TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/5 W272 2193798-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2021
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Entscheidungsdatum

05.10.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W272 2193798-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alois BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Iran, vertreten durch Mag.a LORENZ Nadja, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Außenstelle Wien vom 28.03.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.09.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

III. Die Spruchpunkte II. bis VI des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2015 den Iran, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 05.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 06.11.2021 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Beschwerdeführer im Wesentlichen zu seinen Fluchtgründen an, dass er im Iran zum Christentum konvertierte. Er habe regelmäßig an geheimen Treffen von Christen teilgenommen. Kurz vor seiner Flucht habe er erfahren, dass zwei seiner Freunde von der iranischen Regierung festgenommen worden sei. Aus Angst um sein Leben habe er Hals über Kopf das Land verlassen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, dass er 12 Jahre die Grundschule und das Gymnasium in Talish besucht habe, Farsi, Türkisch und Englisch spreche und der Volksgruppe der Turk zugehörig sei. Im Iran seien noch sein Vater, drei Brüder und eine Schwester. Seine Mutter sei bereits verstorben. Zuletzt habe er in Teheran gelebt.

2.       Am 11.01.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt), im Beisein eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass er 12 Jahre die Schule besucht und 2004 maturiert habe. Er habe teilweise Klassen übersprungen, er sei an einer HTL gewesen und habe zwei Diplome – Computer 2004 und Architektur 2005 – gemacht. Sein Vater lebe in Talish, zwei Brüder in Teheran, ein Bruder glaublich in Mazandaran und seine Schwester auch in Talish. Zuletzt habe er in Teheran gelebt. Er spreche Farsi, von seinem Vater habe er Asari gelernt. Er habe eine eigene Wohnung gehabt und einen Supermarkt. Im Iran habe er einige Freunde. Er sei immer früh aufgestanden, sei um 06.00 im Geschäft gewesen, bis um 15.00 Uhr am Nachmittag. Danach sei er nach Hause gegangen essen und danach habe er Freizeit gehabt. Manchmal habe er auch am Nachmittag bis Mitternacht oder 01:00 arbeiten müssen. Von 2006 bis 2007 habe er in einem Filmstudio gearbeitet, wo er Filme für Hochzeiten geschnitten habe, danach sei er in den Verkauf gegangen. Von 2008 bis 2009 habe er Luxushaushaltsartikel verkauft. Danach habe er in einem Supermarkt gearbeitet und gespart. Schließlich habe er nach drei Jahren einen eigenen Supermarkt öffnen können. Dies sei 2013 gewesen. Er habe gemeinsam mit seinem Bruder XXXX den Supermarkt betrieben. Das Geschäft existiere noch, den Gewinnanteil schicke ihn seine Schwester. Zu seinem Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass er Christ sei und eine Hauskirche besucht habe. Die Versammlungen seien am Donnerstagabend gewesen, da am Freitag frei gewesen sei. In der Hauskirche sei über Jesus gesprochen worden. Er sei benachrichtigt worden, wenn die Versammlungen abgehalten worden seien, das sei Andre ein Armenier gewesen und seine Frau Sarah sowie sein Freund XXXX . Normalerweise sei er angerufen worden oder habe ein SMS bekommen. Manchmal sei er von XXXX angesprochen worden, dass sie früher hingehen sollen. Eines Abends wollte ihn XXXX abholen, er habe jedoch nicht können da er im Geschäft gewesen sei, daher wolle er nachkommen. Als der BF nachgefahren war und aus dem Bus ausgestiegen sei, habe ihn XXXX angerufen und mitgeteilt, dass die Polizei da gewesen sei und er die Telefonnummer löschen solle. Der BF sei verängstigt gewesen und habe von einer Telefonzelle seinen Bruder im Geschäft angerufen. Sie hätten sich in einem Park getroffen. Der BF habe zu seinem Vater wollen, sei jedoch von seinem Bruder abgehalten worden, da dieser befürchtet habe von diesem verraten oder umgebracht zu werden. Der Bruder habe ihn daher bei einem Freund ca. 40 Minuten entfernt untergebracht. Er solle dort drei bis vier Tage bleiben. Nach sieben oder acht Tagen habe er den Freund nach einem Telefon gefragt und seinen Bruder im Geschäft angerufen, jedoch auf XXXX gesprochen, da er befürchtete, dass das Telefon abgehört werde. Der Bruder habe jedoch nicht abgehoben bzw. gleich aufgelegt. Danach habe er den Freund ersucht seinen Bruder aufzusuchen und nachzufragen. Zwei Tage später sei dieser bei seinem Bruder gewesen und danach habe der Freund dem BF erzählt, dass sein Bruder mitgeteilt habe, dass zivil gekleidete Männer nach ihm gefragt hätten. Sein Bruder habe gemeint, er - der BF - solle das Land verlassen. Der BF habe zwar einen Pass gehabt, jedoch Angst, dass man ihn bei der Ausreise festnehmen werde, deswegen habe er auf dem Landweg den Iran verlassen. Mojtaba und sein Bruder hätten alles geregelt und er sei zunächst in Urumieh in ein Haus gebracht worden, wo bereits mehrere Flüchtlinge gewesen seien. Zunächst sollten sie in einem kleinen Van weggebracht werden, da der BF jedoch Asthma gehabt habe, sei er nicht mitgefahren und zwei Tage später seien sie mit einem größeren Wagen gefahren.

Sein Vater wolle ihn nun nicht mehr sehen und habe ihn enterbt. Er habe auch den Vermieter seines Bruders angerufen und mitgeteilt, dass er diesen rausschmeißen solle. Sein Vater habe ihn verheiraten wollen und sei nun zusätzlich in der Ehre verletzt. Der BF habe die Frau jedoch nicht gekannt. Seit der BF aus dem Iran weg sei, habe er keinen Kontakt und wisse auch nicht was mit XXXX passiert sei. Sein Bruder kenne XXXX nicht. Er habe sich immer zuhause mit XXXX getroffen, dann habe er jedoch von seinem Treffen seinem Bruder erzählt und habe ihn überzeugen wollen, aber er habe nicht mitgehen wollen. Dies sei ungefähr zwei Monate nachdem er mit dem Besuch der Hauskirche begonnen habe, d.h. im April 2015 gewesen. Seine Mutter sei verstorben, als er noch klein gewesen sei und durch den Glauben an Jesus Christus habe er die Möglichkeit bekommen, Personen die er früh verloren habe zu treffen. Er habe zwar ein gutes Leben gehabt, aber es sei ihm seelisch nicht gut gegangen, vieles sei in der Kindheit passiert. Es sei für ihn schwer gewesen, dass sein Vater wieder geheiratet habe. Er habe nachdem er von Jesus Christus erfahren habe, inneren Frieden gefunden und gesehen welchen Weg er gehen könne. Z.B. die Zitate „schwere Zeiten sind vorbei, Tod und Trauer kommen nicht mehr“, sind Aussagen, die zu seinem inneren Frieden geführt hätten. Im Iran gehe es immer um Kriege, Jesus habe nie Krieg geführt, er baut alles auf Liebe auf, Liebe die er (BF) auch erlebt habe, allein wie er in Österreich aufgenommen worden sei. Seit der Taufe in Österreich sei es wie eine Neugeburt. Sein Leben habe sich verändert. Früher habe er lange gebraucht, nach einem Streit jemanden zu verzeihen. Seit April habe er die Hauskirche besucht, er habe eineinhalb Monate warten müssen bis er hingehen durfte. Die Treffen seien meist einmal die Woche, meistens am Donnerstag, manchmal sei der Termin verschoben worden. Es sei über Jesus und sein Opfer gesprochen worden. Jesus sei auf die Erde gekommen, damit er die Menschen überzeugen und das Königreich verkünden könne. Er wolle nicht als „anständiger“ Moslem weiterleben, sondern als Christ, denn man wechselt auch kein Medikament, wenn es hilft, sein Medikament sei das Christentum. Er habe ein besseres Gefühl, mehr Lebensmut, jetzt gehe es ihm doppelt besser: Jesus habe gesagt, wer gerettet werden will, verliert sein Leben. Am meisten habe ihn gestört, das im Islam es um viel Gewalt und Blutvergießen gehe, dies habe er nicht mehr akzeptieren können. Er kenne das Alte und Neue Testament, lese gerne die vier Bücher, Matthäus, Johannes, Lukas, Markus. Konkretes meint er, warum er konvertiert ist stehe auch im Markus, es gehe darum, dass das Licht auf den Tisch gestellt werden solle und nicht unter den Tisch. Er lese oft die Gebete und Lieder aus dem Alten Testament. Wenn jemand an etwas glaube, dann müsse er auch dazu stehen und alles in Kauf nehmen. Er habe den Iran verlassen, da er in Gefahr gewesen sei. In Österreich gehe er in die Kirche und auch wenn ein Freund oder Bekannter sich für das Christentum interessiere gehe er mit ihm in die Kirche. Er lese aus dem heiligen Buch vor und besuche den Gottesdienst. Er sei in der protestantischen Gemeinschaft. Die christlichen Grundsätze seien Liebe, Vergebung und Hoffnung, am Wichtigsten sei die Liebe. Wenn er jemanden helfen könne, dann tue er dies, dies sei ihm sehr wichtig. Die Taufvorbereitung habe eineinhalb bis zwei Jahre gedauert, es ein wöchentliches Treffen gewesen, einen bestimmten Kurs habe er nicht besucht.

Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer, die Kopie des Reisepasses, eine Taufurkunde vom 08.10.2017, ein Empfehlungsschreiben von XXXX , datiert mit 16.11.2017, ein Empfehlungsschreiben von XXXX , datiert mit 16.11.2017, Teilnahmebestätigung Start Wien – Modul Gesundheit vom 24.06.2016, Modul Zusammenleben vom 13.02.2016, Hilfe im Notfall vom 23.11.20217 vor.

3.       Mit Schriftsatz vom 11.01.2018 erfolgte eine Stellungnahme hinsichtlich der Situation im Iran. Es wurde vorgebracht, dass Apostasie im Iran weiterhin mit lebenslanger Haft oder Todesstrafe geahndet wird und daher für den BF als Apostat eine Verfolgungsgefahr besteht und bei Rückkehr in den Iran der Tod drohen würde. Auch besteht die Gefahr der Verfolgung durch seine Familie und der Staat im Iran ist nicht gewillt die Gewalt durch Dritte zu verhindern, wodurch ebenfalls eine Verfolgung mit entsprechender Intensität gegeben ist. Insbesondere, da er sich durch seine Entwurzelung und Ablehnung des Islam der Blasphemie schuldig gemacht habe.

4.       Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.03.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das Bundesamt führte begründend aus, dass der Beschwerdeführer in unglaubhafter Weise angegeben habe, aufgrund Konversion zum Christentum in Iran verfolgt zu werden. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft darlegen können, dass er bereits im Iran zum Christentum konvertiert sei. So habe er zunächst bei den Sicherheitsbehörden von zwei Freunden gesprochen, welche verhaftet worden seien, in der Einvernahme vor dem Bundesamt jedoch nur von einem. Auch seine die Zeitangaben unterschiedlich. Einerseits sei der BF selbst erst seit April 2015 in die Hauskirche gegangen, andererseits berichtet er davon, dass zwei Monate nach dem ersten Besuch der Hauskirche er versucht hätte seinen Bruder mitzunehmen und dies sei auch im April 2015 gewesen. Auch ist es nicht erklärbar, wenn der BF verspätet zum Besuch der Hauskirche kommen wollte, warum er vor Beginn der Versammlung bereits aus dem Bus ausgestiegen sei und informiert worden war. Auch die Ausreise wurde bei Erstbefragung durch den BF und seinem Bruder organisiert, bei Befragung vor dem Bundesamt durch den Bruder und seinem Freund. So sind auch keine Motive für den Glaubenswechsel glaubhaft vorgebracht worden, aber auch das gegenständliche Wissen ist nicht ausreichend für einen verinnerlichten Christen. So gab der BF den nicht existenten Feiertag „Maria Geburt“ an. Von der Bibel werden nur die vier Evangelien dargelegt, den Begriff der Psalmen ist dem BF nicht mehr geläufig. Auch der Gottesdienstbesuch ist nur als geringe Aktivität zu sehen, da neben dem beten in der Kirche keine weiteren Aktivitäten bekannt gegeben wurden. So ist der Tatbestand der Apostasie nicht gegeben, auch eine Verfolgung durch die Verwandten ist nicht glaubwürdig, zumal der Bruder noch immer im Iran lebt und der Kontakt zur Schwester noch gegeben ist. Weiter Gründe sind nicht hervorgekommen. Der BF ist aufgrund seiner schulischen Ausbildung, Berufserfahrung, Gesundheitszustand und Kenntnis der Sitten und Gebräuche in der Lage ein Leben wie jeder anderer Staatsbürger im Iran zu führen. Weiters habe er noch Verwandte im Iran und könne auf deren Unterstützung bauen. Die Integration in Österreich sei noch gering, sodass das private Interesse an dem Verbleib in Österreich geringer ist als das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei. Die 14- tägige Ausreisefrist entspricht der gesetzlichen Regelung ein sonstiges Interesse an einer Erhöhung wurde nicht vorgebracht.

5.       Mit Schriftsatz vom 24.04.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine gewillkürte Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Darin kritisierte sie, dass die Behörde es unterlassen habe, ausreichend neben der Motivation des Glaubenswechsels die bestehende Glaubensüberzeugung zu beurteilen. Dass der BF den Geburtstag von Maria als gesetzlichen Feiertag nannte und den Begriff Psalmen nicht verwendete, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Auch ist der Vorwurf, sein Freund XXXX hätte ihn angerufen, als die Hauskirche gestürmt wurde nicht richtig, zumal der BF nicht gewusst habe, wo sich sein Freund befunden habe. Die Beweiswürdigung und Schlussfolgerungen der Behörde sei lebensfremd und in keine Weise nachvollziehbar. Der BF müsse nur glaubhaft machen, dass er wohlbegründete Frucht vor Verfolgung hat. Aus den Länderberichten sei ersichtlich, dass die Konversion zum Christentum im Iran einer Verfolgung unterliege und gerade die Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes und die Wahrung des Parteiengehörs sei im Asylverfahren nach dem AVG-Prinzipien durchzuführen, welches die Behörde unterlassen habe. Der BF habe eindeutig angegeben, dass er seinen Glauben aktiv und öffentlich ausübt und daher im Iran einer massiven Verfolgung unterliege. Es werde eine mündliche Verhandlung beantragt.

6.       Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 26.04.2018 die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt vor.

7.       Mit Eingabe vom 15.01.2019 übermittelte der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung bestehend aus Sprachkompetenz B1 und Werte- und Orientierungskurs und die Bestätigung vom 10.01.2019 der Teilnahme an 5 Informationsmodulen von START Wien vor.

8.       Mit Eingabe vom 05.04.2019 übermittelte der Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung für den Zeitraum von 18.02.2019 – 26.02.2019 am Kompetenzworkshop für hochqualifizierte Asylwerber, Teilnahmebestätigungen von START WIEN vom 10.01.2019, 22.01.2019, 05.03.2019, 19.03.2019 sowie einen Lebenslauf vor.

9.       Am 19.03.2021 legte Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin eine Vollmachtsbekanntgabe vor.

10.      Mit Eingabe vom 15.05.2019 übermittelte der Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung Modul Sicherheit & Polizei, Teilnahmebestätigungen START Wien vom 02.04.2019, 15.04.2019, 03.05.2019, eine Ersatzbestätigung vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, mit welcher der Abschluss der 9. Schulklasse bestätigt wird und die Teilnahmebestätigung des ÖIF bezüglich der Teilnahme am Werte und Orientierungskurs am 03.04.2019 vor.

11.      Mit Eingabe vom 03.07.2019 übermittelte der Beschwerdeführer Teilnahmebestätigungen von Infomodulen von START Wien vom 03.05.2019, 18.06.2019, 28.06.2019 und eine Zeitbestätigung der Teilnahme an einem Aufnahmetest für die Deutschkurse im Rahmen des MORE-Programmes vor.

12.      Mit Eingabe vom 20.08.2019 übermittelte der Beschwerdeführer von Teilnahmebestätigungen von Infomodulen von START Wien vom 08.08.2019, 23.07.2019 und 08.08.2019 vor.

13.      Mit Eingabe vom 29.09.2020 übermittelte der Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung für den Kurs „ALMIT-Bewerbungstraining“ in der Zeit von 02.03.2020 – 04.03.2020 vor.

14.      Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 29.06.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 06.07.2021).

15.      Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.09.2021 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi durch, an der der Beschwerdeführer sowie seine Rechtsvertretung teilnahmen, aber kein Vertreter der belangten Behörde. Außerdem wurde ein Zeuge einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, das Betreuungsinformationssystem und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Perser an und bekennt sich zum Christentum. Er spricht Farsi (Muttersprache), Kurdisch, Asari, Englisch (wenig) und hat grundlegende bis fortgeschrittene Deutschkenntnisse.

Der Beschwerdeführer ist im Ort XXXX geboren, wuchs dort auf und siedelte mit ca. 16 Jahren nach Teheran um. Er besuchte 12 Jahre die Schule und absolvierte eine Ausbildung zum Bauingenieur. Der BF arbeitete in verschiedenen Bereichen und war vor der Ausreise Inhaber eines Supermarktes mit seinem Bruder.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben sein Vater, drei Brüder und eine Schwester, seine Mutter ist bereits verstorben. Zu seinem Bruder in Teheran und seiner Schwester in XXXX hat er noch regelmäßigen Kontakt. Das Verhältnis ist sehr gut.

Der Beschwerdeführer ist im September 2015 illegal aus dem Iran ausgereist und stellte am 05.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen, knüpfte wenige soziale Kontakte zu Österreicherinnen, welche in seiner Umgebung wohnten. Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er besuchte mehrere Deutschkurse und Kurse von START Wien. Seine letzte Deutschprüfung legt der BF am 24.11.2018 inklusive Werte und Orientierungskurs ab (Zeugnis zur Integrationsprüfung). Auch am 03.04.2019 nahm der BF am Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 Integrationsgesetz teil. Der BF nahm auch an weiteren Integrationskursen teil.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keiner lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung.

Dier Beschwerdeführer gehört keiner Covid-19 Risikogruppe an.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Zugehörigkeit zur Religion der Christen in Iran verfolgt wird:

Der Beschwerdeführer war ursprünglich muslimischen Glaubens, hat aber seinen Glauben nur mäßig praktiziert. In Österreich konvertierte der Beschwerdeführer zum Christentum (protestantisch). Er besuchte einen Taufvorbereitungskurs und wurde nach mehr als einem Jahr am 08.10.2017 getauft. Er besucht regelmäßig die Gottesdienste in der Farsigemeinde Neues Leben Jesus Christus in Wien einer anerkannten protestantischen christlichen Gemeinde. Der Beschwerdeführer ist aktives Mitglied in der Pfarre. Er unterstützt die Kirche bei anfallenden Tätigkeiten.

Es wird festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat, sich öffentlich dazu bekennt und den neuen Glauben praktiziert sowie am Leben der Kirchengemeinde aktiv teilnimmt. Der christliche Glaube wurde wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers. Es ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum bekennt und dementsprechend im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christin bleiben und diesen Glauben aktiv leben würde.

Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran Verfolgung durch staatliche Akteure droht.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationen der Staatendokumentation zu Iran vom 01.07.2021 (Version 3) ergibt sich wie folgt:

Zur Politischen Lage

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der 'velayat-e faqih', der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel 'Revolutionsführer' (GIZ 12.2020a; vgl. BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 4.3.2020a; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021), ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2020; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2020). Am 18.6.2021 fanden in Iran erneut Präsidentschaftswahlen statt (Tagesschau.de 18.6.2021). Der derzeitige Präsident Rohani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren (DW 19.6.2021). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und derzeitige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50% und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 26%. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard.at 19.6.2021; vgl. DW 19.6.2021). Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im vorhinein ausgesiebt (Tagesschau.de 18.6.2021). Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt. Der neue Präsodent tritt sein Amt im August 2021 an. Es ist möglich, dasst er nicht lange Präsident bleibt, da er als Favorit für die Nachfolge des Revolutionsführers Khamenei, der 82 Jahre alt ist, gilt (Zeitonline 23.6.2021).

Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 3.3.2021). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 12.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2020). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 12.2020a). Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020). Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie (ÖB Teheran 10.2020). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6%, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 3.3.2021).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. GIZ 12.2020a, FH 3.3.2021, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 12.2020a). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der 'Gesamtinteressen des Systems' zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 12.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 12.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 12.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 12.2020a; vgl. AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 3.3.2021). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020a): Politisches Portrait - Iran, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450, Zugriff 27.4.2021

-        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020b): Steckbrief - Iran, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394, Zugriff 27.4.2021

-        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 27.4.2021

-        BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 27.4.2021

-        DW – Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran, https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961, Zugriff 27.4.2021

-        DW – Deutsche Welle (19.6.2021): Raeissi wird neuer Präsident im Iran, https://www.dw.com/de/raeissi-wird-neuer-pr%C3%A4sident-im-iran/a-57961660, Zugriff 25.6.2021

-        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html, Zugriff 27.4.2021

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 27.4.2021

-        ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 27.4.2021

-        Standard.at (19.6.2021): Hardliner Raisi gewann Präsidentenwahl im Iran, https://www.derstandard.at/story/2000127545908/kleriker-raisi-fuehrt-laut-medienberichten-bei-praesidentenwahl-im-iran, Zugriff 25.6.2021

-        Tagesschau.de (18.6.2021): Keine Macht dem Volk? https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-wahlen-kandidaten-stimmung-101.html, Zugriff 25.6.2021

-        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html, Zugriff 27.4.2021

-        Zeitonline (23.6.2021): Wofür steht Ebrahim Raissi? https://www.zeit.de/2021/26/iran-praesidentenwahl-ebrahim-raissi-ali-chamenei, Zugriff 25.6.2021

Zur Sicherheitslage

Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 14.6.2021).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 14.6.2021; vgl. AA 14.6.2021b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 14.6.2021b).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 14.6.2021b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 14.6.2021b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 14.6.2021).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 14.6.2021b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften (EDA 14.6.2021). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2020). Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten (EDA 14.6.2021).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.6.2021b, unverändert gültig seit 17.5.2021): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 14.6.2021

-        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (14.6.2021, unverändert gültig seit 3.11.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 14.6.2021

-        ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 14.6.2021

Zur Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten 'Buchreligionen' (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als 'mohareb' (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratisches System gesehen (CSW 3.2021). Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen aber immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2020). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vgl. FH 3.3.2021, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 3.3.2021). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI 7.4.2021).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha'i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 10.2020).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 7.4.2021).

Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (USDOS 12.5.2021). Die Inhaftierung von Angehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 7.4.2021). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

-        AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html, Zugriff 30.4.2021

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf, Zugriff 18.12.2020

-        BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (23.5.2018): Analyse Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 17.4.2020

-        CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla_sl52920/iran---march-2021-1.pdf, Zugriff 7.5.2021

-        DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

-        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046519.html, Zugriff 30.4.2021

-        HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50, Zugriff 30.4.2021

-        IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https://www.ecoi.net/de/dokument/2048913.html, Zugriff 7.5.2021

-        ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 3.12.2020

-        Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum 1. Oktober 2019 – 30. September 2020), https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 19.1.2021

-        USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html, Zugriff 18.6.2021

Zu Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel 'mohareb' ('Waffenaufnahme gegen Gott'), 'mofsid-fil-arz/fisad-al-arz' ('Verdorbenheit auf Erden'), 'Handlungen gegen die nationale Sicherheit' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018), 'Organisation von Hauskirchen' und 'Beleidigung des Heiligen', wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen 'mohareb' (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vgl. AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige 'offizielle' Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vgl. Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).

Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich 'konvertierte' Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2020).

Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden 'kontrolliert', de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der 'Assembly of God'-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. IRB 9.3.2021). Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).

Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 10.2010; vgl. FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen 'illegaler Kirchenaktivität' zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie 'Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen', 'Verbreitung vom zionistischen Christentum' und 'Gefährdung der inneren Sicherheit' zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2010). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise, welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Die physische Eliminierung von Christen will und kann sich die pragmatische Regierung Irans politisch nicht leisten. Deshalb setzt sie auf langsame, schleichende und leise Beseitigung von Christen. Beispielsweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).

Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen 'Verbrechen gegen Gott' angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch 'low-profile' Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019, UKHO 2.2020), vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2021). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).

Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UKHO 2.2020).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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