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StVONorm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmid, Dr. Schmelz, Dr. Reichel und Großmann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Korsche, über die Beschwerde des EH in W, vertreten durch Dr. Karl Bollenberger, Rechtsanwalt in Wien III, Geusaugasse 9, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 5. Juni 1973, Zl. MA 70-IX/H 109/72/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Abhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Karl Bollenberger, und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratskommissär Dr. JS, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 1.560,-- bringen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Brigittenau, erkannte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 14. Dezember 1971 schuldig, er habe am 29. September 1971 um 23,15 Uhr in Wien 20, W-Gasse, den Personenkraftwagen W nnn gelenkt und trotz Aufforderung die Vornahme des Alkotests verweigert, obwohl mit Recht habe vermutet werden können, daß er alkoholisiert gewesen sei. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. werde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe sieben Tage) verhängt. In der dem Erkenntnis beigegebenen Begründung heißt es, daß die Verwaltungsübertretung auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung des Meldungslegers POW AW erwiesen sei. Darnach sei der Beschwerdeführer mit seinem Personenkraftwagen in der W-Gasse Richtung R-Straße gefahren und habe das Fahrzeug vor seinem Wohnhaus zum Parken abgestellt. Nach dem Verlassen des Personenkraftwagens habe er beim Stehen deutliche Unsicherheit gezeigt und sei deshalb beanstandet worden, wobei der Meldungsleger habe feststellen können, daß der Beschwerdeführer aus dem Mund nach alkoholischen Getränken gerochen, gerötete Augen gehabt und auch sonst Symptome gezeigt habe, die auf eine Alkoholbeeinträchtigung schließen ließen. Den Alkotest habe der Beschwerdeführer mit der Begründung, keine Zeit zu haben, verweigert, jedoch zugegeben, Alkohol - und zwar eine Flasche Bier - konsumiert zu haben.
In einem als „Äußerung“ bezeichneten Schriftsatz und in der später gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß Lenker des Personenkraftwagens nicht er, sondern seine Ehefrau gewesen sei, die den Wagen auch versperrt und ihm - dem Beschwerdeführer - aus diesem Anlaß erklärt habe, daß das Schloß nicht in Ordnung sei. Dies habe der Beschwerdeführer überprüft und festgestellt, daß sich das Schloß tatsächlich nicht öffnen ließ. Dabei sei er vom Meldungsleger beanstandet worden. Zu bemerken sei ferner, daß das Schloß in der Folge durch einen Fachmann repariert worden sei. Da dem Beschwerdeführer somit nicht zur Last gelegt werden könne, ein Fahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen zu haben, habe für ihn keine Veranlassung bestanden, eine Alkoholprobe auf sich zu nehmen.
Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens wies die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und änderte das Straferkenntnis dahingehend, daß der Spruch zu lauten habe, der Beschwerdeführer habe den Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen W nnn gelenkt. In der Begründung des Berufungsbescheides hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer entgegen, er bestreite zwar, den Personenkraftwagen gelenkt zu haben, könne sich in diesem Punkte aber nur auf die Aussage seiner Gattin berufen, da die über Antrag des Beschwerdeführers vernommenen Zeugen C und HH nicht gesehen hätten, wer das Fahrzeug gelenkt habe. Nun sei es durchaus möglich, daß die Gattin des Beschwerdeführers den Personenkraftwagen kurz vor der Beanstandung, letzterer ihn aber darnach in Betrieb genommen habe. Der Meldungsleger habe sich nämlich unweit des Tatortes befunden und gesehen, daß der Beschwerdeführer allein im Fahrzeug gewesen und es an jene Stelle gelenkt habe, an der er später beanstandet worden sei. Daß dem Meldungsleger ein Beobachtungsirrtum unterlaufen sei, müsse in Abrede gestellt werden, zumal er zur Wahrnehmung und Wiedergabe des Verkehrsgeschehens besonders geschult und seine Aufmerksamkeit anläßlich der Beobachtung des Beschwerdeführers durch nichts abgelenkt worden sei. Die Divergenz zwischen den Kennzeichen erkläre sich daraus, daß der Beschwerdeführer dem Meldungsleger mehrere Zulassungsscheine vorgewiesen und jener das Kennzeichen vom Zulassungsschein eines Bootsanhängers abgeschrieben habe. Ein derartiges Versehen lasse aber seine Wahrnehmungen an sich nicht unglaubwürdig erscheinen, zumal der Beschwerdeführer aus Anlaß seiner Beanstandung niemals erwähnt habe, den Personenkraftwagen nicht selbst gelenkt zu haben. Im übrigen, so lautet die Begründung der Berufungsentscheidung weiter, gehe aus den Angaben der Zeugen und des Beschwerdeführers selbst hervor, daß letzterer im Verlauf des Abends Alkohol konsumiert habe. Dazu komme, daß der Meldungsleger aus dem Gehaben des Beschwerdeführers auf eine Alkoholisierung habe schließen und mithin habe vermuten können, der Beschwerdeführer befinde sich in alkoholisiertem Zustand. Es sei daher gerechtfertigt gewesen, den Alkotest zu verlangen, zumal auch das Berufungsvorbringen über den Schloßdefekt den Beschwerdeführer nicht entlasten könne; es sei nämlich keineswegs ausgeschlossen, daß er trotz dieses Defektes mit dem Personenkraftwagen gefahren sei und vom Meldungsleger eben dabei angetroffen worden sei, als er sich nach der Fahrt am Schloß zu schaffen gemacht habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 sind unter anderem besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden. Eines der Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 2 StVO 1960 ist es somit, daß die Person, deren Atemluft auf Alkohol untersucht werden soll, ein Fahrzeug gelenkt oder wenigstens zu lenken versucht hat. Gerade dies bestreitet aber der Beschwerdeführer und bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde.
Gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nun erblickt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit darin, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf bloße Annahmen des Meldungslegers gestützt und damit den zulässigen Ermessensspielraum überschritten habe. Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, daß von einem freien Ermessen der Verwaltungsbehörde bei der Beweiswürdigung keine Rede sein kann. Freies Ermessen kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn es sich darum handelt, auf Grund eines bereits festgestellten Sachverhalts nach Maßgabe von Ermessensbestimmungen eine Entscheidung zu treffen, während die freie Beweiswürdigung eine ganz andere Verfahrensstufe, und zwar die Beurteilung der Beweismittel für einen erst festzustellenden Sachverhalt, betrifft.
Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, so bestehen gegen diese keine Bedenken. Wie bereits die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausgeführt hat, hatte sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung nicht nur auf die Aussagen der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen, sondern gleichermaßen auf die Angaben des Meldungslegers Bedacht zu nehmen. Bedenkt man nun, daß die vernommenen Zeugen C und HH gar keine Angaben machen konnten, wer zur Tatzeit den Personenkraftwagen gelenkt hat, weiters daß die Ehegattin des Beschwerdeführers bei der Beanstandung durch den Meldungsleger gar nicht anwesend gewesen ist, so ist durch diese Zeugen keineswegs hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer das Fahrzeug unmittelbar vor der Beanstandung nicht gelenkt hat. Hingegen folgt aus den schlüssigen Angaben des unbeteiligten Meldungslegers, daß der Beschwerdeführer - allein im Fahrzeug - seinen Personenkraftwagen durch die W-Gasse gelenkt hat. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Zweifel an der Beobachtungsgabe des Meldungslegers und an dessen Eignung zur Wiedergabe des Verkehrsgeschehens äußert, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß er derlei im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht und vor allem die besondere Schulung des Meldungslegers zur Überwachung des Straßenverkehrs nicht in Zweifel gezogen hat, sodaß für die belangte Behörde kein Anlaß bestand, nähere Feststellungen in dieser Richtung zu treffen. Abgesehen davon muß, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1966, Zl. 1897/64, und vom 31. März 1966, Zl. 493/65), den zur Wahrnehmung der Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs - insbesondere zur Überwachung der Einhaltung der verkehrspolizeilichen Vorschriften - bestellten und geschulten Organen der Sicherheitswache und der Gendarmerie zugebilligt werden, über Verkehrsverhältnisse und das Verhalten von Verkehrsteilnehmern mit Sicherheit Feststellungen treffen und verläßliche Angaben darüber machen zu können. Im Übrigen bedurfte es im vorliegenden Fall nicht einer eigenen Schulung oder einer besonderen Beobachtungsgabe, wenn der Meldungsleger festgestellt hat, daß der Beschwerdeführer vor der Beanstandung seinen Personenkraftwagen gelenkt hat und daß sich in diesem Fahrzeug keine anderen Personen befunden haben. Den dem Meldungsleger beim Ablesen des Kennzeichens unterlaufenen Irrtum endlich, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid richtiggestellt und im Übrigen auch in diesem Punkt schlüssig begründet, wieso es zur Verwechslung des Kennzeichens kam.
Der angefochtene Bescheid läßt somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht erkennen. Demzufolge erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975, insbesondere deren Artikel IV Abs. 2.
Wien, am 21. Februar 1975
Schlagworte
Beweismittel Amtspersonen Meldungsleger Anzeigen Berichte Zeugenaussagen Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Beweiswürdigung Ermessen Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses VwRallg10/1/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1975:1973001255.X00Im RIS seit
24.01.2022Zuletzt aktualisiert am
24.01.2022