Entscheidungsdatum
13.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2142179-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Zum Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz:
Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, wurde am 06.02.2016 in XXXX wegen illegaler Einreise bzw. illegalen Aufenthaltes festgehalten. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit wirtschaftlichen Nöten begründete. Aufgrund des unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers wurde am 17.02.2016 ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 BFA-VG erlassen. Zugleich wurde das Asylverfahren wegen unbekannten Aufenthaltes gemäß § 24 AsylG eingestellt.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 31.08.2016, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verurteilt, wobei zehn Monate unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge am 30.09.2016 aus der Strafhaft entlassen und am selben Tag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , niederschriftlich einvernommen. Er sei in Algerien nie verfolgt worden, allerdings einmal wegen Drogenkonsums festgenommen und zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Er habe Algerien allerdings vor Haftantritt verlassen können. Er habe ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Familie, habe diese aber in den letzten Monaten nicht angerufen, weil er in Haft gewesen sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.02.2016 abgewiesen, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Entscheidung wurde von der belangten Behörde zugrunde gelegt, dass nicht festgestellt werden könne, dass dem Beschwerdeführer in Algerien eine Haftstrafe erwarte. Die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.12.2016, Zl. I403 2142179-1/3E als unbegründet abgewiesen, die Dauer des Einreiseverbotes aber auf vier Jahre herabgesetzt.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.05.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 4 Fall SMG, §28a Abs 4 Ziffer 3 und § 28a Abs. 1 5 Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien erfolgte am 14.10.2019.
Zum Verfahren über die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung:
Trotz des aufrechten Einreiseverbots reiste der Beschwerdeführer im Oktober 2020 wieder in Österreich ein. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 03.12.2020, Zl. XXXX , wurde er wegen § 15 StGB §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, § 129 Abs 2 Z 1 und § 105 Abs StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Mit Bescheid vom 28.01.2021 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig sei. Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2021, Zl. I414 2142179-2/4E als unbegründet abgewiesen, die Dauer des Einreiseverbotes aber auf acht Jahre herabgesetzt.
Zum gegenständlichen Verfahren über den zweiten Antrag auf internationalen Schutz:
Der Beschwerdeführer stellte am 19.07.2021 im Bundesgebiet einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, dass er sich nach seiner Abschiebung 2019 nicht an die algerischen Verhältnisse habe anpassen können und von zwei Onkeln bedroht werde. Er habe zudem eine Verlobte in der Schweiz und dort auch einen – inzwischen abgelaufenen – Aufenthaltstitel besessen.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.08.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über diesen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Es wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 02.09.2021 Beschwerde in vollem Umfang an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Am 10.09.2021 erfolgte die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund, arbeitsfähig, ledig und hat keine Sorgepflichten. Er ist Staatsangehöriger von Algerien.
Er reiste erstmals Anfang 2016 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.02.2016, nach seiner Festnahme, einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 03.10.2016 negativ entschied. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2016, GZ. I403 2142179-1, wurde das auf sechs Jahre befristete Einreiseverbot auf die Dauer von vier Jahren herabgesetzt. Im Übrigen wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Die Abschiebung des zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal zu Freiheitsstrafen verurteilten Beschwerdeführers nach Algerien erfolgte am 14.10.2019. Der Beschwerdeführer wohnte zunächst im Haus seiner Eltern, von denen er finanziell unterstützt wurde – im Übrigen auch durch die Finanzierung der Kosten von 2.500 Euro für die erneute Ausreise. Danach zog er zu einem Freund und reiste in der Folge Ende Jänner/Anfang Februar 2020 über Spanien in die Schweiz ein, wo er im September 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Den Ausgang des Verfahrens wartete er nicht ab, sondern reiste er trotz des aufrechten Einreiseverbots im Oktober 2020 wieder in Österreich ein. Wenig später wurde er erneut straffällig.
Seine Verlobte lebt in der Schweiz, doch besteht seit seiner Inhaftierung im Herbst 2020 kein Kontakt mehr zu ihr. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Algerien; ein Onkel befindet sich darüber hinaus in der Schweiz, drei weitere in Frankreich. Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein Familienleben. Besondere Aspekte einer nachhaltigen Integration kamen nicht hervor, vielmehr verbrachte der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in Strafhaft. Weiters verfügt er über keine nachweislichen Deutschkenntnisse, hat an keinen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen, und ist nicht Mitglied eines Vereines oder einer sonstigen integrationsbegründenden Institution.
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich bereits dreimal strafgerichtlich verurteilt:
? mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 31.08.2016, XXXX , wegen § 28a Abs. 1 5 Fall SMG, § 28a Abs. 2 Ziffer 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren
? mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.05.2018, Zl. XXXX , wegen § 28a Abs. 1 4 Fall SMG, §28a Abs 4 Ziffer 3 und § 28a Abs. 1 5 Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten
? mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 03.12.2020, Zl. XXXX , wegen § 15 StGB §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, § 129 Abs 2 Z 1 und § 105 Abs StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten
Seiner strafgerichtlichen Verurteilung aus dem Jahr 2018 liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner tristen finanziellen Situation mit einem Mittäter gemeinsam beschlossen hat, einem anderen, bei welchem es sich um einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes handelte, insgesamt dreizehn Kilogramm Cannabisharz anzubieten. Aufgrund dessen erfolgte eine Festnahme durch die ermittelnden verdeckten Beamten. Die sichergestellte Suchtgiftmenge von 4.891,5 Gramm netto Cannabisharz wies einen Reinheitsgehalt von zumindest 0,77% Delta-9-THC und 10,13% THCA auf. Erschwerend wirkten sich bei der Verurteilung die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, den raschen Rückfall während offener Probezeit, das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge beim Überlassen sowie die hohe Menge an angebotenem Suchtgift aus. Mildernd wirkten sich hingegen das reumütige Geständnis, der Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie die teilweise Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgiftes aus.
Seiner letzten strafgerichtlichen Verurteilung liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer und zwei weitere Mittäter mit Gewalt versucht haben in eine Wohnung einzudringen, um sich aus dieser fremde bewegliche Sachen unrechtmäßig zuzueignen. Erschwerend wirkte sich die einschlägige Vorstrafenbelastung aus. Mildernd wirkte sich hingegen aus, dass es beim Versuch geblieben war.
Der Beschwerdeführer befindet sich in der Justizanstalt XXXX bis 15.04.2022 in Strafhaft.
1.2. Zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat Algerien aus wirtschaftlichen Erwägungen verlassen. Sein Leben ist nicht durch zwei Onkel bedroht, die mit seinem Lebensstil nicht einverstanden sind und ihn deshalb töten wollen. Es besteht auch keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird oder wegen seiner illegalen Ausreise zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird.
1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Gemäß § 1 Z 10 der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019) gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat.
Zur aktuellen Lage in Algerien werden auf Basis des Länderinformationsblattes (letzte Aktualisierung 03.09.2021) folgende Feststellungen getroffen, soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
COVID-19
Die Ausbreitung von Covid-19 führt weiterhin zu Einschränkungen des internationalen Luft- und Reiseverkehrs und Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens (AA 9.8.2021; vgl. BMEIA 1.7.2021). Algerien ist weiterhin stark von COVID-19 betroffen. Regionale Schwerpunkte sind der Großraum Algier sowie die Provinzen Blida und Oran. Algerien gilt als Hochrisikogebiet. Die Einreise nach Algerien ist derzeit nur auf dem Luftweg möglich. Die Land- und Seegrenzen bleiben weiterhin für den regulären Personenverkehr geschlossen (AA 9.8.2021). Nach anderen Informationen ist die Einreise nach Algerien verboten; Ausnahmen ausschließlich mit Sondergenehmigung des algerischen Innenministeriums – vollständige Einreisesperre im März 2021 (BMEIA 1.7.2021).
Aufgrund der epidemiologischen Entwicklung gelten derzeit folgende Restriktionen, welche strikt zu beachten sind:
- landesweite Ausgangssperre von 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr.
- unbedingt erforderliche Fahrten während der Ausgangssperre sind zu begründen.
- generelle Mund-Nasenschutzpflicht sowie Distanzpflicht im öffentlichen Raum, insbesondere auch in Geschäften (BMEIA 1.7.2021).
Die aktuelle Herausforderung durch die Covid-19-Pandemie lässt den Graben zwischen Regierung und Teilen der Bevölkerung vorerst in den Hintergrund treten. Die Covid-19-Maßnahmen der Regierung, wie zum Beispiel die landesweite partielle Ausgangssperre, werden von der Bevölkerung mitgetragen (AA 11.7.2020).
Die Corona-Krise 2020 hat die wirtschaftliche Krise weiter vertieft (DI / DTDA 2020). Es kam im Jahr 2020 zu einem Einbruch der Wirtschaft aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie und dem Verfall der Erdölpreise. Für 2021 und 2022 wird eine leichte Erholung erwartet (WB 2.4.2021).
Die Ombudsstelle (CNDH) berichtete von vielen Gefängnisbesuchen im Jahr 2020, zur Verbesserung der COVID-19 Lage (USDOS 30.3.2021). Die medizinische Ausstattung reicht in den Gefängnissen nicht aus, um mit den Herausforderungen der COVID-19 Pandemie umzugehen (FH 3.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.8.2021): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt .de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/algeriensicherheit/219044 , Zugriff 27.8.2021
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3 %BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_11.07.2020.pdf , Zugriff 24.8.2021
• BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (1.7.2021): Reiseinformationen Algerien, Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-au fenthalt/reiseinformation/land/algerien/ , Zugriff 27.8.2021
• DI / DTDA - Danish Industry / Danish Trade Union Development Agency [Dänemark] (2020): Labour Market Report Algeria - 2020, https://www.ulandssekretariatet.dk/wp-content/uploads/2020/06/LMR-Algeria-2020-final-version1.pdf , Zugriff 26.8.2021
• FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048572.html , Zugriff 24.8.2021
• USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048136.html , Zugriff 24.8.2021
• WB - World Bank (2.4.2021): Algeria Economic Update - April 2021, https://www.worldbank.org/en/country/algeria/publication/economic-update-april-2021 , Zugriff 26.8.2021
Rechtsschutz / Justizwesen
Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, beschränkt die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 11.7.2020, FH 3.3.2021, BS 29.4.2020, ÖB 11.2020) - diese ist nur auf einem niedrigen Niveau gegeben (FH 3.3.2021). Die Justiz ist häufig äußerer Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (USDOS 30.3.2021). Der Präsident hat den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 11.7.2020, FH 3.3.2021). Der Oberste Justizrat ist auch für die richterliche Disziplin und die Entlassung von Richtern zuständig (USDOS 30.3.2021; vgl. BS 29.4.2020, AA 11.7.2020), praktische Entscheidungen über richterliche Kompetenzen werden ebenfalls von diesem Rat getroffen (BS 29.4.2020). Die Justizreform wird zudem nur äußerst schleppend umgesetzt. Algerische Richter sehen sich häufig einer außerordentlich hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, was insbesondere in Revisions- und Berufungsphasen zu überlangen Verfahren führt. Die Gerichte üben in der Regel keine wirksame Kontrolle staatlichen Handelns aus. Den Bürgerinnen und Bürgern fehlt nach wie vor das Vertrauen in die Justiz (AA 11.7.2020).
Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Diese Vorschriften wurden im April 2020 durch eine Novellierung des Strafgesetzbuches noch einmal verschärft. Betroffen sind insbesondere Meinungs- und Pressefreiheit, welche durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden. Rechtsquellen sind dabei sowohl das algerische Strafgesetzbuch als auch eine spezielle Anti-Terrorverordnung aus dem Jahre 1992.
Für die Diffamierung staatlicher Organe und Institutionen durch Presseorgane bzw. Journalisten werden in der Regel Geldstrafen verhängt (AA 11.7.2020).
Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess, aber in der Praxis respektieren die Behörden nicht immer die rechtlichen Bestimmungen, welche die Rechte des Angeklagten wahren sollen. Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht auf einen Verteidiger. Dieser wird, falls nötig, auf Staatskosten zur Verfügung gestellt. Die meisten Verhandlungen sind öffentlich. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Die Aussage von Frauen und Männern wiegt vor dem Gesetz gleich (USDOS 30.3.2021).
Personen mit genügend Mitteln bzw. politischen Verbindungen können auf Gerichtsentscheidungen Einfluss nehmen. Politische Prozesse scheinen gelegentlich konstruiert zu werden. Oppositionelle politische Aktivisten beklagen, aufgrund von Anti-Terrorismus-Gesetzen und solchen zur Begrenzung der Versammlungsfreiheit oder Vergehen gegen „die Würde des Staates und die Staatssicherheit“ festgenommen zu werden. Die gerichtliche Verfolgung von unliebsamen Personen oder Kritikern mit dem Mittel der Konstruktion gerichtlich belangbarer Vorwürfe kommt vor. Derartige Fälle der jüngeren Vergangenheit sind politische Aktivisten und Journalisten, die seit den Massendemonstrationen 2019 verhaftet worden sind. Im Oktober 2020 wurde die Zahl an Gesinnungshäftlingen mit ca. 70 beziffert (ÖB 11.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020% 29%2C_11.07.2020.pdf , Zugriff 24.8.2021
• BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf , Zugriff 24.8.2020
• FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048572.html , Zugriff 24.8.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
• USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048136.html , Zugriff 24.8.2021
Sicherheitsbehörden
Die algerischen Sicherheitskräfte bestehen aus der Armee (ANP), der Nationalen Gendarmerie und der Gemeindewache unter dem Verteidigungsministerium sowie der nationalen Polizei unter dem Innenministerium (CIA 18.8.2021). Angesichts der jüngeren Geschichte und der Sicherheitslage im Land ist der Sicherheitsapparat sehr groß dimensioniert. Nationale Gendarmerie und Polizei zählen zusammen allein fast 400.000 Mann. Hinzu kommen die zahlenmäßig nicht bekannten Angehörigen der politisch einflussreichen „Direction des Services de Sécurité“ (DSS) [Anm.: Direktion der Sicherheitskräfte] bzw. dessen Nachfolgeorganisationen, die im Bereich Terrorismus und nationale Sicherheit ebenfalls als Strafverfolgungsbehörde funktionieren (ÖB 11.2020).
Die 130.000 Mann starke nationale Gendarmerie, die Polizeifunktionen außerhalb städtischer Gebiete ausübt, sowie die ca. 200.000 Mann starke nationale Polizei bzw. DGSN [Anm.: „Direction générale de la Sûreté Nationale“ - Generaldirektion der nationalen Sicherheit], teilen sich die Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung. Die Armee ist für die äußere Sicherheit zuständig, schützt die Außengrenzen des Landes und hat auch in begrenztem Ausmaß Verantwortung im Bereich der inneren Sicherheit. Zivile Behörden wahren generell eine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 30.3.2021).
Die Regierung unternimmt Schritte zur Untersuchung von Missbrauch und Korruption öffentlich Bediensteter. Straffreiheit bei den Sicherheitskräften bleibt ein Problem, aber die Regierung stellt Informationen über die gegen Täter ergriffenen Maßnahmen zur Verfügung (USDOS 30.3.2021).
Gemäß anderer Angaben werden Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB 11.2020).
Quellen:
• CIA - Central Intelligence Agency [USA] (18.8.2021): The World Factbook - Algeria, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/algeria/ , Zugriff 24.8.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
• USDOS - U.S. Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human
Grundversorgung
Nahezu die gesamten Staatseinkünfte des Landes stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas. Rund 90 % der Grundnahrungsmittel und fast die Gesamtheit der Pharmazeutika und Gebrauchsgüter werden importiert. Eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte oder auf Autarkie zielende Industrialisierung hat nicht stattgefunden. Die Staatseinnahmen – und damit die Fähigkeit zur Subventionierung von Grundbedürfnissen (Grundnahrungsmittel, Wohnungsbau, Infrastruktur) – sind seit 2014 aufgrund der sinkenden Öl- und Gaspreise drastisch zurückgegangen (RLS 7.4.2020; vgl. BS 29.4.2020). Durch diesen Verfall der Öl- und Gaspreise befindet sich die algerische Wirtschaft seit 2014 in einer Abwärtsspirale. Öffentliche Ausgaben sind angespannt. Steuererhöhungen führten 2019 und Anfang 2020 zu Demonstrationen. Die Corona-Krise 2020 hat die wirtschaftliche Krise weiter vertieft (DI / DTDA 2020). Es kam im Jahr 2020 zu einem Einbruch der Wirtschaft aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und dem Verfall der Erdölpreise. Für 2021 und 2022 wird eine leichte Erholung erwartet (WB 2.4.2021).
Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird.
Das Land hat - als eines von wenigen Ländern - in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25 % auf 5 % erreicht. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos.
Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt.
Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2020). Algerien hat ein relativ gut ausgebildetes Sozialsystem, dieses ist allerdings von einigen Unausgewogenheiten geprägt, z.B. Ungleichheiten zwischen formal Angestellten und im informellen Sektor Tätigen. Eine Alterspension ist rechtlich für 100 % der Bevölkerung vorgesehen, tatsächlich beziehen konnten diese im Jahr 2018 aber nur 59 %. Arbeitslosengeld existiert im formalen Sektor, es ist aber vergleichsweise niedrig (DI / DTDA 2020).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln.
Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten im Jänner 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen (AA 11.7.2020). Aufgrund der politischen und pandemischen Schwierigkeiten ist die Versorgung der Bevölkerung trotz gegenteiliger Aussagen des Präsidenten nicht durchgängig sichergestellt. Einzelne Grundnahrungsmittel sind trotz Subventionen nur noch schwer erhältlich [Stand April 2021] (BAMF 19.4.2021).
Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien- und im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren „Selbsthilfegruppen“ in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 11.7.2020).
Die Arbeitslosigkeit (15 - 64-Jährige) lag 2020 bei 11,7 %, die Jugendarbeitslosigkeit (15 - 24-Jährige) 2019 bei 29,7 % [Anm. Wert für 2020 nicht vorhanden] (WKO 8.2021); nach anderen Angaben bei 17 % bzw. 50 % (RLS 7.4.2020). In einer weiteren Quelle wird die Jugendarbeitslosigkeit mit Stand 2020 mit 30 % angegeben, v.a. unter Frauen und höher Gebildeten (DI / DTDA 2020). Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit (ÖB 11.2020). Laut Weltbank betrug die Arbeitslosigkeit Ende 2019 12,3 %; dieser Wert ist jedoch im Gefolge der COVID-Pandemie sicherlich angestiegen, aktuelle verlässliche Zahlen liegen nicht vor. Schwer zu beziffern ist der informelle Sektor, der laut UN-Quellen (inoffiziell) auf bis zu 60 % geschätzt wird (ÖB 11.2020), nach anderen Angaben arbeiten 38 % der Algerier im informellen Sektor (DI / DTDA 2020).
Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM ( http://www.anem.dz/ ) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z.B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos ). Seit Feber 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. In manchen Regionen stellt der Staat kostenlos Land, Sach- sowie Geldmittel zur Verfügung, um landwirtschaftliche Unternehmungen zu erleichtern. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_11.07.2020.pdf , Zugriff 24.8.2021
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.4.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw16-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 1.9.2021
• BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Algeria, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_DZA.pdf , Zugriff 24.8.2021
• DI / DTDA - Danish Industry / Danish Trade Union Development Agency [Dänemark] (2020): Labour Market Report Algeria - 2020, https://www.ulandssekretariatet.dk/wp-content/uploads/2020/06/LMR-Algeria-2020-final-version1.pdf , Zugriff 26.8.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
• RLS - Rosa-Luxemburg-Stiftung (7.4.2020): Zwischen Pandemie-Bekämpfung und politischer Repression, https://www.rosalux.de/news/id/4193RLS_2020_047/zwischen-pandemie-bekaempfung-und-politischer-repression?cHash=d0f52147ae9940a356cf04f0af11b4a9 , Zugriff 26.8.2021
• WB - World Bank (2.4.2021): Algeria Economic Update - April 2021, https://www.worldbank.org/en/country/algeria/publication/economic-update-april-2021 , Zugriff 26.8.2021
• WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.2021): Länderprofil Algerien, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-algerien.pdf , Zugriff 16.3.2021
Rückkehr
Die illegale Ausreise, d.h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 11.2020; vgl. AA 11.7.2020). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und /oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 126 - 378 Euro] vor (ÖB 11.2020).
Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge („harraga“) sieht das Gesetz Haftstrafen von zwei bis zu sechs Monaten und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 11.7.2020).
Eine behördliche Rückkehrhilfe ist der ÖB nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die solche Unterstützung leisten. Es gibt in Algerien 10.000 angemeldete Vereine, die meisten davon sind Wohltätigkeitsvereine - es ist allerdings nicht bekannt, ob von diesen spezielle Rückkehrhilfe geleistet wird. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Familien zurückkehrende Mitglieder wieder aufnehmen und unterstützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (1.000-2.000€) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Ähnliches gibt es in unterschiedlicher Höhe auch für andere EUStaaten (ÖB 11.2020).
Algerien erklärt sich bei Treffen mit EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsbürger handle.
Nachfragen bei EU-Botschaften bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert, allerdings ist der Rhythmus relativ langsam, angeblich maximal 5-10 pro Tag, bzw. auch pro Woche. Algerien behauptet, dass dies auf die insgesamt vielen Rückübernahmen aus zahlreichen Staaten zurückzuführen ist, weil die Aufnahmebehörden sonst überlastet wären. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 11.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.7.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2035826/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Volksrepublik_Algerien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_11.07.2020.pdf , Zugriff 24.8.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Algier [Österreich] (11.2020): Asylländerbericht Algerien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser (Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme am 24.08.2021) und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll der Erstbefragung vom 23.07.2021), in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die zitierten Länderberichte zu Algerien.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Berücksichtigt wurden auch die Gerichtsakten zu den Vorverfahren.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, der Betreuungsinformation Grundversorgung und dem Strafregister eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, seiner Herkunft, seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Schulbildung und Berufserfahrung, seinem Gesundheitszustand, seiner Erwerbsfähigkeit, seiner Staatsangehörigkeit und seiner Konfession ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (insbesondere der Einvernahme am 24.08.2021) bzw. in den Vorverfahren.
Seine Identität steht aufgrund einer Identifikation durch die algerische Botschaft am 08.02.2017 fest.
2.3. Zu den Fluchtgründen und zu einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat Algerien einerseits mit wirtschaftlichen Erwägungen, andererseits mit einer ihm drohenden Haftstrafe. Der Antrag wurde als unbegründet abgewiesen. Im Verfahren über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2021, Zl. I414 2142179-2/4E. abgeschlossen wurde, machte der Beschwerdeführer keine Rückkehrgefährdung geltend. Erst in seinem verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vom 19.07.2021 gab er an, dass sein Leben bei einer Rückkehr nach Algerien in Gefahr sei, weil zwei konservative Onkel nicht mit seinem Lebensstil einverstanden seien und ihn daher töten wollten.
Es ist allerdings aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer Algerien aus wohlbegründeter Furcht, von diesen beiden Verwandten getötet zu werden, verlassen hat. Der Beschwerdeführer widerspricht sich bei seinem Vorbringen mehrmals: So meinte er in der Einvernahme am 24.08.2021 einmal, dass seine Onkel ihn geschlagen hätten; zu einem späteren Zeitpunkt gab er dagegen an, nie persönlich von ihnen angegriffen oder bedroht worden zu sein. Ein weiterer Widerspruch liegt darin, dass er einmal meinte, dass seine Onkel eine Woche nach seiner Abschiebung mit Stöcken zur Familie gekommen seien und seinem Vater gesagt hätten, dass der Beschwerdeführer eine Schande sei, dann wieder setzte er dieses Ereignis an dem Tag an, als er seine Familie drei Monate nach seiner Abschiebung verließ und zu einem Freund zog. Auch gab er einmal zu Protokoll, dass die Onkel ihn töten wollten, dann wieder, dass er nach Europa zurückgehen sollte. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht erklären, woher seine Onkel nach seinem Umzug wissen sollten, bei welchem Freund er Unterschlupf gefunden hatte – wobei es auch nicht plausibel ist, dass die Onkel, wenn sie den tatsächlich verfolgen und bedrohen würden, zunächst die Familie des Beschwerdeführers über dieses Wissen informieren würden anstelle ihn selbst aufzusuchen und gegebenenfalls zu verletzen oder zu töten.
Insgesamt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer konkreten Verfolgung durch zwei Onkel nicht glaubhaft.
Soweit in der Beschwerde erklärt wird, dass der Beschwerdeführer wegen seiner illegalen Ausreise in Gefahr sei, inhaftiert zu werden, ist auf die obigen Länderfeststellungen zu verweisen, wonach in der Regel keine oder nur bedingte Freiheitsstrafen verhängt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich auch den tragenden Erwägungen des BFA hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er sollte im Falle seiner Rückkehr durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Zudem verfügt er über umfangreiche familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat in Gestalt seiner Eltern und seiner Geschwister, was den Aufbau einer neuen Existenz erheblich erleichtert. Der Beschwerdeführer kann auch wieder bei seinen Eltern wohnen bzw. können ihn diese jedenfalls weiter finanziell unterstützen, wie sie es auch in der Vergangenheit getan haben. Doch selbst wenn die Eltern, wie in der Beschwerde behauptet, den Beschwerdeführer nicht weiter unterstützen könnten, da sie sich nicht gegen die Großfamilie stellen wollen würden, wäre letztlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als arbeitsfähiger und gesunder volljähriger Mann im Falle einer Rückkehr nach Algerien nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Nicht zuletzt gilt Algerien gemäß § 1 Z 10 der HStV als sicherer Herkunftsstaat.
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19 Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zumeist mit nur geringen Symptomen, vergleichbar einer Grippe, und steht es dem Beschwerdeführer zudem offen, in Österreich eine Impfung vornehmen zu lassen, falls er dies noch nicht getan hat.
2.4. Zu den Länderfeststellungen:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer die Gefahr einer Verfolgung seiner Person durch zwei Onkel nicht glaubhaft zu machen. Darüber hinaus wäre es dem Beschwerdeführer möglich, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen und so – bei hypothetischer Wahrunterstellung seines Vorbringens – der Verfolgung durch seine Onkel zu entgehen. Dass diese ihn in ganz Algerien finden würden, ist schlichtweg undenkbar.
Der Beschwerdeführer könnte sich auch um staatlichen Schutz bemühen. Er gab an, nie die Polizei aufgesucht zu haben. In der Beschwerde wird zwar lapidar behauptet, dass der algerische Staat bei familiären Konflikten nicht schutzwillig sei, doch wird dies nicht näher ausgeführt bzw. der Ursprung dieser Feststellung offengelegt. Auch wenn in Einzelfällen Korruption und Bestechung bei den algerischen Sicherheitskräften nicht auszuschließen ist, ergibt sich daraus nicht, dass es generell unmöglich wäre, entsprechenden behördlichen Schutz vor kriminellen Handlungen in Anspruch zu nehmen. Hinweise auf Korruption lassen keinen Rückschluss darauf zu, dass allein deshalb die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden insgesamt und generell nicht gegeben wäre (VwGH, 20.07.2018, Ra 2018/18/0113). Dass die algerischen Behörden Morde innerhalb der Familie systematisch tolerierten oder nicht ernsthaft behandelten und verfolgten, wurde nicht bescheinigt und spricht auch der Status von Algerien als sicherer Herkunftsstaat dagegen.
Dem Beschwerdeführer ist es damit nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung von maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Algerien keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Algerien mit existentiellen Nöten konfrontiert ist. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5).
Derartige Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht dargelegt. Er verfügt in Gestalt seiner Eltern und seiner Geschwister über umfangreiche familiäre Anknüpfungspunkte in Algerien. Somit kann er im Falle seiner Rückkehr auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen, was ihm den Aufbau einer Existenz erheblich erleichtern sollte. Doch selbst wenn er nicht auf seine Familie zurückgreifen könnte, steht ihm als volljährigen, gesunden und erwerbsfähigen Mann der Arbeitsmarkt offen und kann er sich zumindest seine Grundbedürfnisse sichern. Dass der Beschwerdeführer in Österreich allenfalls wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Algerien bessergestellt ist, genügt für die Annahme, er würde in Algerien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, nicht. Es fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Es ist letztlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Algerien nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde und ist er auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Nicht zuletzt gilt Algerien gemäß § 1 Z 10 der HStV als sicherer Herkunftsstaat.
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse im Hinblick auf den Beschwerdeführer. Soweit in der Beschwerde ausgeführt wurde, dass sich die wirtschaftliche Situation in Algerien durch die Pandemie verschlechtert habe, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verwiesen, wonach nicht entscheidungswesentlich ist, wenn sich für einen Asylwerber infolge der seitens der Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von Erkrankungen an Covid-19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellte, weil es darauf bei der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre (VwGH, 15.02.2021, Ra 2020/01/0351). Auch wenn die aktuelle wirtschaftliche Situation schwieriger sein sollte als vor der Pandemie, reicht dies nicht auf, um eine existenzielle Notsituation des Beschwerdeführers annehmen zu lassen.
Aus den Länderberichten ergibt sich auch keine reale Gefahr, dass über den Beschwerdeführer aufgrund seiner illegalen Ausreise eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden wird.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.4. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte seitens der belangten Behörde gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG, da der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt (Z 1). Im vorliegenden Fall stammt der Beschwerdeführer aus Algerien, was gemäß § 1 Z 10 der HStV als sicherer Herkunftsstaat gilt. Zudem ist auch § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG erfüllt, da gegen den Beschwerdeführer vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen worden ist.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht weniger als ein Monat liegt - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. In der Beschwerde wurde den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substantiiert entgegengetreten.
Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit real risk reale Gefahr sicherer Herkunftsstaat subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2142179.3.00Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022