TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/30 W226 2246767-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W226 2246761-1/4E

W226 2246767-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2021, Zlen. 1.) 1280889802-210968994 und 2.) 1280890400-210968935, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer (in der Folge: die BF), Staatsangehörige der Ukraine, stellten nach legaler Einreise in das Bundesgebiet am 16.07.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge: BF1) wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Bei der Erstbefragung gab der BF1 zu Protokoll, dass er aus XXXX stamme und bis zur Ausreise dort gelebt habe. Er beherrsche die Sprache Ukrainisch und gehöre der Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen und der Volksgruppe der Ukrainer an. Im Herkunftsstaat habe der BF1 zehn Jahre die Grundschule und sechs Jahre eine Universität besucht. Er sei Ingenieur. Der Vater sei verstorben, die Mutter, ein Bruder und eine Schwester würden in der Ukraine leben. Er sei mit der BF2 legal mit einem Reisebus über Ungarn nach Österreich gefahren.

Zu den Ausreisegründen befragt, brachte der BF1 vor, dass er in Österreich bleiben wolle, er vertraue den österreichischen Ärzten mehr, er habe Haut- und Schleimhautkrebs. In der Ukraine sei er schon dreimal operiert worden, 20 Mal habe er eine Chemotherapie gehabt, es gäbe aber keine Besserung. Sonst habe er keine Fluchtgründe, er stelle den Asylantrag einzig, um hier in Österreich medizinisch behandelt zu werden.

Die BF2 verwies auf den Aufenthalt ihrer Tochter und der Eltern in der Ukraine, sie habe keine eigenen Gründe, sei nur wegen der medizinischen Behandlung des BF1 ausgereist. Ein Freund von ihnen habe sich in Österreich behandeln lassen und „geraten, es auch zu versuchen.“

Im Rahmen der Antragstellung wurden die ukrainischen Reisepässe der BF sichergestellt, welche im Rahmen einer kriminaltechnischen Untersuchung als authentisch klassifiziert wurden.

2. Am 10.08.2021 wurde der BF1 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Der BF1 verwies auf seine Angaben in der Erstbefragung und bestätigte seine persönlichen Daten. Er habe in XXXX seit dem Jahr 2000 gelebt, habe dort eine Eigentumswohnung, dort habe er mit der BF2 gelebt. Die gemeinsame Tochter würde in der Stadt XXXX leben, XXXX sei etwa 240 km entfernt. Zu der Tochter und den anderen Verwandten habe er natürlich Kontakt, außer der Tochter würden alle Angehörigen in der Heimatstadt XXXX leben. Er habe bis zuletzt als Ingenieur gearbeitet in einem Betrieb, wo Wasserwirtschaft betrieben wird. Derzeit befinde er sich noch auf Urlaub, wenn er nicht in die Ukraine zurückkomme, würde er gekündigt werden. Er sei im April dieses Jahres in Pension gegangen, trotzdem habe er weitergearbeitet.

Der BF1 kam auf seine medizinische Behandlung in der Ukraine zu sprechen, in der Vergangenheit sei er schon in Deutschland gewesen, aber wegen seiner Krankheit sei er das erste Mal im Ausland. Er zähle sich selbst zum „Mittelstand“ in der Ukraine, sie seien mit Tickets für den Reisebus nach Österreich legal gekommen. Mit der Polizei oder einem Gericht habe er überhaupt keine Probleme, habe im Herkunftsland auch niemals irgendein Strafrechtsdelikt begangen.

Zur medizinischen Behandlung und zu seiner Krankengeschichte führte der BF1 aus, dass bereits im Jahr 2013 eine bösartige Beule diagnostiziert und erfolgreich entfernt worden sei. 2017 sei bei einer Kontrolle eine Entzündung der Schleimhaut entdeckt worden, es sei festgestellt worden, dass sich ein Tumor weiterentwickelt habe. 2018 habe es in der Ukraine eine Chemotherapie und eine Operation gegeben, 2019 sei aber bei einer Untersuchung erkannt worden, dass sich der Zustand noch einmal verschlechtert habe, weil Metastasen dazugekommen seien.

Insgesamt habe er 20 Mal in der Ukraine eine Chemotherapie gemacht. Die Möglichkeiten der örtlichen Medizin seien dann erschöpft gewesen und man habe ihm gesagt, dass eine weitere Behandlung in Kiew möglich wäre, aber die müsste man privat bezahlen. Das könne er sich nicht leisten. Eine Untersuchung wurde umgerechnet 3.500 Euro kosten, eine medikamentöse Behandlung 8.000 Euro. Zu dieser Zeit hätten sie von einem Bekannten gehört, der von Österreich zurückgekommen sei und hier in Österreich vollständig geheilt worden sei. Das hätten sie als ihre Chance gesehen, das habe er mit seiner Frau auch versuchen wollen.

Die Diagnose in der Ukraine habe gelautet, dass er eine Entzündung am Hinterohr habe und eine Entzündung der Schleimhaut. Er habe zwei große und zwei kleine Operationen am Kopf und am Hals gehabt, nach den Operationen habe er Schmerzmittel und Antibiotika bekommen, nach den Chemotherapien habe er keine Medikamente mehr bekommen. Die Kosten für die gesamten erfolgten Behandlungen hätten etwa 500 Euro betragen. In seiner Heimatstadt sei es eine staatliche Klinik, in Kiew würde es ein privates Spital geben, das koste natürlich viel mehr. Zuletzt sei er im Mai 2021 diesbezüglich in Behandlung gewesen. Dabei habe ihm der Arzt gesagt, er solle sich weitere Behandlungsmöglichkeiten suchen, oder sie würden weitere Chemotherapien machen, aber diese Chemotherapien hätten seiner Meinung nach nichts gebracht.

Der BF1 führte weiters aus, dass hier in Österreich im Landesklinikum XXXX bereits Proben entnommen worden seien, er würde annehmen, dass diese Proben nunmehr analysiert würden. Hier in Österreich wolle er wieder gesund werden, er wolle, dass ihn die österreichischen Ärzte behandeln. Welche Methoden dabei angewandt werden, das sei ihm gleich. Letztendlich habe er das Heimatland verlassen, weil er schon alle möglichen Behandlungen in der Heimat durchgeführt und erfahren habe, dass man sich in Österreich gut behandeln lassen könne. Er habe diese Chance nützen wollen. Er wolle hier gesund werden und dann habe er keine Angst mehr in die Ukraine zurückzukehren. Es sei richtig, er habe die Heimat ausschließlich wegen der Krankheit verlassen. Wäre er in der Ukraine geblieben, dann denke er, dass die Krankheit fortschreiten würde und in einiger Zeit wäre er tot. Kein Arzt in der Ukraine gäbe ihm eine Garantie, wie lange er noch zu leben habe. Sonst habe er bei einer Rückkehr in das Heimatland nichts zu befürchten.

Auch die BF2 wurde am 10.08.2021 durch die belangte Behörde niederschriftlich eingenommen, dabei verwies sie im Wesentlichen auf die Krankengeschichte des BF1. Die Wohnung der inzwischen verstorbenen Schwiegermutter würde nunmehr dem BF1 und ihr gehören.

Vom Beruf her sei sie Volksschullehrerin. Während der Ferien hätten sie die Chance nutzen wollen und mit dem Mann hierherkommen. Sie habe einen Job als Volksschullehrerin und sollte im September wieder arbeiten. Die Frage, was dann passiere, wenn der BF1 länger in Österreich behandelt werden müsse und länger bleibe, führte die BF2 aus, dass sie beim BF1 bleiben wolle. Sie würde dann vielleicht gekündigt werden, vielleicht habe sie aber Glück und sie würde wieder angestellt werden. Die Direktorin der Schule wisse, dass sie wegen des BF1 ausgereist sei. Sie selbst habe umgerechnet ca. 450 Euro durchschnittlich verdient. Sie erwarte sich, dass das Wachstum der Metastasen hier in Österreich gestoppt werde, vielleicht könne man auch das Gehör des BF1 wiederherstellen. Sonst habe sie selbst von Seiten des Ukrainischen Staates und der Regierung keine Probleme gehabt, sie sei nur wegen der medizinischen Behandlung des BF1 ausgereist.

Von den beiden BF wurden Ambulanzbriefe betreffend den BF1, ausgestellt vom Landesklinikum XXXX am 23.07. und 05.08.2021 in Vorlage gebracht. Diesen zu Folge wurden offensichtlich vom BF1 Proben entnommen und für den 12.08.2021 eine histologische Befundbesprechung im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ausgemacht.

Der BF1 legte auch eine Vielzahl von medizinischen Unterlagen aus der Ukraine vor, konkret einen Befund des Zentralkrankenhauses XXXX aus 2021, wobei die bösartige Neubildung der Ohrspeicheldrüse, ein Karzinom der Ohrspeicheldrüse links und die bisherige Behandlung dokumentiert ist. Es bestehe ein Zustand nach der Kombinationstherapie des Jahres 2019, nach palliativer Strahlen- und Chemotherapie. Am 21.01.2021 gab es demnach weitere Beratungen beim regionalen onkologischen Zentrum, wo eine weitere medikamentöse Behandlung vereinbart wurde.

In einem weiteren Diagnose-Bericht des Anti-Tumorzentrums Transkarpatiens, Stadt XXXX , vom XXXX , AS 117 ff. im Verwaltungsakt des BF1) wird die Behandlungschronologie beginnend vom Jänner 2018 bis XXXX mit insgesamt 13 Behandlungsschritten durch Strahlen- und Chemotherapie beschrieben. Vom selben Behandlungszentrum in XXXX stammt ein weiterer Bericht vom 06.05.2021 über eine Mehrschicht-Spiral-Computertomographie, wonach ein Anzeichen für eine fortschreitende Grunderkrankung erkennbar ist. Im Vergleich zur Voruntersuchung sei eine unbedeutende negative Dynamik erkennbar.

3. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 18.08.2021 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt VII.) und einer Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung gem. § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die BF keine asylrelevanten Ausreisegründe vorgebracht hätten. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr in die Ukraine sei – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht gegeben, zumal die medizinische Behandlung des BF1 in der Ukraine gewährleistet sei. Die BF würden nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfüllen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe ihr Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. In Anbetracht der abweisenden Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung der BF in die Ukraine. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde – die BF stammen aus einem sicheren Herkunftsstaat – nicht.

4. Mit Schriftsatz vom 17.09.2021 erhoben die BF durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen diese Bescheide.

Angefochten wurden jeweils nur Spruchpunkt II. bis VII., somit nicht Spruchpunkt I. betreffend Asylgewährung. Die Beschwerdeausführungen kritisieren mangelhafte Ermittlungen und Befragungen, so hätte „die belangte Behörde insbesondere BF1 genauer einvernehmen müssen, um sich ein umfassendes Bild der gegenwärtigen medizinischen Situation zu verschaffen.“ Die Behörde habe nicht berücksichtigt, dass BF1 nach wie vor auf die regelmäßige Einnahme seiner Medikamente sowie die laufende engmaschige medizinische Behandlung sowie auch auf die umfassende Betreuung durch BF2 angewiesen sei. BF1 befinde sich in einer langfristigen Therapie, es werde sich erst bei der nächsten Kontrolluntersuchung zeigen, ob die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich zu einer Stabilisierung seines Zustandes beigetragen haben.

In der Beschwerde, datiert mit 17.09.2021, wird somit vorgebracht, dass die belangte Behörde die „neuen Befunden bzw. das Ergebnis der ärztlichen Besprechung vom 02.09.2021“ hätte abwarten müssen. Auch hätte keineswegs eine Rückkehrentscheidung erlassen werden dürfen, eine solche hätte für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen.

In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass die BF durch die Rückkehrentscheidung in ihren Rechten nach Art. 3 und 8 EMRK verletzt würden. Die belangte Behörde habe eine mangelhafte Interessensabwägung vorgenommen und sei daher zu Unrecht zum Schluss gelangt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig sei. Diesbezüglich wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

Zu welchem konkreten Sachverhalt die BF im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung Ausführungen tätigen wollen, wurde dabei nicht ausgeführt, auch welche neuen Befunde allenfalls vorhanden sein sollen bzw. welches Ergebnis das Arztgespräch vom 02.09.2021 gehabt hätte, lässt sich dem vorliegenden Beschwerdeschriftsatz nicht entnehmen.

5. Mit 28.09.2021 wurde der gesamte gegenständliche Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

1.1.1. Die Identität der BF steht fest. Die BF sind ukrainische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Ukrainer und der Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen zugehörig. Beide BF haben bis zur Ausreise in der Ukraine als Ingenieur (BF1) bzw. Lehrerin (BF2) gearbeitet.

1.1.2. Die BF sprechen Ukrainisch und haben bis zu ihrer Ausreise in XXXX gelebt. Dort verfügen die BF über eine Eigentumswohnung, weiters ein „Wochendhäuschen“ und den gesamten Familienverband.

1.1.3. Der BF1 leidet seit längerer Zeit an Ohrspeicheldrüsenkrebs sowie anderen Krankheiten (Herz-Kreislaufinsuffizienz, Verhärtung des Herzmuskels, Kardiosklerose, etc.). Diesbezüglich war der BF jedoch nach dem Inhalt der von ihm vorgelegten Dokumente seit vielen Jahren in engmaschiger medizinischer Behandlung sowohl in einem Krankenhaus seiner Heimatstadt als auch in einem „Anti-Tumorzentrum“ in der Stadt XXXX . Aus den vorliegenden Befunden aus der Ukraine ist erkennbar, dass der BF seit Jahren engmaschig mit Chemotherapie und einer Kombinationstherapie (operative Behandlung, zielgerichtete Krebstherapie, Strahlen- und Chemotherapie) behandelt wurde. Da die BF von einem Bekannten erfahren haben, dass dieser – offensichtlich über ein Asylverfahren – in Österreich von einer vergleichbaren Krebserkrankung geheilt wurde, haben beide BF beschlossen, während der Sommermonate und der damit zusammenhängenden Urlaubszeit nach Österreich zu reisen und durch einen Asylantrag jedenfalls eine vergleichbare medizinische Behandlung in Österreich wie der namentlich nicht genannte „Bekannte“ zu erhalten.

Die BF sind somit zur medizinischen Behandlung des BF1 nach Österreich gereist und haben überhaupt keine asylrelevanten Fluchtgründe, ihnen droht in der Ukraine, einem sicheren Herkunftsstaat, keine Gefahr aus Konventionsgründen und auch keinerlei Probleme mit staatlichen Organen oder Behörden.

Den BF ist die Rückkehr in ihren Heimatort in der Ukraine zumutbar.

Im Falle einer Rückkehr würden sie in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. es würde ihnen nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen werden. Sie laufen nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.

Im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat sind die BF nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

1.1.4. Die BF befinden sich seit 16.07.2021 in Österreich. Sie leben von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Sie haben keine sozialen Bindungen zu Österreich.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine

1.2.1. COVID-19

Vom 8. bis 24. Jänner 2021 galten in der Ukraine strenge Quarantänebestimmungen (Gov.ua 7.1.2021; vgl. UP 27.1.2021). Das ukrainische Gesundheitsministerium stellte eine Stabilisierung der Covid-Situation nach den Weihnachts- und Neujahrsfeiertagen fest und beschloss eine Lockerung der Quarantänebestimmungen. Seit dem 25. Jänner 2021 bis 28. Februar 2021 gelten in der Ukraine u.a. folgende Quarantänebestimmungen: (Hoch-)Schulen setzen den Präsenzunterricht wieder fort. In Restaurants und Kaffeehäusern dürfen Speisen und Getränke nun direkt konsumiert werden. Handelsgeschäfte sind wieder geöffnet. Theater- und Kinobesuche sowie sportliche Betätigung innerhalb von Gebäuden sind nun gestattet. Sporteinrichtungen, Museen, Galerien usw. müssen ausreichende Abstandsregelungen beachten (UP 27.1.2021; vgl. UNIAN 25.1.2021, AA 25.1.2021). Verboten sind u.a. die Durchführung von Massenveranstaltungen im Kultur-, Sport- und Gastronomiebereich usw. und öffentliche Bewirtung zwischen 23 Uhr und 7 Uhr (mit Ausnahme von Bestellungslieferungen) (UNIAN 25.1.2021; vgl. AA 25.1.2021). Es herrscht Maskenpflicht im öffentlichen Raum, so auch in öffentlichen Verkehrsmitteln (Gov.ua 7.1.2021, UNIAN 25.1.2021; vgl. WKO 26.1.2021).

Laut Gesundheitsministerium stehen ungefähr 66.000 Spitalsbetten für die COVID-19-Behandlung bereit, von denen ca. 76% über Sauerstoffzufuhranlagen verfügen (IU 4.1.2021).

Die regierungseigene Covid-Homepage verlautbart, bisher (Stichtag 28.1.2021) insgesamt 6.184.320 Covid-Tests durchgeführt zu haben (CMU 28.1.2021).

Nach Aussagen des Premierministers wird die erste Lieferung von 100.000-200.000 COVAX-Impfstoffdosen Ende Jänner 2021 erwartet. Es existiert eine vorläufige Vereinbarung über die Lieferung von mehr als 30 Millionen Dosen (Gov.ua 26.1.2021; vgl. Gavi 15.12.2020). Der Premierminister weist auf die Freiwilligkeit der Impfung hin und prognostiziert den Impfbeginn mit Februar 2021 (Gov.ua 26.1.2021).

Die ukrainische Regierung verteilte im Jänner 2021 80 Millionen US-Dollar an 278.000 Arbeitnehmer und Kleinunternehmer, um die finanziellen Folgen der Covid-Pandemie abzufedern (RFE/RL 2.1.2021).

Laut jüngsten Zahlen des Ukrainischen Statistikamts ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 3. Quartal 2020 im Vergleich zum Wert des Vorjahres um 3,5% gesunken. Im 2. Quartal 2020 war das BIP um 11,4% gesunken (SSSU o.D.; vgl. WIIW o.D.).

Ein Einreiseverbot in die Ukraine bzw. Beschränkungen im internationalen Reiseverkehr sind derzeit nicht vorgesehen (AA 25.1.2021; vgl. WKO 26.1.2021). Die Flughäfen in Kiew, Dnipro, Charkiw, Lwiw, Odessa und Saporischschja sind für den internationalen und inländischen Flugverkehr geöffnet. Bei der Einreise wird zwischen Ländern der grünen und roten Zone unterschieden. Staatsangehörige von Ländern der roten Zone oder Personen, die sich in den letzten 14 Tagen in solchen Ländern aufgehalten haben, müssen bei Einreise in die Ukraine einen aktuellen negativen COVID-PCR-Test vorweisen oder in 14-tägige Quarantäne (mit der Möglichkeit der Freitestung). Kinder unter 12 Jahren dürfen ohne Quarantäne in die Ukraine einreisen (WKO 26.1.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt Deutschland (25.1.2021): Ukraine: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukrainesicherheit/201946, Zugriff 28.1.2021

?        CMU – Cabinet of Ministers of Ukraine (28.1.2021): COVID-19 pandemic in Ukraine: Current information about coronavirus and quarantine, https://covid19.gov.ua/en/, Zugriff 28.1.2021

?        Gavi – Global Alliance for Vaccines and Immunisation (15.12.2020): COVAX - List of participating economies, https://www.gavi.org/sites/default/files/covid/pr/COVAX_CA_COIP_List_COVAX_PR_15-12.pdf, Zugriff 28.1.2021

?        Gov.ua – Government Portal of Ukraine (7.1.2021): Increased quarantine restrictions will take effect in Ukraine on January 8, https://www.kmu.gov.ua/en/news/z-8-sichnya-v-ukrayini-pochinayut-diyati-posilenni-karantinni-obmezhennya, Zugriff 28.1.2021

?        Gov.ua – Government Portal of Ukraine (26.1.2021): Vaccination against COVID-19 will begin in February, says the Prime Minister, https://www.kmu.gov.ua/en/news/vakcinaciya-vid-covid-19-pochnetsya-v-lyutomu-premyer-ministr, Zugriff 28.1.2021

?        IU – Interfaks Ukraine (4.1.2021): ?????????? ? ??????? ?????????? 76,4% ???????? ???? – ???????? (76,4% der Covid-Betten in der Ukraine mit Sauerstoff ausgestattet – Stepanow), https://interfax.com.ua/news/pharmacy/714078.html, Zugriff 28.1.2021

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (2.1.2021): Ukraine's Health-Care System, Economy Struggle To Cope With COVID-19, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043189.html, Zugriff 28.1.2021

?        SSSU – State Statistics Service of Ukraine (o.D.): Grafik "Macroeconomic indicators: Real GDP change", https://ukrstat.org/en, Zugriff 28.1.2021

?        UNIAN – ?????????? ????????? ???????????? ????????? ????? (Ukrainische unabhängige Nachrichtenagentur) (25.1.2021): ??????? ??????? ?? ???????? ?????????: ????? ??????????? ????????? ? 25 ?????? (???????????) (Ukraine beendet strikte Quarantäne: Welche Einschränkungen seit dem 25. Jänner gelten (Infografik)), https://covid.unian.net/lokdaun-zavershilsya-spisok-ogranicheniy-v-ukraine-s-25-yanvarya-11295872.html, Zugriff 28.1.2021

?        UP – Ukrainska Prawda (27.1.2021): COVID ? ???????: 3,8 ?????? ????? ???????, 2,4 ?????? ?????????????? (COVID in der Ukraine: 3.800 neue Fälle, 2.400 Spitalseinweisungen), https://www.pravda.com.ua/rus/news/2021/01/27/7281337/, Zugriff 28.1.2021

?        WIIW – Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (o.D.): Ukraine – Overview, https://wiiw.ac.at/ukraine-overview-ce-14.html, Zugriff 28.1.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (26.1.2021): Coronavirus: Situation in der Ukraine, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-ukraine.html, Zugriff 28.1.2021

1.2.2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage außerhalb der besetzten Gebiete im Osten des Landes ist im Allgemeinen stabil. Allerdings gab es in den letzten Jahren eine Reihe von öffentlichkeitswirksamen Attentaten und Attentatsversuchen, von denen sich einige gegen politische Persönlichkeiten richteten (FH 4.3.2020). In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk wurde nach Wiederherstellung der staatlichen Ordnung der Neuaufbau begonnen. Die humanitäre Versorgung der Bevölkerung ist sichergestellt (AA 29.2.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine

1.2.3. Korruption

Die Ukraine wird im 2019 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit 30 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean) (TI 2019). Die Gesetze sehen strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Behörden setzen diese nicht effektiv um, und viele Beamte sind ungestraft korrupt, weniger in der Regierung, aber auf allen Ebenen der Exekutive, Legislative und der Justizbehörden. Trotz Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption durch die Regierung, bleibt diese ein Problem für Bürger und Unternehmen (USDOS 13.3.2019).

Korruption ist in der Ukraine weit verbreitet und stellt seit vielen Jahren ein inhärentes Problem dar. Korruption war ein zentrales Thema während der Proteste in Kiew im Herbst/Winter 2013/2014, die im Februar 2014 mit einem Regimewechsel endeten. In den Jahren 2014 und 2015 wurden im Rahmen einer nationalen Antikorruptionsstrategie mehrere neue Gremien zur Bekämpfung der Korruption auf verschiedenen Ebenen des Regierungsapparats eingerichtet. Darüber hinaus wurden Reformen in Polizei und Justiz eingeleitet, die beide stark von Korruption betroffen sind. Bis heute gibt es je nach Zuständigkeitsbereich eine Reihe von Stellen, die Korruptionsfälle untersuchen und strafrechtlich verfolgen. Es kam jedoch, wenn überhaupt, nur zu sehr wenigen Verurteilungen (Landinfo 2.3.2020). Bis vor kurzem gab es keine separaten Gesetze zum Schutz von Informanten, weshalb viele Bürger Korruption nicht anzeigen wollten. Im Jänner 2020 trat ein neues bzw. geändertes Gesetz zum Schutz von Informanten bezüglich Korruption in Kraft (Landinfo 2.3.2020; vgl. RFE/RL 14.11.2019).

Im Juni 2018 unterzeichnete der Präsident das Gesetz über das Hohe Antikorruptionsgericht (HACC) (USDOS 13.3.2019). Das HACC nahm im September 2019 seine Arbeit auf. Mit der Schaffung des HACC wurde das System der Organe des Landes zur Bekämpfung der Korruption auf hoher Ebene vervollständigt und zwei zuvor geschaffene Antikorruptionsbehörden, das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung, ergänzt. Die neuen unabhängigen Antikorruptionsbehörden sehen sich politischem Druck ausgesetzt, der das Vertrauen der Öffentlichkeit untergräbt, Bedenken hinsichtlich des Engagements der Regierung im Kampf gegen die Korruption aufkommen ließ und die Zukunftsfähigkeit der Institutionen bedroht (USDOS 11.3.2020). Mit der Errichtung des Hohen Antikorruptionsgerichts wurde der Aufbau des institutionellen Rahmens für die Bekämpfung der endemischen Korruption abgeschlossen (AA 29.2.2020). Das HACC hat jedoch bisher noch keine Ergebnisse erzielt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Ende Februar 2019 hat das ukrainische Verfassungsgericht Artikel 368-2 des ukrainischen Strafgesetzbuches, welcher illegale Bereicherung durch ukrainische Amtsträger kriminalisierte, aufgehoben, weil er gegen die Unschuldsvermutung verstoßen habe. In der Folge musste NABU 65 anhängige Ermittlungen gegen Parlamentarier, Richter, Staatsanwälte und andere Beamte einstellen, die teilweise schon vor Gericht gekommen waren. Die EU zeigte sich über diese Entscheidung besorgt (Hi 3.3.2019). Am 26. November 2019 unterzeichnete Präsident Selenskyj ein Gesetz, das die strafrechtliche Verantwortung für die unrechtmäßige Bereicherung von Regierungsbeamten wieder einführte (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz schreibt vor, dass hohe Amtsträger Einkommens- und Ausgabenerklärungen vorlegen müssen und diese durch die Nationale Agentur für Korruptionsprävention (NAPC) geprüft werden. Die NAPC überprüft neben diesen Finanzerklärungen auch die Parteienfinanzierung. Beobachter stellen jedoch zunehmend infrage, ob die NAPC die Fähigkeit und Unabhängigkeit besitzt, diese Funktion zu erfüllen (USDOS 11.5.2020; vgl. ÖB 2.2019).

Durch den Reformkurs der letzten Jahre wurden mehr Transparenz und gesellschaftliches Bewusstsein für Korruption erreicht. Dennoch sind Korruption, Oligarchie und teilweise mafiöse Strukturen weiterhin Teil des Alltags der Menschen in der Ukraine, ob im Gesundheits- oder Bildungsbereich, in der Wirtschaft, im Zollwesen sowie in der Medienlandschaft (KAS 2019). Korruption ist nach wie vor ein ernstes Problem und trotz des starken Drucks der Zivilgesellschaft ist der politische Wille gering, dagegen anzugehen. Antikorruptionsagenturen wurden wiederholt in politisch belastete Konflikte mit anderen staatlichen Stellen und gewählten Vertretern verwickelt (FH 4.3.2020). Im Mai 2020 wurde bekannt, dass die Spezialstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung gegen den ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwalt Ruslan Ryaboshapka, der zwei Monate zuvor in einem parlamentarischen Misstrauensvotum aus dem Amt gezwungen wurde, ermittelt (RFE/RL 6.5.2020).

Die Ukraine hat einige Fortschritte bei der Förderung der Transparenz erzielt, zum Beispiel durch die Verpflichtung der Banken, die Identität ihrer Eigentümer zu veröffentlichen, und indem 2016 ein Gesetz verabschiedet wurde, das Politiker und Beamte dazu verpflichtet, elektronische Vermögenserklärungen abzugeben. Es ist jedoch möglich, einige Vorschriften zu umgehen, zum Teil, weil unterentwickelte Institutionen nicht in der Lage sind, Verstöße zu erkennen und zu bestrafen (FH 4.3.2020). Trotz der Bemühungen um eine Reform des Justizwesens und der Generalstaatsanwaltschaft bleibt Korruption unter Richtern und Staatsanwälten weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, der seit 2019 im Amt ist, hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019; vgl. AA 29.2.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine

?        Hi – Hromadske international (3.3.2019): You Can Now Get Rich Illegally in Ukraine. What Does This Mean?

?        KAS – Konrad Adenauer Stiftung (2019): Die Ukraine – Transparent, aber korrupt?, KAS Auslandseinformationen 4/2019

?        Landinfo (2.3.2020): Ukraina, Korrupsjonsbekjempelse og beskyttelse for varslere av korrupsjon

?        RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (11.4.2019): Ukraine's President Creates Anti-Corruption Court

?        RFE/RL – Radio Free Europe, Radio Liberty (14.11.2019): Ukraine's Zelenskiy Signs Law On Corruption Whistle-Blowers

?        RFE/RL – Radio Free Europe, Radio Liberty (6.5.2020): Ukrainian Ex-Prosecutor Ryaboshapka Under Investigation

?        TI – Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2019, Ukraine

?        UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ukraine

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine

1.2.4. Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet (AA 29.2.2020; vgl. GIZ 3.2020a). Jedoch bestehen in der Ukraine gegenwärtig noch Unzulänglichkeiten in der Umsetzung und Gewährung der Menschenrechte, was insbesondere die Bereiche Folter, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Behandlung von Geflüchteten und sozialen (LGBTQ) bzw. ethnischen Minderheiten (Roma) betrifft. 2019 stufte Freedom House die Ukraine auf „partly free“ ab (GIZ 3.2020a). Zu den Menschenrechtsproblemen gehören darüber hinaus u.a. rechtswidrige oder willkürliche Tötungen; Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen durch Vollzugspersonal; schlechte Bedingungen in Gefängnissen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Einschränkungen der Internetfreiheit und Korruption. Die Regierung hat es im Allgemeinen versäumt, angemessene Schritte zu unternehmen, um Fehlverhalten von Beamten strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen. Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen stellten erhebliche Mängel bei den Ermittlungen zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte fest (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Länderinformationsportal, Ukraine, Geschichte & Staat

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ukraine

1.2.5. Grundversorgung

Die makroökonomische Lage hat sich nach schweren Krisenjahren stabilisiert. Ungeachtet der durch den Konflikt in der Ostukraine hervorgerufenen Umstände wurde 2018 ein Wirtschaftswachstum von 3,3% erzielt, das 2019 auf geschätzte 3,6% angestiegen ist. Die Staatsverschuldung ist in den letzten Jahren stark angestiegen und belief sich 2018 auf ca. 62,7% des BIP (2013 noch ca. ein Drittel). Der gesetzliche Mindestlohn wurde zuletzt mehrfach erhöht und beträgt seit Jahresbeginn 4.173 UAH (ca. 130 EUR) (AA 29.2.2020).

Die EU avancierte zum größten Handelspartner der Ukraine. Der Außenhandel mit Russland nimmt weiterhin ab. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU regelt das Assoziierungsabkommen, das am 1. September 2017 vollständig in Kraft getreten ist (GIZ 3.2020b).

Die Existenzbedingungen sind im Landesdurchschnitt knapp ausreichend. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. Vor allem in ländlichen Gebieten stehen Strom, Gas und warmes Wasser zum Teil nicht immer ganztägig zur Verfügung (AA 29.2.2020; vgl. GIZ 12.2018). Die Situation, gerade von auf staatliche Versorgung angewiesenen älteren Menschen, Kranken, Behinderten und Kindern, bleibt daher karg. Die Ukraine gehört trotzt zuletzt deutlich steigender Reallöhne zu den ärmsten Ländern Europas. Das offizielle BIP pro Kopf gehört zu den niedrigsten im Regionalvergleich und beträgt lediglich ca. 3.221 USD p.a. Ein hoher Anteil von nicht erfasster Schattenwirtschaft muss in Rechnung gestellt werden (AA 29.2.2020). Insbesondere alte bzw. schlecht qualifizierte und auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbare Menschen leben zum Teil weit unter der Armutsgrenze (GIZ 3.2020b). Ohne zusätzliche Einkommensquellen (in ländlichen Gebieten oft Selbstversorger, Schattenwirtschaft) bzw. private Netzwerke ist es insbesondere Rentnern und sonstigen Transferleistungsempfängern kaum möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sozialleistungen und Renten werden zwar regelmäßig gezahlt, sind aber trotz regelmäßiger Erhöhungen größtenteils sehr niedrig (Mindestrente zum 1. Dezember 2019: 1.638 UAH (ca. 63 EUR) (AA 29.2.2020).

Das ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eingeführte ukrainische Sozialversicherungssystem umfasst eine gesetzliche Pensionsversicherung, eine Arbeitslosenversicherung und eine Arbeitsunfallversicherung. Aufgrund der Sparpolitik der letzten Jahre wurde im Sozialsystem einiges verändert, darunter Anspruchsanforderungen, Finanzierung des Systems und beim Versicherungsfonds. Die Ausgaben für das Sozialsystem im nicht-medizinischen Sektor sanken von 23% des BIP im Jahr 2013 auf 18,5% im Jahr 2015 und danach weiter auf 17,8%. Dies ist vor allem auf Reduktion von Sozialleistungen, besonders der Pensionen, zurückzuführen. Das Wirtschaftsministerium schätzte den Schattensektor der ukrainischen Wirtschaft 2017 auf 35%, andere Schätzungen gehen eher von 50% aus. Das Existenzminimum für eine alleinstehende Person wurde für Jänner 2019 mit 1.853 UAH beziffert (ca. 58 EUR), ab 1. Juli 2019 mit 1.936 UAH (ca. 62 EUR) und ab 1. Dezember 2019 mit 2.027 (ca. 64,5 EUR) festgelegt. Für Minderjährige gibt es staatliche Unterstützungen in Form von Familienbeihilfen, die an arme Familien vergeben werden. Versicherte Erwerbslose erhalten mindestens 1.440 UAH (ca. 45 EUR) und maximal 7.684 UAH (240 EUR) Arbeitslosengeld pro Monat, was dem Vierfachen des gesetzlichen Mindesteinkommens entspricht. Nicht versicherte Arbeitslose erhalten mindestens 544 UAH (ca. 17 EUR). In den ersten 90 Kalendertagen werden 100% der Berechnungsgrundlage ausbezahlt, in den nächsten 90 Tagen sind es 80%, danach 70% (ÖB 2.2019; vgl. UA 27.4.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Länderinformationsportal, Ukraine, Wirtschaft & Entwicklung

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018): Länderinformationsportal, Ukraine, Alltag

?        ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine

?        UA – Ukraine Analysen (27.4.2018): Rentenreform

1.2.6. Medizinische Versorgung

Das ukrainische Spitalswesen ist derzeit nach einem hierarchischen Dreistufenplan organisiert: die Grundversorgung wird in Rayonskrankenhäusern bereitgestellt. Das Rückgrat des ukrainischen Spitalswesens stellen die Distriktkrankenhäuser dar, die sich durch Spezialisierung in den verschiedenen medizinischen Disziplinen auszeichnen. Die dritte Ebene wird durch überregionale Spezialeinrichtungen und spezialisierte klinische und diagnostische Einrichtungen an den nationalen Forschungsinstituten des ukrainischen Gesundheitsministeriums gebildet. Ursprünglich als Speerspitze der Gesundheitsversorgung für komplizierte Fälle konzipiert, sind die Grenzen zwischen Einrichtungen der zweiten und dritten Ebene in letzter Zeit zunehmend verschwommen. Auch die laufende Dezentralisierungsreform dürfte in Zukunft Auswirkungen auf die Struktur des ukrainischen Gesundheitssystems haben. Aufgrund der dafür nötigen, jedoch noch nicht angenommenen Verfassungsänderung, bleibt diese Reform jedoch vorerst unvollendet, die Zusammenlegung von Gemeinden erfolgt bislang auf freiwilliger Basis. Von einigen Ausnahmen abgesehen, ist die technische Ausstattung ukrainischer Krankenhäuser als dürftig zu bezeichnen. Während die medizinische Versorgung in Notsituationen in den Ballungsräumen als befriedigend bezeichnet werden kann, bietet sich auf dem Land ein differenziertes Bild: jeder zweite Haushalt am Land hat keinen Zugang zu medizinischen Notdiensten. Die hygienischen Bedingungen, vor allem in den Gesundheitseinrichtungen am Land, sind oftmals schlecht. Aufgrund der niedrigen Gehälter und der starken Motivation gut ausgebildeter MedizinerInnen ins Ausland zu gehen, sieht sich das ukrainische Gesundheitssystem mit einer steigenden Überalterung seines Personals und mit einer beginnenden Ausdünnung der Personaldecke, vor allem auf dem Land und in Bereichen der medizinischen Grundversorgung, konfrontiert. Von Gesetzes wegen und dem ehemaligen sowjetischen Modell folgend sollte die Bereitstellung der jeweils nötigen Medikation – mit der Ausnahme spezieller Verschreibungen im ambulanten Bereich – durch Budgetmittel gewährleistet sein. In der Realität sind einer Studie zufolge in 97% der Fälle die Medikamente von den Patienten selbst zu bezahlen, was die jüngst in Angriff genommene Reform zu reduzieren versucht. Dies trifft vor allem auf Verschreibungen nach stationärer Aufnahme in Spitälern zu. 50% der PatientInnen würden demnach aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten eine Behandlung hinauszögern oder diese gänzlich nicht in Anspruch nehmen. In 43% der Fälle mussten die PatientInnen entweder Eigentum verkaufen oder sich Geld ausleihen, um eine Behandlung bezahlen zu können. In der Theorie sollten sozial Benachteiligte und Patienten mit schweren Erkrankungen (Tbc, Krebs, etc.) von jeglichen Medikamentenkosten, auch im ambulanten Bereich, befreit sein. Aufgrund der chronischen Unterdotierung des Gesundheitsetats und der grassierenden Korruption wird das in der Praxis jedoch selten umgesetzt (ÖB 2.2019).

Ende 2017 wurde eine umfassende Reform des ukrainischen Gesundheitssystems auf die Wege gebracht. Eingeführt wird unter anderem das System der „Familienärzte“. Patienten können in dem neuen System direkt mit einem frei gewählten Arzt, unabhängig von Melde- oder Wohnort, eine Vereinbarung abschließen und diesen als Hauptansprechpartner für alle gesundheitlichen Belange nutzen. Ebenfalls ist eine dringend nötige Modernisierung der medizinischen Infrastruktur in ländlichen Regionen vorgesehen und ein allgemeiner neuer Zertifizierungsprozess inklusive strikterer und transparenterer Ausbildungsanforderungen für Ärzte vorgesehen. Weiters sind ukrainische Ärzte nunmehr verpflichtet, internationale Behandlungsprotokolle zu befolgen. Die Umsetzung der Reform schreitet nur schrittweise voran und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Im März 2018 wurde ein Nationaler Gesundheitsdienst gegründet, der in Zukunft auch als zentrales Finanzierungsorgan für alle (öffentlichen und privaten) ukrainischen Gesundheitsdienstleister dienen und die Implementierung der Gesundheitsreform vorantreiben soll (ÖB 2.2019).

Im Rahmen der seit 2018 eingeleiteten Reform des Gesundheitswesens wird das sowjetische Finanzierungsmodell pauschaler Vorhaltfinanzierung medizinischer Einrichtungen schrittweise abgeschafft und stattdessen ein System der Vergütung konkret erbrachter medizinischer Leistungen eingeführt. Der neu geschaffene Nationale Gesundheitsdienst (NGD) hat dabei die Funktion einer staatlichen, budgetfinanzierten Einheitskrankenversicherung übernommen. 2018/2019 wurde in einer ersten Phase der Gesundheitsreform die primärmedizinische/ hausärztliche Versorgung auf Finanzierung über den NGD umgestellt. Der NGD übernimmt auch die Kostenerstattung für rezeptpflichtige staatlich garantierte Arzneien (ca. 300 gelistete Arzneien gegen Herz-/Gefäßkrankheiten, Asthma und Diabetes II). Die Datenbank des NGD umfasst zurzeit 1.464 primärmedizinische Einrichtungen (davon 167 Privatambulanzen und 248 private Ärztepraxen) sowie ca. 29 Millionen individuelle Patientenverträge mit Hausärzten, d.h. das neue System staatlich garantierter medizinischer Dienstleistungen und Arzneien erreicht mittlerweile knapp 70% der Einwohner. Ab April 2020 soll die Reform auf die fachmedizinische Versorgung (Krankenhäuser) erweitert werden. Soweit die Gesundheitsreform noch nicht vollständig umgesetzt ist, ist der Beginn einer Behandlung in der Regel auch weiterhin davon abhängig, dass der Patient einen Betrag im Voraus bezahlt oder Medikamente und Pflegemittel auf eigene Rechnung beschafft. Neben dem öffentlichen Gesundheitswesen sind in den letzten Jahren auch private Krankenhäuser bzw. gewerblich geführte Abteilungen staatlicher Krankenhäuser gegründet worden. Die Dienstleistungen der privaten Krankenhäuser sind außerhalb des NGD jedoch für die meisten Ukrainer nicht bezahlbar. Gebräuchliche Medikamente werden im Land selbst hergestellt. Die Apotheken halten teilweise auch importierte Arzneien vor (AA 29.2.2020).

Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebenswichtige Maßnahmen durchgeführt und chronische, auch innere und psychische Krankheiten behandelt werden können, existieren sowohl in der Hauptstadt Kiew als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Landesweit gibt es ausgebildetes und sachkundiges medizinisches Personal (AA 29.2.2020). Die medizinische Versorgung entspricht jedoch nicht immer westeuropäischem Standard. Außerhalb der großen Städte, insbesondere in den Konfliktregionen im Osten, ist sie häufig unzureichend (AA 25.5.2020). Die medizinische Versorgung ist nur beschränkt gewährleistet. Krankenhäuser verlangen eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (Kreditkarte oder Vorschusszahlung). Die Verfassung der Ukraine sichert zwar jedem Bürger eine kostenlose gesundheitliche Versorgung zu (GIZ 12.2019; vgl. AA 29.2.2020), doch sieht die Realität anders aus. Fast alle Dienstleistungen der medizinischen Versorgung müssen privat bezahlt werden (GIZ 12.2019). Patienten müssen in der Praxis also die meisten medizinischen Leistungen und Medikamente informell aus eigener Tasche bezahlen (BDA 21.3.2018); die Kosten für Medikamente müssen also auch in staatlichen Krankenhäusern vom Patienten selbst getragen werden (EDA 25.5.2020). Ein System der Krankenversicherungen existiert nur auf lokaler Ebene als Pilotprojekte. Durch die politische und wirtschaftliche Instabilität ist das Gesundheitswesen in der Ukraine chronisch unterfinanziert. Auch wenn die elementare Versorgung für Patienten gewährleistet werden kann, fehlt es vielen Krankenhäusern und Polikliniken an modernen technischen Geräten und speziellen Medikamenten. Die Löhne im Gesundheitsbereich sind besonders niedrig und die Korruption ist in diesem Sektor daher hoch (GIZ 12.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (25.5.2020): Ukraine: Reise- und Sicherheitshinweise
(Teilreisewarnung)

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        BDA - Belgian Immigration Office via MedCOI (21.3.2018): Question & Answer, BDA-6768

?        EDA – Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten (25.5.2020): Reisehinweise Ukraine

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019): Länderinformationsportal, Ukraine, Gesellschaft

?        ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine

1.2.7. Rückkehr

Es sind keine Berichte bekannt, wonach in die Ukraine abgeschobene oder freiwillig zurück-gekehrte ukrainische Asylbewerber wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland behelligt worden wären. Neue Dokumente können landesweit in den Servicezentren des Staatlichen Migrationsdiensts beantragt werden. Ohne ordnungsgemäße Dokumente können sich – wie bei anderen Personengruppen auch – Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder der Inanspruchnahme des staatlichen Gesundheitswesens ergeben (AA 29.2.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

2.1.1. Die Identität der BF steht aufgrund der sichergestellten ukrainischen Reisepässe fest. Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF sowie zu ihrer ukrainischen Herkunft gründen sich im Übrigen auf die glaubhaften Angaben der BF in den bisherigen Befragungen sowie ihren Kenntnissen der ukrainischen Sprache.

2.1.2. Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen der BF, ihrem Geburts- und Aufenthaltsort, ihrer Schul- und Berufsausbildung sowie ihrer Erwerbstätigkeit in der Ukraine folgen ebenso ihren glaubhaften, unstrittigen Angaben, wie jene zu ihren Familien- und Verwandtschaftsverhältnissen und den bestehenden Kontakt zu diesen.

Dass die BF2 gesund ist, hat sie ebenso selbst angegeben. Dass die BF strafgerichtlich unbescholten sind, beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.1.3. Dass die BF lediglich zu medizinischen Behandlung des BF1 in das Bundesgebiet eingereist sind und keine asylrelevanten Gründe bestehen, folgt gänzlich der Aussage der BF, die dies selbst wiederholt bestätigten. Auch vor dem Hintergrund der den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Länderberichte sind keine Verfolgungsgründe hervorgekommen.

2.1.4. Die BF verfügen somit in der Heimat über eine eigene Wohnung, ein Wochenendhäuschen und ein soziales Netz, das sie bei der Rückkehr unterstützen kann und wird. Zumindest mittelfristig könnten die schon vor ihrer Ausreise arbeitstätigen BF auch selbst wieder in das Erwerbsleben einsteigen und zum Lebensunterhalt beitragen. Allenfalls könnten die BF auch staatliche Sozialhilfeleistungen wie Familienbeihilfe und Arbeitslosenunterstützung in Anspruch nehmen. Es sind vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die BF im Falle einer Rückkehr nicht in der Lage wären, erneut für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Dies wurde auch nicht von den BF behauptet. BF1 hat zudem bereits einen Pensionsanspruch.

Es besteht kein Grund, weshalb die weitere Heilbehandlung des BF1 nicht in der Ukraine wahrgenommen werden könnte, zumal sich aus den Schilderungen und vorgelegten Dokumenten ergibt, dass der BF1 bis zur Ausreise engmaschig in spezialisierten Kliniken behandelt wurde.

Daran ändert auch die aktuelle Situation in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nichts, denn der womöglich immungeschwächte BF1 ist ebenso in Österreich einem gewissen Infektionsrisiko ausgesetzt, sodass sich durch eine Rückkehr in die Ukraine kein Unterschied ergibt. Auch etwaige wirtschaftliche Einschränkungen treffen die BF nicht existenzbedrohend, da sie jedenfalls auf die Unterstützung ihrer Angehörigen zurückgreifen können. Anderes wurde insoweit auch nicht von den BF behauptet.

Dass im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die BF in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären, ist auch sonst anhand der Länderberichte nicht objektivierbar.

Sonstige außergewöhnliche Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen, haben die BF nicht angegeben und sind auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht hervorgekommen.

2.1.5. Dass die BF seit 16.07.2021 im Bundesgebiet aufhältig sind, ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Dass sie Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen, folgt wiederum aus einem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungssystem. Im Übrigen haben die BF selbst wiederholt angegeben, dass sie keine Bindungen zu Österreich haben und nach Abschluss der medizinischen Behandlung des BF1 wieder freiwillig in die Ukraine zurückkehren würden.

2.2. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen, im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine vom 01.02.2021 wiedergegebenen und zitierten Länderberichten. Diese gründen sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter Punkt II.1.2. zitiert.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wurde nicht angeführt.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide

3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend echte, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Weiters müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 - mit Verweis auf EGMR vom 05.09.2013, I. vs. Schweden, Nr. 61204/09).

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in der Ukraine – und insbesondere außerhalb der von den Separatisten besetzten Teile der Ostukraine bzw. auf der Krim – aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Situation im Herkunftsstaat ist auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Geeignete Beweise eines individuellen Risikos wurden durch die BF nicht vorgelegt.

3.2.2. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443).

Außergewöhnlicher Umstände liegen vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Sie liegen aber auch dann vor, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensiven Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat aber kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich. Allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. (VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038- mit Verweis auf EGMR vom 13.12.2016, Paposhvili gg Belgien, Nr. Nr. 41738/10).

Im gegenständlichen Fall haben sich auch ausgehend von der Feststellung, dass in der Ukraine die notwendige medizinische Versorgung für BF1 bestand und besteht, keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die BF unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ausgesetzt wäre. Es kann folglich nicht davon ausgegangen werden, dass sich bei objektiver Gesamtbetrachtung für die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würde.

Die bloße Möglichkeit, dass sich eine Verschlechterung der Krankheit in der Zukunft ergeben könnte, ist nicht ausreichend. Dass diese Heilbehandlung eventuell in der Ukraine kostenintensiver oder nicht gleichwertig zu jener in Österreich ist, ist nicht maßgeblich.

BF1 hat zahlreiche Dokumente vorgelegt, die eine engmaschige Therapie und Heilbehandlung in der Ukraine über Jahre dokumentieren. Die „Gesamtkosten“ im Ausmaß von 500 – 600 Euro für die jahrelange Chemo- und Strahlentherapie zeigen auch nicht auf, dass die Heilbehandlung des BF1 mit nicht erschwinglichen Kosten verbunden wäre. Demzufolge ist eine Fortsetzung der bis zur Ausreise erfolgten intensiven Heilbehandlung in spezialisierten Kliniken unstrittig.

Auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Dass die BF aktuell an einer COVID-19-Infektion leiden würden, wurde nicht vorgebracht. Soweit BF1 weiterhin immungeschwächt ist, ist auszuführen, dass BF1 in Österreich ebenso wie in der Ukraine dem Risiko einer Infektion ausgesetzt ist, eine Rückkehr in die Ukraine somit kein maßgeblich erhöhtes Risiko einer Erkrankung mit sich bringt.

3.2.3. Den BF droht im Herkunftsstaat weder durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandene

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten