TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/17 I412 1423902-4

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Veröffentlicht am 17.08.2021
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Entscheidungsdatum

17.08.2021

Norm

AsylG 2005 §57 Abs1 Z1
AsylG 2005 §60 Abs1 Z1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs3
FPG §46a Abs1 Z1
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I412 1423902-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ) XXXX (alias XXXX alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Algerien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2021, ZI. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, stellte am 23.12.2011 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz. Die darüber ergangene negative Entscheidung erwuchs mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.09.2013, Zl. B6 423.902-1/2012/20E, in Rechtskraft.

Des Weiteren wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Landespolizeidirektion Kärnten vom 31.12.2013, Zl. 1050415/FR/13 gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erlassen. Dieser Bescheid ist nach der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 20.02.2014, Zl. KLVwG-633/3/2014 seit dem 14.03.2014 rechtskräftig.

Dem Beschwerdeführer wurde erstmalig am 18.03.2015 eine Karte für Geduldete nach § 46a Abs. 1 FPG, gültig zuletzt bis 16.09.2021, ausgestellt.

Am 07.06.2021 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG: Duldung des Aufenthaltes im Sinne des § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG“. Mit angefochtenem Bescheid vom 15.06.2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 ab, da Aufenthaltstitel gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 an einen Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden dürfen, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 05.07.2021 moniert der Beschwerdeführer, dass die gegenständliche Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot aus dem Jahr 2014 stamme und daher von einer Veränderung der Beurteilungsgrundlage auszugehen sei.

Die Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 06.07.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird der soeben dargestellte Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt. Nachstehend werden folgende maßgebliche Feststellungen hervorgehoben:

Gegen den Beschwerdeführer besteht seit 14.03.2014 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung verbunden mit einem auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Einreiseverbot. Der Beschwerdeführer hat das Bundesgebiet seither nicht verlassen.

Der Beschwerdeführer ist in Besitz einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 FPG, gültig bis 16.09.2021.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt und die hervorgehobenen Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie den ergänzend eingeholten aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister und dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Der mit „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ überschriebene § 57 Abs. 1 AsylG 2005 (in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015) lautet:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.“

Zu beachten ist, dass gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 einem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden darf, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht.

Eine solche Rückkehrentscheidung verbunden mit einem fünfjährigen Einreiseverbot besteht gegen den Beschwerdeführer - wie festgestellt - seit 14.03.2014. Er hat seither das Bundesgebiet nicht verlassen, sodass sie nach wie vor aufrecht und durchsetzbar ist. Der Versagungsgrund nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist somit erfüllt und war dem Beschwerdeführer schon deshalb kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen.

Daran ändert auch das Beschwerdevorbringen nichts, wonach gegenständliche Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot aus dem Jahr 2014 stamme und daher aufgrund des siebenjährigen Aufenthalts sowie den Integrationsschritten des Beschwerdeführers von einer Veränderung der Beurteilungsgrundlage auszugehen sei und eine Neubeurteilung zu erfolgen hätte.

Dabei verkennt der Beschwerdeführer, dass im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 - im Gegensatz zur Prüfung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 - keine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 MRK vorzunehmen ist (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0543).

Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass bei Bestehen einer Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 oder 3 FPG 2005 verbunden ist, im Rahmen eines Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 auch eine Neubewertung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens zu erfolgen hat. Ergibt diese Neubewertung, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt iSd Art. 8 MRK vorliegt, so ist der begehrte Aufenthaltstitel, ungeachtet des bestehenden Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 und 3 FPG 2005, zu erteilen und die Rückkehrentscheidung wird gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 FPG 2005 gegenstandslos, sodass auch dem - deshalb ebenfalls gegenstandslos werdenden - Einreiseverbot der Boden entzogen ist. Vor diesem Hintergrund ist folglich, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dergestalt einschränkend auszulegen, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen kann (VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037). Da es sich gegenständlich um einen Antrag gemäß § 57 AsylG 2005 handelt, war folglich keine Neubewertung durchzuführen und § 60 Abs. 1 Z 1 anzuwenden.

Auch abgesehen vom Versagungsgrund nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 war dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen, weil aus der - wenn auch wiederholten - Ausstellung einer Karte für Geduldete in der Vergangenheit oder auch aus dem Vorhandensein einer noch gültigen Karte nicht zwingend zu schließen ist, dass die Voraussetzungen für die Duldung im Sinn des § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 „weiterhin vorliegen“ (VwGH 31.08.2017, Ro 2016/21/0019). Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist noch bis 16.09.2021 gelduldet. Der Verwaltungsgerichtshof führte in der zuletzt zitierten Entscheidung weiter aus: „Für in der Vergangenheit ausgestellte und bereits abgelaufene Karten folgt das schon aus ihrem begrenzten zeitlichen Geltungsbereich. Aber auch eine noch gültige Karte für Geduldete steht einer abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen für die Duldung im Verfahren nach § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nicht entgegen.“

In einer darauf basierenden späteren Entscheidung stellte der Verwaltungsgerichtshof außerdem fest, dass aus der wiederholten Ausstellung einer Karte für Geduldete in der Vergangenheit nicht zwingend zu schließen ist, dass die Voraussetzungen für die weitere Duldung iSd § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorliegen (VwGH 21.09.2017, Ra 2017/22/0128).

Im Ergebnis war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Im gegenständlichen Fall ist der entscheidungswesentliche Sachverhalt insbesondere in dem Umstand zu sehen, dass eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot besteht. Diese Umstände ergeben sich zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister und sind als solche unbestritten. Vor diesem Hintergrund hätte die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bzw. die Befragung des Beschwerdeführers zu keinem anderen Ergebnis führen können. Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher davon ausgehen, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt anzusehen war (VwGH, 12.11.2015, Ra 2015/21/0184).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz aufrechte Rückkehrentscheidung Duldung Einreiseverbot Integration Karte für Geduldete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I412.1423902.4.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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