Entscheidungsdatum
16.09.2021Norm
AVG §13 Abs8Spruch
W225 2232540-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEISS, LL.M. als Vorsitzende und durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS und die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER-REISENBERGER als Beisitzer über die Beschwerde des Vereins XXXX gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom XXXX 2020, GZ. XXXX , mit dem die Anerkennung des Vereins XXXX als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 aufgrund der nicht vollständigen Vorlage der Unterlagen zur Überprüfung des Vorliegens der Anerkennungskriterien des § 19 Abs. 6 gemäß § 19 Abs. 9 UVP-G 2000 entzogen wurde, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom XXXX 2013 (GZ. XXXX ) wurde der Beschwerdeführer als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP?G 2000 zur Ausübung von Parteirechten in den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich, Wien, Burgenland, Steiermark und Salzburg anerkannt.
2. Aufgrund der Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G 2000), BGBl. I Nr. 80/2018, ist eine regelmäßige Überprüfung von bereits anerkannten Umweltorganisationen nach § 19 Abs. 9 UVP-G 2000 durchzuführen. Diese Regelung soll der fortlaufenden Transparenz und der in angemessenen Abständen zu überprüfenden Aktualität des einschlägigen Betätigungsfeldes und der Erfüllung der Kriterien nach § 19 Abs. 6 UVP-G 2000 dienen. Zu diesen Kriterien für die Anerkennung zählt aufgrund dieser Novelle auch eine Mindestanzahl von Mitgliedern der Umweltorganisation.
Gemäß § 46 Abs. 28 Ziffer 5 in Verbindung mit § 19 Abs. 9 UVP-G 2000 hatten jene Umweltorganisationen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung (1. Dezember 2018) bereits seit mehr als drei Jahren anerkannt sind, die Unterlagen zur Überprüfung bis spätestens 1. Dezember 2019 vorzulegen.
3. Mit den Schreiben vom 28.01.2019, vom 08.07.2019 sowie vom 29.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer jeweils eine Information zur Überprüfung von anerkannten Umweltorganisationen nach dem UVP-G 2000 übermittelt. Darin wurde ausgeführt, dass die Unterlagen zur Überprüfung von anerkannten Umweltorganisationen, die vor dem 01.12.2015 als Umweltorganisation nach dem UVP?G 2000 anerkannt wurden, bis spätestens 01.12.2019 an das damalige Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Abteilung I/1, Anlagenbezogener Umweltschutz, Umweltbewertung und Luftreinhaltung zu übermitteln sind.
4. Am 26.11.2019 hat der Beschwerdeführer Unterlagen zur Überprüfung als anerkannte Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 9 UVP-G 2000 übermittelt. Ein Nachweis, dass der Verein aus mindestens hundert Mitgliedern besteht, wurde allerdings nicht erbracht.
5. Auch nach einem Verbesserungsauftrag des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus vom 27.11.2019 und einem weiteren Aufforderungsschreiben vom 19.12.2019 wurde keine Bescheinigung über die erforderliche Mitgliederzahl übermittelt.
6. Mit Bescheid vom XXXX 2020 (GZ. XXXX ) hat das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung von anerkannten Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 9 UVP?G 2000 die Anerkennung des Beschwerdeführers als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 aufgrund der nicht vollständigen Vorlage der Unterlagen zur Überprüfung des Vorliegens der Anerkennungskriterien des § 19 Abs. 6 gemäß § 19 Abs. 9 UVP-G 2000 entzogen.
7. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 26.05.2020, eingelangt im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie am 29.05.2020, Beschwerde erhoben.
8. Mit Schreiben vom 22.06.2020 legte das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie eine Stellungnahme zur Beschwerde vor und stellte den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde abweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat den Bestand von mindestens hundert Mitgliedern des Vereins XXXX nicht nachgewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung ergibt sich aus dem behördlichen Ermittlungsverfahren und der außer Zweifel stehenden sowie im Verfahren unbeanstandeten Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, zum anzuwendenden Recht und zur Zulässigkeit der Beschwerde
Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG i.V.m. § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 i.d.F. BGBl. I Nr. 95/2013 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP?G 2000 liegt Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Das Verwaltungsgericht hat gemäß Abs. 2 leg. cit. über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die gegenständliche Beschwerde wurde fristgerecht bei der belangten Behörde eingebracht. Sie ist somit rechtzeitig und auch zulässig.
3.2. Zu Spruchpunkt A)
3.2.1. Rechtsgrundlagen:
§ 19 UVP-G 2000 lautet auszugsweise:
„Parteistellung- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis
(1) Parteistellung haben […]
7. Umweltorganisationen, die gemäß Abs. 7 anerkannt wurden […].
(4) Eine Stellungnahme gemäß § 9 Abs. 5 kann durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die datierte Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzende Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben und nach § 20 als Partei oder als Beteiligte (Abs. 2) teil. Als Partei ist sie berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen und Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben. […]
(6) Umweltorganisation ist ein Verein oder eine Stiftung
1. der/die als vorrangigen Zweck gemäß Vereinsstatuten oder Stiftungserklärung den Schutz der Umwelt hat,
2. der/die gemeinnützigen Ziele im Sinn der §§ 35 und 36 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, verfolgt und
3. der/die vor Antragstellung gemäß Abs. 7 mindestens drei Jahre mit dem unter Z 1 angeführten Zweck bestanden hat.
Der Verein muss aus mindestens hundert Mitgliedern bestehen. Ein Verband muss mindestens fünf Mitgliedsvereine umfassen, die die Kriterien des Abs. 6 Z 1 bis 3 erfüllen und die gemeinsam die für fünf anerkannte Umweltorganisationen erforderliche Mitgliederzahl erreichen. Die entsprechende Anzahl ist der Behörde glaubhaft zu machen.
(7) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid zu entscheiden, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des Abs. 6 erfüllt und in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.
(8) Dem Antrag gemäß Abs. 7 sind geeignete Unterlagen anzuschließen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs. 6 erfüllt werden und auf welches Bundesland/welche Bundesländer sich der Tätigkeitsbereich der Umweltorganisation erstreckt. Eine Ausübung der Parteienrechte ist in Verfahren betreffend Vorhaben möglich, die in diesem Bundesland/in diesen Bundesländern oder daran unmittelbar angrenzenden Bundesland/Bundesländern verwirklicht werden sollen. Der Bundesminister/die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus veröffentlicht auf der Homepage des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus eine Liste jener Umweltorganisationen, die mit Bescheid gemäß Abs. 7 anerkannt wurden. In der Liste ist anzuführen, in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.
(9) Eine gemäß Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation ist verpflichtet, den Wegfall eines in Abs. 6 festgelegten Kriteriums unverzüglich dem Bundesminister/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus zu melden. Auf Verlangen des Bundesministers/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus hat die Umweltorganisation geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs. 6 weiterhin erfüllt werden. Wird dem Bundesminister/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus bekannt, dass eine anerkannte Umweltorganisation ein Kriterium gemäß Abs. 6 nicht mehr erfüllt, ist dies mit Bescheid im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort festzustellen. Die Liste gemäß Abs. 8 ist entsprechend zu ändern. Auf Verlangen des Bundesministers/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, jedenfalls aber alle drei Jahre ab Zulassung, hat die Umweltorganisation geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs. 6 weiterhin erfüllt werden. Eine solche Überprüfung ist auch auf Verlangen einer UVP-Behörde durchzuführen.
(10) Eine gemäß Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation hat Parteistellung und ist berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen, soweit sie während der Auflagefrist gemäß § 9 Abs. 1 schriftlich Einwendungen erhoben hat. Sie ist auch berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. […]“
§ 46 UVP-G 2000 lautet auszugsweise:
„Inkrafttreten, Außerkrafttreten, Übergangsbestimmungen
(28) Für das Inkrafttreten von durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 80/2018 neu gefassten oder eingefügten Bestimmungen sowie für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt Folgendes:
5. Nach § 19 Abs. 9 haben jene Umweltorganisationen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits seit mehr als drei Jahren anerkannt sind, die Unterlagen bis spätestens 1. Dezember 2019 vorzulegen. Wird im Rahmen der Überprüfung einer bereits anerkannten Umweltorganisation festgestellt, dass die Kriterien nicht mehr erfüllt sind, so bleibt in Verfahren, in denen die Umweltorganisation bereits Parteistellung erlangt hat oder die Beschwerdelegitimation anerkannt wurde, die Parteistellung oder Beschwerdelegitimation für bereits anhängige Verfahren aufrecht.“
Art. 1, Art. 2 und Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL), lauten auszugsweise:
„Artikel 1
[…]
(2) Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
[…]
d) „Öffentlichkeit": eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;
e) "betroffene Öffentlichkeit": die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse. […]
Artikel 2
(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die
a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ
b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,
Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.
(2) Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.
(3) Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels verletzt werden können.
(4) Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.
Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.
(5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden. […]
Artikel 11
(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen
Öffentlichkeit, die
a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ
b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. […]“
Art. 2, Art. 3 und Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus lauten auszugsweise:
„Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Übereinkommens
[…]
4. bedeutet „Öffentlichkeit“ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;
5. bedeutet „betroffene Öffentlichkeit“ die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse. […]
Artikel 3
Allgemeine Bestimmungen
[…]
(4) Jede Vertragspartei sorgt für angemessene Anerkennung und Unterstützung von Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, und stellt sicher, dass ihr innerstaatliches Rechtssystem mit dieser Verpflichtung vereinbar ist. […]
Artikel 9
Zugang zu Gerichten
[…]
(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,
(a) die ein ausreichendes Interesse haben und
(b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensmäßige Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und - sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 - sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.
Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.
Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.
(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. […]“
3.2.2. Zum Vorbringen, dass das Kriterium einer Mitgliederzahl von 100 gemäß § 19 Abs. 6 UVP-G 2000 wegen Unionsrechtswidrigkeit nicht anzuwenden sei:
Seit der UVP-G Novelle 2018 (BGBl I 80/2018) muss ein Verein gemäß § 19 Abs. 6 UVP-G 2000, um als Umweltorganisation anerkannt zu werden bzw. anerkannt zu bleiben, u.a. aus mindestens hundert Mitgliedern bestehen. Die entsprechende Anzahl ist der Behörde glaubhaft zu machen.
Diese Voraussetzung erfüllt der Beschwerdeführer aktuell nicht bzw. hat er diese Voraussetzung nicht nachgewiesen.
Wird auch nur ein Kriterium nicht mehr erfüllt, so ist die Parteistellung abzuerkennen (siehe Schmelz/Schwarzer, UVP-G-ON 1.00, § 19 UVP-G Rz. 187 [Stand 1.7.2011, rdb.at]).
Ergänzend wird zum Vorbringen des Beschwerdeführers ausgeführt, dass das mit der UVP-G Novelle 2018 eingefügte Kriterium der Mindestanzahl von Mitgliedern auch im Rahmen der Überprüfung der bereits anerkannten Umweltorganisationen glaubhaft zu machen ist. Dies ergibt sich aus den parlamentarischen Materialien zur UVP-G Novelle 2018:
Das Kriterium der Mitgliederanzahl für die Anerkennung von Umweltorganisationen wurde am 4. Oktober 2018 mit einem Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage der UVP-G Novelle (275 d.B.) im parlamentarischen Verfahren eingebracht und wie folgt begründet (vgl. Bericht des Umweltausschuss 282 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP): „Als weiteres Kriterium für die Anerkennung von Umweltorganisationen wird eine Mindestanzahl von hundert Vereinsmitgliedern vorgesehen. […] Bei bereits anerkannten Umweltorganisationen ist eine entsprechende Mitgliederliste bei der regelmäßigen Überprüfung der Anerkennungskriterien vorzulegen. Sollte sich herausstellen, dass eine bereits anerkannte Umweltorganisation aus weniger als hundert Mitgliedern besteht, so ist mit Bescheid der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort festzustellen, dass der Verein oder Verband die Kriterien des Abs. 6 nicht mehr erfüllt und die Anerkennung als Umweltorganisation entzogen wird."
In der Plenarsitzung des Nationalrates am 25. Oktober 2018 wurde noch eine Änderung der Regierungsvorlage der UVP-G Novelle (275 d.B.) in der Fassung des Berichts des Umweltausschusses (282 d.B.) im Hinblick auf das Kriterium der Mitgliederzahl beschlossen, die sich auf die Art des Nachweises (Glaubhaftmachung statt Liste) der Mitgliederanzahl bezieht (vgl. 275 der Beilagen XXVI. GP Beschluss des Nationalrates).
Aus den Materialien ergibt sich weiters im Hinblick auf die Glaubhaftmachung von externer Seite (vgl. 10032 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates): „Damit ist klargestellt, dass in Bezug auf den Nachweis der Erfüllung der neuen Kriterien für die Anerkennung von Umweltorganisationen die Grundsätze der Unbeschränktheit der Beweismittel und der freien Beweiswürdigung gelten. Demnach obliegt es der Behörde im Einzelfall zu entscheiden, welche Grundlagen sie zur Beurteilung des Vorliegens der „entsprechenden Anzahl" heranzieht. So kann beispielsweise das Beweismittel auch durch die Bescheinigung eines Notars oder Wirtschaftsprüfers vorgelegt werden."
§ 19 Abs. 9 UVP-G 2000 verweist in Bezug auf die regelmäßige Überprüfung der anerkannten Umweltorganisationen auf die Kriterien des § 19 Abs. 6 UVP-G 2000. Das Kriterium der Mitgliederanzahl ist in § 19 Abs. 6 UVP-G 2000 in den letzten Sätzen verankert.
Wie aus den oben dargestellten Änderungen im parlamentarischen Verfahren und den angeführten Unterlagen als klarer Wille des Gesetzgebers hervorgeht, ist das Kriterium der Mitgliederanzahl auch im Rahmen der Überprüfung von bereits anerkannten Umweltorganisationen maßgeblich. Die Mitgliederzahl ist ein zusätzliches Kriterium, neben den anderen Kriterien, wie etwa dem Tätigkeitsnachweis der Organisation zum Schutz der Umwelt, um sicherzustellen, dass die Umweltorganisation auch tatsächlich existiert und für den Schutz der Umwelt tätig ist.
Ergänzend wird zur vorgebrachten Unionswidrigkeit angemerkt: Nach der UVP-Richtlinie 2011/92 EU (zuletzt geändert durch RL 2014/52/EU) ist gemäß Artikel 11 eine Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit an UVP-Verfahren und auch der Zugang zu einem Überprüfungsverfahren erforderlich. In der UVP-Richtlinie wird in Erwägungsgrund 16 dargelegt, dass eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit bei Entscheidungen von Bedeutung ist, um der Öffentlichkeit die Gelegenheit zu geben Meinungen und Bedenken zu äußern, die für diese Entscheidungen von Belang sein können und es den Entscheidungsträgern ermöglicht, diese Meinungen und Bedenken zu berücksichtigen. Gemäß Artikel 11 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 2 lit. e) der UVP-Richtlinie können die Mitgliedstaaten festlegen, welche Voraussetzungen Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, nach innerstaatlichem Recht zu erfüllen haben, um ein ausreichendes Interesse für einen Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht zu haben.
Das Kriterium einer Mitgliederzahl im Zusammenhang mit der Beteiligung von Umweltschutzorganisationen in UVP-Verfahren war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichthof (EuGH). Der EuGH hat am 15.September 2009 in der Rechtssache C 263/08, Djurgarden entschieden, dass ein damals in Schweden geltenden Kriterium von 2000 Mitglieder für die Beteiligung von Umweltorganisationen nicht den Anforderungen der UVP-Richtlinie gerecht werde. Der EuGH hat festgehalten, dass Art. 10a der (damals geltenden) Richtlinie 85/337 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die das Recht auf Anfechtung einer Entscheidung über einen Vorgang im Sinne dieser Richtlinie Umweltschutzorganisationen vorbehält, die mindestens 2000 Mitglieder haben. Eine Mitgliederzahl darf nicht so hoch angesetzt werden, dass sie dem Ziel eine gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen, zuwiderläuft. Nach der alten schwedischen Rechtslage, die in der Rs. C 263/08, Djurgarden beurteilt wurde, konnten in Schweden nur Vereinigungen anerkannt werden, wenn sie mindestens 2.000 Mitglieder haben und es gab nur zwei Umweltschutzorganisationen, die dieses Kriterium erfüllten.
Der EuGH hat dazu in Randnummer 51 des Urteils festgehalten, dass eine solche Regelung nicht den Anforderungen der Richtlinie 85/337 gerecht wird, da es u.a. zu einer Filterung der umweltbezogenen Anfechtungen führen könnte und dies nicht dem Geist der Richtlinie und des Aarhus-Übereinkommens entsprechen würde. Schweden hat daraufhin die Bestimmung angepasst und ähnliche Kriterien wie nach der geltenden österreichischen Bestimmung eingefügt (Ausrichtung auf Umweltschutz, Gemeinnützigkeit, mindestens dreijährige Tätigkeit und 100 Mitglieder oder Nachweis, dass die Aktivitäten von der Öffentlichkeit unterstützt werden).
Der EuGH hat in dieser Entscheidung auch festgestellt, dass eine Mindestanzahl an Mitgliedern für Umweltschutzorganisationen sich als sachdienlich erweisen kann, um sicherzustellen, dass diese Vereinigung „auch tatsächlich existiert und tätig ist". Eine solche Voraussetzung darf jedoch den Zielen der UVP-Richtlinie, insbesondere der gerichtlichen Kontrolle der betroffenen Verfahren, nicht zuwiderlaufen (vgl. Rn 47).
Das Aarhus Convention Compliance Comitee (ACCC oder auch wie vom Beschwerdeführer bezeichnet: Einhaltungsausschuss der AK) hat in Bezug auf die schwedische Bestimmung festgehalten, dass diese im von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention (BGBl. III Nr. 88/2005) zulässigen Ermessenspielraum liegt (vgl. Schweden ACCC/C/2013/81; ECE/MP/C.I/2017/4, 29.12.2016, Abs. 29, 85).
Die Ausführungen des Beschwerdeführers der Einhaltungsausschuss der Aarhus Konvention hätte die „Zulässigkeit eine Mindestzahl von 100 Mitgliedern als zwingendes Kriterium für Entscheidungen im Rahmen von UVP-Projekten ausgeschlossen" ist daher nicht zutreffend.
In diesem Zusammenhang ist zudem auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach auch bei Bürgerinitiativen, welche gemäß § 19 Abs. 4 UVP?G 2000 von mindestens 200 Personen unterstützt werden müssen und ebenso als „Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit“ anzusehen sind (vgl. VwGH 27.09.2018, Ro 2015/06/0008), dieser kein Vorabentscheidungsverfahren eingeleitet hatte. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass eine zwingende Mindestanzahl im Zusammenhang mit „Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit“ unzulässig ist bzw. nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist (siehe VwSlg 17712 A/2009).
In Österreich sind außerdem aktuell 55 Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannt (siehe Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Stand: 26. Juli 2021 <https://www.bmk.gv.at/dam/jcr:8bbd82cb-335d-49a8-91c7-b5a2b8a67581/Liste-anerkannter-Umweltorganisationen_20210726.pdf>), woraus sich ergibt, dass die Anerkennungskriterien des § 19 Abs. 6 UVP-G 2000 für die Anerkennung als Umweltorganisation nach Ansicht des erkennenden Gerichtes den Zugang zu den Gerichten nicht ungebührlich einschränken.
Die Beteiligung von Umweltorganisationen in UVP-Genehmigungsverfahren ebenso wie der Zugang zu Gerichten ist in Österreich somit sichergestellt. Anerkannte Umweltorganisationen haben Parteistellung in UVP-Genehmigungsfahren, Beschwerderechte gegen UVP-Feststellungsbescheide und können Rechtsmittel an das Bundesverwaltungsgericht bzw. Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof erheben.
Das erkennende Gericht kommt daher zum Ergebnis, dass mit den Bestimmungen im UVP?G 2000 sowohl die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit als auch der Zugang zu einem Überprüfungsverfahren gewährleistet ist und durch die Änderungen der UVP-G Novelle 2018, BGBl. I Nr. 80/2018, nicht ungebührlich erschwert wird.
Zum Vorbringen, dass die Aarhus-Konvention nicht eingehalten werde:
Wenn sich der Beschwerdeführer auf Art 3 Abs. 4 der Aarhus-Konvention stützt und anführt, dass nach dem Umsetzungsleitfaden eine unnötige Ausgrenzung von Nichtregierungsorganisationen unzulässig sei, so ist festzuhalten, dass diese Aussage dem Umsetzungsleitfaden der Aarhus-Konvention nicht zu entnehmen ist (vgl. Aarhus Convention Implementation Guide, S. 66 < http://www.unece.org/env/pp/implementation_guide.html>). Die Anerkennung von Umweltorganisationen steht im Zusammenhang mit Art. 2 Ziffer 4 und 5 der Aarhus-Konvention, wonach diese als Teil der Öffentlichkeit anzusehen sind und ihnen Rechte nach Art. 4 bis 9 der Aarhus-Konvention zukommen. In Österreich wurde in Umsetzung der Aarhus-Konvention und der einschlägigen EU-Umwelt- Richtlinien ein Rechtsrahmen zur Anerkennung und Unterstützung von Umweltorganisationen im UVP-G festgelegt. Angemerkt wird, dass die Vertragsparteien der Aarhus-Konvention über einen Handlungsspielraum verfügen, wie sie die Bestimmungen zum Zugang zu Gerichten, insbesondere Art. 9 Abs. 3, in das nationale Recht umsetzen. Die Kriterien dürfen nicht so restriktiv gesteckt sein, dass allen oder beinahe allen Umweltorganisationen als Mitglieder der Öffentlichkeit der Gerichtszugang verwehrt ist. Entscheidend ist demnach das Gesamtbild der Rechtsschutzmöglichkeiten, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (vgl. Fall gegen Belgien vor dem Einhaltungsausschuss der Aarhus-Konvention (ACCC), ACCC/2005/11).
Zu den von dem Beschwerdeführer auf Seite 10 zitierten Fällen des ACCC ist festzuhalten, dass Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention der Öffentlichkeit zusätzlich zum Gerichtszugang nach Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 im Sinne eines Auffangtatbestands einen grundsätzlich weiten Gerichtszugang ermöglicht. Gemäß dem ACCC sind aber auch unter diesem Tatbestand die Festlegung von Kriterien für den Gerichtszugang möglich, diese müssen aber mit den Zielen der Konvention zur Gewährung des Gerichtszugangs in Einklang stehen (Aarhus Convention, Implementation Guide, S. 198) bzw. wird ein Ausschluss der Klagebefugnis insbesondere von Umweltorganisationen infolge einer entsprechend engen Definition, was eine Rechtsverletzung oder als ausreichendes Interesse gem. Art. 9 Abs. 2 anzusehen ist, nicht im Einklang mit der Konvention sein (vgl. Epiney/Diezig/Pirker/Reitemeyer: Aarhus-Konvention, Handkommentar, S. 276 und Aarhus Convention, Implementation Guide, S. 195).
Der EuGH hat wiederholt festgehalten, dass die Aarhus-Konvention mit der Ratifikation der EU integrierender Bestandteil des EU-Rechts geworden ist, die Vorgaben nach Art. 9 Abs. 3 jedoch nicht unmittelbar gelten (insb. EuGH-Urteil vom 11. März 2011, Rs. C-240/09 „Slowakischer Braunbär I", EuGH-Urteil vom 20. Dezember 207, Rs. C-664/15 „Protect", zuletzt EuGH-Urteil von 3. Oktober 2019, Rs. 197/18 „Nitrat"). Die Mitgliedstaaten haben einen Gestaltungsspielraum, jedoch dürfen die Kriterien nicht derart streng sein, dass es für Umweltorganisationen unmöglich ist Handlungen und Unterlassungen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 anzufechten (vgl insbesondere EuGH-Urteil vom 20. Dezember 2017, Rs. C-664/15 „Protect", Rn 48). Die Mitgliedstaaten haben daher ihr Recht im Einklang mit den Zielen der Konvention zu gestalten bzw. auszulegen, verfügen dabei aber über einen Ermessensspielraum.
Abschließend ist zum zitierten Fall betreffend Turkmenistan (ACCC/C/2004/05) auszuführen, dass dabei eine gesetzliche Beschränkung, wonach nur turkmenische StaatsbürgerInnen Mitglieder einer Umweltorganisation sein dürfen bzw. diese auch gründen können, Gegenstand des Verfahrens war. Der Einhaltungsausschuss hat dies als unvereinbar mit Art. 9 Abs. 3 der Konvention qualifiziert. Zudem hat der Ausschuss zur Einhaltung von Art. 3 Abs. 4 der Konvention den gesetzlichen Rahmen Turkmenistans zur Registrierung und Anerkennung von Umweltorganisationen in seiner Gesamtheit als echtes Hindernis für die Ausübung der nach der Konvention gewährleisteten Rechte erachtet. Diese Einwände gehen somit ins Leere.
Zum Vorbringen, dass gegen Österreich seit 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus- Konvention beim ACCC läuft und im aktuellsten Fortschrittsbericht kritisch angemerkt wird, dass angesichts der Entwicklungen im UVP-G 2000 nach wie vor ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 vorliege:
Hier ist zu unterscheiden, dass es einerseits Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Österreich gibt, nämlich ein Vertragsverletzungsverfahren seit 2012 im Zusammenhang mit der UVP-Richtlinie und ein Vertragsverletzungsverfahren seit dem Jahr 2014 im Zusammenhang mit der Aarhus-Konvention, und andererseits die Verfahren vor dem Einhaltungsausschuss der Aarhus-Konvention (ACCC).
Zum Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der UVP-Richtlinie: In dem seit dem Jahr 2012 anhängigen Vertragsverletzungsverfahren zur UVP-Richtlinie im Zusammenhang mit dem Zugang zu Gericht der betroffenen Öffentlichkeit in Umweltverfahren wurde diese neue gesetzliche Bestimmung zur Anerkennung von Umweltorganisationen in einer neuen begründeten Stellungnahme der Europäischen Kommission im Juli 2019 nicht aufgegriffen. Dies kann als ein Indiz gewertet werden, dass es im Hinblick auf die neue gesetzliche Bestimmung der regelmäßigen Überprüfung und des Kriteriums der Mitglieder keine Bedenken der Europäischen Kommission gibt, sonst hätte die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme vom Juli 2019 diesen Punkt aufgegriffen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einer unionsrechtskonformen Bestimmung aus. Mit den Bestimmungen im UVP-G 2000 ist sowohl die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit und auch der Zugang zu einem Überprüfungsverfahren gewährleistet.
Zum Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der Aarhus-Konvention: Die Europäische Kommission hat gegen Österreich im Juli 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet, da Österreich zur dritten Säule zum Zugang zu Gerichten keine Umsetzungsmaßnahmen in den Bereichen Naturschutz, Wasser, Luft und Abfall gesetzt hat. Dies ist nach Ansicht der Europäische Kommission nicht mit den Verpflichtungen der Konvention und der EU- Umweltrichtlinien vereinbar.
Aufgrund der Kritikpunkte der Europäischen Kommission und aufgrund des EuGH-Urteils vom 20. Dezember 2017 im österreichischen Vorabentscheidungsverfahren (Rs. C-664/15 Protect) wurde auf Bundesebene das Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018 vom Parlament beschlossen. Das EuGH- Urteil bezog sich auf die österreichische Rechtslage zur fehlenden Parteistellung im Wasserrechtsgesetz. Danach ist den Umweltorganisationen in wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren (zum Verschlechterungsverbot nach Art. 4 der EU-Wasserrahmen-Richtlinie iVm Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention) ein Gerichtszugang zu gewähren.
Das Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018 ist im November 2018 als Sammelnovelle zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zum Immissionsschutzgesetz - Luft (IG-L) und zum Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), ebenso wie eine Neufassung des Emissionsgesetz-Luft (EG- L 2018) in Kraft getreten. Damit wurden die notwendigen Bestimmungen aufgenommen, um Umweltorganisationen (und im Bereich des IG-L und EG-L auch betroffenen Einzelpersonen) Zugang zu verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsverfahren in den Umweltbereichen Abfall, Luft und Wasser auf Bundesebene sicherzustellen. Es folgten für den Natur- und Artenschutz bzw. des Jagd- und Fischereirechts entsprechende Umsetzungen der Bundesländer in den Landesgesetzen.
3.2.3. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:
Wenn der Beschwerdeführer ausführt, dass die Regelung des § 19 Abs. 6 UVP-G 2000 hinsichtlich der nachzuweisenden 100 Mitglieder unsachlich und gleichheitswidrig sei, da hierdurch zwischen „kleineren“ und „größeren“ Umweltorganisationen unterschieden werde, dann ist auf die strikte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Bürgerinitiative zu verweisen, wonach, wie bereits ausgeführt, eine vergleichbare Regelung vorliegt und keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf eine etwaige Unterscheidung von „kleineren“ und „größeren“ Bürgerinitiativen zu Tage getreten sind (siehe u.a. VfSlg 18.225/2007, 18.228/2007 oder 16242/2001). Auch hier hängt das Interesse, der Tätigkeitsumfang und das Engagement nicht unmittelbar von der Anzahl der Mitglieder ab, sondern vom persönlichen Einsatz der einzelnen Mitglieder. Da das Bundesverwaltungsgericht teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers nicht.
3.2.4. Zur Anregung zur Vorlage an den EuGH:
In diesem Zusammenhang wird auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach es sich beim Bundesverwaltungsgericht nicht um ein letztinstanzliches und vorlagepflichtiges Gericht handelt (siehe VfSlg 19.896/2014). Es besteht somit selbst bei Zweifeln (was gegenständlich nicht der Fall ist) keine Pflicht des Bundesverwaltungsgerichtes, eine Vorabentscheidung durch den EuGH zu veranlassen.
3.2.5. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen ist und sich auch nicht geändert hat. Das Beschwerdeverfahren betraf ausschließlich Rechtsfragen allgemeiner Natur, deren mündliche Erörterung und Diskussion unterbleiben konnte, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 Grundrechte-Charta bedeutet hätte (siehe VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146 und VwGH 27.02.2013, 2010/05/0080, jeweils mit Hinweisen auf die Judikatur des EGMR).
3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage [trotz allenfalls fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes] u.a. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Schlagworte
Aarhus - Konvention Anerkennung - Zurücknahme Entziehung Entziehungsbescheid Entziehungsgrund Mindestanforderung öffentliche Interessen Transparenz Überprüfung Unionsrecht Unvollständigkeit Verein Voraussetzungen VorlagepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W225.2232540.1.00Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022