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43/01 Wehrrecht allgemein;Norm
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 24. August 1995, Zl. 724.638/16-2.7/95, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 5. März 1964 geborene Beschwerdeführer war mit Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 8. Juni 1983 gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes aus besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen wegen Unentbehrlichkeit als Arbeitskraft im "elterlichen" (im Eigentum des Stiefvaters und der Mutter des Beschwerdeführers stehenden) Landwirtschaftsbetrieb befreit worden. Mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 16. Dezember 1993 wurde festgestellt, daß der genannte Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 8. Juni 1983 seine Wirksamkeit verloren habe. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit dessen Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0059, als unbegründet abgewiesen.
Mit dem nun angefochtenen im Devolutionswege ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. August 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Februar 1994 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen ordentlichen Präsenzdienstes abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung BGBl. Nr. 690/1992 (WG) sind Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Präsenzdienstpflicht zu befreien, wenn und solange dies besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Die belangte Behörde ging davon aus, der Stiefvater des Beschwerdeführers (geboren 1922) und die Mutter des Beschwerdeführers (geboren 1937) seien Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes in K, der Betrieb umfasse 10,52 ha, wovon 8,52 ha landwirtschaftlich und 2 ha forstwirtschaftlich genutzt würden. Der Betrieb liege in der Erschwerniszone I. Der Viehstand betrage neun Kühe und fünf Jungrinder, das Milchkontingent ca. 23.000 kg. Der Beschwerdeführer sei im Besitz eines Führerscheines der Gruppen A und F und seit Abschluß seiner Schulausbildung im Jahr 1978 am elterlichen Hof beschäftigt. Der Beschwerdeführer lebe im gemeinsamen Haushalt mit seinem Stiefvater, seiner Mutter und seinen Schwestern, geboren 1970 und 1971, welche beide als Landarbeiterinnen im elterlichen Betrieb beschäftigt und bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern versichert seien. Eine weitere Schwester (geboren 1972) sei Hotelassistentin in S und wohne in einer Entfernung vom elterlichen Landwirtschaftsbetrieb von ca. 25 km. Aufgrund eines fachärztlichen Befundes sei davon auszugehen, daß beim Stiefvater des Beschwerdeführers eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 100 % und bei der Mutter eine solche von 80 % gegeben sei. Beide bezögen eine Pension der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Ausgehend von diesem Sachverhalt gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß beim Beschwerdeführer keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen im Sinne des Wehrgesetzes gegeben seien, weil die Eltern des Beschwerdeführers Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes seien, daher nur bei ihnen wirtschaftliche Interessen gegeben seien, nicht jedoch auf Seiten des Beschwerdeführers. Soweit der Beschwerdeführer familiäre Interessen geltend mache, treffe ihn in Ansehung seines Stiefvaters wohl eine moralische Verpflichtung zur Unterstützung, nicht jedoch eine rechtliche, auch sei der Mutter des Beschwerdeführers eine Unterstützung des Stiefvaters zumutbar. Was das Unterstützungsbedürfnis der Mutter des Beschwerdeführers anlange, sei zu berücksichtigen, daß sämtliche Familienmitglieder zur Unterstützung verpflichtet seien, so insbesondere auch die beiden Schwestern des Beschwerdeführers, die im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb als ausgebildete Landarbeiterinnen beschäftigt seien, sich um den Landwirtschaftsbetrieb während der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers, allenfalls unter fachlicher Anweisung der Eltern, kümmern könnten und zur Unterstützung der Mutter in der Lage seien. In diesem Zusammenhang sei es ihnen auch zuzumuten, die für die Bedienung der landwirtschaftlichen Geräte notwendigen Prüfungen abzulegen. Es seien daher auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Interessen nicht besonders rücksichtswürdig im Sinne des Wehrgesetzes.
Insoweit der Beschwerdeführer dem entgegenhält, daß er auch ein eigenes besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse an der Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes als Pächter des landwirtschaftlichen Betriebes habe und auf den vorgelegten Pachtvertrag hinweist, ist ihm zu entgegnen, daß dieser Pachtvertrag befristet, und zwar für die Dauer von zwei Jahren ab 1. Jänner 1993 abgeschlossen und vereinbart war, daß die Pachtgrundstücke in dem dem Ende der Pachtzeit entsprechenden Kultur- und Wirtschaftszustand wieder zurückzustellen seien. Mit Recht hat daher die belangte Behörde das behauptete eigene wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an der Befreiung von der Präsenzdienstpflicht verneint, weil nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Pachtvertrag beendet war und der Beschwerdeführer sich nicht darauf gestützt hatte, daß der Pachtvertrag erneuert oder verlängert worden war.
Es verbleibt daher, das vom Beschwerdeführer behauptete familiäre Interesse an der Befreiung von der Präsenzdienstpflicht zu prüfen: Was zunächst den Einwand des Beschwerdeführers anlangt, die belangte Behörde habe es unterlassen, "Feststellungen über den Pflegebedarf, der zusätzlich durch die hochbetagte Großmutter gegeben" sei, zu treffen, ist ihm zu entgegnen, daß er diesbezüglich weder in seinem Antrag vom 28. Februar 1994 noch im Devolutionsantrag vom 3. Jänner 1995 konkrete Behauptungen aufgestellt hat. Im übrigen ergab sich aufgrund der Ermittlungen der belangten Behörde, daß im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer nur sein Stiefvater, seine Mutter und zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben, nicht jedoch die Großmutter. Die belangte Behörde hat die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 1. Juni 1995 vorgehalten und ihn zur Stellungnahme aufgefordert, der Beschwerdeführer hat sich jedoch innerhalb der gesetzten zweiwöchigen Frist nicht geäußert.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. v.a. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993,
Zlen. 92/11/0282, 0287) liegen besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen eines Wehrpflichtigen an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht nur dann vor, wenn seine Abwesenheit infolge der Präsenzdienstleistung dazu führte, daß er seinen Familienangehörigen die nötige Unterstützung nicht mehr angedeihen lassen kann, sodaß diese in lebenswichtigen Belangen gefährdet würden. Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon ausgegangen ist, eine Existenzgefährdung des in Rede stehenden elterlichen Landwirtschaftsbetriebes bzw. eine Beeinträchtigung lebenswichtiger Interessen der unterstützungsbedürftigen Eltern des Beschwerdeführers könne im Zusammenwirken aller in Betracht kommender Familienangehörigen, wozu diese verpflichtet sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl. 93/11/0071), hintangehalten werden. Die Mutter des Beschwerdeführers weist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 %, der Stiefvater von 100 % auf. Sollten ihnen auch allenfalls körperliche Arbeiten, wie etwa das Heben von Lasten, aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sein, deutet dennoch nichts darauf hin, daß sie den beiden im Landwirtschaftsbetrieb tätigen Schwestern des Beschwerdeführers nicht allenfalls durch notwendige Ratschläge und Anweisungen Hilfestellung leisten könnten. Was die Arbeitskraft dieser beiden Schwestern anlangt, ist dem Beschwerdeführer zunächst zu entgegnen, daß nicht die Rede davon sein kann, sie seien "gerade der Minderjährigkeit entwachsen", sind sie doch am 10. Juli 1971 und am 2. September 1972 geboren. Es ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, sie seien an Arbeiten im Landwirtschaftsbetrieb, mit Ausnahme des Bedienens landwirtschaftlicher Fahrzeuge, insoweit hiefür Lenkerberechtigungen erforderlich seien, welche sie nicht erworben hätten, gehindert. Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0113, mit weiterem Judikaturhinweis) zu verweisen, wonach auch jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des Wehrpflichtigen einzurichten haben. Sie haben daher so zu disponieren, daß der Wehrpflichtige während der Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht ausreichend vertreten werden kann. Die Mutter des Beschwerdeführers (und auch der Stiefvater) hätten somit - zumal der Beschwerdeführer entgegen seiner Auffassung nicht erst zuletzt, sondern schon ob seiner positiv verlaufenen Stellung am 11. März 1982, und somit auch zu einer Zeit, als seine Schwestern das 18. Lebensjahr vollendet hatten, mit seiner Einberufung rechnen mußte - ausreichend Zeit gehabt, die in Rede stehenden Schwestern des Beschwerdeführers auf dessen Vertretung vorzubereiten, wozu auch die Gewährung einer Ausbildung für den Erwerb der erforderlichen Lenkerberechtigung gehört hätte. Darauf, daß die Schwestern hiezu nicht in der Lage gewesen wären, hat sich der Beschwerdeführer nicht berufen. In der Beschwerde stellt der Beschwerdeführer auch nicht die Behauptung auf, daß es an den finanziellen Mitteln hiefür gefehlt hätte. Den diesbezüglich im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand hat der Beschwerdeführer nicht konkretisiert.
Zu Recht hat daher die belangte Behörde auch die besondere Rücksichtswürdigkeit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Interessen verneint.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995110314.X00Im RIS seit
20.11.2000