TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/2 95/21/0154

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Veröffentlicht am 02.10.1996
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
StGB §43;
StGB §83;
StGB §84 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des S in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. Juli 1994, Zl. St 161/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 25. Juli 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, u.a. gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 1 und den § 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen. Begründet wurde dieser Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer, der am 18. Dezember 1989 als Tourist nach Österreich eingereist sei und unter Mißachtung des damals bestandenen Sichtvermerksabkommens eine Beschäftigung aufgenommen habe, mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23. November 1993 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten teilbedingt rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe im März 1992 geheiratet, wobei es bereits kurz nach Verehelichung mehrfach zu Ehestreitigkeiten mit Tätlichkeiten gekommen sei. Auch die schwere Körperverletzung sei im Zuge einer Auseinandersetzung mit dem Onkel des Beschwerdeführers wegen eines Streites mit seiner Ehegattin gesetzt worden. Seit Oktober 1992 wohne der Beschwerdeführer von seiner Ehegattin getrennt. Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG habe als bestimmte Tatsache im Sinn des § 18 Abs. 1 leg. cit. insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Linz zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt, verurteilt worden.

"Zufolge der unwiderleglichen Rechtsvermutung des § 18 Abs. 2 FrG" sei daher die Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit gefährde; weitere Tatsachen bräuchten nicht mehr hinzuzutreten, "da sonst das Abstellen auf eine Verurteilung im Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sinnlos wäre".

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erscheine zur Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten. Der Umstand, daß es bereits kurz nach Verehelichung mehrfach zu Ehestreitigkeiten mit Tätlichkeiten gekommen sei, lasse auf eine ungünstige Zukunftsprognose schließen. Es hätten sich beim Beschwerdeführer "Charaktermängel gezeigt, die trotz der bereits erfolgten Trennung von der Gattin" seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet als eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit erscheinen ließen. Die Art des Deliktes sowie die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe führe im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis, daß die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wöge als die gegenteiligen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib in Österreich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die Beschwerde bekämpft die Auffassung der belangten Behörde, daß aufgrund der gerichtlichen Verurteilung wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung die Annahme gerechtfertigt sei, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Sicherheit. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bestehe keine zwingende Rechtsfolge dahingehend, daß bei Vorliegen des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG jedenfalls die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gegeben und deshalb ein Aufenthaltsverbot gerechtfertigt sei. Hätte die belangte Behörde eine entsprechende Prüfung durchgeführt, so wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß die begangene Straftat durch eine schwere psychische Belastung im Zuge der Ehekrise des Beschwerdeführers ausgelöst worden sei. Auch das Gericht habe durch Gewährung der teilbedingten Strafnachsicht zu erkennen gegeben, daß es die Androhung des Vollzuges der restlichen Freiheitsstrafe als ausreichend ansehe, um den Beschwerdeführer von weiteren Straftaten abzuhalten. Der Beschwerdeführer sei bereits seit 1989 in Österreich aufhältig und gehe einer geregelten Arbeit nach; von seiner Ehegattin, die sich nunmehr in Deutschland aufhalte, lebe er seit dem der Verurteilung zugrundeliegenden Vorfall ohnehin getrennt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der erstatteten Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährde. Entgegen der Annahme der belangten Behörde besteht somit keine "unwiderlegliche Rechtsvermutung", daß bei Vorliegen eines der im § 18 Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme bereits erfüllt wäre. § 18 Abs. 1 FrG ordnet vielmehr an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0145). Der Beschwerdeführer wurde aber durch diese unrichtige Rechtsauffassung nicht in seinen Rechten verletzt, weil im Ergebnis die Annahme der belangten Behörde, das Verhalten des Beschwerdeführers begründe die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme, durchaus zutreffend ist: Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er vom Landesgericht Linz wegen des Vergehens der vorsätzlichen schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 2 Z. 1 StGB ("mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist") verurteilt worden ist, wobei die belangte Behörde nach der aktenkundigen Strafanzeige davon ausgegangen war, daß der Beschwerdeführer seinem Opfer mit einem Messer in die Brust bzw. Bauchgegend gestochen hatte. Weiters nahm die belangte Behörde unbekämpft an, daß der Beschwerdeführer im Zuge von Ehestreitigkeiten bereits mehrfach gewalttätig geworden war. Wenn die belangte Behörde daraus (wenn auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des §§ 19 FrG) die für den Beschwerdeführer nachteilige Prognose für die Zukunft angestellt hat, er könnte ungeachtet der Trennung von seiner Ehegattin wieder straffällig werden, kann die darin gelegene Wertung im Zusammenhang mit der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die gemäß § 18 Abs. 1 FrG vorzunehmende Prognose kann in der Regel nur aufgrund von in der Vergangenheit liegenden Tatsachen erstellt werden. Die der maßgeblichen Verurteilung nach den §§ 83, 84 Abs. 2 Z. 1 StGB zugrundeliegende Straftat stellt zweifellos ein Fehlverhalten dar, das eine gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit begründet. Die dieser schweren Körperverletzung nur kurze Zeit vorangegangenen Tätlichkeiten im Zuge von Ehestreitigkeiten zeigen verstärkt auf, daß der Beschwerdeführer vor dem Einsatz von die körperliche Integrität anderer mißachtender (zum Teil sehr erheblicher) Gewalt nicht zurückschreckt. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer bis Dezember 1993 nach seiner sichtvermerksfreien Einreise im Dezember 1989 regelmäßig gearbeitet hat, läßt die aus dem Verhalten des Beschwerdeführers im Bescheid gezogene (in der Gegenschrift näher dargelegte) Schlußfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könnte bei einer neuerlichen persönlichen Krise wiederum ein derartiges, mit einem erheblichen Sicherheitsrisiko verbundenes, Verhalten setzen, nicht als unschlüssig erscheinen. Da der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde konkret aufzeigt, welche anders lautenden Sachverhaltsfeststellungen bei Einholung des maßgeblichen Gerichtsaktes zu treffen gewesen wären, kann in der Nichtbeischaffung dieses Gerichtsaktes kein relevanter Verfahrensfehler gesehen werden. Der Umstand, daß das Landesgericht Linz die Freiheitsstrafe teilweise bedingt nachgesehen hat, war für die belangte Behörde bei Prüfung der Frage, ob die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, nicht entscheidungsrelevant (vgl. etwa hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1170). Die seit der Verurteilung verstrichene Zeit des Wohlverhaltens ist zu kurz, um davon ausgehend die Prognose erstellen zu können, der Beschwerdeführer werde psychisch ausreichend gefestigt sein, um künftig auftretende, nicht auszuschließende persönliche Belastungssituationen verkraften zu können und er werde nicht neuerlich ein Sicherheitsrisiko für die körperliche Integrität anderer Personen darstellen.

Da die Beschwerde darüber hinaus keine zusätzlichen Ausführungen gegen die Annahme der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des §§ 19 und 20 FrG enthält, sich insbesondere auch nicht konkret gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes wendet, bedarf es keiner detaillierteren Auseinandersetzung in dieser Hinsicht. Die belangte Behörde hat zutreffend (unter dem Gerichtspunkt des § 19 FrG) auf die Schwere des vom Beschwerdeführer begangenen Deliktes verwiesen. Im Rahmen des § 20 FrG kann der Beschwerdeführer lediglich auf die mit seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit Dezember 1989 und seiner Beschäftigung bis Dezember 1993 verbundene Integration verweisen; darüber hinaus verfügt er über keine Bindungen in Österreich. Demgemäß stößt auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Abwägung auf keine Bedenken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 FrG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210154.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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