TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/8 I422 2246075-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2246075-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I.)      Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VII. wird als unbegründet abgewiesen.

II.)    Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. wird stattgegeben und das Einreiseverbot ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgegenstand:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerecht erhobene Beschwerde eines tunesischen Staatsangehörigen (in Folge: Beschwerdeführer) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) vom 03.08.2021, Zl. XXXX . Mit diesem wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 01.08.2021 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt II.) ab. Einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilte sie dem Beschwerdeführer nicht (Spruchpunkt III.), erließ über ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und erklärte seine Abschiebung nach Tunesien für zulässig (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und räumte ihm keine Frist für seine freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt VII.). Zudem verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot in der Dauer von einem Jahr (Spruchpunkt VIII.)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist tunesischer Staatsangehöriger. Er gehört der arabischen Volksgruppe an, spricht muttersprachlich arabisch und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Stauballergie. Darüber hinaus leidet der Beschwerdeführer an keinen weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Er ist erwerbs- und arbeitsfähig. Er ist verheiratet und für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig.

Der Beschwerdeführer wurde in Tunesien geboren und lebte dort in der Stadt XXXX Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Herkunftsstaat sechs Jahre lang die Grundschule. Er absolvierte im Anschluss eine Berufsausbildung als Maler. Seinen Lebensunterhalt in Tunesien verdiente sich der Beschwerdeführer von 2015 bis 2020 im Baugewerbe. Die Ehegattin und die gemeinsamen zwei minderjährigen Söhne leben in Tunesien. Die Eltern des Beschwerdeführers sind ebenfalls in Tunesien aufhältig. Zudem hat der Beschwerdeführer hat sieben Geschwister (vier Brüder und drei Schwestern), die ebenfalls alle in Tunesien wohnhaft sind. Mit seinen Familienangehörigen steht der Beschwerdeführer regelmäßig, rund einmal die Woche über Facebook Messenger in Kontakt.

Im August 2020 fasste der Beschwerdeführer den Entschluss seinen Herkunftsstaat zu verlassen und verließt er in weiterer Folge im August 2020 auf legalem Weg seinen Herkunftsstaat. Er flog von Tunesien aus in die Türkei. Von der Türkei aus reiste der Beschwerdeführer über Griechenland, Albanien, Montenegro, Serbien und Ungarn kommend am 31.07.2021 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am s01.08.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte. Eine private Anbindung des Beschwerdeführers zu Österreich ist ebenfalls nicht gegeben und liegt auch keinerlei integrative Verfestigung in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht vor.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtmotiv des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer unterliegt in seinem Herkunftsstaat keiner Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Staatsangehörigkeit oder politischen Gesinnung.

Seine Ausreise aus seinem Herkunftsstaat begründete der Beschwerdeführer ausschließlich mit wirtschaftlichen Überlegungen und der Perspektive nach einer besseren beruflichen Zukunft.

1.3. Zur Rückkehrsituation:

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tuneiein ist möglich und zumutbar und führt nicht dazu, dass er dort in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde. Es ist ihm zumutbar wieder in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, sich dort eine Unterkunft zu nehmen, am Erwerbsleben teilzunehmen und sich daraus sein Einkommen zu sichern und sein Leben in seinem Herkunftsstaat wieder fortzuführen.

Der Beschwerdeführer hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

1.4. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Tunesien gilt als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in Tunesien sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 03.08.2021 getroffenen Feststellungen keine Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien (Stand 27.07.2021) zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind auch keine Änderungen der Lage bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen stellt sich die Situation in Tunesien im Wesentlichen wie folgt dar:

Sicherheitslage:

Die von den bisherigen Regierungen angestrebte Verbesserung der Sicherheitslage im Inneren und der Kampf gegen den Terrorismus bleiben trotz vermehrter Anstrengungen und zahlreichen Verhaftungs- und Durchsuchungsaktionen weiter eine Herausforderung. Nach den tragischen Anschlägen im Jahr 2015 auf das Bardo Museum, eine Hotelanlage in Sousse sowie einen Bus der Präsidialgarde und dem schweren Angriff von IS-Milizen auf die tunesische Grenzstadt Ben Guerdane im März 2016 hat sich die Sicherheitslage verbessert. Durch die derzeit starke Einbindung des Militärs in den Antiterrorkampf als auch bei der Sicherung der Grenzen (so ist z.B. der Süden Tunesiens militärische Sperrzone) ist das Militär nach wie vor wichtiger Stützpfeiler der äußeren aber auch der inneren Sicherheit (AA 19.2.2021; vgl. AA 8.3.2021, EDA 8.3.2021).

Die Sicherheitslage ist nach wie vor prekär, geprägt von täglichen Sicherheitsoperationen von Militär und Polizei sowie Meldungen über vereitelte Anschläge. Die Sorge vor einer Infiltration durch aus Libyen und anderen Konfliktzonen zurückkehrende Islamisten tunesischen Ursprungs ist groß. Auch mit Hilfe ausländischer logistischer Unterstützung wurden die Grenzkontrollen drastisch verschärft, und es wird auch im Land nach Rückkehrern gefahndet (ÖB 1.10.2020).

Laut österreichischem Außenministerium gilt (für österreichische Staatsbürger) eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für die Saharagebiete, das Grenzgebiet zu Algerien und die westlichen Landesteile. Reisewarnungen bestehen für die Region südlich der Orte Tozeur – Douz – Ksar Ghilane – Tataouine – Zarzis. Mit gewaltsamen Aktionen terroristischer Organisationen ist zu rechnen. Das militärische Sperrgebiet an der Grenze zu Algerien in der Nähe des Berges Chaambi ist teilweise vermint und kann von den Sicherheitskräften kurzfristig ausgedehnt werden. Im Westen des Landes ist mit verstärkter Militär- und Polizeipräsenz zu rechnen; es finden bewaffnete Auseinandersetzungen mit Terroristengruppen statt (BMEIA 8.3.2021). Die Behörden haben insbesondere die Präsenz der Sicherheitskräfte im Land erhöht, vor allem in den Touristenorten (EDA 8.3.2021).

Der seit 2015 geltende nationale Ausnahmezustand in Tunesien wurde am 26.12.2020 von Präsident Kaïes Saïed um weitere sechs Monate bis Ende Juni 2021 verlängert. Im Ausnahmezustand verfügen die Sicherheitsbehörden über erweiterte Befugnisse, was zu einer Einschränkung der Bewegungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit führen kann (BAMF 11.1.2021). Es erlaubt den Sicherheitskräften Streiks, Kundgebungen und große Versammlungen zu verbieten, von denen angenommen wird, dass sie zu Unruhen führen. Die Regierung hat diese Maßnahmen aus Sicherheitsgründen als notwendig bezeichnet, aber Analysten haben argumentiert, dass die Maßnahmen Dissens unterdrücken sollen (FH 3.3.2021; vgl. ÖB 1.10.2020). Die Behörden verfügen somit über eine weitreichende Erlaubnis, die Bewegungsfreiheit von Einzelpersonen einzuschränken, und Tausende von Menschen sind von solchen Verfügungen betroffen (FH 3.3.2021).

Tunesien erlebt eine Welle landesweiter Streiks und Proteste gegen den COVID-19-bedingten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Land und auch gegen das Versagen des öffentlichen Gesundheitssystems. Regierungs- und öffentliche Gebäude sind beliebte Orte für Streiks und Proteste (AQ 2.2021).

Am 27.6.2019 wurden in Tunis zwei Anschläge gegen die Sicherheitskräfte verübt; eine Person wurde getötet und mehrere wurden verletzt, darunter auch Zivilisten (EDA 8.3.2021; vgl. AA 19.2.2021). Am 4.4.2020 töteten tunesische Sicherheitskräfte in der Provinz Kasserine nahe der Grenze zu Algerien zwei Terroristen die mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) in Verbindung gebracht werden (BAMF 6.4.2020). Am 20.12.2020 wurde ein Hirte in der zentralwestlichen Provinz Kasserine von militanten Islamisten entführt und enthauptet. Seit mehreren Jahren gilt die Gebirgsregion um die Stadt Kasserine an der Grenze zu Algerien als Rückzugsgebiet für militant islamistische Gruppierungen. Es kommt immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen (BAMF 21.12.2020 ; vgl. CIR 2.2021). Der IS ist seit seinen beiden Anschlägen in Sousse im Jahr 2015, in Tunesien aktiv, hat aber nie eine offizielle Niederlassung im Land erklärt. Seine Aktivitäten beschränken sich auf sporadische Anschläge, meist gegen Sicherheitskräfte in den abgelegenen Regionen des Chaambi-Gebirges, manchmal auch in städtischen Gebieten. Am 7.1.2021 meldete das Innenministerium die Verhaftung eines ranghohen Anführers von al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) (CIR 2.2021).

Grundversorgung und Wirtschaft:

Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut (AA 19.2.2021). Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis sowie wichtige Standortvorteile: Ein hoher Industrialisierungsgrad, gute Infrastruktur, Nähe zu Europa sowie qualifizierte Arbeitskräfte (AA 9.2019b) und Steuervorteile für Exportbetriebe („Offshore-Sektor“) (GIZ 11.2020c). Den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet der Dienstleistungssektor (ca. 50% aller Erwerbstätigen), gefolgt von der Industrie (32%) und der Landwirtschaft (ca. 25%) (AA 9.2019b; vgl. GIZ 11.2020c). Neben dem Bergbau, der einer der wichtigsten Sektoren der tunesischen Wirtschaft ist, spielen Landwirtschaft, Textilfabrikation und Tourismus eine wichtige Rolle für die tunesische Wirtschaft (GIZ 11.2020c). Der Tourismus ist einer der Sektoren, der am meisten von der Corona-Krise betroffen ist. Die Zahlen der Touristen im Jahr 2020 sind um knapp zwei Millionen zurückgegangen und die Gesamteinnahmen seit Jahresbeginn 2020 um 60% gesunken (WKO 9.10.2020). Im Dienstleistungssektor spielen vor allem nach Tunesien ausgelagerte Callcenter französischer Firmen und IT-Unternehmen eine große Rolle. Außerdem gründen sich seit 2011 immer mehr Start-Ups. Der sogenannte Start Up Act, der im April 2018 verabschiedet wurde, soll aufstrebenden jungen Kleinunternehmen v.a. im IT-Bereich den Start erleichtern. Seine Umsetzung wird jedoch kritisiert (GIZ 11.2020c).

Der Förderung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen kommt nach der Revolution große Bedeutung zu, da die politischen Ereignisse für einen deutlichen Einbruch der Wirtschaft gesorgt haben. Die Arbeitslosigkeit bleibt eines der dringlichsten Probleme des Landes. Die tunesische Wirtschaft ist auch mehr als sieben Jahre nach dem Umbruch nicht besonders konkurrenzfähig. Das Finanzgesetz 2018 hatte zu Beginn des Jahres massive Proteste ausgelöst (GIZ 11.2020c).

Die Corona-Krise trifft Tunesien hart und zeichnet vor allem die Wirtschaft mit tiefen Kerben. Für das Gesamtjahr 2020 wird ein Einbruch des tunesischen BIP um 8,1% erwartet (WKO 9.10.2020). Die größten Herausforderungen liegen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (AA 9.2019b; vgl. GIZ 11.2020c) und der Beschäftigungsförderung, der Verbesserung der arbeitsmarktorientierten Aus- und Fortbildung, sowie der Erhöhung des Investitionsniveaus im privaten und öffentlichen Sektor (AA 9.2019b). Die Arbeitslosigkeit bewegt sich zwischen 15% und 16%, wobei junge Menschen, Frauen, Akademiker (ca. 300.000) und die benachteiligten Regionen im Binnenland überproportional betroffen sind (AA 9.2019b; vgl. GIZ 11.2020c, ÖB 1.10.2020). Mit Ausbruch der Covid-19 Krise Mitte März 2020 verschärfte sich die Lage nochmals um ein Vielfaches: die Arbeitslosigkeit, seit Jahren gemäß offiziellen Statistiken 15,6% ist auf 18% gestiegen und dürfte bis Jahresende weiter auf 20% steigen (ÖB 1.10.2020; vgl. WKO 9.10.2020). Die Erhebung tatsächlich zutreffender Zahlen wird durch die Tatsache erschwert, dass 45% der Arbeitskräfte Tunesiens im informellen Sektor beschäftigt sind (ÖB 1.10.2020).

Um regionalen Ungleichheiten zu begegnen, hat Tunesien ein ambitioniertes Programm zur Regionalentwicklung vorgelegt (AA 9.2019b). Die vorherige Regierung hat zur Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung in den armen Gegenden des Südens und des Landesinnern eine Umwidmung der staatlichen Ausgabenprogramme weg vom gut entwickelten Küstenstreifen hin zu diesen Regionen vorgenommen (AA 19.2.2021).

Tunesien ist ein Niedriglohnland. Die durchschnittlichen Monatslöhne im produzierenden Gewerbe liegen zwischen 500 und 800 Dinar. Arbeiter im öffentlichen Sektor verdienen rund 900 Dinar, Beamte 1.000-1.600 Dinar (ÖB 1.10.2020). Der staatliche Mindestlohn wurde nach der Revolution von 225 auf 380 Dinar monatlich (ca. 125 Euro) angehoben. Auch das genügt kaum, um den Lebensunterhalt einer Person zu decken, geschweige denn davon eine Familie zu ernähren. Laut einer aktuellen Untersuchung des Sozialministeriums leben rund 24% der Bevölkerung in Armut, d.h. sie leben von weniger als dem staatlichen Mindestlohn (GIZ 11.2020c). Nichtsdestotrotz verfügt das Land über eine relativ breite, weit definierte Mittelschicht aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten (deren Einkommen niedrig ist) und einer schmalen Oberschicht. Diese spaltet sich in alteingesessenes Bildungsbürgertum und ökonomische Elite (GIZ 11.2020b).

In Tunesien gibt es ein gewisses strukturiertes Sozialsystem. Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Grundschutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95%. Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien. Eine Arbeitslosenunterstützung wird für maximal ein Jahr ausbezahlt – allerdings unter der Voraussetzung, dass man vorab sozialversichert war. Es gibt folgende Arbeitsvermittlungsinstitutionen: Nationale Arbeitsagentur (ANETI), Berufsbildungsagentur (ATFP), Zentrum für die Ausbildung der Ausbilder und die Entwicklung von Lehrplänen (CENAFFIF), Zentrum für die Weiterbildung und Förderung der beruflichen Bildung (CNFCPP) (ÖB 1.10.2020).

Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem. Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner, als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe. Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten müssen überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen werden, deren Zusammenhalt allerdings schwindet (AA 19.2.2021).

Zur Situation von Rückkehrern:

Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in §35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bis 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ Soweit bekannt, wurden im vergangenen Jahr ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen dann nicht zur Anwendung, wenn Personen das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 19.2.2021).

Eine „Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „Bulletin Numéro 3“) beantragt werden (AA 19.2.2021). Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und eingeschränkten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Sowohl IOM als auch der UNHCR übernehmen die Registrierung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Tunesien. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen der Schweiz und Norwegens. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über zwei Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Als zweite Institution ist das ICMPD [International Centre for Migration Policy Development] seit 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sogenannten „Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm) (ÖB 1.10.2020).

1.5. Zur COVID-19-Situation:

Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19), kommt es zu Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr und es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 10.3.2021; vgl. AA 10.3.2021). Es gilt eine landesweite Ausgangssperre von 22:00 bis 05:00 Uhr, und generell gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes sowie eine Distanzpflicht im öffentlichen Raum (BMEIA 10.3.2021). Nach einem starken Anstieg der Infektionszahlen seit Herbst 2020 ist zuletzt eine rückläufige Tendenz zu verzeichnen. Tunesien wird als Risikogebiet eingestuft. Regionale Schwerpunkte sind der Großraum Tunis sowie Gabès. Aktuelle und detaillierte Zahlen bieten das tunesische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation (AA 10.3.2021).

Mit Stand 08.09.2021 verzeichnete Tunesien laut WHO 675.191 bestätigte COVID-19 Fälle, 0 Neuerkrankungen sowie 23.846 Todesfälle.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 01.08.2021 und vor der belangten Behörde vom 01.08.2021 sowie vom 03.08.2021, in den bekämpften Bescheid und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS) und des Strafregisters eingeholt. Zudem wurde Einsicht in die Webseite der WHO genommen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, im Besonderen seiner Volljährigkeit, seiner Staatsangehörigkeit und seiner Volksgruppen-, Sprach- und Glaubenszugehörigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde. Mangels Vorlage eines identitätsbezeugenden Dokumentes konnte seine Identität nicht abschließend geklärt werden.

Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes brachte der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde vom 01.08.2021 vor, dass er allergisch gegen Staub sei. Sonstige weitere Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers ergaben sich nicht und wurden als solches auch nicht vorgebracht. Aus der Zusammenschau seines Alters, seines Gesundheitszustandes und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten resultiert die Feststellung seiner Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit. Ebenfalls glaubhaft erachtet das erkennende Gericht die gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Erstbefragung und seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde vom 01.08.2021 zu seinem Familienstand.

Die Feststellungen zu seiner Geburt und zu seinen Lebens-, Berufs- und Wohnumständen in seinem Herkunftsstaat und seiner Schul- und Berufsausbildung basieren auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben seiner Erstbefragung vom 01.08.2021 und vor der belangten Behörde vom 01.08.2021. Ebenso fußen die Feststellungen zu seinen Familienangehörigen auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Ausführungen.

Auf den glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers im Erstbefragungsprotokoll vom 01.08.2021 gründen die Feststellungen zum Entschluss seiner Ausreise im August 2020, der tatsächlich erfolgten zeitgleichen Ausreise sowie zu seiner Reiseroute. Seine Einreise und Antragsstellung im Bundesgebiet sind durch eine Meldung der Landespolizeidirektion Wien vom 31.07.2021 belegt und resultiert die Feststellung zu seinem bisher durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet aus einem aktuellen Auszug des zentralen Melderegisters.

Bei seinen Ausführungen vor er belangten Behörde verneinte der Beschwerdeführer die Fragen nach in Österreich aufhältigen Familienangehörigen und ob er sich in Österreich in einer aufrechten Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft befinde. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keinerlei private Anbindungen verfügt und auch keine integrative Verfestigung in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht vorliegt, ergibt sich zunächst aus seinem äußerst kurzen Aufenthalt im Bundesgebiet von lediglich rund einem Monat. Zudem beantwortete er die Fragen, ob er in Österreich jemals berufstätig gewesen sei oder ob er hier soziale Anbindungen und Freunde habe, negativ und verwies darauf, dass er erst kurz zuvor eingereist sei.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ist die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers belegt.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer in Bezug auf seine Person keinerlei Verfolgungsgründe vorgebracht und er seinen Herkunftsstaat ausschließlich aus wirtschaftlichen Überlegungen bzw. der Perspektive nach einer besseren beruflichen Zukunft verlassen hat, ergibt sich zweifelsfrei aus den diesbezüglich gleichlautenden Angaben im Rahmen seines Administrativverfahrens. Auf diesen gründet sich ebenso die Feststellung, dass er weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Staatsangehörigkeit oder politischen Gesinnung in seinem Heimatstaat verfolgt wird.

So führte der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 01.08.2021 auf die Frage, weshalb er seinen Herkunftsstaat verlassen habe aus, dass es in Tunesien keine Arbeit gebe und auch die Politik dort korrupt sei. Er müsse in Tunesien für einen Hungerlohn arbeiten und sei ein Überleben unter diesen Umständen dort nicht möglich. Das seien all seine Fluchtgründe. Auf die Frage was er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat zu befürchten habe, vermeinte der Beschwerdeführer, dass er dort nichts zu befürchten habe.

Auch seine Angaben bei seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde vom 01.08.2021 lauteten gleichbleibend. Neuerlich nach seinen Fluchtgründen befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er aus wirtschaftlichen Gründen hier sei und hier leben wolle. Die Frage, ob er persönlich bedroht oder verfolgt worden sei, verneinte der Beschwerdeführer. Auf die Frage, welche Probleme ihm im Falle einer Rückkehr erwarten würden, vermeinte der Beschwerdeführer, dass er dort nichts zu befürchten habe. Auf die abschließende Information der belangten Behörde, wonach sein Vorbringen keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention finde, vermeinte der Beschwerdeführer, dass sein Problem die Armut sei. Die Politik in seinem Land sei eine einzige Lüge. Bei jeder Wahl würde ihnen eine Änderung der Lebensumstände versprochen, aber es ändere sich danach nichts.

Auch im Zuge seiner zweiten niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde vom 03.08.2021 bestätigte der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsberatung die Richtigkeit seiner bisherigen Angaben. Ergänzend brachte er vor, dass er im Jahr 2009 ein Unternehmen gegründet habe. Sein Unternehmen sei zunächst nicht gut gelaufen und sei zuletzt auch noch Corona hinzugekommen. Aufgrund der Steuerabgaben habe er nun Schulden beim Staat. Dies seien nun alle seine Gründe. Auf den neuerlichen Vorhalt des einvernehmenden Beamten, wonach sich aus seinem Fluchtbringen keine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung ableiten lasse und sich aus seinem Vorbringen somit weder einen Asylstatus noch eine subsidiäre Schutzberechtigung ableiten lasse, verwies der Beschwerdeführer auf seine bisherigen Ausführungen. Er habe es versuche müssen. Man wisse ja, wie die Lage in seinem Herkunftsstaat sei. Das Land sei korrupt und die wirtschaftliche Lage sehr schlecht. Seine Familie sei sehr groß und finanziell sei es ihnen nicht gut gegangen. Nach der Revolution haben alle Parteien versucht sich zu bereichern. Anschläge haben sich negativ auf die Wirtschaft des Landes ausgewirkt und bei Behördengänge müsse man Bestechungsgeld zahlen. Zuletzt sei es auch zu einer starken Inflation gekommen und die reichen die Löhne nicht mehr zum Leben aus.

Wie die vorangegangenen Ausführungen zweifelsfrei bestätigen liegen die Motive für die seine Ausreise aus Tunesien ausschließlich in wirtschaftlichen Überlegungen. Die wirtschaftlichen Beweggründe für das Verlassen eines Herkunftsstaates werden von der Genfer Flüchtlingskonvention allerdings nicht abgedeckt und begründen somit keine Asylrelevanz.

Auf Grundlage des zuvor Gesagten besteht für das Bundesverwaltungsgericht somit kein Grund, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln.

2.4. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Tunesien ist gemäß § 1 Z 11 der Herkunftsstaaten-Verordnung BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019, ein sicherer Herkunftsstaat.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Tunesien und den dort zitierten Quellen. Dieser Bericht fußt sowohl auf Berichten verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von weniger als einem Monat haben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

Auch wenn die angespannte wirtschaftliche Lage in Tunesien durchaus nicht verkannt wird, steht für das Bundesverwaltungsgericht nach Würdigung sämtlicher Umstände fest, dass Tunesien ein Staat ist, der hinsichtlich seiner Bürger schutzfähig und schutzwillig ist und dass dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer daher aufgrund der Lage im Herkunftsstaat mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Gefahr an Leib und Leben oder einer unmenschlichen Strafe droht, wenn er nach Tunesien zurückkehrt.

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen weder im Administrativ- noch im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegen, sodass die der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht in Zweifel zu ziehen waren.

2.5. Zur COVID-19-Situation:

Die COVID-19-Daten zu Tunesien entstammen dem Dashboard der Website der WHO (https://covid19.who.int/region/emro/country/tn [Zugriff am 08.09.2021]).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

I.) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Allein wirtschaftliche Gründe vermögen eine Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu rechtfertigen (vgl. VwGH 18.12.1991, 91/01/0146).

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits dargelegt, brachte der Beschwerdeführer keinerlei staatliche Verfolgung seiner Person vor. Das Verlassen seines Herkunftsstaates basiert ausschließlich auf wirtschaftlichen Überlegungen. Sonstige Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht. Somit liegen in einer Gesamtbetrachtung keine Fluchtgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf seinen festgestellten Herkunftsstaat Tunesien vor.

Aus diesen Gründen war festzustellen, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Wie bereits im Zuge der Prüfung des Status des Asylberechtigten festgestellt wurde, machte der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat Tunesien keinerlei gegen seine Person gerichteten Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen geltend.

Ebenso gilt Tunesien gemäß § 1 Z 11 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Tunesien nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber aufgrund der aktuellen Situation festzuhalten, dass auch die COVID-19-Pandemie einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht entgegensteht. So ist der Beschwerdeführer bis auf eine Stauballergie gesund. Er gehört somit nicht zur Risikogruppe im Sinne der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung. Auch die offiziellen Zahlen der an COVID-19-Erkrankten in Tunesien zeigen aktuell kein für eine Schutzgewährung hinreichend signifikantes Risiko für den Beschwerdeführer auf.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH reicht eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 MRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 01.10.2020, Ra 2020/19/0196).

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09).

Das Vorliegen eines derartigen Risikos wurde vom Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt. Ohne die wirtschaftliche Situation für die Masse der Bevölkerung in Tunesien beschönigen zu wollen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein volljähriger, junger und gesunder Mann, der über eine mehrjährige Schulausbildung und eine Berufsausbildung als Maler verfügt, im Falle einer Rückkehr nach Tunesien dort nicht seine existentiellen Grundbedürfnisse befriedigen könnte. Für eine derartige Existenzgefährdung ergaben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers auch keinerlei Anhaltspunkte, zumal er selbst bestätigte, er von 2015 bis 2020 im Baugewerbe arbeitete, er bis zuletzt in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie lebt und er zudem ein familiäres Netzwerk in Tunesien aufweist. Somit geht auch sein Vorbringen, dass sich der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht versorgen könne und in eine finanzielle Notlage geraten könne ins Leere.

Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Es ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers nach Tunesien zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht ergeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Im Zuge dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362; 06.05.2020; Ra 2020/20/0093).

Der Beschwerdeführer hält sich seit rund einem Monat im Bundesgebiet auf und fußt die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes auf der Grundlage seines gegenständlichen Asylverfahrens. Im gegenständlichen Fall ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich und machte er ein solches auch nicht geltend. Angesichts seiner kurzen Aufenthaltsdauer ist ebensowenig von einer integrativen Verfestigung auszugehen bzw. wurde derartiges ebenfalls nicht behauptet. Berücksichtigt wird auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, welche wertneutral zu berücksichtigen ist.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Dieses beinhaltet das öffentliche Interesse an einem geordneten Asyl- und Fremdenwesen und dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).

Anhand der vorangegangenen Ausführungen und der diesbezüglichen Judikatur kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt – wie umseits unter Punkt 3.2. ausgeführt – aber nicht vor; beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Die Beschwerde war daher somit auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 25.09.2019, Ra 2019/19/0399; u.a.).

Da – wie umseits unter Punkt 3.2. ausgeführt – keine Gründe für die Zuerkennung von internationalem Schutz hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vorliegen, ist im Sinne der zuvor zitierten, auch nach dem Erkenntnis VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, weiterhin beachtlichen Judikatur eine neuerliche Prüfung eines Abschiebehindernisses aus Gründen der ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, unmenschlichen Strafe oder Behandlung und der Gefahr durch einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt persönlich zu Schaden zu kommen, nicht mehr neu zu prüfen.

Die Abschiebung ist somit nicht unzulässig, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt und auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegensteht.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.

3.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. und VII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt (Ziffer 1) bzw. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat (Ziffer 4).

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht ua. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 03.08.2021 die aufschiebende Wirkung zu Recht aberkannt.

Nach § 1 Z 11 der Herkunftsstaaten-Verordnung gilt Tunesien als sicherer Herkunftsstaat und liegen die Fluchtmotive des Beschwerdeführers ausschließlich in wirtschaftlichen Überlegungen, weswegen die belangte Behörde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BFA-VG somit zu Recht zur Anwendung brachte.

Wie bereits umseits erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tunesien keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt – wie umseits ebenfalls bereits ausgeführt – einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG gegeben.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs. 1a FPG sowie jedenfalls § 18 Abs. 1 Z 1 und BFA-VG zur Anwendung gebracht und erweist sich die Beschwerde daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich der Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

II.) Behebung des Einreiseverbotes:

Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist unter anderem – soweit gegenständlich relevant – dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (Z 6 leg. cit.). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stellt nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde (VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).

Der Verwaltungsgerichtshof hielt dazu in seiner Entscheidung vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0207, fest: „Mit dem FNG-Anpassungsgesetz 2014 wurde die Anordnung, dass mit einer Rückkehrentscheidung stets ein Einreiseverbot einherzugehen hat, eliminiert; außerdem wurde die 18-monatige Mindestdauer eines Einreiseverbotes beseitigt. Ausschlaggebend dafür waren gemäß den ErläutRV (2144 BlgNR 24. GP 23 f) die Überlegungen in den E vom 15. Dezember 2011, 2011/21/0237, und vom 15. Mai 2012, 2012/18/0029. Nach dieser Judikatur stellt jedenfalls der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde. Zwar kann eine Rückkehrentscheidung dessen ungeachtet mit einem Einreiseverbot einhergehen, eine zwingende Mindestdauer von 18 Monaten – mag sie auch häufig gerechtfertigt sein – in jedem Fall wird der Anordnung, wonach die Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat, jedoch nicht gerecht. Letztere – zweifellos unmittelbar anwendbare – Richtlinienbestimmung steht daher § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 insoweit entgegen, als dort – ohne Ausnahme – die Festsetzung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten vorgesehen ist. Umgekehrt kennt das FrPolG 2005 keine kürzere Frist für das Einreiseverbot. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist. Immer dann, wenn auf Grund des die öffentliche Ordnung (oder Sicherheit) bloß geringfügig beeinträchtigenden Fehlverhaltens des Drittstaatsangehörigen die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten nicht gerechtfertigt ist, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen.“

Zwar hat sich die belangte Behörde zutreffend auf die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers gestützt, diese stellt jedoch ob des äußerst kurzen Aufenthaltes von weniger als einem Monat lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Der Beschwerdeführer ist während seines Aufenthaltes weder strafgerichtlich in Erscheinung getreten, noch wurde er wegen Verwaltungsübertretungen bestraft.

Im Ergebnis zeigt sich daher, dass vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Judikatur ein Einreiseverbot im gegenständlichen Fall nicht gerechtfertigt ist.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. war sohin stattzugeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage – den darin aufscheinenden insgesamt drei Einvernahmen des Beschwerdeführers und den darin getätigten gleichbleibenden Angaben – in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, die Entscheidung in zeitlicher Nähe liegt und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Selbst bei Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten kann für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern (vgl. VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0180; 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, brachte der Beschwerdeführer keinerlei Verfolgungsgründe gegen seine Person vor und verließ er seinen Herkunftsstaat ausschließlich auf der Grundlage familiärer und wirtschaftlicher Überlegungen und der Perspektive auf eine bessere berufliche Zukunft. In Anbetracht der kurzen Aufenthaltsdauer und der sich daraus ergebenden fehlenden privaten und familiären Anbindung sowie der nicht vorhandenen integrativen Verfestigung vermochte auch eine Rückkehrentscheidung nicht zu seinen Gunsten ausfallen. Wie die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegte Judikatur zeigt, diese weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2246075.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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