TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/8 I411 2168659-1

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I411 2168659-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 04.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.08.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise am 28.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie damit begründete, dass ihre Mutter XXXX und ihr Vater bei einer Sekte (Cults) sei. Es sei Tradition, die erste Tochter der Sekte zu vermachten. Ihre Mutter habe sie nach 3 Monaten vom Vater weggenommen. Sie sei von ihrem Vater und ihrer Familie gesucht worden, da ihnen dies nicht gefallen habe. Ihre Mutter habe sie zu ihrer Tante geschickt und sie habe nicht zurück dürfen. Ein Freund von ihr habe die Ausreise nach Niger vermittelt und so weiter. Von ihrer Mutter habe sie erfahren, dass sie mit dem Tode bedroht werde. Persönlich sei sie nicht bedroht worden.

2. Am 24.07.2017 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als Bundesamt oder belangte Behörde bezeichnet) niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme erstattete sie folgendes Fluchtvorbringen;

„Ich hatte Probleme wegen der Familie und dem Vater. Als ich drei Monate alt war, hat meine Mutter meinen Vater verlassen. Meine Mutter sagte, mein Vater wäre kein Christ gewesen. Weil ich die erste Tochter wäre, hätte ich zu ihm, irgendwas Vodoo gehen müssen. Mein Vater und seine Familie suchten mich. Meine Mutter musste von einem Haus zum nächsten ziehen. Mein Vater und seine Familie kamen nach Hause um mich zu finden, ich war nicht zu Hause. Meine Mutter rief mich an und sagte, ich soll nicht nach Hause kommen, ich soll zu meiner Tante gehen. Mein Vater und seine Familie haben mich auch bei der Tante gesucht. Eine Freundin hat mich kontaktiert, die war auf dem Weg nach Europa. Sie sagte, sie könne mir helfen. Ich ging mit ihr gemeinsam nach Niger, hatte aber dann kein Geld mehr, deswegen hat sie mich verlassen. Dann habe ich zwei Monate gearbeitet und habe Niger verlassen.“

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.08.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. erster Satz), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. zweiter Satz) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III. dritter Satz) und die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die im vollen Umfang erhobene Beschwerde vom 18.08.2017.

Inhaltich wird vorgebracht, dass die Sekte, welcher der Vater der Beschwerdeführerin angehöre, die erste Tochter aus religiösen Gründen opfere, weil diese sich durch die Opfergabe an die Götter unter anderem finanziellen Segen erhoffen würden und es außerdem üblich sei, Töchter durch „Juju“ unter Druck zu setzen und an Menschenhändler verkauft zu werden, um sich zu prostituieren.

Die belangte Behörde habe sich mit den herangezogenen Länderfeststellungen überhaupt nicht auseinandergesetzt, obwohl diese die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens in Bezug auf die Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der erstgeborenen Töchter von Sektenmitgliedern durch ihren Vater, dessen Familie und andere Mitglieder der Sekte („Kult“) untermauern würden.

Eine Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates könne im Falle der Beschwerdeführerin nicht angenommen werden, da der Staat bei Verbrechen im Zusammenhang mit religiösen Praktiken untätig bleibe und hochrangige Politiker oder sonstige mächtige Personen Mitglieder von solchen Sekten seien. Der Beschwerdeführerin stünde ebenfalls keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, insbesondere, weil sie als alleinstehende Frau ohne soziales Netz in anderen Teilen Nigerias, die von anderen Volksgruppen bewohnt seien, keinerlei Chance hätte, sich selbst ihren Lebensunterhalt zu sichern und Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt und sexuellen Übergriffen werden würde.

Außerdem hätte der Beschwerdeführerin zumindest ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG gewährt werden müssen.

5. Mit Schriftsatz vom 22.08.2017 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

6. Am 26.08.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, Staatsangehörige von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie gehört der Volksgruppe der Edo an. Ihre Identität steht nicht fest.

Sie ist gesund und arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin stammt aus Benin City. Sie besuchte in Nigeria 12 Jahre lang eine Schule und sicherte sich ihren Lebensunterhalt, indem sie in einem Geschäft als Verkäuferin arbeitete. Über eine spezifische Berufsausbildung verfügt sie nicht. Mit ihrer Mutter, die nach wie vor in Nigeria lebt, steht sie telefonisch in Kontakt. Auch weitere Verwandte der Beschwerdeführerin, unter anderem ihre Schwester, ihr Bruder, ihre Tante und drei Onkeln, leben in Nigeria. Im Falle der Rückkehr kann sie mit einer Unterstützung durch ihre Mutter rechnen.

Im November 2015 reiste sie aus Nigeria in den afrikanischen Staat Niger aus, wo sie einer Erwerbstätigkeit nachging und sich dadurch die Weiterreise nach Libyen finanzieren konnte. Über Libyen gelangte sie nach Italien und von dort aus reiste sie anschließend weiter nach Österreich. Zumindest seit dem Tag der Asylantragstellung bzw. dem 28.09.2016 hält sie sich im Bundesgebiet auf.

Sie ging in Österreich bislang keiner erlaubten und der Pflichtversicherung unterliegenden Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Einmal arbeitete sie als Prostituierte in einem Nachtlokal bzw. in der XXXX Bar, wobei sie dabei über keine eigene Kontrollkarte verfügte, sondern die „grüne Karte“ einer anderen Person benützte.

Während ihre Aufenthalts setzte die Beschwerdeführerin erste Integrationsschritte. Sie absolvierte eine Integrationsprüfung bestehend aus Werte und Orientierungswissen und Inhalten zur deutschen Sprachkompetenz auf Niveau A2. Im Zeitraum vom 21.01.2019 bis 01.02.2019 besuchte sie einen Kompetenzworkshop für erwachsene AsylwerberInnen und von 23.02.2021 bis 05.05.2021 absolvierte sie ein Arbeitstraining in einem Nähwerkshop. Zuletzt nahm sie einen Monat lang an einem Vorbereitungskurs für die am 01.09.2021 stattfindende Integrationsprüfung B1 teil, für welche sie sich angemeldet hat.

Außerdem lernte die Beschwerdeführerin auf einer Geburtstagsfeier im Jahr 2017 einen österreichischen Staatsangehörigen namens XXXX kennen, mit dem sie befreundet ist und der sie ab und zu finanziell unterstützt.

Im Gebiet der Mitgliedstaaten verfügt sie über keine Verwandten und abgesehen von ihrem Freund XXXX über keine maßgeblichen privaten Beziehungen. Sie ist in Österreich nicht vorbestraft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin wird in Nigeria nicht von einer Sekte bzw. einem Kult und ihrem Vater verfolgt.

Im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria wird sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) entgegenstünden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass sie bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Nigeria ausgesetzt wäre.

1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:

2        COVID-19

Letzte Änderung: 23.11.2020

Die COVID-19-Situation in Nigeria ist nach wie vor angespannt. Die veröffentlichten absoluten Zahlen an bisherigen Infizierten (rund 62.000) geben angesichts der geringen Durchtestung der 200-Millionen-Bevölkerung ein verzerrtes Bild. Aussagekräftiger ist der Anteil der positiven Fälle gemessen an der Zahl der durchgeführten Tests. Dieser lag im Oktober 2020 landesweit bei mehr als drei Prozent, in der Metropole Lagos hingegen bei etwa 30 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen noch nicht die Auswirkung der #EndSARS-Proteste, bei denen von den Demonstrierenden praktisch keine Schutzvorkehrungen gegen COVID-19 getroffen worden sind. Ein Anstieg an positiven Fällen ist hauptsächlich in der Südwestzone des Landes zu beobachten. In einigen Bundesstaaten herrscht überhaupt Skepsis an der Notwendigkeit von COVID-19- Maßnahmen. Die allgemeine Risikowahrnehmung und die Nachfrage nach Tests sind gering (ÖB 10.2020).

In Nigeria gibt es wie in anderen afrikanischen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden (Africa CDC 13.10.2020). Anfang September 2020 wurde die Phase 3 der Restriktionen im Zusammenhang mit der Coronakrise in Kraft gesetzt. Die Ausgangssperre gilt im ganzen Land nun von Mitternacht bis vier Uhr. Meetings bis zu maximal 50 Personen sind gestattet. In Lagos dürfen Restaurants, Klubs und Kirchen etc. unter bestimmten Auflagen öffnen (WKO 25.9.2020).

Seit 2020 ist die nigerianische Wirtschaft aufgrund des erneuten Verfalls des Rohölpreises sowie der massiven wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie wieder geschwächt. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden sein wird, ist bislang noch nicht abzuschätzen (GIZ 6.2020). Für 2020 wird aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Nigeria und der drastisch gesunkenen Erdölpreise mit einer Schrumpfung des nigerianischen BIP um 4,4 Prozent gerechnet. In der 2. Jahreshälfte 2020 ist jedoch ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wachstum von 2,2 Prozent erwartet (WKO 14.9.2020).

Anm.: Diese Informationen zu COVID-19 sind zum Teil ebenfalls in den Kapiteln Bewegungs-freiheit, medizinische Versorgung und Grundversorgung eingepflegt.

Quellen:

•        AfricaCDC - Africa Centres for Disease Control and Prevention (13.10.2020): Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) - Latest updates on the COVID-19 crisis from Africa CDC, https://africacdc.org/covid-19/, Zugriff 13.10.2020

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2020): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.10.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, htt- ps://www.ecoi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020

•        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (25.9.2020): Coronavirus: Situation in Nigeria - Aktuelle Informationen und Info-Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/co ronavirus-info-nigeria.html, Zugriff 13.10.2020

•        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (14.9.2020): Die nigerianische Wirtschaft, https: //www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html, Zugriff 13.10.2020

4        Sicherheitslage

Letzte Änderung: 23.11.2020

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt (AA 16.1.2020; vgl. FH 4.3.2020); sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vgl. EASO 11.2018a) und Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a; vgl. Garda 23.6.2020). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vgl. AA16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a) bzw. kommt es seit Jänner 2018 zu regelmäßigen Protesten des IMN in Abuja und anderen Städten, die das Potential haben, in Gewalt zu münden (UKFCDO 26.9.2020). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im „Middlebelt" kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra") bleibt jedoch latent konfliktanfällig. Die separatistische Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) ist allerdings derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflik¬te zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 8.10.2020).

Anfang Oktober 2020 führte eine massive Protestwelle zur Auflösung der Spezialeinheit SARS am 11.10.2020 (Guardian 11.10.2020). Die Einheit wurde in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt und seine Beamten sollen einer zusätzlichen Ausbildung unterzogen werden. Die Protestwelle hielt jedoch an (DS 16.10.2020). Mit Stand 26.10.2020 war das

Ausmaß der Ausschreitungen stark angestiegen. Es kam zu Gewalt und Plünderungen sowie zur Zerstörung von Geschäften und Einkaufszentren. Dabei waren bis zu diesem Zeitpunkt 69 Menschen ums Leben gekommen - hauptsächlich Zivilisten, aber auch Polizeibeamte und Soldaten (BBC News 26.10.2020).

In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 8.10.2020).

In der Zeitspanne September 2019 bis September 2020 stechen folgende nigerianische Bun-desstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.085), Kaduna (894), Zamfara (858), und Katsina (644). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (4), Kano (6), Jigawa (15) (CFR 2020).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019), https://www.ecoi.net/en/file/lo- cal/2025287/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_- abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_- 2019%29%2C_16.01.2020.pdf, Zugriff 18.11.2020

•        AA-Auswärtiges Amt (16.4.2020): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise

(Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-n ode/nigeriasicherheit/205788#content_5,16.4.2020

•        BBC News (26.10.2020): Nigeria protests: Police chief deploys ’all resources’ amid street violence, https://www.bbc.com/news/world-africa-54678345, Zugriff 28.10.2020

•        CFR - Council on Foreign Relations (2020): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/ nigeria/nigeria-security-tracker/p29483 , Zugriff 8.10.2020

•        DS - Der Standard (16.10.2020): Berüchtigte „Sars“-Polizeieinheit in Nigeria nach Protes-ten abgeschafft, https://www.derstandard.at/story/2000120951836/beruechtigte-sars-pol izeieinheit-in-nigeria-nach-protesten-abgeschafft, Zugriff 28.10.2020

•        EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_C OI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 16.4.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 - Nigeria, https://www.ecoi .net/de/dokument/2035799.html , Zugriff 30.9.2020

•        Garda - Gardaworld (23.6.2020): Nigeria: Gunmen attack village in Zamfara State on June 20, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/353501/nigeria-gunmen-attack-viNage-in -zamfara-state-on-june-20 , Zugriff 8.10.2020 (siehe „context“)

•        Guardian, The (11.10.2020): Nigeria to disband Sars police unit accused of killings and brutality, https://www.theguardian.com/world/2020/oct/11/nigeria-to-disband-sars-police -unit-accused-of-killings-and-brutality, Zugriff 28.10.2020

•        UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office (26.9.2020): Foreign travel advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 8.10.2020

12       Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 23.11.2020

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grund-rechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur „Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet (AA 16.1.2020).

Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert (AA 24.5.2019a; vgl. GIZ 9.2020a), vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit (GIZ 9.2020a). Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden. Die Gleichstellung von Angehörigen sexueller Minderheiten wird gesetzlich verweigert, homosexuelle Handlungen sind mit schweren Strafen belegt (AA 24.5.2019a). Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Angehörige der nigerianischen Polizei und Armee sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen (GIZ 9.2020a). Zu den schwerwiegendsten Menschenrechtsproblemen gehören zudem u.a. rechtswidrige und willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und willkürliche Inhaftierung sowie substanzielle Eingriffe in die Rechte auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit (USDOS 11.3.2020).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten führten zu Amputations- und Steinigungsurteilen. Die wenigen Steinigungsurteile wurden jedoch jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben; auch Amputationsstrafen wurden in den vergangenen Jahren nicht vollstreckt (AA 16.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Die Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, und diese sind auch in der Verfassung als einklagbar verankert. Dessen ungeachtet bleiben viele Probleme ungelöst, wie etwa Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen sowie das Problem des Frauen- und Kinderhandels. Daneben ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger gegen Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht keineswegs verlässlich gesichert und besteht weitgehend Straflosigkeit bei Verstößen der Sicherheitskräfte und bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (ÖB 10.2019).

Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv (GIZ 9.2020a).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019), https://www.ecoi.net/en/file/localZ2 025287/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschie berelevante_LageJn_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2019%29 %2C_16.01.2020.pdf, Zugriff 18.11.2020

•        AA-Auswärtiges Amt (24.5.2019a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt .de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844http://www.auswaertiges-amt.de/DE /Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 30.9.2020

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020a): Nigeria - Ge-schichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html , Zugriff 30.9.2020

•        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ec oi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020

•        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practi- ces 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html , Zugriff 9.4.2020

17.3    Naturreligionen und Juju

Letzte Änderung: 17.11.2020

Die traditionellen Religionen erleben derzeit eine Art Renaissance. Je nach Volksgruppe glaubt man an Erdgeister, Wassergötter, Ahnengeister, Gottheiten, Magie und Zauberei. Bei den Volksgruppen im Süden Nigerias ist der Juju-Glaube ausgeprägt, in dessen Zentrum Juju als magische Zauberkraft steht. Erscheinungsformen sind Juju-Wälder, Juju-Flüsse, Juju-Pflanzen, Juju-Bäume oder auch Gegenstände wie Amulett und Talisman. Trotz der Akzeptanz von Christentum und Islam sucht die breite Mehrheit der nigerianischen Bevölkerung im Juju Schutz vor fremden Mächten. Die nominelle Zugehörigkeit zu einer etablierten Religion bedeutet für viele Nigerianer keineswegs die Aufgabe ihrer traditionellen Religion (GIZ 9.2020b). Juju ist ein Ausdruck für verschiedene Kultpraktiken, die in Teilen Nigerias in einer Sphäre von Religion, Kriminalität und Politik praktiziert werden. Juju wird hauptsächlich im Verborgenen ausgeübt und es gibt unterschiedliche lokale Praktiken; daher liegen zu Juju-Kulten nur wenige Informationen vor, und diese unterscheiden sich häufig voneinander (ACCORD 25.4.2019).

Theoretisch könnte es schwierig oder gar gefährlich sein, wenn eine Person die Übernahme der Rolle eines Priesters, Kräuterkundigen oder ähnliches verweigert. Praktisch sind aber keine Fälle bekannt, wonach das Priestertum irgendwem aufgezwungen worden wäre, oder dass Verweigerer bedroht oder Gewalt ausgesetzt wurden. Ein Nachfolger, der Interesse und Eignung für die vorgesehene Rolle hat, ist erwünscht. Die Rekrutierung für solche Positionen kann unterschiedlich ablaufen, impliziert jedoch eine lange Zeit des Lernens und der Ausbildung. Es muss nicht notwendigerweise der älteste Sohn sein, der die Rolle des Oberpriesters übernimmt. Eine Verweigerung der Nachfolge des Oberpriesters wird nicht als Affront gegen den Schrein gesehen (EASO 6.2017). Menschenhändler benutzen Juju und andere traditionelle Schwur-Rituale, um Opfer von Menschenhandel, einschließlich Kinder, zu kontrollieren (ACCORD 25.4.2019).

Quellen:

•        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documenta- tion (25.4.2019): Anfragebeantwortung zu Nigeria: Informationen zu Juju (Organisation und Netzwerke) [a-10976-1], https://www.ecoi.net/de/dokument/2007894.html , Zugriff 15.4.2020

•        EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-co untry-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 16.11.2018

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020b): Nigeria - Ge-sellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 2.10.2020

17.4    „Kulte“ und Geheimgesellschaften

Letzte Änderung: 23.11.2020

Der Begriff „Kult" ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension, die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Bandbreite reicht von den Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten (UK- HO 12.2013; vgl. EASO 6.2017; EASO 11.2018b). „Kulte" und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden (UKHO 12.2013; vgl. EASO 6.2017). Studentenkulte sind hauptsächlich in den südlichen Bundesstaaten Nigerias aktiv, insbesondere in den Bundesstaaten Rivers, Bayelsa, Delta und Edo (EASO 2.2019; vgl. ACCORD 25.4.2019). Geheime Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes (UKHO 12.2013; vgl. EASO 6.2017). Vor allem junge Männer sind angehalten, sich zu ihrem eigenen Schutz Kulten anzuschließen, beziehungsweise werden sie durch Gruppenzwang dazu gebracht, dies zu tun. Viele Menschen treten „Kulten" bei, da diese mit Macht, Reichtum und Ansehen in der Gesellschaft verbunden werden (DFAT 9.3.2018).

Kulte, die auf den Straßen Nigerias oder in den höheren Schulen präsent sind, zeichnen sich durch Handlungsweisen aus, die eher jenen von kriminellen Banden als jenen von religiösen Gruppen ähneln (DFAT 9.3.2018; vgl. EASO 2.2019). Einige der bekanntesten Kulte sind „Black Axe" und „Eiye". Studentenkulte sind von gewalttätigen Initiationsriten (EASO 2.2019; vgl. DFAT 9.3.2018) und illegalen Aktivitäten wie Tötungen, Menschenhandel, Drogenhandel, Schmuggel, Erpressung, Entführung und Zwangsrekrutierung geprägt. Zwischen 2006 und 2014 gab es in Zusammenhang mit Studentenkulten 1.863 Todesfälle. Im Jahr 2017 gab es in diesem Zusammenhang 442 Todesopfer und 290 Opfer von Entführungen. Politische Parteien rekrutieren häufig Kultmitglieder und benutzen diese, um politische Gegner zu töten oder anzugreifen oder um sie bei Wahlen Gewalt ausüben zu lassen (EASO 2.2019; vgl. ACCORD 25.4.2019). Im Jahr 2018 gab es 446 Todesopfer in 153 Vorfällen im Zusammenhang mit Kulten. Die relativ höchste Anzahl von Toten im Zusammenhang mit Kulten war im Niger Delta feststellbar (Bundesstaaten Bayelsa, Rivers, Edo, Delta) (IFRA 15.3.2019).

Mafiöse „Kulte" prägen - trotz Verboten - das Leben auf den Universitäts-Campussen. So kommt es etwa zu Morden und Vergewaltigungen in Studentenheimen (ÖB 10.2019). Die mafiöse Strukturen aufweisenden „Kulte" pflegen gewaltsame Initiationsriten und sind oft in illegale Aktivitäten verwickelt. Nach anderen Angaben sind „Kulte" eher als Jugendbanden zu bezeichnen (EASO 11.2018b). Die Bandenmitglieder bleiben anonym und sind durch einen Schwur gebunden. Heute sind „Kulte" eines der am meisten gefürchteten Elemente der Gesellschaft (FFP 10.12.2012; vgl. EASO 6.2017). „Kulte" schrecken auch vor Menschenopfern nicht zurück, was zu häufigen Meldungen über den Fund von Körperteilen bei ,Ritualists‘ führt (ÖB 10.2019). Die Bundesregierung hat die Rektoren angewiesen, gegen die von „Kulten" ausgehende Gewalt an den Universitäten Maßnahmen zu setzen, darunter z.B. Aufklärungskampagnen sowie Sanktionen gegen „Kult"-Mitglieder (IRB 3.12.2012; vgl. EASO 6.2017). Das Secret Cult and Similar Activities Prohibition Gesetz aus dem Jahr 2004 verbietet ca. 100 „Kulte", darunter kriminelle Banden sowie: spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle (UKHO 1.2013; vgl. EASO 6.2017; EASO 11.2018b).

Die Aktivitäten der Studentenkulte sind üblicherweise auf die betroffene Universität beschränkt, manche unterhalten aber Zweigstellen an mehreren Universitäten (VA116.11.2015). Eine Mitgliedschaft bei einer (studentischen) Bruderschaft zurückzulegen ist schwierig (EASO 11.2018b; vgl. FFP 10.12.2012; EASO 6.2017). Es wurden auch schon Mitglieder getötet, die dies versucht hatten (FFP 10.12.2012; vgl. EASO 6.2017). Nach anderen Angaben ist der Einfluss der „Kulte" nicht mehr so groß wie früher. Es ist ein Fall bekannt, wo ein Konflikt mit einem solchen „Kult" ohne Konsequenzen gelöst werden konnte (EASO 11.2018b). Nach ex-Mitgliedern wird selten gesucht und wenn doch, dann wird eine erfolglose Suche nach zwei oder drei Monaten abgebrochen (VA116.11.2015). Auch religiösen Kulten kann man sich durch Flucht entziehen, sie sind nicht in der Lage, eine Person in ganz Nigeria zu verfolgen (VA2 16.11.2015). „Kulte" greifen generell niemanden an, der nicht selbst in Kult-Aktivitäten involviert ist (VA116.11.2015). Personen, die sich vor derartigen Gruppierungen fürchten, können entweder Schutz erhalten oder aber eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen (UKHO 12.2013).

Quellen:

•        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documenta- tion (25.4.2019): Anfragebeantwortung zu Nigeria: Informationen zu Juju (Organisation und Netzwerke) [a-10976-1], https://www.ecoi.net/de/dokument/2007894.html , Zugriff 15.4.2020

•        DFAT -Australian Government-Department of Foreign Affairs and Trade (9.3.2018): DFAT Country Information Report Nigeria, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-in formation-report-nigeria.pdf, Zugriff 15.4.2020

•        EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria; Guidance note and common analysis, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidanc e_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 15.4.2020

•        EASO - European Asylum Support Office (11.2018b): Country of Origin Information Report - Nigeria - Targeting of individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EAS O_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf, Zugriff 15.4.2020

•        EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-co untry-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 15.4.2020

•        FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants: Assessing Conflict in Nigeria, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/cungr1215-unlocknigeria- 12e.pdf, Zugriff 15.4.2020

•        IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (3.12.2012): The Black Axe confraternity, also known as the Neo-Black Movement of Africa, including their rituals, oaths of secrecy, and use of symbols or particular signs; whether they use force to recruit individuals (2009- November 2012), http://www.refworld.org/docid/50ebf7a82.htmlhttp://www.refworld.org/d ocid/50ebf7a82.html , Zugriff 15.4.2020

•        IFRA- French Institute for Research in Africa (15.3.2019): Nigeria Watch - Eight Report on Violence in Nigeria, Quellenlink funktioniert nicht, Quelle bei der Staatendokumentation abgelegt

•        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ec oi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020

•        UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 15.4.2020

•        UKHO - United Kingdom Home Office (1.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1359554590_nigeriaogn.pdf, Zugriff 15.4.2020

•        VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

•        VA2 - Vertrauensanwalt 2 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

19.1    Frauen

Letzte Änderung: 23.11.2020

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 16.1.2020), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 11.3.2020). Frauen werden in der patriarchalen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts¬ und Lebensbereichen benachteiligt, v.a. dort, wo traditionelle Regeln gelten (AA 16.1.2020).

So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 16.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwen-zeremonien über sich ergehen lassen. Z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt. Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 16.1.2020). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden (BS 2020; vgl. LHRL 9./10.2019).

Frauen ist es in Nigeria gesellschaftlich nicht zugedacht, Karriere zu machen. Männer gelten als Versorger der Familie (WRAPA 9./10.2019). Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen kaum eine Rolle. Jene mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Ar-beitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz, z.B. eine Richterin beim Obersten Gerichtshof und die Finanzministerin (BS 2020).

Üblicherweise ist es für Frauen und alleinstehende Mütter möglich, Arbeit zu finden (WRAPA 9.10.2019; vgl. EMB A 9./10.2019; EMB B 9./10.2019). Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (EMB A9./10.2019). Demgegenüber stehen eine hohe Arbeitslosigkeit und ein geringes Jobangebot (WRAPA 9./10.2019; vgl. EMB B 9./10.2019). Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert, während sie in der informellen Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielen (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, kör-perlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Mit Stand September 2019 ist das Gesetz in neun Bundesstaaten ratifiziert worden. Es ist im Federal Capital Territory (FCT) und den Bundesstaaten Anambra, Benue, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Kaduna und Oyo gültig, in anderen Bundesstaaten erst, sobald es dort verabschiedet wird (USDOS 11.3.2020). Bis dato [Stand: Oktober 2019] wurde noch kein Fall unter Anwendung des VAPP vor Gericht gebracht (WRAPA 9./10.2019).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert, die Polizei schreitet oft nicht ein. In ländlichen Gebieten zögern Polizei und Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht übersteigt. Ge-schlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen, bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von maximal drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 11.3.2020). Im Falle von häuslicher Gewalt kann sich das Opfer an die Polizei wenden, jedoch besteht das Risiko, dass die Betroffene wieder nach Hause geschickt wird (LHRL 9./10.2019; vgl. LNGO A 9./10.2019). Sollte eine Frau hingegen verletzt sein, würde der Ehemann inhaftiert werden (LHRL9./10.2019). Abuja verzeichnet die höchste Rate von häuslicher Gewalt, auch aus diesem Grund gibt es aber in Abuja viele von Frauen geführte Haushalte. Auch in anderen Städten wie Lagos oder Port Harcourt sind Frauen nun besser sensibilisiert und verlassen Beziehungen, in denen Missbrauch vorkommt. Sie können allerdings vermehrt Stalking, Gewalt oder gar Ermordung durch den Ex-Partner ausgesetzt sein. In ländlichen Gegenden ist die Sensibilisierung der Frauen weniger vorangeschritten und es ist für sie schwieriger, sich Gewalt in der Beziehung zu entziehen (WRAPA 9./10.2019).

Vergewaltigung steht unter Strafe. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft für Straftäter, die älter als 14 Jahre alt sind. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sorgen Schutzbeamte, die sich mit Gerichten koordinieren, dafür, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche Gerichte dazu ermächtigt, Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Da das VAPP bis dato aber nur in wenigen Bundesstaaten ratifiziert wurde, gelten in den meisten Vergewaltigungs-fällen bundesstaatliche strafrechtliche Regelungen. Vergewaltigungen bleiben weitverbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass eines von vier Mädchen und einer von zehn Buben vor dem 18. Geburtstag sexueller Gewalt ausgesetzt war (USDOS 11.3.2020).

Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 weibliche Genitalverstümmlung (FGM/C) auf nationaler Ebene (AA 16.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020; GIZ 9.2020b), dieses Gesetz ist aber bisher nur in einzelnen Bundesstaaten umgesetzt worden (AA 16.1.2020), nach anderen Angaben gilt es bis dato nur im FCT. 13 andere Bundesstaaten haben ähnliche Gesetze verabschiedet (US-DOS 11.3.2020; vgl. EASO 11.2018b). Die Regierung unternahm im Jahr 2019 keine Anstrengungen, FGM/C zu unterbinden (USDOS 11.3.2020). Andererseits wird mit unterschiedlichen Aufklärungskampagnen [Anm.: seitens NGOs] versucht, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Bei der Verbreitung gibt es erhebliche regionale Unterschiede. In einigen - meist ländlichen - Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd ist die Praxis weit verbreitet, im Norden eher weniger (AA 16.1.2020). Die Verbreitung von FGM ist jedenfalls zurückgegangen (NHRC 9./10.2019; vgl. LHRL 9./10.2019; WRAPA 9./10.2019). Während im Jahr 2013 der Anteil beschnittener Mädchen und Frauen noch bei 24,8 Prozent lag, waren es 2017 nur noch 18,4 Prozent (EASO 11.2018b).

Für Opfer von FGM/C bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM/C bedroht sind, gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs, wie wohl davon auszugehen ist, dass es schwierig ist, außerhalb des FCT staatlichen Schutz zu erhalten. Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit für alle vor, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Die Bewegungsfreiheit der Frauen und Kindern aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt (UKHO 8.2019). Je gebildeter die Eltern, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie ihre Kinder beschneiden lassen. Wenn der Vater die Mutter bei ihrer Weigerung, das gemeinsame Kind beschneiden zu lassen, unterstützt, dann können die Eltern dies auch verhindern. Allerdings gab es v.a. in der Vergangenheit Einzelfälle, wo Großeltern ein Kind beschneiden ließen (NHRC 9./10.2019).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019), https://www.ecoi.net/en/file/localy2 025287/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschie berelevante_LageJn_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2019%29 %2C_16.01.2020.pdf, Zugriff 18.11.2020

•        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.n et/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020

•        EASO - European Asylum Support Office (11.2018b): Country of Origin Information Report - Nigeria - Targeting of individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EAS O_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf, Zugriff 11.4.2019, S129ff

•        EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf , Zugriff 20.4.2020

•        EMB A - westliche Botschaft A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        EMB B - westliche Botschaft B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020b): Nigeria - Ge-sellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 2.10.2020

•        Iroko - Assoziazione onlus (21.3.2018): Oba of Benin (Edo State) revokes curses on victims of trafficking, http://www.associazioneiroko.org/slide-en/oba-of-benin-edo-state-re vokes-curses-on-victims-of-trafficking/, Zugriff 20.4.2020

•        LHRL - Lokaler Menschenrechtsanwalt (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        LNGO A- Repräsentantin der lokalen NGO A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        NHRC - National Human Rights Commission (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation

•        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ec oi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020

•        UKHO - United Kingdom Home Office (8.2019): Country Information and Guidance Nigeria: Nigeria:Female Genital Mutilation (FGM), https://assets.publishing.service.gov.uk/gover nment/uploads/system/uploads/attachment_data/file/825243/Nigeria_-_FGM_-_CPIN_- _v2.0__August_2019_.pdf, Zugriff 21.4.2020

•        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practi- ces 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html , Zugriff 20.4.2020

•        Vanguard (10.3.2019): Our gods will destroy you; Oba of Benin curse human traffickers, https://www.vanguardngr.com/2018/03/gods-will-destroy-oba-benin-curse-human-traffick ers/, Zugriff 20.4.2020

•        WRAPA-AnisaAri, Snr. Program Coordinator; Umma Rimi, Programme Officer, NGO Wo- men’s Rights Advancement and Protection Alternative (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

19.2    (Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Letzte Änderung: 15.06.2020

Gemäß zweier Quellen müssen Frauen, um einen Mietvertrag abzuschließen, einen männlichen Bürgen beibringen (WRAPA 9/10.2019; vgl. LNGO A 9/10.2019). Dies kann ein Freund, ein Kollege, oder ein Verwandter sein (WRAPA 9/10.2019). Gemäß einer anderen Quelle ist es für Frauen in Abuja kein Problem, alleine zu leben oder zu arbeiten (LNGO B 9/10.2019). Auch andere Quellen bestätigen, dass es für alleinstehende Frauen möglich ist, alleine zu leben und eine Wohnung zu mieten (EMB D 9./10.2019; vgl. EMB B 9/10.2019). Die Situation für alleinstehende Frauen ist allerdings schwierig. Sozialer Druck in Hinblick auf ein traditionelles Rollenbild besteht (WRAPA 9./10.2019). Üblicherweise ist es für Frauen und alleinstehende Mütter möglich, Arbeit zu finden (WRAPA 9.10.2019; vgl. EMB A9./10.2019; EMB B 9./10.2019). Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (EMB A 9./10.2019). Demgegenüber stehen eine hohe Arbeitslosigkeit und ein geringes Jobangebot (WRAPA 9.10.2019; vgl. EMB B).

Nigeria verfügt über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency forthe Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Re-habilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration (ÖB 10.2019). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschen-schmuggels zuständig, hat seit ihrer Gründung 2003 bis Ende 2018 die Verurteilung von 388 Schleppern erreicht sowie bis Ende 2018 13.533 Opfern von Menschenhandel geholfen (AA 16.1.2020). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem um 2.000 US-Dollar mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2019). Es gibt außerdem einige NGOs, die für zurückkehrende Frauen Unterstützung anbieten (EMB D 9./10.2019). Generell gibt es neben NAPTIP noch andere NGOs, welche über Frauenhäuser verfügen. Meist liegt der Fokus aber auf Menschenhandel (NHRC 9./10.2019). NAPTIP verfügt in Nigeria über mehrere Shelter, ver-mittelt Frauen aber auch an andere Organisationen - etwa MeCAHT oder WOTCLEF - weiter (NAPTIP 9./10.2019).

Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex-Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene „pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2019).

Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 16.1.2020).

Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit für alle vor, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Die Bewegungsfreiheit der Frauen und Kindern aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt (UKHO 8.2019). Auch im Allgemeinen dürfte der Wechsel des Wohnortes für alleinstehende Frauen ohne Zugang zu einem unterstützenden Netzwerk schwieriger sein (UKHO 3.2019).

Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:

African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: info@awegng.org (AWEG o.d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche, nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).

Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension byAkanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel: +234-8095757590, +234-9091333000, Email: wacoln ig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com , wacolenugu@wacolnigeria.org . WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).

Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), offAdeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, (+234) 818 005 6401, Email: womenadvocate@yahoo.com (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).

Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org (WHER o.d.a): WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.b).

The Women’s Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +234 8037190133, +234 8033347896, Email: wocon95@yahoo .com , info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönli-cher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).

Women’s Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.: 08188699961, 08172125692, 07063807887, Email:

Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com. WRAPA ist eine Organisation, die bun¬desweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

•        AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): AWEG - Contact Information, http: //www.awegng.org/contactus.htm , Zugriff 21.4.2020

•        AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): AWEG - About Us, http://www.aw egng.org/aboutus.htm , Zugriff 21.4.2020

•        EMB A - westliche Botschaft A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        EMB B - westliche Botschaft B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        EMB D - westliche Botschaft D (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        LNGO A- Repräsentantin der lokalen NGO A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        LNGO B - Repräsentantinnen der lokalen NGO B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        NAPTIP - National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (9/10.2019): Inter-view im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        NHRC - National Human Rights Commission (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)

•        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

•        UKHO - United Kingdom Home Office (3.2019): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/ system/uploads/attachment_data/file/794323/CPIN_-_Nigeria_-_Internal_relocation.PDF , Zugriff 21.4.2020

•        UKHO - United Kingdom Home Office (8.2019): Country Information and Guidance Nigeria:

Nigeria:Female Genital Mutilation (FGM), https://assets.publishing.service.gov.uk/gover nment/uploads/system/uploads/attachment_data/file/825243/Nigeria_-_FGM_-_CPIN_- _v2.0 August_2019_.pdf, Zugriff 21.4.2020

•        WACOL - Women Aid Collective (o.D.): Homepage, https://wacolnigeria.org/, Zugriff 21.4.2020

•        WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.a): WARDC - Contact us, http://wardcnigeria.org/contact-us/, Zugriff 27.4.2020

•        WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.b): WARDC - About us, http://wardcnigeria.org/what-we-do/, Zugriff 27.4.2020

•        WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.a): WHER - Contact, https: //whernigeria.org/contact/, Zugriff 21.4.2020

•        WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.b): WHER - About us, https: //whernigeria.org/about/, Zugriff 21.4.20120

•        WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.a): WOCON - Contact, http://womencon sortiumofnigeria.org/?q=content/contact, Zugriff 21.4.2020

•        WOCON - Women’s Consortium of Nigeria (o.D.b): WOCON - About us, http://womenc onsortiumofnigeria.org/?q=about-us , Zugriff 21.4.2020

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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