TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/16 W169 2014177-2

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Veröffentlicht am 16.12.2021
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Entscheidungsdatum

16.12.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W169 2014171-2/2Z
W169 20914177-2/2Z

TEILERKENNTIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Indien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2021, Zl. 1. 1026104702-190282525 und Zl. 2. 1026105100-190282741, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird hinsichtlich Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide stattgegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 18 Abs. 2 BFA-VG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführer, beide indische Staatsangehörige, stellten nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.07.2014 jeweils Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin.

2. Mit Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.09.2014 wurden die Anträge der Beschwerdeführer sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden den Beschwerdeführern nicht erteilt, es wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Indien zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

3. Die dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.03.2018 mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2018, Zlen. W144 2014171-1/6E und W144 2014177-1/6E, als unbegründet abgewiesen.

4. Am 20.03.2019 stellten die Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die gegenständlichen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

5. Am 04.08.2019 wurden die gemeinsamen Kinder der Beschwerdeführer in Österreich geboren und stellte die Zweitbeschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertretung für sie am 29.08.2019 Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2019 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen wurden. Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden den Kindern der Beschwerdeführer nicht erteilt, es wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Indien zulässig ist. Zudem wurde eine Frist von 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt.

6. Die dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.01.2020, Zlen.: W222 2226444-1/5E und W222 2226448-1/5E, als unbegründet abgewiesen.

7. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2021 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 20.03.2019 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidungen gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren (betreffend den Erstbeschwerdeführer) bzw. von 3 Jahren (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin) befristetes Einreiseverbot erlassen. Unter Spruchpunkt VII. wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Mängelheilung vom 17.08.2021 gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 8 AsylG-DV 2005 abgewiesen.

8. Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführer durch ihren bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass es unverständlich sei, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erlassen worden sei, ohne dass diese auf den konkreten Einzelfall der Beschwerdeführer hin überprüft worden sei. Es sei kein Grund ersichtlich, worin eine Notwendigkeit bestehe, die Beschwerdeführer abzuschieben, bevor eine Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden ergehe. Darüber hinaus falle die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung weniger schwer ins Gewicht, als der Schaden, den sie im Falle einer sofortigen Abschiebung erleiden würden.

9. Die gegenständlichen Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.12.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten und den in den Akten aufliegenden Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2018, Zlen. W144 2014171-1/6E und W144 2014177-1/6E und vom 20.01.2020, Zlen. W222 2226444-1/5E und W222 2226448-1/5E.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Zum Spruchpunkt A):

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG ist vom Bundesamt die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn 1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, 2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder 3. Fluchtgefahr besteht.

Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf die Ziffer 1 des § 18 Abs. 2 BFA gestützt, wonach die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.

Hinsichtlich der Ziffer 1 des § 18 Abs. 2 BFA-VG ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden nicht genügt, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 mwN).

Fallgegenständlich führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in den angefochtenen Bescheiden zur Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde Folgendes aus:

„Sie leben derzeit in unstabilen wirtschaftlichen Verhältnissen und sind mittellos. In Zusammenschau Ihres Gesamtverhaltens ergibt sich, dass Sie der Republik Österreich gegenüber ablehnend eingestellt sind und nur auf Ihren persönlichen Vorteil bedacht sind. Es ist nicht ersichtlich, worum sich Ihr bisheriges Fehlverhalten in der Zukunft ändern bzw. bessern sollte. Ihre Ausreise ist im überwiegenden öffentlichen Interesse ohne unnötigen zeitlichen Aufschub vorzunehmen und stellt ein weiterer Verbleib ein unkalkulierbares Risiko dar.

Ihre Missachtung der gesetzlichen Regelungen hat somit die öffentliche Ordnung empfindlich und nachhaltig gestört. Dies begründet ein Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Ausreise Ihrer Person aus dem Bundesgebiet, weshalb die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde abzuerkennen war.

Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. § 18 Abs. 2 BFA-VG sieht bei Vorliegen des oben genannten Tatbestandes zwingend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung eine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vor. Mangels Vorliegens einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Verfahrens war im Hinblick auf das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchführung der Rückkehrentscheidung nicht zu berücksichtigen.“

Wie aus der Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in den angefochtenen Bescheiden ersichtlich, hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die „sofortige“ Ausreise der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, zumal sie die Aberkennung lediglich mit den „unstabilen wirtschaftlichen Verhältnissen“ und der Mittellosigkeit der Beschwerdeführer begründet. Damit beziehen sich die Ausführungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung offensichtlich nur auf jene, mit denen auch die Erlassung der Einreiseverbote begründet wurden, wobei bei der Verhängung der gegenständlichen Einreiseverbote noch zusätzlich darauf hingewiesen wurde, dass die Beschwerdeführer ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen seien. Da es im Sinne der obzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht genügt, bei der Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern darüber hinaus darzutun ist, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat, und aus den angefochtenen Bescheiden das Vorliegen dieser besonderen Umstände, die für die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erforderlich sind, nicht ersichtlich ist bzw. diese besonderen Umstände vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der diesbezüglichen Begründung nicht nachvollziehbar dargelegt wurden, waren die Spruchpunkte V. der angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben.

Über die Beschwerden gegen die Spruchpunkt I. bis VI. bzw. VII. der angefochtenen Bescheide ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG sind im gegenständlichen Fall erfüllt.

Zum Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Begründungsmangel Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W169.2014177.2.00

Im RIS seit

24.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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