Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 19. Oktober 1995, Zl. 412.559/3-2.7/95, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des am 21. Dezember 1962 geborenen Beschwerdeführers vom 29. Mai 1995 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) abgewiesen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 28. Dezember 1981 gemäß § 37 Abs. 2 lit. a Wehrgesetz 1978 von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes wegen seines Dienstverhältnisses mit den Österreichischen Bundesbahnen aus öffentlichen Interessen von Amts wegen befreit gewesen. Nach seinem freiwilligen Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis (Kündigung im Februar 1990) habe der Beschwerdeführer eine Tabaktrafik übernommen, wobei er seit 1. Juli 1990 im Besitz der Lizenz sei. Mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 8. Mai 1995 sei festgestellt worden, daß der Befreiungsbescheid vom 28. Dezember 1981 seine Wirksamkeit verloren habe, weil die für die Befreiung vom Grundwehrdienst maßgeblichen Voraussetzungen infolge Lösung des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers mit den Österreichischen Bundesbahnen weggefallen seien. Die belangte Behörde anerkannte im angefochtenen Bescheid wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Führung der Tabaktrafik, doch sei deren besondere Rücksichtswürdigkeit im Hinblick auf die Aufnahme des Betriebes im Jahre 1990 und damit auf die Verletzung der Harmonisierungspflicht zu verneinen. Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen seien mangels Gefährdung lebenswichtiger Interessen der Familienangehörigen des Beschwerdeführers nicht gegeben.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG 1990 können taugliche Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.v.a. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1995, Zl. 94/11/0332) hat ein Wehrpflichtiger die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so vorzunehmen, daß für den Fall seiner Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden. Den Wehrpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen einer Verletzung der Harmonisierungspflicht bejaht. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen gewesen, für die Zeit nach Wegfall der Grundlage für seine Befreiung aus öffentlichen Interessen durch Ausscheiden aus der Verwendung bei den Österreichischen Bundesbahnen Vorsorge für seine zu erwartende Einberufung zu treffen, sei es durch Einsatz einer Vertretung in der Trafik während seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit oder - unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers, daß seine Vertretung in der Trafik nicht möglich sei - dadurch, daß er sich um die Ableistung des Präsenzdienstes vor dem Erwerb der Trafik bemühte. Eine Verletzung der Harmonisierungspflicht wäre nur dann nicht vorgelegen, wenn der Beschwerdeführer trotz rechtzeitiger Mitteilung des Wegfalles der seinerzeitigen Befreiungsgründe nicht innerhalb angemessen kurzer Zeit zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen worden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, 94/11/0410).
Der Beschwerdeführer bringt vor, eine Verletzung der Harmonisierungspflicht sei ihm nicht vorzuwerfen, da er im Mai/Juni 1990 eine Rückfrage bei der Ergänzungsabteilung des Militärkommandos getätigt habe, wobei er die Auskunft erhalten habe, er sei nach wie vor vom Wehrdienst befreit. Da der Beschwerdeführer die ordnungsgemäße Übermittlung der Nachricht von seinem Ausscheiden aus den Diensten der Österreichischen Bundesbahnen gemäß § 36a Abs. 4 WG 1990 durch seinen Dienstgeber vorausgesetzt habe, sei er daraufhin der Ansicht gewesen, daß die seinerzeit erteilte Befreiung fortgesetzt wirksam sei und er den Wehrdienst aufgrund der einmal festgestellten Zugehörigkeit zu den Österreichischen Bundesbahnen nun nicht mehr ableisten müsse.
Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Der Umstand, daß der Dienstgeber zum damaligen Zeitpunkt den Bundesminister für Landesverteidigung vom bevorstehenden Ausscheiden des Beschwerdeführers (nach der Aktenlage kündigte der Beschwerdeführer im Februar 1990 zum 31. August 1990) noch nicht verständigt hatte, ist irrelevant, da aus einer Verzögerung der Meldung gemäß § 36a Abs. 4 WG 1990 durch den Dienstgeber dem wehrpflichtigen Dienstnehmer kein subjektives Recht erwächst, nicht bzw. noch nicht oder nicht mehr zum Präsenzdienst einberufen zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, 95/11/0097, u.a.). Der Beschwerdeführer wußte, daß seine frühere Befreiung aus öffentlichen Interessen erfolgt war, und es mußte ihm klar sein, daß ein Wegfall dieser öffentlichen Interessen durch das Ende seiner Tätigkeit bei den Österreichischen Bundesbahnen nicht ohne Auswirkungen auf seine Befreiung sein konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, 92/11/0199). Die Behauptung, daß ihm eine gegenteilige Auskunft seitens der Behörde erteilt worden wäre, hat der Beschwerdeführer nicht konkretisiert, sodaß es ihm nicht gelungen ist, die Wesentlichkeit eines allfälligen Begründungsmangels des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Verletzt der Wehrpflichtige die Harmonisierungspflicht, können wirtschaftliche Interessen auch dann nicht als besonders rücksichtswürdig anerkannt werden, wenn als Folge der Leistung des Präsenzdienstes mit einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Wehrpflichtigen gerechnet werden muß, da andernfalls der Wehrpflichtige durch entsprechende Dispositionen die Erfüllung der Wehrpflicht vereiteln könnte (siehe dazu das Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, 95/11/0353).
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, daß der Erlassung des angefochtenen Bescheides jener Bescheid vom 29. Juni 1995, mit dem der Einberufungsbefehl zum Termin Juli 1995 behoben wurde, entgegenstünde und daß mit jenem Bescheid dem Antrag des Beschwerdeführers vollkommen entsprochen worden sei, so ist ihm zu erwidern, daß die Rechtskraftwirkung des Bescheides vom 29. Juni 1995 darauf beschränkt ist, die Einberufung für den EINEN im Einberufungsbefehl genannten TERMIN rückgängig zu machen. Dieser Bescheid steht aber weder der Erlassung eines weiteren Einberufungsbefehles zu einem anderen Termin noch der Entscheidung über einen Antrag auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht entgegen. Solange die Befreiung (oder Aufschub) von der Verpflichtung zur Ableistung des Präsenzdienstes nicht gewährt wurde, ist die Erlassung von Einberufungsbefehlen zulässig.
Als Verfahrensfehler macht der Beschwerdeführer geltend, die Behörde habe Erhebungen über den "tatsächlichen Bedarf" seiner beiden minderjährigen Kinder und über die "Unterstützungsbedürfnisse" der Kinder und deren Mutter unterlassen. Diese Verfahrensrüge ist schon deshalb nicht begründet, da der Beschwerdeführer hiezu konkretes Vorbringen nicht erstattet hat. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso die Mutter, welche mit den Kindern vom Beschwerdeführer getrennt lebt, und allenfalls deren Verwandte nicht in der Lage sein sollten, die Kinder ordnungsgemäß zu pflegen und erziehen, sodaß die Ableistung des Präsenzdienstes durch den Beschwerdeführer die Kinder in ihrer Gesundheit und lebenswichtigen Belangen gefährden würde. Nur darin könnte eine besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen erblickt werden. Darin, daß WÄHREND des Präsenzdienstes der Wehrpflichtige allenfalls keine Unterhaltszahlungen leisten kann, ist ein Befreiungsgrund nicht gelegen, weil die finanzielle Versorgung der unterhaltsberechtigten Familienmitglieder entsprechend den Bestimmungen des Heeresgebührengesetzes 1992 gewährleistet wird.
Wollte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend verstanden wissen, daß die wirtschaftliche Absicherung der Kinder NACH der Ableistung des Präsenzdienstes durch den allfälligen Verlust der Trafik als Existenzgrundlage gefährdet sei, so ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich hiebei um wirtschaftliche Interessen aus der Sicht der Angehörigen handelt, die als Folge der vorangegangenen Verletzung der Harmonisierungspflicht durch den Wehrpflichtigen nicht besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG 1990 sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, 93/11/0042).
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch an Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995110400.X00Im RIS seit
20.11.2000