Vorstellung auch nach wie vor zuständig. Die Zuständigkeit beruht aber nicht mehr auf den Bestimmungen des BaSAG, sondern auf § 57 AVG. Im Vorstellungsverfahren bleibt die Behörde nämlich auch dann für das weitere Verfahren betreffend die Entscheidung über die Vorstellung zuständig, wenn sich – wie die BF behauptet – in der Zwischenzeit die zuständigkeitsbegründenden Umstände geändert haben (VwGH 20.06.2012, 2009/03/0071; Hengstschläger/Leeb, AVG § 57, Rz 46). Auch mit diesem Vorbringen zeigt die BF damit keine Rechtswidrigkeit auf, die zu einer Behebung des Bescheids führen müsste.
Gleichfalls unberechtigt sind die Ausführungen der BF im Beschwerdeverfahren, dass die FMA nicht mehr anwendbare Gesetzesbestimmungen anwende. Wie nämlich bereits im Vorerkenntnis umfassend dargelegt, ist von einer Zeitraumbezogenheit der von der FMA angewandten Rechtsvorschriften auszugehen, wie sich einerseits bereits daraus ergibt, dass das Verfahren eine von der BF zu erbringende Leistung für einen bestimmten Zeitraum, nämlich für das Jahr 2015, zum Gegenstand hat. In solchen Fällen wird aber in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stets von einer Zeitraumbezogenheit ausgegangen. Andererseits ergibt sich das aber auch aus den Bestimmungen der §§ 123a Abs. 4, 126 Abs. 6 BaSAG. Insbesondere § 123a Abs. 4 BaSAG legt selbst fest, dass für die Beiträge 2015 nicht die Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt anzuwenden ist. Auch im fortgesetzten Verfahren wird die FMA aufgrund der Zeitraumbezogenheit der §§ 123, 125, 126 BaSAG idF BGBl. I Nr. 127/2015 diese Bestimmungen in Verbindung mit der BeiPaV zur Berechnung des Beitrags anzuwenden haben.
Ebenfalls nicht beigetreten werden kann nach wie vor den verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken der BF. Der Bescheid ist daher auch aus diesem Grund nicht aufzuheben und kein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof oder beim Europäischen Gerichtshof zu initiieren. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken der BF kann im gegebenen Zusammenhang – neben den Ausführungen im Vorerkenntnis – auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs im konkreten Fall verwiesen werden (VfGH 23.02.2021, E 4561/2020). Auch der Verfassungsgerichtshof hat die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt und insbesondere die BeiPaV nicht als gesetzwidrig angesehen.
Auch die Neuskalierung einzelner Risikofelder beziehungsweise Risikoindikatoren und die Nichtanwendung von Art. 7 Abs. 4 letzter Satz sind unionsrechtlich unbedenklich: Bereits aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 DelVO ergibt sich, dass bei Fehlen eines Risikoindikators dieser nur innerhalb des Risikofeldes neu skaliert wird und nicht innerhalb des gesamten Risikoprofils. Art. 20 Abs. 1 DelVO spricht nämlich nur von Risikoindikatoren und gerade nicht von Risikofeldern. Auch wenn zwar dem Wortlaut nach pauschal auf Art. 7 DelVO verwiesen wird, kann Art. 20 Abs. 1 DelVO nicht auf Art. 7 Abs. 1 DelVO verweisen, da dort nur die Gewichtung von Risikofeldern, nicht jedoch jene von Risikoindikatoren geregelt wird.
Eine – wie von der BF gefordert – bei Fehlen eines Risikoindikators Neugewichtung aller übrigen Risikoindikatoren unabhängig vom Risikofeld widerspräche dem Zweck der DelVO. Art. 20 Abs. 1 DelVO lässt nämlich die Gewichtung des Art. 7 Abs. 1 DelVO, also der Risikofelder, grundsätzlich unberührt, um das damit festgelegte angemessene und faire Gleichgewicht (siehe Erwägungsgrund 14) nicht zu beeinträchtigen. Dieses in Art. 7 Abs. 1 DelVO angelegte Gleichgewicht, wird durch die Bestimmung des relativen Gewichts der einzelnen Risikoindikatoren innerhalb der Risikofelder weiter spezifiziert, um dadurch zu gewährleisten, dass die einzelnen Institute nur ihrem Risikoprofil entsprechende Beiträge zu leisten haben. Würde man nun aber der Ansicht der BF folgen und bei Fehlen eines einzelnen Indikators alle übrigen Indikatoren unabhängig vom Risikofeld neu skalieren, wäre das in Art. 7 Abs. 1 DelVO vorgesehene Gleichgewicht nicht mehr gewährleistet. Vorrangig für die Bestimmung des Risikoprofils der einzelnen Institute ist nach Art. 7 DelVO, wie sich aus seinem Aufbau ergibt, nämlich das Verhältnis der einzelnen Risikofelder zueinander. Innerhalb der Risikofelder soll nach der Konzeption des Art. 7 DelVO ein jeweils eigenständiges Gleichgewicht mehrerer Risikoindikatoren das von der DelVO angestrebte Gleichgewicht schaffen. Würden nun aber bei Fehlen eines Risikoindikators auch die Risikoindikatoren der anderen Risikofelder, die davon nicht betroffen sind, neu skaliert werden, würde dadurch das von der DelVO vorgesehene Gleichgewicht innerhalb des Risikoprofils verändert werden, was offensichtlich der Intention der DelVO widerspricht.
Ebenfalls unionsrechtlich unbedenklich ist entgegen der Ansicht der BF die Nichtanwendung des Art. 7 Abs. 4 letzter Satz DelVO. Der FMA lagen nämlich hinsichtlich der in Art. 7 Abs. 4 lit a DelVO genannten Kriterien Komplexität und Abwicklungsfähigkeit keine Daten vor. Auch wenn diese Daten zwar nicht in Anhang II zur DelVO genannt sind, konnte die FMA in sinngemäßer Anwendung des Art. 20 Abs. 1 DelVO Art. 7 Abs. 4 letzter Satz DelVO unangewendet lassen, da sie andernfalls das in der DelVO vorgesehene Gleichgewicht unzulässig verändert hätte. Diese Rechtsauffassung wird daher auch die FMA ihrem Bescheid im fortgesetzten Verfahren zugrunde zu legen haben.
III.2. Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Frage der Zulässigkeit einer Aufhebung und Zurückverweisung besteht eine einheitliche ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (siehe die Zitate oben sowie weiters etwa VwGH 08.03.2021, Ra 2020/01/0278). Von dieser weicht die gegenständliche Entscheidung nicht ab. Zu den Fragen im Zusammenhang mit der DelVO beziehungsweise der BeiPaV liegt zwar, soweit ersichtlich, noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vor, allerdings stellt sich die Gesetzeslage zu dieser Frage – auch vor dem Hintergrund der Ausführungen im Verfahren vor den Unionsgerichten – als klar und eindeutig dar, sodass trotz fehlender Judikatur die Revision nicht zuzulassen war.
Schlagworte
Abwicklung Akteneinsicht Begründungspflicht Behebung der Entscheidung Beitragszahlungen Berechnung Ermittlungspflicht Ersatzentscheidung faires Verfahren Finanzmarktaufsicht Geschäftsgeheimnis Kassation Mandatsbescheid mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung Verhandlungspflicht Vorschreibung Vorstellungsbescheid ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2135043.1.00Im RIS seit
24.01.2022Zuletzt aktualisiert am
24.01.2022