Entscheidungsdatum
27.08.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I408 2232832-2/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Dr. Wolfgang WEBER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, wurde am 28.04.2018 bei der Ausreise am Flughafen Wien betreten und über ihn wegen § 120 FPG (rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt) eine Geldstrafe von € 600 verhängt.
Darauf leitete die belangte Behörde ein Verfahren zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung ein und forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.09.2018 zu einer Stellungnahme zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme auf.
Der Beschwerdeführer erstattete mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 12.10.2018 eine entsprechende Stellungnahme und führte darin aus, dass er sich seit März 2012 immer wieder im Rahmen der 90-Tage-Regel bei seiner in Österreich aufenthaltsberechtigten Ehegattin aufgehalten habe, aber erst nach einem Schlaganfall im August 2015 ständig bei seiner Ehegattin lebe und auf deren Pflege angewiesen sei. Er sei alleine nicht lebensfähig und in Österreich bei seiner Ehegattin mitversichert. In Serbien leben nur seine Eltern, sein Vater sei blind und sie können ihn daher nicht unterstützen. Zudem würden seine beiden erwachsenen Söhne ebenfalls in Österreich leben.
In weiterer Folge erließ die belangte Behörde am 08.06.2020 einen Bescheid, mit welchem sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilte, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erließ, feststellte, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist und die Frist für eine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festsetzte.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, welcher das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.07.2020, I408 2232832-1/2E, Folge gab und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwies. Begründend wurde ausgeführt, dass sich die Behörde nicht näher mit dem Gesundheitszustand und dem Familienleben des Beschwerdeführers sowie seinen Lebensbedingungen in Serbien auseinandergesetzt habe.
Daraufhin forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.10.2020 neuerlich zur Abgabe einer Stellungnahme auf, welche am 21.10.2020 erstattet und darin auf das Schreiben vom 12.10.2018 verwiesen wurde. Außerdem habe der Beschwerdeführer am 02.11.2020 einen Untersuchungstermin für eine geplante Prostataoperation.
Mit Schreiben vom 10.03.2021 teilte der Beschwerdeführer mit, dass eine Prostataoperation derzeit doch nicht notwendig sei.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 05.05.2021, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen gründen (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und setzte die Frist für eine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und neuerlich auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers verwiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.08.2021 eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und seiner Ehefrau als Zeugin durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der 62-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Serbiens.
Die Ehefrau des Beschwerdeführers, ebenfalls eine serbische Staatsbürgerin, kam bereits im Jahr 2003 mit den beiden erwachsenen Kindern nach Österreich und ging im Bundesgebiet zunächst bis 2010 einer Erwerbstätigkeit nach. Anschließend bezog sie bis 2020 Sozialleistungen und bezieht seither eine Pension samt Ausgleichszulage iHv derzeit EUR 880,62. Sie verfügt über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“.
Der Beschwerdeführer selbst verblieb in Serbien und betrieb die elterlichen Landwirtschaft. Der Kontakt zwischen Beschwerdeführer und seiner in Österreich lebenden Familie gestaltete sich in dieser Zeit über wechselseitige Besuche.
Ab 2012 war der Beschwerdeführer immer öfters bei seiner Ehefrau in Österreich aufhältig, wobei er seine Aufenthalte zunächst auf 90 Tage beschränkte und dazwischen immer wieder kurzfristig nach Kroatien zurückkehrte. Im Juni 2015 erlitt der Beschwerdeführer in Österreich einen Schlaganfall und war bis August 2015 in stationärer Behandlung in Wien. Er leidet nach wie vor an den Spätfolgen und ist zum Schlafen wegen Atemnot auf ein Sauerstoffgerät angewiesen. Außerdem leidet er an Diabetes mellitus Typ 2 und ist im Alltag auf die Unterstützung seiner Ehefrau angewiesen.
Um die bessere medizinische Versorgung in Österreich in Anspruch zu nehmen, begründete der Beschwerdeführer am 24.09.2015 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, und hält er sich seither durchgehend hier auf. Einen Aufenthaltstitel beantragte er nie und hält er sich seit September 2015 ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich mit seiner Ehefrau in einer Gemeindebauwohnung, für welche sie EUR 118,- Miete bezahlen. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Eheleute über die Pension der Ehefrau und die Unterstützung ihrer Söhne. Der Beschwerdeführer verfügt über keine eigenen Einkünfte und ging in Österreich nie einer Erwerbstätigkeit nach. In Österreich leben die Söhne und Enkelkinder des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau. In Serbien leben die Eltern Beschwerdeführers im Bauernhaus der Familie. Sie sind pflegebedürftig und werden von der Schwester des Beschwerdeführers, welche zurückgekehrt ist und eine österreichische Pension bezieht, betreut und gepflegt. Zuletzt, eine Woche vor der mündlichen Verhandlung, war auch die Ehefrau bei ihren Schwiegereltern in Kroatien. In dieser Zeit kümmerten sich die beiden in Österreich aufhältigen Söhne um ihren Vater.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid die wirtschaftliche und sozioökonomische Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers umfassend dargestellt. Die wirtschaftliche Lage ist in Serbien angespannt, es ist aber sowohl die Grundversorgung als auch die medizinische Versorgung gewährleistet. Zudem verfügt der Beschwerdeführer dort über ein familiäres Netzwerk und ist er somit im Falle seiner Rückkehr nicht auf sich allein gestellt. Serbien gilt überdies als „sicheres Herkunftsland“. Von einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben oder der Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte ist nicht auszugehen. Zudem wäre es auch der Ehefrau des Beschwerdeführers zumutbar, mit ihrem Ehemann zusammen in ihren gemeinsamen Herkunftsstaat zurückzukehren.
Im Detail wird zur Lage in Serbien auf Basis des „Länderinformationsblattes“ ausgeführt:
COVID-19
Seit 21.12.2020 müssen alle, die nach Serbien einreisen, einen Nachweis eines negativen PCR-Tests, nicht älter als 48 Stunden, mit sich führen. Serbische Staatsangehörige und Personen mit serbischem Aufenthaltstitel können ohne Test einreisen, müssen sich aber in eine 10-tägige Quarantäne begeben und müssen ihre Einreise innerhalb von 24 Stunden online registrieren oder bei der örtlich zuständigen COVID-19-Ambulanz melden. Die Homepage der serbischen Regierung bietet Informationen zu den Einreisebestimmungen und aktuellen Zahlen (BMEIA 4.6.2021).
Serbien wurde zwischen März 2020 und April 2021 stark von der Pandemie betroffen. Der Einsatz des medizinischen Personals wurde im Laufe der Pandemie wegen der hohen Anzahl der infizierten Personen verstärkt. Viele Krankenhäuser wurden zu Corona-Spitälern, was die medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten verschlechterte. Zahlreiche Operationen mussten wegen Platzmangels verschoben werden. Ein Mangel an medizinischem Personal war besonders in den medizinischen Versorgungszentren festzustellen, weil diese ständig als Covid-Zentren genutzt wurden. Allerdings verbessert sich die Situation mit April 2021 zusehends, zumal viele Krankenhäuser langsam aus dem Covid-System austraten. Seit Mai 2021 werden Patienten mit anderen Krankheiten wieder in den klinischen Zentren in „Zvezdara“ und „Dr Dragisa Misovic“ behandelt, da sich diese nicht mehr im Covid-System befinden (VB 29.6.2021).
Die Covid-19-Pandemie hat in allen Staaten der Westbalkan-Region, einschließlich Serbien, die bestehenden Probleme im Gesundheitssystem und die Probleme großer Teile der Bevölkerung beim Zugang zu Gesundheitsversorgung verschärft. Im Rahmen der „Zweiten Welle“ der Covid-19-Pandemie erreichten die Infektionszahlen in allen Ländern der Balkan-Region neue Höchststände. Dies stellt die Gesundheitssysteme dieser Länder vor massive Probleme und führt dazu, dass lebensnotwendige Gesundheitsversorgungsleistungen nicht oder nur gegen Bezahlung beträchtlicher Kosten erhältlich sind. Die tatsächliche Todeszahl während der „ersten Welle“ von März bis Juni 2020 war mehr als doppelt so hoch wie die offizielle Zahl. Auch bei der Anzahl der gemeldeten Infektionen wurden erhebliche Differenzen festgestellt. Bis zum 18. Januar 2021 sind mindestens 80 Beschäftigte im serbischen Gesundheitswesen an Covid-19 gestorben. Die Gewerkschaft des Gesundheitssektors weist darauf hin, dass die tatsächliche Zahl noch höher sein, weil diese Zahl nicht KrankenpflegerInnen und medizinische Fachangestellte umfasst (FBW 8.2.2021).
Von 15.3.2020 bis 7.5.2020 galt in Serbien aufgrund der Pandemie ein Ausnahmezustand mit Ausgangssperre. Dieser trug dazu bei, dass sich die Ansteckung verlangsamte und die Anzahl der Infizierten sank. Die Zahl erhöhte sich im Dezember 2020 auf bis zu 8.000 Infektionsfälle, was zur Gründung und Eröffnung eines neuen Covid-Krankenhauses in Batajnica, einem Vorort von Belgrad führte, dessen Kapazität 1.000 Patienten beträgt. Ab Januar 2021 begann eine Impfkampagne in Serbien, wobei schon im Februar mehr als 550.000 Menschen geimpft wurden. Folgende vier Impfstoffe wurden zugelassen: BionTech - Pfizer, AstraZeneca, Sputnik V und Sinopharm. Mit Stand 29.5.2021 wurden insgesamt 4.527.079 Impfdosen verabreicht, wovon die erste Dosis 2.507.302 und die zweite Dosis 2.019.777 Personen verabreicht bekamen. Diese erfolgreiche Immunisierung trug zur Senkung der Anzahl von Infizierten wesentlich bei, wodurch Serbien am 27.6.2021 nur 63 erkrankte Fälle (die Statistik der letzten 24 Stunden) verzeichnete. Insgesamt hatte Serbien mit Stand 17.6.2021 715.442 Erkrankungsfälle und 6.985 Todesfälle (VB 29.6.2021).
In den letzten Mai Wochen kam es zu einem erheblichen Rückgang der stationären Behandlungen um über 5.000 (!) Personen. Befanden sich am 23.4.2021 noch 5.897 Patienten in Krankenhausbehandlung, waren es am 10.5.2021 noch 3.827 und am 28.5.2021 nur noch 878 Personen. Mit Stand 31.5.2021 wurden 712.224 Erkrankungsfälle und damit verbunden 6.854 Todesfälle festgestellt. Ab dem 1.6.2021 können Personen, welche sich impfen lassen, eine Unterstützung in Höhe von RSD 3.000,00 (ca. EUR 25,00) beantragen (VB 29.6.2021).
Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert, Empfehlungen zum Umgang gegeben, sowie eine Hotline-Nummer veröffentlicht. Am 11.2.2021 hat die serbische Regierung das dritte Unterstützungspaket für die Wirtschaft im Wert von 249 Mrd. Serbischer Dinar [ein Dinar = 0,0085 EUR; Anm.] verabschiedet. Die neuen Maßnahmen umfassen eine direkte Unterstützung von Unternehmern, Kleinst-, Klein-, Mittel- und diesmal auch Großunternehmen, das Gastgewerbe, Hotels, Reisebüros, Personen- und Straßenverkehr (WKO 7.5.2021).
In Bezug auf COVID-19 bestehen seit 7.5.2020 keine Bewegungseinschränkungen mehr, weder am Tag noch in der Nacht. Ab dem 1.6.2021 wurden allen Gastgewerbebetrieben die Arbeitszeiten bis Mitternacht verlängert. Weiters wird der Kauf an den Kiosken durchgehend (00:00 - 24:00 Uhr) wieder möglich und die letzte Filmvorführung in Kinos darf ab 23:00 Uhr starten. An wissenschaftlichen und beruflichen Kongressen in geschlossenen Räumen, dürfen sich höchstens 200 Personen versammeln (VB 29.6.2021).
Serbien beginnt mit der Produktion des russischen Impfstoffs „Sputnik V“ gegen das Coronavirus. Die Produktion startete am 3.6.2021 im Torlak-Institut für Virologie. Binnen sechs Monaten sollen dort in russischer Lizenz vier Millionen Impfdosen hergestellt werden. Serbien ist damit nach Belarus das zweite europäische Land außerhalb Russlands, das „Sputnik“-Impfstoff herstellt. „Sputnik“ sowie der chinesische Impfstoff Sinopharm werden in Serbien bereits seit Monaten geimpft, ebenso wie die in der EU zugelassenen Vakzine von Biontech und Pfizer sowie AstraZeneca. Mehr als 30 % der etwa sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Serbiens haben bereits mindestens eine Impfdosis erhalten. Belgrad hat zudem den ärmeren ex-jugoslawischen Nachbarstaaten Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien, aber auch Tschechien Vakzine gespendet (ORF.at 4.6.2021).
Der serbische Präsident VUCIC erklärte am Abend des 11.3.2021, im Rahmen eines Treffens mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Muhammad BIN ZAYED AL NAHAYN, dass sein Land mit Hilfe der Vereinigten Arabischen Emirate in die Produktion des chinesischen COVID?19 Impfstoffs Sinopharm einsteigen werde. Der Beginn der Produktion wurde mit 15. Oktober 2021 festgelegt (VB 29.6.2021).
Grundversorgung / Wirtschaft
Die gute Entwicklung der serbischen Wirtschaft in den letzten Jahren wurde durch die Pandemie abrupt beendet. Mit einem Rückgang von 1,1% am Ende des Jahres kam Serbien jedoch besser durch die Krise als viele vergleichbare Länder. Die serbische Industrieproduktion entwickelt sich konstant aufwärts und profitiert vor allem durch die Exportwirtschaft. Durch das anhaltende Interesse ausländischer Investoren an der Gründung von Produktionsniederlassungen wächst die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen, die den Anforderungen westeuropäischer Industriestandards entsprechen. Bedingt durch die große Bedeutung, die die Landwirtschaft in Serbien einnimmt, hat sich eine vergleichsweise sehr starke einheimische Lebensmittelverarbeitungsindustrie entwickelt. Noch ist die Kaufkraft der Bevölkerung relativ schwach, sodass der Markt sehr preissensitiv ist. Ein Drittel der Bevölkerung kauft lieber billigere Handelsmarkenprodukte als namhafte Markenartikel (WKO 29.4.2021).
Die wirtschaftliche Lage in Serbien ist weiterhin schwierig, durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert sie sich weiter. Kaufkraft und Nettodurchschnittseinkommen (2019: 465 Euro) waren 2019 weiterhin vergleichsweise niedrig. Es gibt gravierende Unterschiede zwischen (Haupt-)Stadt und Land. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist jedoch uneingeschränkt gewährleistet. Die wirtschaftliche und soziale Lage eines Großteils der Bevölkerung ist nach wie vor schwierig. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Serbiens ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Nach Angaben der serbischen Regierung lebten 7,2% der Bevölkerung Serbiens (rund 500.000 Personen) 2017 unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Der Trend hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 7,5% stabilisiert. Das deutet auf einen „festen“ Kern der Armen, auf den Armutsbekämpfungsmaßnahmen keine Wirkung zeigen. Flüchtlinge und Rückkehrer sowie Roma sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung (AA 19.11.2020).
Im Jahr 2020 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien geschätzt rund 7.636 US-Dollar. Für das Jahr 2021 wird das BIP pro Kopf Serbiens auf rund 8.748 US-Dollar prognostiziert (Statista 20.4.2021). Im Jahr 2020 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 13,3%. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13% prognostiziert (Statista 4.5.2021). Unter Jugendlichen ist die Arbeitslosenquote mit 27,5% (2019) aber weiterhin hoch (AA 19.11.2020).
Das für März 2021 berechnete Durchschnittsgehalt (Brutto) betrug 89.894 RSD (ca. EUR 764), während das Durchschnittsgehalt ohne Steuern und Beiträge (Netto) 65.289 RSD (ca. EUR 555) betrug (Republi?ki 25.5.2021).
Die durchschnittliche Pensionshöhe betrug im Mai 2021 29.391,00 RSD (ca. EUR 250,00) (PIO RS 24.6.2021).
Sozialbeihilfen
Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Das Angebot der Sozialämter beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern sowie Familien mit drei oder mehr Kindern. Das Sozialsystem ist für jede serbische Staatsbürger zugänglich. Die betroffene Person muss ein gültiges Ausweisdokument besitzen und bei der nationalen Arbeitsagentur im jeweiligen Wohnort als arbeitslos registriert sein, bzw. lediglich auf Mindestlohn-Basis angestellt sein. Neben den Zentren für Soziale Arbeit leisten auch einige NGOs Hilfe (IOM CFS 13.3.2021).
Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürgerinnen und Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld. Sozialhilfeempfänger, die ausreisen und in der Folge vereinbarte Termine beim Arbeitsamt NES verpassen, verlieren für sechs Monate das Recht, sich arbeitslos zu melden und damit die Grundlage für Sozialhilfe und weitere Sozialleistungen (u. a. Krankenversicherung). Sozialwohnungen sind meist belegt, für Neubauten sind kaum Mittel vorhanden. Familiäre und nachbarschaftliche Solidaritätsnetzwerke sind in Serbien noch relativ funktionsfähig. Sofern nachweislich keine private Unterkunftsmöglichkeit besteht, sind die örtlich zuständigen „Zentren für Sozialarbeit“ im Einzelfall bereit, bescheidene Quartiere auf kommunale Kosten anzumieten (AA 19.11.2020).
Seit dem 1. April 2021 beträgt die Sozialhilfe für Einzelperson bzw. für den sogenannten Rechtsinhaber in der Familie 8.781 RSD (EUR 74,41). Für jede weitere erwachsene Person in der Familie beträgt diese Leistung 4.391 RSD (EUR 37,21). Das Kindergeld für das anspruchsberechtigte Kind beträgt 3.000 RSD (EUR 24,42). Dies erhöht sich weiter um 30% für alleinerziehende Eltern bzw. Erziehungsberechtigte und beträgt 3.900 RSD (EUR 33,05). Das Kindergeld für pflegebedürftige Kinder erhöht sich auf 4.500 bis 5.400 RSD (EUR 38,13/45,77) (VB 29.6.2021).
Medizinische Versorgung
Serbien wurde zwischen März 2020 und April 2021 stark von der Pandemie betroffen. Der Einsatz des medizinischen Personals wurde im Laufe der Pandemie wegen der hohen Anzahl der infizierten Personen verstärkt. Viele Krankenhäuser wurden zu Corona-Spitälern, was die medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten verschlechterte. Zahlreiche Operationen mussten wegen Platzmangels verschoben werden. Ein Mangel an medizinischem Personal war besonders in den medizinischen Versorgungszentren festzustellen, weil diese ständig als Covid-Zentren genutzt wurden. Allerdings verbessert sich die Situation mit April 2021 zusehends, zumal viele Krankenhäuser langsam aus dem Covid-System austraten. Seit Mai 2021 werden Patienten mit anderen Krankheiten wieder in den klinischen Zentren in „Zvezdara“ und „Dr Dragisa Misovic“ behandelt, da sich diese nicht mehr im Covid-System befinden (VB 29.6.2021).
Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 1.6.2021; vgl. EDA).
Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM 13.3.2021).
Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Gut ausgebildetes medizinisches Personal ist trotz Personalengpässen grundsätzlich vorhanden. Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist (AA 19.11.2020).
Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können (AA 19.11.2020).
Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,00 RSD an. (ca. 0,43 EUR). Es gibt jedoch auch Medikamente, für die von Patienten eine Beteiligungsgebühr von 10 bis 90% des Anschaffungspreises gezahlt werden muss (AA 19.11.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des Behördenaktes, den schriftlichen Stellungnahmen des Beschwerdeführers sowie den Einvernahmen des Beschwerdeführers sowie seiner Ehefrau als Zeugin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20.08.2021. Hinzu kommen vom Gericht eingeholte Abfragen aus Strafregister, Fremdenregister, Sozialversicherung und Melderegister.
Identität und Nationalität des Beschwerdeführers sind über seinen Reisepass dokumentiert, welcher im Melderegister aufscheint.
Die Feststellungen zur Ehefrau des Beschwerdeführers und ihrem Aufenthalt in Österreich seit 2003 ergeben sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung am 20.08.2021. Dass sie zwischen 2010 und 2020 Sozialleistungen bezog, geht aus dem eingeholten Sozialversicherungsauszug hervor. Ihr Bezug einer Pension samt Ausgleichszulage iHv derzeit EUR 880,62 ist aus der vorgelegten Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt vom 04.06.2021 ersichtlich. Der ihr erteilte Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ geht aus dem Fremdenregister hervor.
Die weiteren Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers, insbesondere zu den Besuchen bis 2012 und anschließenden jeweils 90-tägigen Aufenthalten, folgen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus den in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen und den damit übereinstimmenden Ausführungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung.
Dass der Beschwerdeführer wegen der besseren medizinischen Versorgung in Österreich verblieb, gaben er und seine Ehefrau in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich an. Seine Hauptwohnsitzmeldung seit 24.09.2015 ist durch den eingeholten Melderegisterauszug belegt. Dass er nie einen Aufenthaltstitel beantragte, geht aus dem Fremdenregister hervor und ergibt sich daraus, dass er sich seit September 2015 ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhält.
Die Feststellungen zur gemeinsamen Wohnung mit seiner Ehefrau, zu den Familienmitgliedern in Österreich und in Serbien sowie zum Lebensunterhalt des Beschwerdeführers entsprechen seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dass er in Österreich nie einer Erwerbstätigkeit nachging, ist aus dem eingeholten Sozialversicherungsauszug ersichtlich. Hinweise auf sonstige, maßgebliche private Beziehungen haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Es hat auch der Erörterung in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Landwirtschaft seiner Eltern betrieben und damit seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Ebenso ist den Angaben in der Verhandlung zu entnehmen, dass weiterhin eine enge Bindung zum Herkunftsland besteht und die soziale Integration zu keinem Zeitpunkt abgebrochen ist.
2.2. Zur Lage in Serbien:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Serbien und den dort zitierten Quellen. Diese sind im Bescheid der belangten Behörde umfassend dargelegt und angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Das sich aus dem Länderinformationsblatt ergebende Bild, insbesondere zur medizinischen Versorgung, findet auch Deckung in den weiteren, ins Verfahren eingebrachten und mit dem Beschwerdeführer erörterten, Quellen (Focus Serbien, Medizinische Grundversorgung vom 17.05.2021). Daraus ergibt sich ohne Zweifel, dass eine medizinische Grundversorgung in Serbien gewährleistet und der Zugang zu dieser kostenlos ist. So ist auch eine medizinische Versorgung und Betreuung der pflegebedürftigen Eltern des Beschwerdeführers gegeben.
Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des angefochtenen Bescheides und der vorliegenden Entscheidung haben sich überdies keine Änderungen zu den in den bekämpften Bescheiden getroffenen Länderfeststellungen ergeben.
Aus der Einsichtnahme in die Herkunftsstaaten-Verordnung (§ 1 Z 6) ergibt sich, dass Serbien als sicherer Herkunftsstaat gilt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Serbiens und somit Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
Gemäß 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt mit Bescheid gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Der Beschwerdeführer hielt sich erstmals ab 2012 jeweils für 90 Tage in Österreich auf und ließ sich im September 2015 dauerhaft in Österreich nieder. Einen Aufenthaltstitel hat er nie beantragt. Auch sonst kommen hier keine Fälle des rechtmäßigen Aufenthalts nach § 31 Abs. 1 FPG (visumfreier Aufenthalt, Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG, Aufenthaltstitel eines anderen Vertragsstaates, asylrechtliches Aufenthaltsrecht, arbeitsrechtliche Bewilligung) in Betracht, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einer dieser Tatbestände erfüllt sein könnte, zumal die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer (90 Tage in 180 Tagen) längst überschritten ist. Es ist somit der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht beizutreten, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.
Da sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist zunächst gemäß § 58 Abs. 1 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG („Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101; E 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0198).
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt und es halten sich auch seine Söhne und Enkelkinder im Bundesgebiet auf. Die Rückkehrentscheidung greift sohin in das Familienleben des Beschwerdeführers ein und ist somit bei der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat. Seinem Interesse an einer Fortsetzung dieses Familienlebens steht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber.
Das Gewicht des Familienlebens des Beschwerdeführers wird schon dadurch relativiert, dass es in Österreich in Kenntnis des unerlaubten Aufenthaltes besteht. Das ist schon daraus ersichtlich, dass er sich jahrelang an den 90-tägigen visumfreien Aufenthalt hielt und immer wieder in den Herkunftsstaat zurückkehrte. Es war die Entscheidung der Familie, dass Söhne und Ehefrau ihren Lebensmittelpunkt in Österreich suchten und der Beschwerdeführer sich um die Landwirtschaft seiner Eltern kümmerte und damit für die soziale Basis seiner Familie erhielt, die von den Familienmitgliedern in Anspruch genommen wurde und wird.
Unstrittig leidet der Beschwerdeführer an den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des 2015 erlittenen Schlaganfalls und wird er von seiner Ehefrau bei der Bewältigung des Alltages unterstützt. Es wurde jedoch im Verfahren nicht dargelegt, warum diese Pflege nicht im Herkunftsstaat erfolgen kann. Es ist auch nicht erkennbar, dass eine medizinische Versorgung nicht im Herkunftsstaat bestehen würde. Dies gilt umso mehr, da auch die Eltern des Beschwerdeführers in Serbien leben und von mehreren Verwandten gepflegt werden.
Im vorliegenden Fall könnte sich daher eine zeitweilige Trennung des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin ergeben. Eine Trennung von einem österreichischen oder in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartner ist alleine wegen eines unrechtmäßigen Aufenthaltes inach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verhältnismäßig. Eine solche Trennung ist im Ergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den „Familiennachzug“ (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0199).
Da der Beschwerdeführer ohne Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet einreiste und hier letztendlich für sechs Jahre verblieb, obwohl er wusste, dass er sich nur während der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer in Österreich aufhalten durfte, liegt eine von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über den Familiennachzug vor. In dieser Konstellation führt auch eine aufrechte Ehe mit einer in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartnerin nicht dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Abstand genommen und ein Verbleib des Beschwerdeführers akzeptiert werden muss. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 08.07.2021, Ra 2021/20/0226).
Außerdem ist gegenständlich festzuhalten, dass es am Beschwerdeführer und seiner Ehefrau gelegen wäre, eine zeitweilige Trennung so kurz wie möglich zu gestalten bzw. eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Österreich zu ermöglichen. So ist es dem Beschwerdeführer jedenfalls zumutbar, den österreichischen fremdenrechtlichen Bestimmungen entsprechend einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei der österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland zu stellen (§ 21 NAG). Dazu ist festzuhalten, dass keine Umstände hervorgekommen sind, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich sein sollte, zur Legalisierung eines längerfristigen Aufenthalts in Österreich zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner Ehegattin, seinen Kindern und seinen Enkelkindern einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG zu stellen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein solcher Antrag grundsätzlich auch im Falle einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung gestellt werden kann, nachdem der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist (§ 11 Abs. 1 Z 3 NAG).
Darüber hinaus liegen keinerlei Anhaltspunkte dahingehend vor, dass es der Ehegattin des Beschwerdeführers allenfalls nicht möglich oder zumutbar wäre, den familiären Kontakt mit dem Beschwerdeführer über diverse Kommunikationsmittel oder durch regelmäßige wechselseitige Besuche im Herkunftsstaat bzw. des Beschwerdeführers in Österreich während der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts aufrechtzuerhalten. Dass der Beschwerdeführer durch seine gesundheitlichen Einschränkungen nicht reisefähig wäre, wurde nicht vorgebracht.
Auch wurde nicht dargelegt, warum die Ehefrau des Beschwerdeführers, eine pensionierte serbische Staatsangehörige, den Beschwerdeführer nicht bei einer Rückkehr nach Serbien begleiten könnte. Danach befragt gab sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nur an: „Das Gesundheitssystem in Österreich ist besser als in Serbien und meine Kinder und Enkel leben hier“. Da die Kinder der Beschwerdeführerin bereits erwachsen sind und nicht im gemeinsamen Haushalt leben, schließt dieses Vorbringen eine gemeinsame Rückkehr mit dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht aus.
Zu den gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass diese nicht akut lebensbedrohlich sind und nach den getroffenen Länderfeststellungen eine angemessene Behandlung in Serbien jedenfalls möglich ist. Dazu ist auch auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 21.07.2021, Ra 2021/18/0208). Davon kann gegenständlichen jedenfalls nicht gesprochen werden.
Den familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).
Nach Maßgabe der durchzuführenden Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen. Da eine Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist, kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht behauptet.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen bei bestehendem Familienleben sowie bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen auseinander.
Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe freiwillige Ausreise Frist illegaler Aufenthalt Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2232832.2.00Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022