Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W158 2207324-2/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheids werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Um Wiederholungen zu vermeiden wird zum bisherigen Verfahrensgang auf den Beschluss vom 14.11.2018, W158 2207324-1/2E verwiesen, womit der den Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) abweisende Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens im Verfahren ihrer Mutter aufgehoben und die Sache an das BFA zurückverwiesen wurde.
I.2 Nachdem das BFA die Ermittlungsmängel im Verfahren der Mutter saniert hatte, wies das BFA mit Bescheid vom 11.01.2019, der BF am 15.01.2019 durch Hinterlegung zugestellt, den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Dazu führte das BFA mit näherer Begründung aus, dass die Eltern der BF ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen hätten können. Die BF könne mit ihrer Familie nach Kabul zurückkehren, wo die Familie lange gelebt hätte. Der Antrag der BF sei daher abzuweisen gewesen. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr der BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.
I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 14.01.2019 wurde der BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.4. Am 08.02.2019 erhob die BF Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragte, ihr den Status der Asylberechtigten in eventu den der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Begründend wird die Beweiswürdigung bestritten. Das Vorbringen ihrer Eltern wäre glaubhaft, ihr wäre daher der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Jedenfalls und unabhängig davon wäre ihr aber der Status der subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren.
I.5. Am 13.02.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.6. Am 07.07.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die BF, ihre Familie und die gemeinsame Rechtsvertretung teilnahmen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden die Mutter und die Schwester der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu ihrer Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, ihren Familienangehörigen und ihren Fluchtgründen befragt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend die BF;
- Befragung der Mutter und der Schwester der BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 07.07.2021;
II. Feststellungen:
Die BF führt den Namen XXXX . Sie ist am XXXX geboren. Sie ist Staatsangehörige von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung an. Ihre Muttersprache ist Dari.
Die BF wurde im Bundesgebiet als Kind der XXXX (W158 2207232-2) und des XXXX (W158 2207328-2) geboren. Außerdem leben zwei Geschwister der BF im Bundesgebiet: XXXX (W158 2207327-2) und XXXX (W158 2207326-2). Weitere Geschwister der BF leben in Schweden. Der Mutter der BF wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag der Status der Asylberechtigten gewährt.
III. Beweiswürdigung:
III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
III.2. Die Feststellungen zur BF, insbesondere zu ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihrer Muttersprache wie zur Geburt im Bundesgebiet, traf bereits das BFA aufgrund der Angaben ihrer Eltern und der vorgelegten Geburtsurkunde. Diese Feststellungen wurden im Beschwerdeverfahren genauso wenig bestritten, wie die Feststellungen zu den Familienverhältnissen der BF. Sie können daher auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
IV.1. Zum Spruchpunkt A)
Nach § 34 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Z 3).
Nach § 2 Abs. 1 Z 22 lit c AsylG ist Familienangehöriger ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten. Die BF ist daher unzweifelhaft Familienangehörige ihrer Mutter. Dieser wurde der Staus der Asylberechtigten zuerkannt. Der BF ist daher aufgrund der Bestimmung des § 34 Abs. 2 AsylG ebenfalls der Status der Asylberechtigten zu gewähren, zumal sie weder straffällig wurde, wozu aufgrund ihrer Strafunmündigkeit keine Feststellung zu treffen war, noch ein Aberkennungsverfahren gegen ihre Mutter anhängig ist. Eine Prüfung eigener Fluchtgründe kann daher entfallen (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
Der BF war daher in Stattgabe der Beschwerde der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen. Dies ist gemäß § 3 Abs. 5 AsylG mit der Feststellung zu verbinden, dass der BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der BF kommt damit – da sie ihren Antrag nach dem 15.11.2015 stellte (§ 75 Abs. 24 AsylG) – gemäß § 3 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Bei diesem Ergebnis waren die übrigen Spruchpunkte des Bescheids aufzuheben, da sie ihre Grundlage verlieren.
IV.2. Zum Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal die Bestimmungen zum Familienverfahren bei sowohl zum Antragszeitpunkt als auch zum Entscheidungszeitpunkt minderjährigen Kindern klar und eindeutig sind.
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Teilbehebung Familienangehöriger Familienleben Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft Kassation mündliche Verhandlung Rückkehrentscheidung behoben SpruchpunktbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2207324.2.00Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022