Entscheidungsdatum
21.09.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W168 2160411 - 1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2017,
Zl 1093614002/151698190/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.09.2021, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und Herrn XXXX gemäß § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F. (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass Herrn XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.
2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des BF am nächsten Tag führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er im Iran illegal aufhältig gewesen sei, weshalb er nicht zur Schule gehen und auch nicht arbeiten habe können. Der BF habe dort keine Rechte gehabt und die iranischen Behörden hätten ihm keine Dokumente ausgestellt. Wegen der schlechten Behandlung sei er aus dem Iran geflohen, ansonsten habe er keine weiteren Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr fürchte er, auch weiterhin keine Rechte mehr zu haben.
Zu seinen persönlichen Umständen befragt, gab der BF an, dass er in der Provinz Kunduz geboren worden sei. Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken und der Religionszugehörigkeit der Sunniten an. Der BF sei Analphabet, habe keine Ausbildung absolviert und sei vor seiner Ausreise als Landarbeiter tätig gewesen. Seine Eltern, seine drei Brüder und seine Schwester seien allesamt im Iran aufhältig. Der BF habe sich vor seiner Ausreise bereits sieben Jahre im Iran aufgehalten.
3. Am 26.04.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er aus der Provinz Kunduz stamme und sunnitischer Tadschike sei. Die Fragen, ob er wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit je Probleme gehabt habe oder von den afghanischen Behörden gesucht werde, wurden vom BF verneint. Zur Frage, wie sich sein Tagesablauf in Österreich gestalte, erklärte der BF, dass er Fußball spiele und bereits gemeinnützige Arbeiten abgeleistet habe. Er habe auch Deutsch gelernt und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Seine Eltern sowie seine drei Brüder und seine Schwester würden bereits seit sieben Jahren im Iran wohnhaft sein. Befragt, was mit dem Haus in Afghanistan passiert sei, erwiderte der BF, dass die Taliban es zerstört hätten, es sich jedoch nicht um einen gezielten Angriff gehandelt habe. Der BF habe seine Familienmitglieder bereits seit sieben oder acht Monate nicht kontaktiert, da diese kein Telefon hätten. Nachgefragt, wieso er keine genaue Adresse habe, entgegnete der BF, dass er nur das Dorf, in dem sie gelebt hätten, bezeichnen könne. Er habe im Iran eine Verlobte. Auf die Frage, wovon seine Familie in Afghanistan gelebt habe, replizierte der BF, dass sein Vater Landwirt gewesen sei. Seine Familie habe das Land vor sieben Jahren wegen der allgemeinen Kriegssituation verlassen. Die Frage, ob er in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte habe, wurde vom BF verneint.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass er im Iran keinen Status gehabt habe. Er habe weder legal arbeiten oder zur Schule gehen dürfen und habe auch sonst keine Freiheiten gehabt. Auf Vorhalt, dass seine Lage im Iran nicht asylrelevant sei und befragt, ob es Gründe gebe, die gegen eine Rückkehr nach Afghanistan sprechen würden, brachte der BF vor, dass er dort keine familiären Anknüpfungspunkte habe, weshalb er Angst habe, von den Taliban erwischt zu werden und für diese kämpfen zu müssen. Zur Frage, ob er etwas korrigieren oder ergänzen wolle, gab der BF zu Protokoll, dass im Iran afghanische Staatsbürger auch in den Krieg nach Syrien geschickt werden würden.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Lebensumstände und der illegale Status im Iran im gegenständlichen Verfahren nicht relevant seien, da im Asylverfahren ausschließlich die Situation für sein Herkunftsland zu prüfen seien. Für sein Herkunftsland Afghanistan habe der BF keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft vorgebracht. In der Erstbefragung am 05.11.2015 hätten sich die Fluchtgründe des BF ausschließlich auf die Situation des BF ohne legalen Aufenthaltsstatus im Iran bezogen. Die Lage des BF als Flüchtling im Iran sei jedoch im Verfahren nicht zu prüfen und daher nicht asylrelevant. Auch im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 26.04.2017 hätten sich die Fluchtgründe vordergründig auf das Fehlen eines Status im Iran und die damit verbundenen fehlenden Möglichkeiten eines Schulbesuchs oder einer Arbeitsanstellung bezogen. Außerdem habe der BF angegeben, dass Afghanen im Iran von der Polizei in den Kriegseinsatz nach Syrien geschickt werden würden. Wie bereits angeführt, seien diese Gründe im Asylverfahren jedoch nicht relevant. Die Frage, ob es sich damals um einen gezielten Angriff auf das Haus der Familie des BF gehandelt habe, sei vom BF verneint worden und habe angegeben, die Taliban würden dort alle Menschen angreifen. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass der BF und seine Familie einer asylrelevanten persönlichen Verfolgung oder Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt gewesen sei, vielmehr habe er selbst angegeben, wie viele andere das Land vor nunmehr neun Jahren als Kriegsflüchtling verlassen zu haben. Eine aktuell bestehende individuelle Verfolgungsgefahr durch die Taliban lasse sich aus den Kriegsgeschehnissen vor neun Jahren sowie seiner Volksgruppen-und Religionszugehörigkeit nicht ableiten und sei auch seinen eigenen Angaben nicht zu entnehmen. Aufgrund des Fehlens einer glaubhaften, persönlichen Bedrohungssituation in Afghanistan komme die Zuerkennung des von ihm gewünschten Asylstatus daher nicht in Betracht. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei jedenfalls davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage sei, die dringendsten Lebensbedürfnisse für sich zu befriedigen und nicht, über anfängliche Schwierigkeiten hinaus, in eine dauerhaft aussichtslose Lage zu geraten.
5. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde vom 30.05.2017, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wurde zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass der genannte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens angefochten. Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich seit dem Ende des Nationalkampfeinsatzes 2014 massiv verschlechtert. Wie bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt, sei die Kunduz strategisch von großer Bedeutung. Der BF habe weder in Kabul noch in einer anderen afghanischen Stadt soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte. Der BF habe nie die Schule besucht und verfüge über keine Fachausbildung, die es ihm erleichtern würde, sich ein sicheres Einkommen zu erwirtschaften. Die soziale Absicherung liege traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, würden auf größerer Schwierigkeiten stoßen als solche Rückkehrer, die im Familienverbänden geflüchtet seien und in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen würden. Folglich könne daher im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der den BF betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung der oben dargelegten persönlichen Verhältnisse des BF und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.09.2021 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Hierbei wurde dem BF ausführlich Gelegenheit eingeräumt sämtliche Gründe darzulegen, die zum Verlassen des Herkunftsstaates bzw. seines Aufenthaltsstaates geführt haben. Ebenso wurde der BF ausführlich zu den Gründen und Motiven, sowie hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der notwendig aus nachvollziehbar glaubensimmanenten Gründen erfolgten Konversion zum Christentum, die durch die Vorlage einer unzweifelhaften Taufurkunde bescheinigt wurde, befragt. Ergänzend wurde abgeklärt, welche Kenntnisse der Beschwerdeführer über das Christentum hat, wie der BF den christlichen Glauben im Alltag lebt und ob der christliche Glaube glaubhaft und nachvollziehbar ein integraler Bestandteil der Persönlichkeit des Beschwerdeführers geworden ist. Im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG wurde ergänzend ein Zeuge hinsichtlich seiner Wahrnehmung hinsichtlich der Ausübung des christlichen Glaubens, als auch zu den ihm bekannten Motiven und der Ernsthaftigkeit der durch den BF erfolgten Konversion zum Christentum befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF ist in der Provinz Kunduz, Afghanistan geboren, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischer Moslem. Der BF beherrscht die Sprache Dari.
Der BF ist im Alter von ungefähr zehn Jahren mit seiner Familie in den Iran übersiedelt. Er hat keine Schul-bzw. Berufsausbildung abgeschlossen und war nur als Kind in Afghanistan. Vor seiner Ausreise nach Österreich war der BF als Landarbeiter tätig.
Die Eltern des BF sowie die drei Brüder und die Schwester sind im Iran wohnhaft. Der BF hat im Iran eine Verlobte. Der BF steht mit seinen Angehörigen nicht in Kontakt.
Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit dem 04.11.2015 durchgehend in Österreich auf.
Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.
Der BF ist gesund und befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung. Er ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
1.2. Zu den ursprünglichen Fluchtgründen des BF:
a.) Der BF ist bereits im Iran geboren und aufgewachsen und hat keinerlei konkrete Verbindungen oder Kenntnisse über Afghanistan.
Der BF hat nicht glaubhaft machen können, bzw. hat insgesamt nicht angegeben, dass dieser Afghanistan oder auch den Iran aus ihn unmittelbar und konkret betreffenden asylrelevanten Gründen verlassen hat.
Der BF verließ den Iran aufgrund allgemein schwieriger Lebensbedingungen für afghanische Staatsbürger. Den Problemen des BF im Iran, bzw. sämtlichen Gründen für das Verlassen des Irans kommt im gegenständlichen Verfahren keine Entscheidungsrelevanz zu und diese Gründe sind sämtlich nicht asylrelevant.
Dem BF droht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder der Religionszugehörigkeit der Schiiten keine ihn unmittelbar und konkret betreffende individuelle physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder Angehörige der schiitischen Glaubensgemeinschaft in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan allein auf Grund der Tatsache, dass er den Großteil seines Lebens im Iran verbracht hat bzw. dass jedem Rückkehrer aus dem Iran physische und/oder psychische Gewalt droht.
Es wird dem Verfahren auch nicht zugrunde gelegt, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan allein auf Grund der Tatsache, dass er über einen längeren Zeitraum in Österreich gelebt hat, in Afghanistan Verfolgung droht bzw. es ist nur aufgrund seines Aufenthaltes in Europa von keiner westlichen Gesinnung auszugehen.
b.) Zum Nachfluchtgrund der erfolgten Konversion zum Christentum
Der Beschwerdeführer ist aus einer nachvollziehbar glaubwürdigen und auf christlichen Glaubensinhalten beruhenden inneren Überzeugung zum Christentum konvertiert.
Der christliche Glaube wird durch den Beschwerdeführer seit längerer Zeit durch eine durchgehende aktive Teilnahme in einer christlichen Gemeinde glaubhaft und nachvollziehbar gelebt.
Der Beschwerdeführer konnte insgesamt glaubhaft machen, dass der christliche Glaube ein integraler Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist.
Aufgrund einer auf glaubensimmanenten Gründen basierenden Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum, seiner nachweislichen besonderen Beschäftigung mit verschiedenen Grundlagen des christlichen Glaubens und seines dokumentiert und durch mehrere Zeugen bestätigten besonderen und bereits glaubwürdig langjährig ausgeübten durchgehenden Engagements in seiner christlichen Gemeinde ist diesen eine Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht zumutbar und diesen droht dort aufgrund seiner Konversion zum Christentum mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Bedrohung.
1.3. Zur asylrelevanten Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers
Religionsfreiheit:
Nach offiziellen Schätzungen sind 84 % der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 % schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften (wie z.B. Sikhs, Hindus, Christen) machen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus.
Art. 2 der Verfassung bestimmt, dass der Islam Staatsreligion ist. Die ebenfalls in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit gilt ausdrücklich nur für die "Anhänger anderer Religionen als dem Islam" (Art. 2, Abs. 2). Auf die Rechte von Muslimen wird kein Bezug genommen. Demnach besteht Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionswahl beinhaltet, für Muslime nicht. Allerdings hält die Verfassung auch die Gültigkeit der von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen fest (Art. 7), was aber wiederum im Lichte des Islamvorbehalts zu lesen ist.
Am 17.09.2003 hat Präsident Karzai die Einsetzung eines zentralen islamischen religiösen Rates (Schura) per Dekret genehmigt. Die Schura, in der Religionsgelehrte aller Provinzen vertreten sein sollen, umfasst rund 2.600 Mitglieder, die dafür Sorge tragen sollen, dass die Gebote des Islams eingehalten werden.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 09.02.2011, 19; siehe auch United States Department of State, "International Religious Freedom Report 2010: Afghanistan", 17.11.2010)
Christen und Konvertiten:
Afghanische Christen sind im Wesentlichen vom Islam konvertiert; ihre Zahl kann nicht annähernd verlässlich geschätzt werden, da Konvertiten sich hierzu nicht öffentlich bekennen, beträgt aber wohl weniger als ein Prozent. Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Selbst zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NROs regelmäßig abgehalten werden, erscheinen sie nicht. Konversion wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht, und sorgt weiterhin für emotional aufgeladene öffentliche Diskussionen. Laut der AIHRC sind Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten wegen der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere der mündlichen Verhandlung am 02.09.2021.
2.1. Zur Person des BF:
Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, sowie zu seinem Lebenslauf (seine Herkunft, familiäre Situation, sowie seine fehlende Schulbildung und seine Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben im Verfahren sowie insbesondere in der mündlichen Verhandlung am 02.09.2021. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln.
Die Feststellungen zu seinen familiären und persönlichen Umständen in Österreich, im Iran und in Afghanistan, ergeben sich aus den gleichlautenden Angaben des BF im Verfahren.
Die Integration in Österreich geht aus in Vorlage gebrachten Unterlagen im gesamten Verfahren hervor.
Der Umstand, dass der BF insgesamt gesund und arbeitsfähig ist und keine durchgehende medizinische Behandlung benötigt, geht ebenfalls aus den gleichlautenden Angaben des BF im Verfahren hervor.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug.
Die erfolgte Konversion des Christentums geht aus einer vorgelegten Taufurkunde, aus den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers, sowie aus den Ausführungen des einvernommenen Zeugen hervor.
2.2. Zu den seitens des Beschwerdeführers angegebenen Fluchtgründen:
Die ursprünglichen angegebenen Gründe für das Verlassen des Irans werden dem gegenständlichen Verfahren nicht zu Grunde gelegt, da diese insgesamt nicht asylrelevant sind.
2.3. Zu der nach Antragstellung in Österreich erfolgten Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum:
Durch das im Verfahren vor dem BVwG nunmehr auch erstattete Vorbringen betreffend eines nach der Einreise nach Österreich begonnenen Interesses am christlichen Glauben, bzw. der belegt bereits erfolgten Taufe und damit angegebenen Konversion hat der Beschwerdeführer jedoch einen weiteren auf Glaubwürdigkeit abzuklärend asylrelevanten (Nach)fluchtgrund vorgebracht.
Die Feststellungen hinsichtlich der aus einer nachvollziehbar glaubwürdig erfolgten Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum stützen sich insbesondere auf das diesbezüglich schlüssige und glaubwürdige Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BVwG, sowie die von diesem im Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel, bzw. auch die schriftlichen Aussagen mehrerer Zeugen betreffend die Ausübung des Glaubens und die Hinwendung zum christlichen Glauben aus glaubensimmanenten Gründen durch den Beschwerdeführer. Über deren Echtheit bzw. die Nachvollziehbarkeit der Aussagen, oder die inhaltliche Richtigkeit sind keine Zweifel aufgekommen.
Bei Nachfluchtgründen, insbesondere solchen, wenn sie eine erst nach Einreise nach Österreich begonnene Zuwendung zu einem Glauben betreffen, ist eine umso genauere Ermittlung der inneren Überzeugung und sämtlicher Umstände die zu einen solchen Konversion geführt haben erforderlich, um einen möglichen Missbrauch eines solchen Vorbringens aus rein asylzweckbezogenen Gründen auszuschließen.
Aus diesen Gründen war es auch in casu erforderlich durch die Vornahme einer umfassenden Befragung vor dem BVwG das Vorliegen eines glaubwürdigen auch nachhaltigen Interesses am christlichen Glauben, bzw. einer aus tatsächlich nachvollziehbar glaubensimmanenten Gründen erfolgten Konversion zu ermitteln.
Weiter war abzuklären, inwieweit der christliche Glauben bereits als integralen Bestandteil der Persönlichkeit des Beschwerdeführers erkannt werden kann, bzw. ob dem BF aus seiner inneren Glaubensüberzeugung eine asylrelevante Bedrohung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat droht.
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes kann diesbezüglich auch nach einer bestätigten Taufe in den meisten Verfahren nur nach einer ausführlichen Befragung und umfassender Ermittlung sämtlicher diesen Nachfluchtgrund betreffender Umstände eine valide Grundlage zur Entscheidung gefunden werden.
Fallgegenständlich ist festzuhalten, dass im Zuge des Verfahrens vor dem BVwG das erkennende Gericht in casu begründet keine substantiell begründbaren Anhaltspunkte finden konnte, die im gegenständlichen Verfahren den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß asylzweckbezogen, bzw. zum Schein erfolgt wäre.
Es ist dennoch festzuhalten, dass fallbezogen eine diesbezügliche Abklärung nicht derart abschließend vorgenommen werden kann, sodass hieraus unwiderruflich und auch für die Zukunft geltend der Schluss ableitbar wäre, dass der christliche Glaube bereits auch nachhaltig zu einem tatsächlich integralen Bestandteil der Persönlichkeit des Antragstellers geworden ist.
Das BFA wird auch in Verfahren, in denen aufgrund eines erst im Bundesgebiet begonnenen Interesses am Christentum, bzw. erst einer im Zuge des Verfahrens erfolgten Konversion und eines ausschließlich deshalb zuerkannten Status nach §3 AsylG gehalten sein ein allfällig hierauf bezogenes weiteres Vorliegen von Asylgründen einer Überprüfung zuzuführen.
Als ein Indiz für eine solche Nachhaltigkeit des Bekenntnisses zum christlichen Glauben, bzw. einer fundamentalen Verfestigung der christlich - religiösen Einstellungen kann im gegenständlichen Verfahren die belegbare glaubwürdige und bereits seit längerer Zeit dokumentiert erfolgte aktive Ausübung des Glaubens in einer Glaubensgemeinschaft bzw. auch die nachvollziehbar dargelegte vertiefte inhaltliche Beschäftigung des Beschwerdeführers mit dem christlichen Glauben und konkreten Glaubensinhalten angesehen werden.
Der Beschwerdeführer hat insgesamt nachvollziehbar und bestätigt auch durch Ausführungen eines Glaubenszeugen darlegen können, dass er sich auf Grund einer begründeten persönlichen Entscheidung dem Christentum zugewandt hat.
Ebenso konnte der BF glaubhaft darlegen, dass sich dieser aus glaubwürdiger und begründeter innerer Überzeugung dem Christentum zugewandt hat, sich mit spezifischen christlichen Glaubensinhalten fundiert auseinandergesetzt hat und sich nachhaltig einer bestimmten christlichen Gemeinde zugehörig fühlt.
In casu konnte der Beschwerdeführer zudem im Zuge des Verfahrens vor dem BVwG das erkennenden Gericht davon überzeugen, dass sich dieser aus nachvollziehbaren Motiven umfassend mit der christlichen Lehre zu beschäftigen begonnen hat und nach wie vor beschäftigt, sowie sich aus begründeten Motiven, sowie aus inhaltlich nachvollziehbar begründeter Überzeugung zum christlichen Glauben auch nach außen bekennt. Gerade basierend auf diesen glaubensimmanenten Gründen hat dieser sich der Konsequenzen bewusst eine Konversion zum Christentum angestrebt und die christliche Taufe empfangen.
Zudem hat der Beschwerdeführer darlegen können, dass er sich bereits seit einer durchgehend längeren Zeit belegbar in einer bestimmten Kirchengemeinde besonders nachhaltig, aktiv einbringt und engagiert.
Auch konnte der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen, dass die christlichen Regeln generell ein Maßstab für sein gesamten Leben darstellen. Der Beschwerdeführer konnte durch seine Aussagen somit insgesamt sein nachvollziehbar glaubwürdiges Interesse an christlichen Glaubensinhalten darlegen und glaubhaft machen, dass der christliche Glaube ein integraler Bestandteil der Persönlichkeit dieses geworden ist.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner erfolgten Konversion vom Islam zum Christentum war somit im Ergebnis ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des Beschwerdeführers und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel (vgl. allgemein zu den - hier beim Asylwerber vorliegenden - Grundanforderungen, dass eine Flüchtlingseigenschaft glaubwürdig bzw. darüber hinaus glaubhaft ist: Materialien zum Asylgesetz 1991, RV 270 BlgNR 18. GP, zu § 3).
Zudem hat der Beschwerdeführer betreffend der Motivation zur Konversion einen glaubwürdigen und authentischen Eindruck hinsichtlich der nachvollziehbar tatsächlich aus innerer Überzeugung begründet bestehenden inneren Motivation betreffend der Konversion zum Christentum vermittelt.
In ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auch unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage sowie zur derjenigen von Christen und Konvertiten in Afghanistan (zu deren Würdigung s. weiter unten Pkt. II.2.2.), war dieses insgesamt als glaubwürdig zu beurteilen (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Rz. 203, mit dem Hinweis, nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Antragsteller" zu verfahren).
2.2. Der vom erkennenden Gericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der politischen und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers bzw. bezüglich seiner Situation von ihm im Falle seiner Rückkehr in diesen Staat beruht im Wesentlichen auf Berichten von als seriös und fachlich-kompetent anerkannten Quellen (zu den in diesen Unterlagen angeführten und auch vom - nunmehr - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie vom Bundesverwaltungsgericht als speziell eingerichtete Bundesbehörden als notorisch anzusehenden und daher jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigenden Tatsachen vgl. die einschlägige Judikatur z.B. VwGH 12.05.1999, 98/01/0365, und VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; zu den laufenden Ermittlungs- bzw. Informationspflichten der Asylbehörden VwGH 06.07.1999, 98/01/0602, u.v.a.).
Die den Feststellungen zugrunde liegenden Ausführungen sind mit weiteren Nachweisen substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar. Auf eine Ausgewogenheit von sowohl amtlichen bzw. staatlichen als auch von nichtstaatlichen Quellen, die auch aus verschiedenen Staaten stammen, wurde Wert gelegt.
Die herangezogenen Bescheinigungsmittel wurden im Hinblick sowohl auf ihre Anerkennung als seriöse und zuverlässige Quellen als auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit von den Parteien dieses Verfahrens nicht bestritten, bzw. es sind diesbezüglich keine Zweifel hervorgekommen. Weiters wurden im Verfahren von den Parteien keine Umstände vorgebracht und haben sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, auf Grund derer sich die Feststellungen zur Situation im betreffenden Herkunftsstaat in nachvollziehbarer Weise als unrichtig erwiesen hätten.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 i.d.g.F. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwal-tungsgericht [...] zu Ende zu führen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1. Zu Spruchpunkt A):
1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist).
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955, i.V.m. Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der [...] in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, 94/20/0858, u.a.m., s.a. VfGH 16.12.1992, B 1035/92, Slg. 13314).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2. Die o.a. Feststellungen (s. Pkt. II.1.) zugrunde legend kann hinreichend davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (s. für viele VwGH 19.04.2001, 99/20/0273). Diese Beurteilung ergibt sich auf Grund der Gesamtsituation aus objektiver Sicht (s. hierzu VwGH 12.05.1999, 98/01/0365), die nicht nur die individuelle Situation des Beschwerdeführers, sondern auch die generelle politische Lage in seinem Herkunftsstaat sowie die Menschenrechtssituation derjenigen Personen bzw. Personengruppe berücksichtigt, deren Fluchtgründe mit dem Beschwerdeführer vergleichbar sind (s.a. VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389 zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit [aktuellen] Länderberichten verlange).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0923).
Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH, 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; 21.09.2000, 98/20/0557).
Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (Statusrichtlinie) kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.
Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist insbesondere zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; 19.12.2001, 2000/20/0369; 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.06.2005, 2003/20/0544).
Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit glaubwürdiger innerer christlicher Überzeugung, die er nicht verleugnen, sondern offen ausüben wollte, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung, sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität, sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Es ist davon auszugehen, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld sowie auch den afghanischen Behörden nicht verborgen bleiben würde.
Auf Grund des in ganz Afghanistan, dies insbesondere nunmehr nach der aktuellen Machtübernahme durch die Taliban, gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen und der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt (zur - hiermit gegebenen fehlenden - inländischen Fluchtalternative s. VwGH 03.12.1997, 96/01/0947, 28.01.1998, 95/01/0615, u.a.m.; vgl. dazu auch allgemein zur Gefahrlosigkeit z.B. VwGH 25.11.1999, 98/20/0523, bzw. zur Frage der Zumutbarkeit z.B. VwGH 08.09.1999, 98/01/0614). Auch kann er sich aus den genannten Gründen keinen (ausreichenden) Schutz von Seiten der staatlichen Behörden erwarten (zur Frage des ausreichenden staatlichen Schutzes vor Verfolgung von nichtstaatlicher bzw. privater Seite s. für viele VwGH 10.03.1993, 92/01/1090, 14.05.2002, 2001/01/140 bis 143; s.a. VwGH 04.05.2000, 99/20/0177, u.a.).
Angesichts dieser Umstände war auf die vom Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb Afghanistans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Apostasie Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe Religionsausübung Religionsfreiheit religiöse Gründe staatlicher Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W168.2160411.1.00Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022