TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/15 I403 2246304-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.09.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §67
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I403 2246304-1/6Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Polen, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2021, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Über den Beschwerdeführer, einen in Österreich zum betreffenden Zeitpunkt bereits vierfach vorbestraften polnischen Staatsangehörigen, wurde am 09.08.2021 Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung verhängt und wurde er am gleichen Tag von der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, einvernommen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.08.2021 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Zudem wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Der Beschwerdeführer wurde am 11.08.2021 nach Polen abgeschoben.

Gegen den Bescheid vom 10.08.2021 wurde fristgerecht am 07.09.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.09.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Polen. Seine Identität steht fest. Seit dem Jahr 2000 hatte er – zunächst noch als Minderjähriger - immer wieder einen Nebenwohnsitz bei seinem Vater im Bundesgebiet angemeldet. Einen Hauptwohnsitz meldete er allerdings erst im März 2008 an. Er war seither aber nicht ununterbrochen im Bundesgebiet, sondern verbrachte etwa die Zeit von Mitte September 2013 bis August 2014 nicht in Österreich.

Die Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers beschränkten sich auf einzelne Wochen; konkret war der Beschwerdeführer im Jahr 2011 für 12 Tage, 2012 gar nicht, 2013 ebenfalls für 12 Tage, 2014 für 23 Tage, 2015 für 11 Tage geringfügig, 2016 für 44 Tage, 2017 für 40 Tage und 2018 für 30 Tage beschäftigt, seit dem 16.11.2018 bezog er bis zu seiner Abschiebung durchgehend Notstandshilfe. Die Zeiträume des Bezugs von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe überwiegen die Beschäftigungszeiträume.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich insgesamt viermal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt:

1)       Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 20.10.2008, rechtskräftig am 24.10.2008, Zl. XXXX , wegen § 127 StGB, § 27 Abs. 1 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Wochen (Jugendstraftat) unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren; Bewährungshilfe wurde angeordnet

2)       Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 31.03.2011, rechtskräftig am 05.04.2011, wegen § 146 StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren

3)       Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 09.03.2016, rechtskräftig am 14.03.2016, Zl. XXXX , wegen des Vergehens der wissentlichen Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren: Der Beschwerdeführer hatte am 03.09.2014 in einer Drogerie ein Parfum, einen Rasierer und Rasierklingen gestohlen. Bei seiner polizeilichen Einvernahme am selben Tag verteidigte er sich damit, dass ihm ein unbekannter Algerier seine Geldbörse mit Inhalt gestohlen und seine Freundin entführt habe und sie nur gegen Übergabe eines gestohlenen Parfüms freilasse. Mildernd wurden das Geständnis zum Diebstahl, erschwerend das Zusammentreffen von mehreren strafbaren Handlungen und die zwei Vorstrafen gewertet.

4)       Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 16.03.2021, rechtskräftig am 20.03.2021, wegen §§ 15, 127 StGB, § 83 Abs. 1 StGB und §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren

Zudem weist er 20 Eintragungen wegen Eigentums-, Gewalt- und Suchtmitteldelikten im kriminalpolizeilichen Aktenindex auf.

Der Beschwerdeführer gibt an, der Vater von XXXX , geboren am XXXX 2013, zu sein, deren Adresse er nicht kenne, die er aber einmal oder zweimal im Monat besucht habe.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Auskünfte aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister, sowie dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Aus dem Auszug des Hauptverbandes österreichischer Sozialversicherungsträger ergeben sich seine Beschäftigungszeiten als Arbeiter (von 06.07.2011 bis 17.08.2011, von 19.08.2013 bis 30.08.2013, von 07.08.2014 bis 29.08.2014, von 20.11.2015 bis 30.11.2015 (geringfügig), von 08.07.2016 bis 03.08.2016, von 27.10.2016 bis 15.11.2016, von 30.08.2017 bis 31.08.2017, am 05.09.2017, von 10.10.2017 bis 17.10.2017, von 20.10.2017 bis 24.10.2017, von 07.11.2017 bis 01.12.2017, von 26.06.2018 bis 17.07.2018, von 22.10.2018 bis 25.10.2018 und von 12.11.2018 bis 15.11.2018) und der Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich Folgendes: Der Beschwerdeführer war zunächst von 29.11.2000 bis 24.08.2001, von 25.06.2002 bis 24.09.2002, von 30.07.2004 bis 29.10.2004 und von 14.09.2005 bis 19.12.2006 mit einem Nebenwohnsitz bei seinem Vater in Österreich gemeldet. Am 07.03.2008 meldete er erstmals einen Hauptwohnsitz an, doch wurde dieser am 30.06.2010 wieder abgemeldet und hatte er dann wieder von 03.09.2010 bis 28.02.2011 einen Nebenwohnsitz bei seinem Vater. Danach meldete er wieder einen Hauptwohnsitz bis 06.03.2012 an, war dann aber wieder ohne Wohnsitz im Bundesgebiet, bis er von 10.06.2013 bis 13.09.2013 wieder mit einem Hauptwohnsitz gemeldet war. Danach liegt wieder eine Lücke von etwa einem Jahr vor (in diesem Zeitraum war der Beschwerdeführer auch weder beschäftigt noch bezog er in diesem Zeitraum Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe), so dass das erkennende Gericht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer zwischen Mitte September 2013 und seiner neuerlichen Meldung am 04.08.2014 bei seinem Vater auch nicht im Bundesgebiet aufhältig war. Am 17.11.2018 wurde er bei seinem Vater abgemeldet und erfolgte erst wieder am 18.10.2018 eine Meldung bei seinem Vater; nach der Abmeldung am 24.08.2020 war er von 28.12.2020 bis zu seiner Abschiebung im August 2021 obdachlos gemeldet.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, eine Tochter im Bundesgebiet zu haben, ergibt sich aus seiner Einvernahme durch die belangte Behörde am 09.08.2021.

Die vier rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik. Die Feststellungen bezüglich der seiner strafgerichtlichen Verurteilung im Jahr 2016 zugrundeliegenden strafbaren Handlungen bzw. den Erwägungen des Strafgerichtes hinsichtlich der Strafbemessung ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 09.03.2016. Die anderen Urteile befinden sich nicht im Akt und wurden vom Bundesverwaltungsgericht angefordert.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 18 Abs. 3 und 5 FPG lauten:

"(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

....

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt."

Dabei ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden es nicht genügt, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 mwN).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer mittellos ist, keine Anstellung (und keine Aussicht auf eine solche) hat, über keine Unterkunft verfügt und bei ihm eine „Wiederholungsgefahr“ vorliegt. Seine sofortige Ausreise war daher aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich.

Der Beschwerdeführer gab zwar an, dass er eine Tochter im Bundesgebiet habe, unterließ es aber, entsprechende Nachweise vorzulegen. Darüber hinaus besteht seinen eigenen Angaben nach nur etwa ein- bis zweimal im Monat ein Kontakt, welcher durch Besuche der Tochter (mit der Kindesmutter) in Polen und durch moderne Kommunikationsmittel, welche für ein achtjähriges Kind durchaus zu handhaben sind, aufrechterhalten werden kann, bis eine endgültige Entscheidung über die Beschwerde getroffen wird. Eine solche kann zum gegenständlichen Zeitpunkt insbesondere nicht getroffen werden, weil es die belangte Behörde unterlassen hat, die Strafurteile in den Akt aufzunehmen.

Vor diesem Hintergrund war bei Vornahme der gemäß Art. 8 EMRK gebotenen Interessenabwägung von einem überwiegenden des öffentlichen Interesses an einer sofortigen Ausreise auszugehen.

Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Teilerkenntnis Wiederholungsgefahr Wiederholungstaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2246304.1.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten