TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/30 W109 2177219-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2021
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Entscheidungsdatum

30.09.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W109 2177219-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 05.10.2017, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2019 und am 12.07.2021 zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Am 25.10.2015 stellte der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 26.10.2016 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, komme aus Nangarhar und habe zehn Jahre die Schule besucht. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, der Bruder sei beim Militär gewesen. Eines Tages seien die Taliban bei ihnen zuhause gewesen und hätten ihn entführt. Nach drei Tagen hätten sie seine Leiche gefunden. Danach seien die Familie und der Beschwerdeführer von den Taliban bedroht worden, sie hätten den Beschwerdeführer gesucht.

Am 23.08.2017 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, als die Taliban den Heimatort übernommen hätten, hätten sie durch die Dorfbewohner erfahren, dass der Bruder in der Armee diene. Sie hätten sie bedrängt und wissen wollen, wo der Bruder sei. Sie seien einen Monat bedrängt, belästigt und bedroht worden. Der Vater sei immer wieder mitgenommen und eingesperrt worden, damit er ihnen verrate, wo der Bruder sei. Der Vater habe den Bruder gebeten, nachhause zu kommen. Die Taliban seien gekommen und hätten direkt mit dem Bruder sprechen wollen. Sie hätten ihn entführt, er sei drei Tage verschollen gewesen, am dritten Tag habe man seine Leiche gefunden. Später sei der Beschwerdeführer bedroht worden, sie hätten gesagt, er müsse sich ihnen anschließen, weil der Bruder in der Armee gedient habe. Eines Tages auf dem Schulweg hätten sie ihm eine Waffe geben wollen und gewollt, dass er sich ihnen anschließe und gegen die Regierung kämpfe. Er sei geschlagen, entführt und mehrere Stunden eingesperrt worden. Dann sei er nachhause gegangen. In der Nacht habe es an der Tür geklopft. Als der Vater bemerkt habe, dass es die Taliban seien, hätte der gesagt, der Beschwerdeführer solle durch die Hintertür flüchten. Der Beschwerdeführer habe noch Schüsse gehört und sei zu Fuß Richtung Berge und über Khogyani nach Jalalabad gelangt. Er habe kein Geld gehabt. Dort habe ihn ein guter Freund des Vaters gesehen und ihn unterstützt. Er habe gefragt, was der Beschwerdeführer hier mache und der Beschwerdeführer sei vier Tage bei ihm zuhause versteckt gewesen. Er habe Kontakt nach Hesarak aufgenommen und erfahren, dass der Vater angeschossen und verletzt worden sei. Er habe dann die Flucht des Beschwerdeführers organisiert. Der Vater sei, als er zwei Monate zuvor in Jalalabad gewesen sei, erneut verletzt worden. Die Taliban würden den ganzen Distrikt Hesarak kontrollieren.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.10.2017, zugestellt am 19.10.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Taliban nur den Beschwerdeführer bedroht hätten. Es sei nicht realistisch, wenn er angebe, die Schwester sei verheiratet und deshalb nicht bedroht worden. Der Beschwerdeführer sei erst 15 oder 16 Jahre alt gewesen, weshalb ein so großes Interesse an seiner Peron unverständlich sei. Dass der Beschwerdeführer sich nicht an die Behörden gewandt habe, weil er sich habe verstecken müssen und von den Taliban daran gehindert worden sei, sei ebenso nicht glaubhaft, insbesondere unter dem Aspekt, dass der Bruder Armeeangehöriger gewesen sei. Es sei erstaunlich, das Beschwerdeführer weder Funktion noch Dienstgrad des Bruders habe nennen können. Bei nicht existentem Meldesystem sei praktisch auszuschließen, dass die Taliban den Beschwerdeführer überall finden könnten. Eine asylrelevante Verfolgung sei nicht ersichtlich, bei Übergriffen durch die Taliban handle es sich lediglich um Übergriffe durch kriminelle Dritte. Es sei nicht davon auszugehen, dass der afghanische Staat nicht gewillt oder nicht fähig sei, vor deren Übergriffen zu schützen. Der Kampf gegen die Taliban sei ein zentrales Element der afghanischen Innen- und Sicherheitspolitik. Eine allfällige Unfähigkeit des afghanischen Staates, vor Übergriffen der Taliban zu schützen, sei nicht Gegenstand der Prüfung der Asylgründe und lediglich im Hinblick auf die Gewährung subsidiären Schutzes zu prüfen. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, ihm stehe gegebenenfalls zusätzlich eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Er werde bald volljährig.

3.       Am 17.11.2017 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, Feststellungen, Begründung und Ermittlungsverfahren seien mangelhaft. Die belangte Behörde habe sich nicht mit den vorgelegten fallrelevanten Beweisen auseinandergesetzt. Die Beweiswürdigung thematisiere nur wenige Argumente vordergründig und sei einseitig. Der Beschwerdeführer habe detaillierte und nachvollziehbare Angaben erstattet und sein Vorbringen ausreichen substantiiert. Die Länderfeststellungen seien unzureichend, es würden sich keine Informationen zur Talibanpräsenz in Nangarhar finden. Der Beschwerdeführer werde wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie sowie, weil ihm aufgrund seiner Weigerung, sich den Taliban anzuschließen, eine politische Handlung unterstellt werde, verfolgt. Er sei bereits konkret in den Fokus der Taliban geraten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung. Sicherheits- und Versorgungslage seien schlecht, der Beschwerdeführer gut integriert.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27.07.2018, 143 Hv 54/18m, wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG schuldig gesprochen. Nach § 13 Abs. 1 JGG wurde der Ausspruch der Strafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Mit Bescheid vom 26.09.2018 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, der Beschwerdeführer habe gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet am 31.07.2018 verloren. Begründen führt die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 27.07.2018 verurteilt worden, mit 31.07.2018 sei diese Verurteilung in Rechtskraft erwachsen. Er habe gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 sein Aufenthaltsrecht ex lege verloren. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und ist diese am Bundesverwaltungsgericht zur Zahl W109 2177219-2 anhängig.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14.12.2018, 151 Hv 125/18m, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach §?27 Abs. 2a SMG unter Einbeziehung des Schuldspruches vom 27.07.2018, 143 Hv 54/18m, zum nachträglichen Strafausspruch zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten verurteilt.

Am 24.07.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, drei im Akt namentlich genannte Vertrauenspersonen, eine Vertreterin der belangten Behörde und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat von den Taliban verfolgt aufrecht.

Mit Beschluss vom 16.03.2020 stellte das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren W109 2177219-2 den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, § 2 Abs. 4 AsylG 2005 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Beschluss ebenso vom 16.03.2020 setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren über die Beschwerde, W109 2177219-1, bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im zur Zahl W109 2177219-2 anhängigen Verfahren aus. Mit Beschluss vom 21.09.2020, G 172/2020-9, wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Bundesverwaltungsgerichts als unzulässig zurück.

Mit Ladung vom 07.06.2021 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Am 07.07.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer werde wegen einer ihm von den Taliban unterstellten politischen Gesinnung asylrelevant verfolgt. Die Sicherheitslage verschlechtere sich zunehmen, die Taliban seien auf dem Vormarsch. Die Versorgungslage sei schlecht. Beantragt wurde zudem die Einvernahme zweiter Zeuginnen

Am 12.07.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht erneut eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu und zwei im Akt namentlich genannte Zeuginnen teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Am 03.08.2021 langte eine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Diverse Teilnahmebestätigungen für Kurse und Workshops

?        Sozialbericht

?        Kopien diverser Dokumente betreffend den Bruder

?        Mehrere Empfehlungsschreiben

?        Arbeitsbestätigung

?        Nachweis über ehrenamtliche Tätigkeit

?        ÖSD-Zertifikat A2

?        Mehrere Fotos

?        Einstellungszusage

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch Deutsch zumindest auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27.07.2018, 143 Hv 54/18m, wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG schuldig gesprochen. Nach § 13 Abs. 1 JGG wurde der Ausspruch der Strafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Der Beschwerdeführer hat in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (enthaltend Delta-9-THC und THCA)

A.       am 14.06.2018 auf einer öffentlichen Verkehrsfläche gegen ein Entgelt überlassen, und zwar

1.       einer verdeckten Ermittlerin ein Baggy mit 1.3 Gramm bto Cannabiskraut um EUR 10,--;

2.       in zwei Angriffen zwei unbekannten Abnehmern zwei Baggy einer nicht mehr feststellbaren Menge Cannabiskraut um insgesamt EUR 60,--;

B.       seit April 2018 bis 14.06.2018 Cannabiskraut zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen, insbesondere am 14.06.2018 zwei Baggies mit insgesamt 5,2 Gramm bto Cannabiskraut.

Mildernd wurde die Unbescholtenheit, das Geständnis, der wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung und die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes, erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen berücksichtigt.

Zudem wurde für den Beschwerdeführer Bewährungshilfe angeordnet. Der Beschwerdeführer kam den Terminen nach und zeigt sich nach Einschätzung seiner Bewährungshelferin im Gespräch bemüht und engagiert.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14.12.2018, 151 Hv 125/18m, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach §?27 Abs. 2a SMG unter Einbeziehung des Schuldspruches vom 27.07.2018, 143 Hv 54/18m, zum nachträglichen Strafausspruch zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten verurteilt.

Er hat im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittätern am 21.11.2018 am späten Nachmittag in Wien vorschriftswidrig auf einer öffentlichen Verkehrsfläche in Anwesenheit von zumindest 20 Personen und somit öffentlich und unter Umständen, unter denen ihr Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, Suchtgift einem anderen gegen Entgelt überlassen, indem der Mittäter den Käufer gefragt hat, ob er Cannabiskraut kaufen wolle, diesen zum Beschwerdeführer begleitet und dieser ihm ein Baggy Cannabiskraut (Wirkstoff THCA und Delta-9-THC) um EUR 10,-- verkaufte.

Erschwerend wurde die einschlägige Vorstrafe, mildernd kein Umstand berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Nangarhar, Distrikt Hesarak geboren und hat dort einige Jahre die Schule besucht. Die Familie des Beschwerdeführers verfügt über Haus und Grundstück im Herkunftsdorf, der Vater betrieb eine Landwirtschaft. Der Bruder des Beschwerdeführers war für die afghanische Armee tätig und trug so bis zu seinem Tod zum Haushaltseinkommen bei.

Der Beschwerdeführer hat einen älteren und einen jüngeren Bruder, der ältere ist verstorben. Außerdem hat der Beschwerdeführer eine Schwester, sie ist verheiratet. Eltern und jüngerer Bruder waren zuletzt im Herkunftsdorf aufhältig, Kontakt besteht allerdings bereits etwa seit dem Jahr 2017 nicht mehr.

In Österreich hat der Beschwerdeführer zahlreiche Deutschkurse, Basisbildungskurse und mehrere Workshops besucht und verfügt mittlerweile über nachgewiesene Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Er war von Oktober 2020 bis Juni 2021 zum Höhepunkt der Coronapandemie ehrenamtlich in einem Pensionisten-Wohnhaus tätig. Außerdem leistet der Beschwerdeführer in seiner Nachbarschaft Hilfstätigkeiten, er erledigt etwa Gartenarbeiten, kleiner Reparaturen und hilft bei Transporten. Dafür wird auf mit Dienstleistungsschecks entlohnt. Der Beschwerdeführer verfügt außerdem über eine Einstellungszusage. Er hat seit über zwei Jahren eine Freundin und pflegt auch engen Kontakt zu deren Familie. Außerdem hat der Beschwerdeführer weitere Kontakte geknüpft, so wurde ihm im Rahmen eines „Buddy“-Projektes für junge Geflüchtete eine Patin vermittelt. Zu ihr und ihrer Familie pflegt der Beschwerdeführer engen Kontakt.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Bruder des Beschwerdeführers war Angehöriger der afghanischen Armee. Als das Herkunftsdorf von den Taliban eingenommen wurde, wurde ihnen dies bekannt und die Familie unter Druck gesetzt. So wurde der Vater des Beschwerdeführers misshandelt und festgenommen. Der Bruder des Beschwerdeführers kam schließlich nach Hause und wurde von den Taliban mitgenommen. Drei Tage später wurde sein Leichnam gefunden.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer auf dem Schulweg von Taliban angehalten, die ihn aufforderten, sich ihnen anzuschließen. Er wurde geschlagen, einige Stunden festgehalten und schließlich mit der Ankündigung nachhause geschickt, er werde am Abend abgeholt. Dort erzählter der Beschwerdeführer seinen Eltern von den Vorkommnissen und der Vater meinte, der Beschwerdeführer sei sehr jung, er glaube nicht, dass ihn die Taliban mitnehmen würden.

In der Nacht klopfte es an der Tür und der Vater fragte, wer da sei. Als nach dem Beschwerdeführer verlangt wurde, forderte der Vater diesen durch die Hintertür zu flüchten. Der Beschwerdeführer hörte noch einen Schuss. Er lief in die Berge und ging die ganze Nacht bis zur Hauptstraße von Khugyani, wo ihn ein Auto nach Jalalabad mitnahm. Dort angekommen wandte sich der Beschwerdeführer an einen Freund seines Vaters. Dieser nahm den Beschwerdeführer nachhause mit und rief den Vater an, der ihm erzählte, die Taliban hätten das Haus durchsuchen wollen. Der Vater sei nicht einverstanden gewesen, deshalb hätten sie auf ihn geschossen und sein Bein sei verletzt worden. Der Vater bat außerdem, dem Beschwerdeführer zur Flucht zu verhelfen. In der Folge organisierte der Freund des Vaters innerhalb weniger Tage die Ausreise.

Für Männer im wehrfähigen Alter und Kinder, die sich der Rekrutierung durch die Taliban wiedersetzen, besteht die Gefahr, dass ihnen von den Taliban eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben wird.

Die Taliban sind seit Jahrzehnten in Afghanistan aktiv und haben Afghanistan von 1996 bis 2001 regiert. Seit 2001 haben sie einige Grundprinzipien bewahrt, u. a. eine strenge Auslegung des Scharia-Rechts in den von ihr kontrollierten Gebieten.

Seit dem Beginn des Abzuges internationaler Truppen am 01.05.2021 konnten die Taliban ihre Gebietskontrolle zunehmend ausweiten. So standen am 03.06.2021 90 Distrikte unter ihrer Kontrolle, während sich mit Stand 19.07.2021 229 Distrikte in Händen der Taliban befanden. Im Juli wurden auch wichtige Grenzübergänge erobert. Ende Juli/Anfang August kämpfte die Regierung gegen Angriffe der Taliban auf größere Städte, darunter Herat, Lashkar Gar und Kandahar. Im August 2021 beschleunigte sich der Vormarsch der Taliban, als sie 26 von 34 Provinzhauptstädten innerhalb von zehn Tagen einnahmen. Am 15.08.2021 haben die Taliban größtenteils friedlich Kabul eingenommen, alle Regierungsgebäude und Checkpoints der Stadt besetzt, den Krieg für beendet erklärt und das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen. Der afghanische Präsident war zuvor außer Landes geflohen. Die Taliban lehnen die Demokratie und ihren wichtigsten Bestandteil, die Wahlen, generell ab. Ende August 2021 kündigten die Taliban an, eine Verfassung auszuarbeiten, jedoch haben sie sich zu den Einzelheiten des Staates, den ihre Führung in Afghanistan errichten möchte, bislang bedeckt gehalten. Im September 2021 kündigten sie die Bildung einer „Übergangsregierung“ an. Entgegen früherer Aussagen handelt es sich dabei nicht um eine „inklusive“ Regierung unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure, sondern um eine reine Talibanregierung. Darin vertreten sind Mitglieder der alten Talibanelite, die schon in den 1990er Jahren zentrale Rollen besetzte, ergänzt mit Taliban-Führern, die im ersten Emirat noch zu jung waren, um zu regieren. Die allermeisten sind Paschtunen. Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten.

Mit dem Vormarsch der Taliban haben Kampfhandlungen und konfliktbedingte Todesopfer drastisch zugenommen. Zwischen 01.01.2021 und 30.06.2021 dokumentierte UNAMA 5.183 zivile Opfer und fast eine Verdreifachung der zivilen Opfer durch den Einsatz von improvisierten Sprengsätzen durch regierungsfeindliche Kräfte. Zwischen Mai und Mitte August wurden über 3.750 zivile Opfer dokumentiert. Im Mai und Juli führte die Zunahme von Kampfhandlungen zu über 23.000 konfliktbezogenen Vorfällen, das sind beinahe doppelt so viele wie im Zeitraum Jänner bis April. Im Jahr 2021 wurden 550.000 Menschen intern vertrieben, 400.000 davon zwischen 01.05.2021 und Mitte August. Seit der Beendigung der Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften ist die Zahl der zivilen Opfer deutlich zurückgegangen. Im August und September kam es zu Lokalen Kampfhandlungen, z.B. in Maidan Wardak und Daikundi. Anfang September kam es zudem zu schweren Kampfhandlungen im Panjshir-Tal, das die Taliban schließlich einnahmen.

Bereits vor der Machtübernahme intensivierten die Taliban gezielte Tötungen von wichtigen Regierungsvertretern, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten Die Taliban kündigten nach ihrer Machtübernahme an, dass sie keine Vergeltung an Anhängern der früheren Regierung oder an Verfechtern verfassungsmäßig garantierter Rechte wie der Gleichberechtigung von Frauen, der Redefreiheit und der Achtung der Menschenrechte üben werden. Es gibt jedoch glaubwürdige Berichte über schwerwiegende Übergriffe von Taliban-Kämpfern, die von der Durchsetzung strenger sozialer Einschränkungen bis hin zu Verhaftungen, Hinrichtungen im Schnellverfahren und Entführungen junger, unverheirateter Frauen reichen. Einige dieser Taten scheinen auf lokale Streitigkeiten zurückzuführen oder durch Rache motiviert zu sein; andere scheinen je nach den lokalen Befehlshabern und ihren Beziehungen zu den Führern der Gemeinschaft zu variieren. Es ist nicht klar, ob die Taliban-Führung ihre eigenen Mitglieder für Verbrechen und Übergriffe zur Rechenschaft ziehen wird. Auch wird berichtet, dass es eine neue Strategie der Taliban sei, die Beteiligung an gezielten Tötungen zu leugnen, während sie ihren Kämpfern im Geheimen derartige Tötungen befehlen. Einem Bericht zufolge kann derzeit jeder, der eine Waffe und traditionelle Kleidung trägt, behaupten, ein Talib zu sein, und Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchführen Die Taliban-Kämpfer auf der Straße kontrollieren die Bevölkerung nach eigenen Regeln und entscheiden selbst, was unangemessenes Verhalten, Frisur oder Kleidung ist. Frühere Angehörige der Sicherheitskräfte berichten, dass sie sich weniger vor der Taliban-Führung als vor den einfachen Kämpfern fürchten würden. Es wurde von Hinrichtungen von Zivilisten und Zivilistinnen sowie ehemaligen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Personen, die vor kurzem Anti-Taliban-Milizen beigetreten waren, berichtet. Während die Nachrichten aus weiten Teilen des Landes aufgrund der Schließung von Medienzweigstellen und der Einschüchterung von Journalisten durch die Taliban spärlich sind, gibt es Berichte über die Verfolgung von Journalisten und die Entführung einer Menschenrechtsanwältin.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Volkgruppen- und Religionszugehörigkeit und Muttersprache des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden plausiblen Angaben im Lauf des Verfahrens. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihren Entscheidungen zugrunde. Zu seinen Deutschkenntnissen hat der Beschwerdeführer sein ÖSD-Zertifikat für das Niveau A2 in Vorlage gebracht (OZ 20).

Dass er gesund ist, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer aktuelles Vorbringen im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand nicht erstattet und keine Unterlagen vorgelegt hat, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung belegen würden.

Die Feststellungen zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27.07.2018, 143 Hv 54/18m, beruhen auf der im Akt einliegenden gekürzten Urteilsausfertigung. Zudem hat der Beschwerdeführer ein Schreiben der Bewährungshilfe vorgelegt (Beilage zu OZ 13).

Die Feststellungen zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27.07.2018, 143 Hv 54/18m, beruhen auf der im Akt einliegenden gekürzten Urteilsausfertigung (OZ 16).

Die Feststellungen zu Herkunft, Lebenswandel und Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat beruhen auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben im Lauf des Verfahrens, die auch die belangte Behörde nicht in Zweifel zog. Im Hinblick auf den Kontakt zur Familie gab der Beschwerdeführer bereits im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 23.08.2017 an, dieser gestalte sich schwierig, weil es kein Netz gebe (AS 59). Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand 11.06.2021 bestätigt zwar eine schnelle Verbreitung von Mobiltelefonen, Internet und sozialen Medien, sowie, dass 90 % der afghanischen Haushalte über ein Mobiltelefon verfügen. Berichtet wird allerdings auch, dass lediglich zwei Drittel der bevölkerungsreichsten Gebiete von fünf GSM-Betreibern abgedeckt werden, sowie, dass die Taliban den Zugang zu Informationen einschränken, indem sie Telekommunikationsantennen zerstören bzw. deren Abschaltung erzwingen. In den vergangenen Jahren sei teure Infrastruktur zerstört und Ingenieure und Angestellte von Mobilfunkbetreibern angegriffen worden (Kapitel Meinungs- und Pressefreiheit, Abschnitt Internet und Mobiltelefonie). Demnach erscheinen auch die Angaben des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2019 und am 12.07.2021 plausibel.

Der Beschwerdeführer hat zahlreiche Teilnahmebestätigungen für Kurse und Workshops vorgelegt (OZ 20, Beilagen zu OZ 13), ÖSD-Zertifikat A2 ist aktenkundig (OZ 20), eine Bestätigung des Pensionisten-Wohnheimes (OZ 20), Bestätigungen zu seinen Hilfstätigkeiten (OZ 20, OZ 22), eine Einstellungszusage (Beilage zu OZ 21) und überdies mehrere Fotos und Empfehlungsschreiben (Beilagen zu OZ 13, OZ 20). Überdies wurde der Beschwerdeführer von mehreren Vertrauenspersonen zu den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht begleitet und wurde die Freundin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 12.07.2021 auch als Zeugin einvernommen, ebenso seine Patin.

2.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Zunächst gab der Beschwerdeführer in seinen Einvernahmen stets gleichbleibend an, dass der Bruder beim Militär gewesen und die Familie deshalb bedroht worden sei.

Zum vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Tätigkeit des Bruders geschilderten Bedrohungsszenario ist den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass regierungsfeindliche Kräfte Familienangehörige von Regierungsmitarbeitern und Angehörigen der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte als Vergeltungsmaßnahme und gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angegriffen haben. Insbesondere seien Verwandte Opfer von Schikanen, Entführung, Gewalt und Tötung geworden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regirung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vemeintlich unterstützen, Buchstabe k) Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, S. 54 f.). Auch aus der EASO Country Guidance: Afghanistan von Dezember 2020 (In der Folge: EASO Country Guidance) geht hervor, dass neben den Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte selbst auch deren Familienangehörige einem Gefährdungsrisiko ausgesetzt sein können (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.1 Members of the security forces and pro-government militias, S. 58-59).

Der EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 berichtet im Hinblick auf die konkrete Vorgehensweise der Taliban gegen Familienangehörige von ANSF-Personal, dass die Taliban über lokale Älteste und lokale Bevölkerungsgruppe Informationen sammeln, um herauszufinden, welche Familie Angehöriger bei den ANSF hat und dann die Familie unter Druck setzen würden, um den ANSF-Mitarbeiter davon zu überzeugen, seine Position aufzugeben. Diese würden unter anderem bedroht, um die gesuchte Person durch Druck dazu zu bringen, sich zu stellen. Dies wird als „recht erfolgreiche Taktik“ beschrieben und berichtet, diese Praxis sei „sehr verbreitet, vor allem in ländlichen Gebieten.“ Wo die Taliban präsent seien, würde Druck auf die Familienangehörigen ausgeübt, um ANSF-Mitarbeiter zu zwingen, ihre Tätigkeit aufzugeben. Obwohl die Drohung mit Gewalt nicht immer wahrgemacht würde, würden mitunter Familienangehörige hingerichtet bzw. Familien gezwungen, umzusiedeln. Berichtet wird auch von Angriffen auf Familienangehörige bei der Bestattung ihres verstorbenen Familienmitglieds (Kapitel 1.3.1 Familienangehörige von ANSF-Personal, S. 65-66).

Demnach entspricht die vom Beschwerdeführer im Hinblick auf den Bruder geschilderte Vorgehensweise den Länderberichten, wobei der Beschwerdeführer auch plausibel erklären kann, warum der Vater den Bruder überhaupt aufgefordert hat, nachhause zu kommen. So gibt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2019 hierzu befragt an, die Taliban hätten dem Vater versprochen, sie würden dem Bruder nichts tun, ihr versprechen jedoch nicht eingehalten (OZ 13, S. 8). Hierzu ist anzumerken, dass sich aus dem bereits zitierten EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 zwar ergibt, dass es üblicherweise ausreiche, der in der Drohung enthaltenen Forderung, eine Tätigkeit aufzugeben, nachzukommen, um weiteren gezielten Angriffen zu entgehen. Ebenso berichtet wird allerdings berichtet, dass es fallweise dennoch zu Vergeltungsschlägen kommt (1.4.1 Reue und Buße, S. 67-68). Eine einheitliche Vorgehensweise der Taliban ist demnach nicht ersichtlich und die vom Beschwerdeführer geschilderte damit plausibel.

Auch hat der Beschwerdeführer zur Tätigkeit seines Bruders Dokumente in Kopie vorgelegt (AS 103-109) deren Echtheit zwar nicht überprüft werden kann. Nichtsdestotrotz sind diese in die Beurteilung des Gesamteindruckes einzubeziehen. Zu diesen Dokumenten ist überdies anzumerken, dass der Beschwerdeführer auch nachvollziehbar angeben, wie er in Besitz der Kopien gelangen konnte. So gibt er über Befragung der Vertreterin der belangten Behörde im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2019 an, der Bruder habe diese Dokumente kurz vor seiner Heimkehr beim Freund des Vaters in Jalalabad deponiert, weil er sie nicht in den Herkunftsdistrikt bzw. in den auf dem Weg zu durchreisenden Distrikt Khugyani habe mitnehmen können (OZ 13, S. 9-10). So führt der bereits zitierte EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 als Hauptziel der Taliban für Kontrollpunkte nicht im Dienst befindliche ANSF-Mitarbeiter an (1.1.5.4 Kontrollpunkte, S. 26). Vorbeikommende würden gefiltert, um Sicherheitskräfte zu entführen und zu töten (1.2.1 Angehörige der afghanischen Sicher-heitskräfte und regierungstreuer Milizen, S. 31). Weiter geht aus dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2020 hervor, die Situation in Nangarhar habe sich nach dem Rückzug der internationalen Streitkräfte im Jahr 2013 verschlechtert, ab 2014 sei es zu einem Aufwärtstrend im Hinblick auf das Gewaltniveau gekommen. Die Distrikte Khugyani und Sherzad seien die ersten gewesen, die den Aufstand unterstützt hätten. Bis 2016 sei Nangahar in völligem Chaos versunken (2.23.2 Conflict background and actors in Nangarhar, S. 274). Demnach ist nicht nur plausibel, dass der Bruder des Beschwerdeführers ohne Dokumente ins Herkunftsdorf reiste, sondern deckt sich auch die Schilderung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Einnahme des Herkunftsdorfes durch die Taliban und die daran anschließende Bedrohung der Familie zeitlich im Wesentlichen mit den im eben zitierten Bericht geschilderten Ereignissen.

Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer in weiterer Folge geschilderte Zwangsrekrutierung ist den UNHCR-Richtlinien zu entnehmen, dass einerseits Fälle von Zwangsrekrutierung von Kindern zu einem großen Teil unzureichend erfasst würden, jedoch Rekrutierung und Einsatz von Kindern durch alle Konfliktparteien für Unterstützungs- und Kampfhandlungen im ganzen Land beobachtet würden. Im Hinblick auf regierungsfeindliche Kräfte berichtet UNHCR weiter, diese würden in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium oder die Bevölkerung ausüben würden, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern nutzen, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Kinder würden rekrutiert, um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilder oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen zu verwenden, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln sowie als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, insbesondere a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59-60). Die EASO Country Guidance berichtet, die Taliban würden nur in Ausnahmefällen auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen. Sie würden etwa versuchen, Angehörige der ANS zu rekrutieren und wenn sie akut unter Druck stehen würden. Die Konsequenzen, wenn man nicht gehorcht, seien im Allgemeinen sehr ernst und würden eine Bedrohung der Familie, schwere körperliche Gewalt und die Ermordung umfassen. Relevant für ein Risiko der Zwangsrekrutierung sind der EASO Country Guidance zufolge das Alter, ein militärischer Hintergrund, Herkunftsregion und Präsenz der Taliban, erhöhte Konfliktintensität, die Position des Stammes im Konflikt und eine schwache sozio-ökonomische Stellung der Familie (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.6. Persons fearing forced recruitment by armed groups, Buchstabe a. Forced recruitment by the Taliban, S. 64). Aus dem EASO COI Report: Afghanistan. Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von September 2016 geht zudem hervor, dass die Taliban Kinder nicht unbedingt als Kämpfer rekrutieren würden, sondern die zwingen, als Träger, Bote, Kundschafter, etc. tätig zu werden, diese Praxis sei eher „Zwangsarbeit“ als „Zwangsrekrutierung“. Kinder würden auch verwendet, um unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen herzustellen, zu transportieren und anzubringen, im aktiven Kampf als Kundschafter und um verwundete Taliban-Kämpfer wegzuschleppen und fallengelassene Waffen aufzusammeln eingesetzt (Kapitel 5.2 Rekrutierung von Kindern durch bewaffnete oppositionelle Gruppen, S. 44). Gegenständlich stammt der Beschwerdeführer aus einem Gebiet, das unter der Kontrolle der Taliban stand, war weiter in einem für die Taliban interessanten Alter und war die Familie zudem bereits durch die Tätigkeit und Ermordung des Bruders in den Fokus der Taliban geraten. Insofern scheint die Schilderung des Beschwerdeführers auch vor dem Hintergrund der Länderberichte als plausibel.

Zudem schilderte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen insgesamt stets im Kern gleichbleibend und war die Schilderung des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – insbesondere auch unter Berücksichtigung seines Alters im Zeitpunkt der fluchtauslösenden Vorfälle – von einer hohen Dichte und einem hohen Detailreichtum geprägt. So legte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen aus eigenem in freier Erzählung umfassend und ausführlich in einer dem persönlichen Eindruck des erkennenden Einzelrichters nach sehr lebendigen und lebensnahen Schilderung dar. Zudem antwortete der Beschwerdeführer auch auf Nachfragen nicht zum Fluchtvorbringen spontan, konkret und nicht ausweichend. Im Ergebnis kommt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Gesamtbeurteilung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers zu dem Schluss, dass dieses glaubhaft ist.

Zur Beweiswürdigung der belangten Behörde ist überdies anzumerken, dass diese – wie schon in der Beschwerde ausgeführt wird – mangelhaft ist. So hat sich die Behörde mit den vorgelegten Beweismitteln nicht auseinandergesetzt, das Alter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des fluchtauslösenden Vorfalles unberücksichtigt gelassen und sich auf wenige vordergründige Argumente beschränkt, sich lediglich auf eine einseitige Beweiswürdigung beschränkt und eine objektive, gesamthafte Abwägung des Vorbringens vermissen lässt. Soweit die belangte Behörde etwa ausführt, dass nicht nachvollziehbar sei, warum nur der Beschwerdeführer, nicht aber die restliche Familie belangte wurde, wird angemerkt, dass der Vater des Beschwerdeführers misshandelt, mitgenommen und schließlich angeschossen wurde. Inwiefern die belangte Behörde daher zu dem Argument kommt, nur der Beschwerdeführer sei behelligt worden, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar. Weiter ist der Einschätzung der belangten Behörde zufolge die Begründung des Beschwerdeführers, seine Schwester sei verheiratet und werde daher nicht behelligt, vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht nachvollziehbar. So geht aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Version 5, Stand 16.09.2021 (und auch aus den älteren Fassungen des Länderinformationsblattes) hervor, dass die afghanische Gesellschaft patrilinear und patrilokal struktueriert ist, was bedeutet, dass ein Kind der Familie des Vaters angehört und ein Mädchen nach der Heirat in den Haushalt des Mannes zieht. Es scheidet demnach aus der Familie des Vaters aus und wechselt in jene des Ehemannes. Die Schwester des Beschwerdeführers ist damit nach afghanischem Verständnis kein Mitglied der Familie mehr. Ebenso nicht nachvollziehbar ist das Argument, dass das damalige Alter des Beschwerdeführers gegen ein Interesse der Taliban am Beschwerdeführer spreche, das die belangte Behörde isoliert und ohne weitere Begründung in den Raum stellt. Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer überdies die Glaubwürdigkeit abspricht, weil er sich nicht an die Behörden gewandt hat, ist anzumerken, dass die Ausführungen der belangten Behörde in diesem Zusammenhang jeden Bezug zur tatsächlichen Lage im Land derart vermissen lassen, dass hierauf nicht weiter einzugehen ist.

Die Feststellung, dass für Männer im wehrfähigen Alter und Kinder, die sich der Rekrutierung durch die Taliban wiedersetzen, die Gefahr besteht, dass ihnen von den Taliban eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben wird, beruht auf den UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe c) Zusammenfassung, S. 62, sowie der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.6 Persons fearing forced recruitment by armed groups, S. 65.

Die Feststellungen zu den jüngsten Entwicklungen in Afghanistan sowie zur aktuellen Lage unter der Herrschaft der Taliban beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Version 5, Stand 16.09.2021, insbesondere Kapitel Politische Lage und Sicherheitslage.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Stattgebung der Beschwerde

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Art. 6 Statusrichtlinie definiert als Akteure, von denen die Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden ausgehen kann, den Staat (lit. a), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (lit. b) und nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden im Sinne des Artikels 7 zu bieten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet Staatlichkeit der Verfolgung den Missbrauch einer aus der Gebietshoheit folgenden Herrschaftsmacht zum Zweck der Verfolgung oder, bei Vornahme von Verfolgungshandlungen durch Private, die Nichtausübung der Gebietshoheit zum Schutz vor Verfolgung (VwGH 03.05.2000, 99/01/0359).

Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079, mwN).

Zunächst gehen EASO und UNHCR davon aus, dass für Personen, die sich der Rekrutierung durch die Taliban entzogen haben, je nach den Umständen des Einzelfalles ein Bedarf an internationalem Schutz bestehen kann (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Insbesondere Buchstabe c) Zusammenfassung, S. 62; EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 2.6 Persons fearing forced recruitment by armed groups, S. 64-65).

Gegenständlich konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass er sich in der Vergangenheit bereits der Rekrutierung durch die Taliban entzogen hat, wobei diese nunmehr das gesamte Staatsgebiet kontrollieren. Zudem ist mit Blick auf die bereits vorangegangene Tätigkeit des Bruders des Beschwerdeführers, die die Familie bereits in den Fokus der Taliban gerückt hat, wohl anzunehmen, dass die Taliban dem Beschwerdeführer den Umstand, dass er sich der Rekrutierung entzogen hat, als oppositionelle politische Gesinnung auslegen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles scheint damit auch die Furcht des Beschwerdeführers vor einer weiteren Verfolgung der Taliban wegen der ihm unterstellten politischen Gesinnung im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan gerechtfertigt. Zwar ist die aktuelle Verfolgungspraxis der Taliban im Hinblick auf ihre Gegner aktuell unklar und nicht konsistent, es finden jedoch gezielte Tötungen und Racheakte an unterschiedlichen Akteuren, die die Taliban bereits in der Vergangenheit als ihre Gegner betrachtet haben, statt.

Weiter kontrollieren die Taliban mittlerweile im Wesentlichen das gesamte Staatsgebiet und ist damit eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 für den Beschwerdeführer nicht verfügbar.

Im Hinblick auf die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass diese keinen der in § 6 Abs. 1 AsylG 2005 vorgesehenen Gründe für den Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten verwirklichen.

Der Beschwerde war daher im Ergebnis spruchgemäß stattzugeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.2.    Zur Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Asylberechtigten unmittelbar kraft Gesetzes bestimmt. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter hat somit nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erfolgen. Auch gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 kommt dem Asylberechtigten eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu, ohne dass eine darüberhinausgehende Erteilung dieser Berechtigung vorzunehmen wäre (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373).

Dem Beschwerdeführer war daher spruchgemäß nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Ihm kommt damit unmittelbar kraft Gesetzes (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373) eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, die (vorerst) für drei Jahre gilt.

4.        Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt der unter 3. Umfassend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg Desertion Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Militärdienst Misshandlung mündliche Verhandlung politische Gesinnung private Verfolgung Sippenhaftung staatlicher Schutz Taliban unterstellte politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung Wehrdienst Wehrdienstverweigerung wohlbegründete Furcht Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W109.2177219.1.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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