Entscheidungsdatum
30.09.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W152 2218700-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen die Spruchpunkte I, II und IV bis VI des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2019, Zl. 1216238201-190013546, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.09.2021 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beschwerdeführerin stellte am 03.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf sie am 05.01.2019 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und nach erfolgter Einreisestattgebung (§ 31 Abs. 1 AsylG 2005) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 20.03.2019 vor diesem niederschriftlich einvernommen wurde.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wr. Neustadt, wies dann mit dem im Spruch genannten Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat „China“ abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde hiebei gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Schließlich wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Antragstellerin gemäß § 46 FPG nach „China“ zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI). Das Bundesamt stellte hiebei fest, dass die Beschwerdeführerin Staatsangehörige der Volksrepublik China, Angehörige der Volksgruppe der Uiguren und muslimischen Glaubens sei. Es drohe ihr jedoch keine asylrelevante Gefahr.
Es wurde dann gegen die Spruchpunkte I, II und IV bis VI dieses Bescheides fristgerecht Beschwerde erhoben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, trägt den Namen XXXX , wurde am XXXX in der Gemeinde XXXX , Kreis XXXX , Regierungsbezirk XXXX in der Autonomen Provinz Xinjiang geboren, wo sie während ihres Aufenthaltes in der Volksrepublik China – mit Ausnahme ihres Studiums in Malaysia – überwiegend auch lebte, und ist Angehörige der Volksgruppe der Uiguren und des muslimischen Glaubens (Sunnitin), den sie auch praktiziert.
Als die Beschwerdeführerin während ihres Studiums immer wieder in die Volksrepublik China zurückkehrte, wurde sie – auch schon vor der Verschärfung der Lage für die Uiguren in der Volksrepublik China im Jahre 2017 – immer wieder von chinesischen Polizeiorganen befragt, ob sie im Ausland an Demonstrationen teilgenommen habe bzw. in einem Verein Mitglied geworden sei und mit wem sie Kontakt gehabt habe. Die Beschwerdeführerin wurde hiebei mehrmals von der chinesischen Polizei zu Hause aufgesucht oder sie musste bei den chinesischen Polizeibehörden erscheinen. Einmal wurde die Beschwerdeführerin nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen von der chinesischen Polizei eine Nacht angehalten und befragt. Aufgrund der für die Beschwerdeführerin unerträgliche Situation in der Volksrepublik China verließ sie schließlich im Februar 2016 endgültig die Volksrepublik China und begab sich in die Türkei, wo sie in Istanbul privat Schulunterricht erteilte. Im Jahre 2018 erfuhr die Beschwerdeführerin dann von einer in der Volksrepublik China lebenden Freundin, dass sich die Eltern der Beschwerdeführerin in einem „Umerziehungslager“ in der Volksrepublik China befinden. Kurz danach wurde die Beschwerdeführerin von der chinesischen Polizei im Rahmen von „WeChat“ auch in der Türkei kontaktiert und befragt, was sie in der Türkei mache, wobei auch ihre Kontaktdaten verlangt wurden. Aus Angst um ihre Eltern übermittelte die Beschwerdeführerin der chinesischen Polizei dann ihre Kontaktdaten und ihre Adresse. Aufgrund der Anhaltung ihrer Eltern in einem „Umerziehungslager“ wurde die Beschwerdeführerin auch nachhaltig politisiert und nahm noch in der Türkei im Jahre 2018 an mehreren Demonstrationen in Istanbul und Ankara teil. Als sich die Beschwerdeführerin auch in der Türkei auch nicht mehr sicher fühlte, begab sie sich nach Österreich.
Aber auch in Österreich entfaltet die Beschwerdeführerin eine rege exilpolitische Tätigkeit. So ist sie Mitglied der „Uighurischen Gemeinde in Österreich“ (UGÖ), wobei sie auch an Veranstaltungen und Aktivitäten dieses Vereines teilnimmt. In Österreich nimmt die Beschwerdeführerin jede Möglichkeit einer Teilnahme an einer Demonstration für die uigurische Unabhängigkeitsbewegung wahr und nahm z.B. in Wien am 07.02.2019, im Juli 2019 und zuletzt im Juli 2021 teil. Aber auch in Salzburg und Graz beteiligte sich die Beschwerdeführerin an Demonstrationen. Die Beschwerdeführerin, die bei den Demonstrationen immer die Flagge der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung trug, machte im Rahmen der Demonstrationen auch Wahrnehmungen, dass die Demonstranten beobachtet und aufgenommen (gefilmt bzw. fotografiert) werden. Die Beschwerdeführerin entwickelte sich zu einer entschiedenen Gegnerin der chinesischen Regierung, die sie explizit ablehnt, wobei sie ihre Einstellung auch öffentlichkeitswirksam zeigt.
Mit Schreiben des Weltkongresses der Uiguren e.V. vom 19.02.2021, das vom Präsidenten Dolkun Isa unterfertigt ist, wurde auf die Lage der Uiguren in der Volksrepublik China hingewiesen, wobei auch die Beschwerdeführerin explizit genannt wird. Es wurde hiebei ausgeführt, dass eine Abschiebung nach China mit größter Wahrscheinlichkeit zur sofortigen außergerichtlichen Internierung führe; eine Rückkehr nach China bedeute Lebensgefahr.
Feststellungen zur Lage in der Autonomen Region Xinjiang:
Die Autonome Region Xinjiang (Xinjiang Uyghur Autonomous Region/XUAR) ist in vier bezirksfreie Städte (Ürümqi, Karamay, Turpan, Kumul), fünf Regierungsbezirke (Hotan, Aksu, Kaxgar, Tacheng, Altay) und fünf autonome Bezirke (Kirgisischer Autonomer Bezirk Kizilsu, Mongolischer Autonomer Bezirk Bayingolin, Autonomer Bezirk Changji der Hui, Mongolischer Autonomer Bezirk Bortala, Kasachischer Autonomer Bezirk Ili) untergliedert. Zudem unterstehen zehn der insgesamt 26 kreisfreien Städte direkt der Regierung der Autonomen Region. An die Autonome Region Xinjiang grenzen die Provinzen Gansu mit der Präfektur Jiuquan, die Provinz Qinghai mit den Präfekturen Haixi (auch Quaidam) und Yushu und die Autonome Region Tibet mit den Regionen Naqu und Ali (ÖB 10.2020).
Die Mehrheit der Bevölkerung sind Uiguren mit einem Anteil von 45,84 Prozent an der Gesamtbevölkerung der Region, gefolgt von den Han (40,48 Prozent), Kasachen (6,5 Prozent), Hui (4,51 Prozent), Kirgisen (0,86 Prozent), Mongolen (0,81 Prozent), Dongxiang (0,3 Prozent), Tadschiken (0,21 Prozent), Xibe (0,19 Prozent) und Mandschu (0,11 Prozent). Außerdem gibt es noch Tujia, Usbeken, Russen, Miao, Tibeter, Zhuang, Daur, Tataren und Salar (ÖB 10.2020).
Die Menschenrechtssituation in Xinjiang hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Alle Bestrebungen, die den chinesischen Herrschaftsanspruch auf die von den Minderheiten bewohnten Gebiete in Frage stellen könnten, wie beispielsweise oppositionelle Meinungsäußerungen und Forderungen nach größerer Autonomie werden reflexhaft als Bedrohung durch "Separatismus" aufgefasst und streng verfolgt (AA 1.12.2020). Es kommt punktuell immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und Han Chinesen (ÖB 10.2020; vgl. BS 29.4.2020).
Mit März 2017 traten strikte Anti-Terrorismusgesetze in Xinjiang in Kraft (ÖB 10.2020). Die staatliche Kontrolle wird durch eine massive, sichtbare Polizei aufrechterhalten (BS 29.4.2020). Diese erlauben eine großflächige Überwachung der uigurischen Bevölkerung durch Checkpoints, Polizeistationen, regelmäßige Patrouillen und Trackingsysteme (ÖB 10.2020). Die Integrated Joint Operations Platform (IJOP), ein Computerprogramm, das im Mittelpunkt der Massenüberwachungssysteme von Xinjiang steht, überwacht viele Facetten des Lebens der Menschen, einschließlich ihrer Bewegungen und ihres Stromverbrauchs und alarmiert die Behörden, wenn Unregelmäßigkeiten aufscheinen (HRW 14.1.2020). Auch Verbindungen zu verdächtigen Personen, Kontakte oder Reisen ins Ausland, Ausübung des Islams in staatlich nicht genehmigter Art und Weise, Nutzung von Software zur Umgehung staatlicher Zensur im Internet oder das häufige Ausschalten des Mobiltelefons stellen für die Behörden Gründe dar, die eine Festsetzung in ein Internierungslager rechtfertigen. Personenbezogene Daten, Bewegungs- und Standortdaten auf ID-Karten und Mobiltelefonen werden gesammelt, registriert und überwacht. Abhängig vom Grad der wahrgenommenen Bedrohung und basierend auf der Programmierung, kann die Bewegungsfreiheit einer Person eingeschränkt werden, indem das Verlassen eines registrierten Standorts ebenso, wie auch ein Betreten öffentlicher Räume wahrgenommen werden (HRW 1.5.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Die IJOP-App bewertet auch Regierungsbeamte nach ihrem Arbeitserfolg bei der Erfüllung von Aufgaben und ist ein Werkzeug übergeordneter Vorgesetzter zur Überprüfung untergeordneter Beamter (HRW 1.5.2019). Mehr als eine Million Beamte sind durch die Regierung zur Überwachung mobilisiert worden (HRW 17.1.2019). Die massiven Sicherheitsmaßnahmen führten zur Verhaftung und Internierung von als extremistisch betrachteten Personen zum Zwecke der Umerziehung und Transformation (ÖB 10.2020).
Es wird berichtet, dass die Behörden mehr als eine Million Menschen, unter Umständen mehr als zwei Millionen Uiguren, ethnische Kasachen und andere Muslime, willkürlich in Internierungslagern festhalten, deren Zielsetzung in der Vernichtung ihrer religiösen und ethnischen Identitäten liegt. Von Regierungsseite wird angegeben, dass diese Lager zur Bekämpfung von Terrorismus, Separatismus und Extremismus benötigt würden. Internationale Medien, Menschenrechtsorganisationen und ehemalige Häftlinge berichten davon, dass Sicherheitskräfte in den Lagern Häftlinge misshandeln, foltern und töten (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 2.2019a).
Angesichts von Kontakten zwischen uigurischen Unabhängigkeitsgruppen und fundamentalistischen Gruppierungen in den Anrainerstaaten geht die Zentralregierung gegen jegliche (auch vermeintliche) Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen aus Furcht vor Separatismus und Infiltrierung wie Ideologisierung durch die East Turkestan Islamic Movement (ETIM ) und radikale ausländische Kräfte wie dem Islamischer Staat (IS), Al Qaida (AI), Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), etc. mit sehr großer Härte vor (AA 1.12.2020).
Die chinesische Zentralregierung verfolgt In der Autonomen Region Xinjiang (XUAR) eine zweigleisige Strategie, um mit den nationalistischen und separatistischen Bewegungen umzugehen. Zum Einen sollte der Separatismus rücksichtslos mit militärischer Gewalt zurückgedrängt werden, auf der anderen Seite wurden wirtschaftliche Entwicklungen und Investitionen zur Verbesserung des Lebensstandards der Menschen als langfristige Lösung der Probleme gesehen (Mühlhahn 2017). Die Regierung betreibt zudem großangelegte Umsiedlungen, Arbeitsvermittlungsprogramme und Massenverhaftungen mit dem Zweck, die Demographie der ethnischen Minderheitenregion in Xinjiang langfristig zu verändern, indem sie zu einem stetigen Anstieg des Anteils der Han-Chinesen an der Bevölkerung der Regionen beiträgt. Im Laufe des Jahres 2019 wurde über neue Initiativen und Anreize zur Förderung interethnischer Ehen berichtet (FH 4.3.2020).
Aufgrund zunehmender internationaler Kritik nahm der Volkskongress der Region Xinjiang eine Änderung der Anti-Terrorismusgesetzes im Oktober 2018 vor, welche es lokalen Behörden erlaubt, als extremistisch betrachtete Personen in Ausbildungszentren festzuhalten. Gemäß NGO und Medienberichten kommt es in den Ausbildungszentren zu Folter, Misshandlung und Indoktrination. Der chinesischen Regierung dienen die Ausbildungszentren nicht nur der De-Radikalisierung und Terrorismusbekämpfung, sondern auch der Armutsbekämpfung durch Ausbildung. Eine freie Religionsausübung ist in den Ausbildungszentren nicht möglich (ÖB 10.2020). Vertrauliche Dokumente der Kommunistischen Partei Chinas aus den Jahren 2017 und 2018 beschreiben, wie die Verfolgung und Internierung insbesondere von Uiguren in Umerziehungslagern in Xinjiang organisiert wird. Die "China Cables" genannten Papiere geben Anleitung zur Gestaltung des Lagerlebens und zur strengen Überwachung der Uiguren in den Lagern und außerhalb davon und bestätigen im Wesentlichen Berichte von Beobachtern und ehemaligen Lagerinsassen (NYT 16.11.2019). Darüber hinaus werden durch die Behörden auch weiterhin Kinder, deren Eltern interniert sind oder sich im Exil befinden, ohne elterliche Zustimmung in staatlichen "Kinderfürsorge-Einrichtungen" betreut (HRW 14.1.2020).
Die Berichte widersprechen der offiziellen chinesischen Darstellung, dass es sich bei den von der Regierung errichteten Lagern lediglich um Einrichtungen zur beruflichen Weiterbildung handelt (NYT 16.11.2019; vgl. WZ 25.11.2019). Zwar erklärte die chinesische Regierung, dass die meisten festgehaltenen Personen in den Lagern für "politische Bildung" in Xinjiang wieder "in die Gesellschaft zurückgekehrt" sind, doch werden diese Angaben von Beobachtern bezweifelt (HRW 14.1.2020). Berichten zufolge ist eine unbekannte Zahl Internierter nicht in Freiheit, sondern in streng kontrollierte Zwangsarbeit entlassen worden sind (BAMF 16.12.2019; vgl. HRW 14.1.2020).
Auswertungen von Satellitenbildern zu Folge wurden in Xinjiang seit 2017 insgesamt 380 mutmaßliche Internierungslager für Angehörige muslimischer Minderheiten errichtet. Dies seien etwa 40 Prozent mehr als bislang geschätzt. Mindestens 14 weitere Lager sollen gegenwärtig gebaut werden (ASPI 24.9.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020
Aljazeera (1.3.2017): ISIL video threatens China with 'rivers of bloodshed', http://www.aljazeera.com/news/2017/03/isil-video-threatens-china-rivers-bloodshed-170301103927503.html, Zugriff 20.11.2019
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (16.12.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2022112/briefingnotes-kw51-2019.pdf, Zugriff 21.1.2020
BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 18.5.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 18.5.2020
FH – Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 – China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 20.1.2020
HRW – Human Rights Watch (1.5.2019): China’s Algorithms of Repression, https://www.hrw.org/report/2019/05/01/chinas-algorithms-repression/reverse-engineering-xinjiang-police-mass-surveillance, Zugriff 14.10.2019
Mühlhahn, Klaus (2017): Die Volksrepublik China, Oldenbourg Grundriss der Geschichte Band 44, S. 150
NYT – New York Times (16.11.2019): The Xinjiang Papers. ‘Absolutely No Mercy’: Leaked Files Expose How China Organized Mass Detentions of Muslims, https://www.nytimes.com/interactive/2019/11/16/world/asia/china-xinjiang-documents.html, Zugriff 21.11.2019
ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 9.4.2020
WZ – Wiener Zeitung (25.11.2019): Enthüllungen um chinesische Umerziehungslager, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2039665-Enthuellungen-um-chinesische-Umerziehungslager.html, Zugriff 25.11.2019
Religionsausübung in Xinjiang
Restriktionen gegenüber dem Islam haben sich weiter verschärft (AA 1.12.2020). Die Menschenrechtslage, insbesondere der muslimischen uigurischen Volksgruppe und anderer muslimischer Minderheiten in Xinjiang hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert (AA 1.12.2020). Die chinesische Regierung wirft Teilen der uigurischen Bevölkerung in der Autonomen Provinz Xinjiang separatistische Bestrebungen und terroristische Aktivitäten vor. Das gilt auch für das friedliche Eintreten von Uiguren für die Wahrung von Minderheitenrechten, für effektive Autonomie oder für Religionsfreiheit (ÖB 10.2020; vgl. USCIRF 4.2020).
Als Grundlage für die Einführung und Durchsetzung von Beschränkungen religiöser Praktiken von Muslimen in Xinjiang dient der Regierung der Verweis auf die "drei Übel", "ethnischer Separatismus", "religiöser Extremismus" und "gewalttätiger Terrorismus" und setzt die Bestrafung friedlicher religiöser Praktiken unter dem Vorwurf des "religiösen Extremismus" weiterhin fort, um eine Vielzahl von uigurischen Muslimen zu internieren und einer "Umerziehung" zuzuführen (USDOS 10.6.2020; vgl. FH 4.3.2020).
Viele Facetten des muslimischen Lebens werden in Xinjiang beseitigt. Moscheen werden mit dem Hinweis, dass diese baufällig, schäbig und unsicher für die Gläubigen seien, abgerissen. Mitglieder der Kommunistischen Partei verweilen über längere Zeiträume in uigurischen Häusern, um „extremistische“ Verhaltensweisen wahrzunehmen und dies weiterzumelden (CFR 25.11.2019; vgl. USCIRF 4.2020). Darüber hinaus verboten ist die Weigerung, Kinder am nationalen Bildungswesen teilnehmen zu lassen, der Moscheebesuch von Muslimen unter 18 Jahren, das Tragen von Schleiern oder Kopftüchern für Frauen und das Tragen langer "abnormaler" Bärte für Männer. Ferner sind religiöse Hochzeits- und Beerdigungszeremonien als "Zeichen eines religiösen Extremismus" untersagt und Imame müssen ihre Freitagspredigten Regierungsstellen zur Überprüfung vorlegen (DZ 2.4.2017; vgl. AA 1.12.2020, FH 4.3.2020). Mehrere muslimische und uigurische Vornamen dürfen seit 2017 nicht mehr vergeben werden, weil sie als Ausdruck extremistischen Gedankenguts gelten. Erhalten Neugeborene trotzdem diese Namen, werden sie nicht in das Haushaltsregister (Hukou) aufgenommen und haben folglich kein Recht auf staatliche Sozialleistungen, medizinische Versorgung und Schulbesuch. Dieses Namensverbot wurde von den Behörden auf Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren ausgeweitet (BAMF 12.6.2017). Mit einem beispiellosen Maß an Kontrolle der religiösen Praktiken haben die Behörden eine Praktizierung des Islam in der Region effektiv verboten (HRW 14.1.2020).
Lückenlose digitale Kontrolle und Überwachungsmaßnahmen, Sippenhaft, massive Einschränkungen der Religionsausübung, willkürliche Verhaftungen, Masseninternierungen von wahrscheinlich über eine Million Menschen, DNA-Erfassungen, ideologische Indoktrinierung, Berichte über erzwungene Sterilisationen und Geburtenkontrolle und Zwangsarbeit (AA 1.12.2020).
Im Laufe des Jahres 2019 wurde zunehmend vom System der Umerziehung von Häftlingen zur Zwangsarbeit übergegangen. Inhaftierte Personen werden gezwungen, in Baumwoll- und Textilfabriken zu arbeiten (USCIRF 4.2020). Muslimische Frauen, die in den Umerziehungslagern festgesetzt waren berichten von Zwangsabtreibungen und Sterilisationen in den Einrichtungen (FH 4.3.2020).
Die US-Amerikanische Regierung strich im November 2020 die East Turkestan Islamic Movement (ETIM) von der Liste terroristischer Organisationen. China hingegen sieht die Organisation als einen Hauptverantwortlichen für terroristische Aktivitäten in Xinjiang und im Ausland. Auch werden die durch die chinesische Regierung eingesetzten Maßnahmen mit der Notwendigkeit der Bekämpfung des ETIM und andere terroristische Organisationen gerechtfertigt (BAMF 9.11.2020).
Von der chinesischen Regierung werden Anstrengungen unternommen, gewaltsame Rückführungen uigurischer Muslime aus dem Ausland durchzuführen. Einige dieser Rückkehrer werden von der Regierung festgehalten (USDOS 10.6.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (9.11.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040451/briefingnotes-kw46-2020.pdf, Zugriff 7.12.2020
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (12.6.2017): Briefing notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/1407759/5250_1498052332_deutsch.pdf, Zugrigg 7.12.2020
BBC – British Broadcasting Corporation (7.6.2016): Chinese police require DNA for passports in Xinjiang, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-36472103, Zugriff 26.11.2020
CFR – Council on Foreign Relations: (25.11.2019): Christianity in China, https://www.cfr.org/backgrounder/christianity-china, Zugriff 26.11.2020
DZ – Die Zeit (2.4.2017): China erlässt Anti-Islam-Gesetz gegen Uiguren, http://www.zeit.de/sport/2017-04/china-anti-islam-gesetz-provinz-xinjiang-uiguren, Zugriff 26.11.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 14.12.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 26.11.2020
ÖB Peking (10.2020): Asylbericht Volksrepublik China
USCIRF – US Commission on International Religious Freedom (4.2020): United States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report; USCIRF – Recommended for Countries of Particular Concern (CPC): China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028958/China_0.pdf, Zugriff 26.11.2020
USDOS – US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau),
https://www.ecoi.net/de/dokument/2031249.html, Zugriff 1.12.2020
Uiguren
Die Menschenrechtssituation in Xinjiang hat sich in den letzten Jahren verschlechtert (ÖB 10.2020).
Die offizielle Unterdrückung der Rede-, Religions-, Bewegungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit der Uiguren in der Autonomen Region Xinjiang Uighur (XUAR) setzt sich fort und stellt sich gravierender dar als in anderen Gebieten des Landes (USDOS 11.3.2020).
Uiguren beklagen Benachteiligungen im Berufs- und Ausbildungsbereich. Grund- und weiterführende Schulen sollen im Zuge einer Bildungsreform schrittweise in bilinguale Einrichtungen umgewandelt werden, was zu einer Zurückdrängung der uigurischen Sprache führt. Auch Restriktionen gegenüber dem Islam haben sich weiter verschärft. Muslime sind insbesondere im Rahmen der Kampagne zur Sinisierung der Religionen zunehmend Restriktionen und Diskriminierungen ausgesetzt. Die Religionsausübung wird insbesondere bei den Uiguren stark reglementiert (AA 1.12.2020). Uigurische Kinder und Jugendliche haben nicht nur geringe ökonomische Perspektiven, sondern sind auch gefährdet, Opfer illegalen Menschenhandels zu werden (AA 14.12.2018).
Uigurische Lehrer stehen Berichten zufolge seit etwa drei Jahren unter Druck, in Mandarin zu unterrichten. Wenn sie sich die Sprachkompetenz nicht rasch genug anlernen und eine darauffolgende Sprachprüfung nicht bestehen, können sie ihren Beruf nicht weiter ausüben. So sollen besonders Lehrer eine aktive Rolle einnehmen, um die Verbreitung extremistischer Ansichten in Schulen zu verhindern (DS 27.11.2019; vgl. GT 30.3.2017).
2003 veröffentlichte die Regierung zum ersten Mal eine offizielle Liste der in China als terroristisch eingestuften Vereinigungen, die weiterhin gültig ist, darunter befindet sich auch der World Uyghur Youth Congress (WUYC) (AA 14.12.2018). Die chinesische Führung hat in mehreren Verlautbarungen darauf hingewiesen, dass es nach ihrer Überzeugung direkte Verbindungen zwischen uigurischen Separatisten mit den afghanischen Taliban und Al Qaida gebe und dass ein energisches Vorgehen gegen den uigurischen Separatismus, Extremismus und Terrorismus Teil des internationalen Kampfes gegen den Terror sei. Angesichts von Kontakten zwischen uigurischen Unabhängigkeitsgruppen und fundamentalistischen Gruppierungen in den Anrainerstaaten geht die Zentralregierung gegen jegliche (auch vermeintliche) Autonomie- und Unabha?ngigkeitsbestrebungen mit großer Härte vor (AA 22.12.2019).
Mit März 2017 traten strikte Anti-Terrorismusgesetze in Xinjiang in Kraft. Diese erlauben eine großflächige Überwachung der uigurischen Bevölkerung, verwirklicht durch Checkpoints, Polizeistationen, regelmäßige Patrouillen und Trackingsysteme. Die massiven Sicherheitsmaßnahmen führten zur Verhaftung und Internierung von als extremistisch betrachteten Personen zum Zwecke der Umerziehung und Transformation. Anlass ist häufig die Ausübung einfacher religiöser Aktivitäten. Ein Bericht des UN-Ausschusses für die Beseitigung von Rassendiskriminierung im August 2018 schätzt, dass bis zu einer Million Uiguren in Xinjiang interniert sind. Aufgrund zunehmender internationaler Kritik nahm der Volkskongress der Region Xinjiang eine Änderung der Anti-Terrorismusgesetzes im Oktober 2018 vor, welche es lokalen Behörden erlaubt, als extremistisch betrachtete Personen in Ausbildungszentren festzuhalten. Gemäß den berichten von NGOs und Medien kommt es in den Ausbildungszentren zu Folter, Misshandlung und Indoktrination (ÖB 10.2020).
Auswertungen von Satellitenbildern zu Folge wurden in Xinjiang seit 2017 insgesamt 380 mutmaßliche Internierungslager für Angehörige muslimischer Minderheiten errichtet. Dies seien etwa 40 Prozent mehr als bislang geschätzt. Mindestens 14 weitere Lager sollen gegenwärtig gebaut werden (ASPI 24.9.2020).
Uiguren berichten von systematischer Folter und herabwürdigender Behandlung durch Beamte des Sicherheitsapparates in den Internierungslagern und im Strafvollzug. Menschenrechtsorganisationen berichten von Missbrauch, Folter und Hinrichtungen (USDOS 11.3.2020).
Gemäß den Angaben der chinesischen Regierung dienen die Ausbildungszentren nicht nur der De-Radikalisierung und Terrorismusbekämpfung, sondern auch der Armutsbekämpfung durch Ausbildung. Eine freie Religionsausübung ist in den Ausbildungszentren nicht möglich (ÖB 10.2020).
Zwischen Uiguren und Han-Chinesen bestehen weiterhin Spannungen. Verschärft werden diese Spannungen durch die gesellschaftliche, wie auch staatliche Diskriminierung der Uiguren (USDOS 11.3.2020; vgl. USDOS 10.6.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020
AA – Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China
AA – Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 7.12.2020
ASIP – Australian Strategic Policy Institute (24.9.2020): Exploring Xinjiang's detention system, https://xjdp.aspi.org.au/explainers/exploring-xinjiangs-detention-facilities/, Zugriff 23.11.2020
DS – Der Standard (27.11.2019): Wie China Minderheiten unterdrückt, https://www.derstandard.at/story/2000111550696/wie-china-minderheiten-unterdrueckt, Zugriff 27.11.2020
GT– Global Times (30.3.2017): All sections of society urged to help prevent radicalization, http://www.globaltimes.cn/content/1040343.shtml, Zugriff 24.11.2020
ÖB Peking (10.2020): Asylbericht Volksrepublik China
USDOS – US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2031249.html, Zugriff 1.12.2020
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 7.12.2020
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht eine innerstaatliche Bewegungsfreiheit, die Möglichkeit von Auslandsreisen und die Möglichkeit einer Rückkehr vor (ÖB 13.8.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Doch werden diese Rechte nicht immer durch die Regierung ermöglicht. Die Behörden verschärften die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit vor wichtigen Jubiläen, Besuchen ausländischer Würdenträger oder großen politischen Ereignissen, um Demonstrationen vorzubeugen (USDOS 11.3.2020).
Ein Umzug bzw. eine Umregistrierung in einer anderen Region ist (nur) im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des Hukousystems (Haushaltsregistrierungssystem) möglich – insbesondere wenn man in einem anderen Ort eine Arbeitsstelle hat und der Arbeitgeber entsprechend die Formalitäten erfüllt. In einigen Orten (z.B. Beijing und Shanghai) gibt es lange (mehrjährige) Wartezeiten für die Umregistrierung des Hukou nach einem Punktesystem, da der Zuzug hier streng geregelt wird (ÖB 28.5.2020; vgl. NMoFA 1.7.2020).
Durch das Hukou-System wird verhindert, dass rund 290 Millionen Arbeits- und Binnenmigranten in den Städten, in denen sie arbeiten, vollen legalen Status als Einwohner genießen. Durch die Regierung wurde angekündigt, das geltende System schrittweise zu reformieren und die Vorteile des städtischen Wohnsitzes auf 100 Millionen Migranten auszuweiten. Doch würde eine Umsetzung dieses Plans immer noch eine große Mehrheit der Migranten ohne gleiche Rechte oder vollen Zugang zu sozialen Diensten bedeuten (FH 4.3.2020; vgl. NMoFA 1.7.2020).
Anderswo in China, wo 2019 die ersten Stufen eines Sozialkreditsystems eingeführt wurden, sehen sich Berichten zufolge Millionen von Bürgern aufgrund ihrer niedrigen Punktzahlen mit Einschränkungen bei Flug- und Bahnreisen konfrontiert. Millionen Menschen, viele von ihnen Uiguren und Tibeter, sind von staatlichen Einschränkungen beim Zugang zu Auslandsreisen und Reisepässen betroffen (FH 4.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020).
Die beschriebenen Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. Allerdings ist ein Umzug von in der Volksrepublik China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis („Hukou“-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt zu ziehen. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 1.12.2020).
Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. Kraftfahrzeuge mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees. In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht eine besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen, welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen – vor allem von jungen männlichen Uiguren – durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 10.2020).
Die Bewegungsfreiheit für Tibeter ist stark eingeschränkt (IHRWch 17.8.2018). Ohne zahlreiche Genehmigungen dürfen sie sich außerhalb ihres Wohngebietes nicht bewegen und auch nicht arbeiten. Das Alltagsleben für Tibeter ist durch eine Vielzahl von Kontrollen gekennzeichnet (ST 30.8.2019).
Seit 2016 gelten für die Einwohner Xinjiangs strenge Auflagen für den Erwerb von Reisedokumenten. Biometrische-Daten, eine DNA-Blutprobe, Fingerabdrücke sowie eine Stimmaufzeichnung und ein dreidimensionales Foto des Körpers müssen bei einem Antrag zur Verfügung gestellt werden (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016). Personen in der Provinz Xinjiang müssen für Reisebewegungen zwischen Städten bei der Polizei eine Erlaubnis erwirken und eine Vielzahl von Kontrollpunkten durchlaufen. Es wird von einer Zunahme von Kontrollmaßnahmen auf Flughäfen, Bahnhöfen, sowie Kontrollpunkten an öffentlichen Bewegungslinien, wie Straßen, etc. berichtet (HRW 9.9.2018).
Die Meldekarte ("Hukou-System") ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte "Hukou-Karten" oder solche von Verwandten (ÖB 10.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020
BBC – British Broadcasting Corporation (7.6.2016): Chinese police require DNA for passports in Xinjiang, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-36472103, Zugriff 27.11.2020
DZ – Die Zeit (25.11.2016): China sammelt Pässe in Unruheprovinz ein, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-11/china-xinjiang-konflikt-unruhen-bewohner-reisepaesse, Zugriff 27.11.2020
FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 27.11.2020
IHRWch – Informationsplattform Human Rights Schweiz (17.8.2018): Länderinformation: Menschenrechte in China, https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/china/, Zugriff 26.11.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 26.11.2020
NMoFA – Netherlands Ministry of Foreign Affairs (1.7.2020): Country of origin information report China
ÖB Peking (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes
ÖB Peking (28.5.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes
ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China
ST – Save Tibet (30.8.2019): Aktuelle Situation, https://tibet.at/tibet/land-und-leute/aktuelle-situation/, Zugriff 26.11.2020
USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 26.11.2020
Rückkehr
Grundsätzlich besitzen chinesische Staatsbürger nach ihrer Rückkehr nach China das Recht, sich wieder im Land niederzulassen und sich unter entsprechenden Bedingungen auch im "Hukou-System" registrieren zu lassen. Voraussetzung dafür ist eine "Bescheinigung zur Rückkehr und Ansiedlung von Auslandschinesen". Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Rückkehrbescheinigung ist der Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes und die Verfügbarkeit einer rechtlichen häuslichen Unterkunft für die rückkehrende Person. Auch wenn diese Bescheinigung verbindlichen Rechtsanspruch besitzt, obliegen dem Staat Möglichkeiten, diese Ansprüche bei Vorliegen von Straftaten betreffend der allgemeinen Sicherheit und Ordnung, deren Auslegung einen weiten Raum für Anschuldigungen bieten, zu verwehren. Für eine Registrierung an einem anderen Ort als dem bisherigen Lebensmittelpunkt sind zusätzliche lokal erlassene Bedingungen zu erfüllen, unter anderem auch eine Straffreiheit der Antragsteller (ÖB 10.2020).
Es erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 10.2020). Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden (AA 1.12.2020). Es ist anzunehmen, dass die chinesischen Behörden über das Verhalten chinesischer Asylsuchender während ihres Aufenthalts außerhalb Chinas informiert sind (DFAT 3.10.2020). Im Oktober 2016 wurden zur Verstärkung der Überwachung von Auslandskontakten in einem ersten Schritt die Pässe der Einwohner Xinjiangs zurückgerufen. Zudem haben die Behörden in Xinjiang 2017 alle chinesischen Uigurinnen und Uiguren im Ausland aufgefordert, bis Ende Mai 2017 in die VR China zurückzukehren, um sich registrieren zu lassen. Verstöße dagegen können nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen von den chinesischen Behörden sanktioniert werden. Doch auch die freiwillige Rückkehr in der vorgegebenen Frist ist keine Garantie für Straffreiheit und Sicherheit (AA 1.12.2020).
Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uiguren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im "Shuanggui" System [ein nicht gesetzlich geregeltes Verfahren, welches eine zeitlich nicht näher begrenzte Arrestierung erlaubt] verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020). Der Verbleib von Angehörigen dieser generalverdachtsmäßig als staatsgefährdend angesehenen Minderheiten bleibt nach deren Rückkehr oft ungeklärt und es ist mit einem ungewissem, auf unbestimmte Zeit festgelegten Verbleib dieser Personengruppen zu rechnen (AA 1.12.2020).
Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden. Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uighuren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im "Shuanggui" System verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 10.2020).
Das chinesische Außenministerium konfisziert, annulliert oder verweigert die Verlängerung der Reisepässe von Uiguren und anderen im Ausland lebenden turksprachigen Muslimen, einschließlich Personen mit rechtmäßigem Daueraufenthaltsstatus oder Staatsbürgerschaft in anderen Ländern, als Zwangsmaßnahme, um sie zur Rückkehr nach Xinjiang zu bewegen (USDOS 10.6.2020).
Darüber hinaus fordert die Zentralregierung andere Regierungen auf, Uiguren, die aus China geflohen sind, in ihre Heimat rückzuführen (NYP 22.9.2019). China übt dabei auf seine Nachbarstaaten Druck aus, uigurische Flüchtlinge, die pauschal des "Terrorismus" bezichtigt werden, beschleunigt nach China rückzuführen (DW 17.2.2020). Auch wurden entsprechende Auslieferungsabkommen mit einigen, an die Autonome Region Xinjiang grenzende Nachbarstaaten, wie Kasachstan (ÖB Nur-Sultan 7.2020a), Kirgisistan (ÖB Nur-Sultan 7.2020b), Tadschikistan (ÖB Nur-Sultan 8.2020) und Usbekistan (ÖB Moskau 17.5.2019) abgeschlossen. Die Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) beobachtet mit großer Sorge, dass sich der Einfluss Chinas bei der Verfolgung religiöser und ethnischer Minderheiten weltweit immer weiter ausdehnt, wie das Beispiel der Uiguren in der Türkei zeigt (IGFM 22.6.2020; vgl. NM 19.5.2020). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan, Malaysia, Algerien und Ägypten (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020, SZ 12.4.2019, DW 17.2.2020). Es gibt auch Berichte, wonach die chinesischen Behörden die Rückkehr von Uigurinnen und Uiguren mit Aufenthaltsrecht in EU-Mitgliedstaaten zur „Umerziehung“ in ihren Heimatorten in Xinjiang erzwingen. Oftmals werden dafür in China lebende Familienmitglieder als Faustpfand benutzt. Über den Verbleib der rückkehrenden Personen ist oft nichts bekannt (AA 1.12.2020).
Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China, insbesondere auf dem Land, ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 10.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020
DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2020): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 27. 11.2020
DW – Deutsche Welle (17.2.2020): Exklusiv: Neue Beweise für Chinas willkürliche Unterdrückung der Uiguren, https://www.dw.com/de/exklusiv-neue-beweise-f%C3%BCr-chinas-willk%C3%BCrliche-unterdr%C3%BCckung-der-uiguren/a-52398868, Zugriff 9.12.2020
IGFM – Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (22.6.2020): In der Türkei lebenden Uiguren droht gewaltsame Rückführung, https://www.igfm.de/erdogan-opfert-uiguren-fuer-wirtschaft-abschiebung-aus-tuerkei/, Zugriff 1.12.2020
NM – Nordic Monitor (19.5.2020): Turkey-China extraction agreement may target Uyghurs living in Turkey, https://www.nordicmonitor.com/2020/05/turkey-china-extradition-agreement-may-target-uyghur-diaspora-in-turkey/, Zugriff 9.12.2020
NYP – New York Post (22.9.2019): Pompeo blasts China’s treatment of minority Uighurs, https://nypost.com/2019/09/22/pompeo-blasts-chinas-treatment-of-minority-uighurs/, Zugriff 9.12.2020
ÖB Moskau (17.5.2019): Auskunft der Konsularabteilung
ÖB Nur-Sultan (7.2020a): Asylländerbericht Kasachstan
ÖB Nur-Sultan (7.2020b): Asylländerbericht Kasachstan
ÖB Nur-Sultan (8.2020): Asylländerbericht Turkmenistan
ÖB Peking (13.8.2020): Auskunft des Vertrauensanwaltes
ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China
SZ – Süddeutsche Zeitung (12.4.2019): Wo die Moscheen verschwinden, https://www.sueddeutsche.de/politik/china-und-die-uiguren-wo-die-moscheen-verschwinden-1.4407686, Zugriff 26.11.2019
USDOS – US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: China (Includes Tibet, Xinjiang, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2031249.html, Zugriff 1.12.2020
Die obigen Feststellungen zur Lage in der Autonomen Region Xinjiang ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Volksrepublik China (generiert am 06.04.2021).
Weiters wird fallspezifisch festgestellt:
Eine blaue Flagge mit weißem Halbmond und Stern war eine von mehreren Flaggen der ersten „Islamischen Republik Ostturkestan“, die von 1933 bis 1934 verwendet wurde, und stellt nunmehr die Flagge der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung dar (Wikipedia vom 24.09.2021).
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahmen in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, in das dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Autonomen Region Xinjiang vorliegende Dokumentationsmaterial und durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2021.
Die Feststellungen zur Person der Asylwerberin ergeben sich insbesondere aus ihrem im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstatteten glaubwürdigen Vorbringen in Verbindung mit ihren im erstinstanzlichen Verfahren im Original vorgelegten chinesischen Urkunden. So liegen im Verwaltungsakt des Bundesamtes Farbkopien ihres chinesischen Reisepasses und ihrer chinesischen Identitätskarte ein (S. 15 bis 21 des Verwaltungsaktes des Bundesamtes). Weiters liegt auch eine Farbkopie eines Reisedokumentes für Uiguren zur Bewegung innerhalb der Volksrepublik China ein (S. 91 des Verwaltungsaktes), wobei diese Urkunde hg. auch im Original vorgelegt wurde. Hinsichtlich der Teilnahme an Demonstrationen ist auf zwei Farbkopien auf S. 93 des Verwaltungsaktes hinsichtlich der Demonstrationen in der Türkei und auf zwei Farbkopien auf S. 95 des Verwaltungsaktes hinsichtlich der Demonstration in Wien am 07.02.2019 hinzuweisen. Auf den genannten Farbkopien ist die Beschwerdeführerin auch eindeutig zu erkennen. Mit Schriftsatz vom 29.07.2019 (hg. OZ 5) legte die Beschwerdeführerin weitere fünf Farbkopien vor, die die Beschwerdeführerin und den Demonstrationszug bei einer Demonstration im Juli 2019 in Wien zeigen, wobei die Beschwerdeführerin auf zwei Farbkopien zu sehen ist. Auf allen genannten Farbkopien ist vielfach eine blaue Flagge mit weißem Halbmond und Stern zu sehen, wobei diese als eine von mehreren Flaggen der ersten „Islamischen Republik Ostturkestan“ von 1933 bis 1934 verwendet wurde und nunmehr die Flagge der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung darstellt (vgl. Wikipedia vom 24.09.2021). Somit ist – entgegen der Ansicht des Bundesamtes (vgl. S. 60 des angefochtenen Bescheides) – auch klar erkennbar, zu welchem Zweck diese Demonstrationen stattgefunden haben, wenn hiebei die Flaggen der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung mitgetragen werden. Diesbezüglich wird betont, dass die hiebei abgebildete Beschwerdeführerin immer die Flagge der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung trägt. Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass die Farbkopien bezüglich der im Juli 2019 stattgefundenen Demonstration auch eindeutig eine Zuordnung der Örtlichkeit – wie das Bundesamt a.a.O auch monierte – zulassen; so ist hiebei eindeutig u.a. auch der Heldenplatz in Wien als Demonstrationsort erkennbar. Angesichts der Feststellungen zur Lage der Uiguren in der Volksrepublik China ist klar zu erkennen, dass sich die Lage der Uiguren seit dem Jahre 2017 drastisch verschärft hat; so traten mit März 2017 strikte Anti-Terrorismusgesetze in Xinjiang in Kraft, wobei eine großflächige Überwachung der uigurischen Bevölkerung vorgenommen wird. In diesem Zusammenhang wird auch auf die obigen Feststellungen hingewiesen, wonach sich der Einfluss Chinas bei der Verfolgung religiöser und ethnischer Minderheiten weltweit immer weiter ausdehnt, wie das Beispiel der Uiguren in der Türkei zeigt.
Schließlich wird auf das Schreiben des Weltkongresses der Uiguren e.V. vom 19.02.2021, das der Präsident Dolkun Isa unterfertigte und auf die Lage der Uiguren in der Volksrepublik China hinweist, wobei die Beschwerdeführerin explizit genannt wird (vgl. hg. OZ 9 und 10).
Die Feststellungen zur Lage in der Autonomen Region Xinjiang und die weiteren fallspezifischen Feststellungen ergeben sich aus den oben genannten Quellen.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich (infolge von vor dem 1. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich (infolge obiger Umstände/diese Worte in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention sind ebenfalls gemäß Art. 1 Abs. 2 des oben genannten Protokolls als nicht enthalten anzusehen) außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, ua).
Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt, dass die Asylwerberin Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist. Die Umstände, dass die aus der Autonomen Region Xinjiang stammende Asylwerberin als Angehörige der Volksgruppe der Uiguren und der sunnitischen Religionsgemeinschaft, die ihren Glauben auch praktiziert, einerseits bereits durch ihre Auslandsaufenthalte während ihres Studiums ins Blickfeld chinesischer Staatsorgane geraten ist, wobei sie hiezu von chinesischen Polizeiorganen mehrfach befragt wurde und andererseits nunmehr eine rege exilpolitische Tätigkeit in Österreich entfaltet, wobei sie bereits in der Türkei an Demonstrationen gegen das chinesische Regime teilnahm, lassen die Asylwerberin in der Volksrepublik China im erheblichen Maße gefährdet erscheinen. In ihrem Fall liegt daher wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Religion und der politischen Gesinnung vor.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zur Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 1985/10 idgF (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nich