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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über den Antrag des D in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur (vollständigen) Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. November 1994, Zl. St 330/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.
Begründung
Mit Beschluß vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0976, wurde die Beschwerde gegen den genannten Bescheid als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt, nachdem der Beschwerdeführer innerhalb der ihm gesetzten Frist zur Ergänzung der Beschwerde einen ergänzenden Schriftsatz, entgegen dem Auftrag jedoch nur in zweifacher Ausfertigung, eingebracht hatte.
Der Beschwerdeführer beantragt nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung des ergänzenden Schriftsatzes in dreifacher Ausfertigung mit dem bescheinigten Vorbringen, der Vertreter des Beschwerdeführers habe den Schriftsatz dreifach ausfertigen lassen, unterfertigt und nachher an die Sekretärin zur Abfertigung an die Post übergeben. Dieser namentlich genannten Sekretärin sei das Versehen unterlaufen, daß eine der drei Ausfertigungen des ergänzenden Schriftsatzes in Verstoß geraten sei. Ein solches Versehen sei der ansonsten äußerst sorgfältigen Sekretärin während ihrer Tätigkeit in der Kanzlei seit 1. August 1992 nicht unterlaufen. Durch dieses Versehen sei der Beschwerdeführer "durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen und gänzlichen Ergänzung" der Beschwerde gehindert worden.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter (dessen Verschulden dem der Partei selbst gleichzuhalten ist) darf nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluß vom 22. Mai 1996, Zl. 96/21/0004).
Ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb darf sich im allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt wird, darauf verlassen, daß sein Kanzleipersonal einem von ihm diktierten Schriftsatz die aufgetragene Beilage auch tatsächlich anschließt; es ist nicht notwendig, daß sich der Anwalt nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleileiterin in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung, etwa durch nochmalige Vorlage des Handaktes, überzeugt (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 658, angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom bescheinigten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, unter Beachtung der oben angeführten Rechtsprechung dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten, die über einen minderen Grad des Versehens hinausginge. Aus diesem Grund war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996210407.X00Im RIS seit
20.11.2000