TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/6 I406 2156816-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2021
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Entscheidungsdatum

06.10.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I406 2156816-1/47E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (festgestelltes Geburtsdatum) alias XXXX alias XXXX , StA. Marokko, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.06.2021 zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II.      Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

III.    Spruchpunkte II., III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text




Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.09.2015 machte er ausschließlich wirtschaftliche Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates geltend. Er habe in Marokko keine Zukunft und müsste dort im Falle einer Rückkehr auf der Straße leben.

3.       Am 03.12.2015 wurde eine forensische Altersschätzung durch das XXXX durchgeführt, wobei sich ein Mindestalter des Beschwerdeführers von 17 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt ergab. Mit Verfahrensanordnung vom 26.01.2016 stellte das BFA fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX .1998 geboren sei.

4.       Am 12.04.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde). Hinsichtlich seiner Fluchtmotive brachte er erstmals vor, homosexuell zu sein. Es sei sich dessen seit ungefähr sechs Jahren bewusst. In seiner Heimat sei er von den Jugendlichen im Bezirk ausgelacht worden. Einmal habe man ihn mit einem Messer bedroht, ansonsten sei es zu keinen Vorfällen gekommen. Er möchte nie wieder nach Marokko zurück. Dort wäre sein Leben zu Ende.

5.       Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III., erster Satz). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III., zweiter Satz) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt III., dritter Satz). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen mit der Unglaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr nach Marokko in keine lebensbedrohliche Notlage geraten. Darüber hinaus läge ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet nicht vor.

6.       Mit Schriftsatz seiner damaligen Rechtsvertretung, der ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe vom 09.05.2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat aufgrund seiner homosexuellen Ausrichtung verlassen und seine Fluchtgründe glaubhaft vorgebracht. Dass er seine Homosexualität in der polizeilichen Erstbefragung noch nicht erwähnt habe dürfe ihm nicht vorgehalten werden, zumal er tiefe Schamgefühle empfinde, aufgrund seiner Sozialisierung in einer homophoben Gesellschaft eine internalisierte Homophobie habe und auch noch nicht gewusst habe, wie offen die österreichische Gesellschaft mit diesem Thema umgehe. Erst nachdem er Vertrauen zu seinen Betreuern gefunden und sich zumindest ihnen gegenüber geoutet habe, habe er darüber sprechen können. Er habe die Unsubstantiiertheit seines Vorbringens nicht selbst verschuldet, vielmehr sei diese auf ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren zurückzuführen. Außerdem würden die vom BFA getroffenen Länderfeststellungen nicht auf die Gefährdungslage von LGBT Personen in Marokko eingehen. Homosexualität werde in Marokko strafrechtlich verfolgt und auch von der marokkanischen Gesellschaft nicht toleriert, wobei keine Schutzfähigkeit und -willigkeit der marokkanischen Behörden angenommen werden könne.

7.       Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2017 vorgelegt.

8.       Mit Beschluss vom des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2017, I406 2156816-1/4Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

9.       Mit 31.12.2020 legte die ARGE Rechtsberatung die ihr vom Beschwerdeführer erteilte Vertretungsvollmacht nieder.

10.      Am 28.06.2021 fand am Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner nunmehrigen Rechtsvertretung, des Vereins Queer Base als Rechtsberatung, eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und eines Zeugen, sowie in Abwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Marokkos und stammt aus XXXX . Seine Identität steht nicht fest.

Er ist volljährig, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Er reiste illegal nach Österreich ein und hält sich seit mindestens 23.09.2015 im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich in Erscheinung getreten.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 26.01.2016 wurde er wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt, welche unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Am 19.09.2018 wurde die bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 10.01.2018 wurde er wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB, des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauches nach § 148a Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1, erster Fall, StGB, der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, des Vergehens des Betruges nach §§ 146, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt, wovon acht Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden. Am 07.02.2018 wurde der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe widerrufen.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 05.02.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, 27 Abs. 2 SMG zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 19.09.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1, erster Fall StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1, erster Fall StGB, des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten rechtskräftig verurteilt. Er befand sich zuletzt von 23.04.2019 bis zum 10.07.2020 in Strafhaft.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Bezirksgerichtes vom 10.02.2021 wurde er wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (EUR 360,00), im Falle der Nichteinbringlichkeit 45 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist homosexuell und führt in Österreich seit Mai 2017 eine Beziehung mit einem Mann, mit dem er seit dem 26.07.2018 in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

Es ist aufgrund der untenstehenden Berichte über die Situation Homosexueller in Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, sofern er seine sexuelle Orientierung nicht verleugnet bzw. äußerst gut verbirgt, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sowohl der Gefahr einer staatlichen Verfolgung als auch einer Verfolgung durch Privatpersonen ausgesetzt sein wird.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko:

Relevante Bevölkerungsgruppen - Homosexuelle

Homosexualität ist weiterhin bei Strafe verboten (GIZ 12.2020b; vgl. USDOS 11.3.2020). In den vergangenen Jahren haben sich mehrere prominente Kulturschaffende aus Marokko öffentlich zu ihrer Homosexualität bekannt. In marokkanischen Medien wird mittlerweile über das Thema berichtet. Doch nach wie vor sind Menschen mit von der heterosexuellen Norm abweichender Orientierung auf vielfache Weise bedroht. Angehörige sexueller Minderheiten leiden in Marokko sowohl unter repressiven Rechtsvorschriften als auch unter sozialer Ächtung (GIZ 12.2020b). Sexuelle Minderheiten werden vom marokkanischen Staat nicht anerkannt. Die sexuelle Selbstbestimmung wird durch das generelle Verbot außerehelicher einvernehmlicher sexueller Beziehungen sowie durch die generelle Kriminalisierung der Homosexualität stark eingeschränkt. Homosexualität muss im Verborgenen gelebt werden. Offen gelebte Homosexualität wird gesellschaftlich nicht toleriert (AA 31.1.2021). Anti-Diskriminierungsgesetze gelten nicht für Angehörige sexueller Minderheiten. Es kommt zur Stigmatisierung solcher Personen, und es gibt einzelne Berichte über offensichtliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität in Beschäftigung, Wohnung, Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung (USDOS 11.3.2020).

Art. 489 stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe: Haftstrafen von sechs Monate bis drei Jahren (AA 31.1.2021; vgl. FH 3.3.2021; HRW 13.1.2021; USDOS 11.3.2020), sowie Geldstrafen von 200 bis 1000 Dirham (AA 31.1.2021). Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen, dies wird jedoch von der PJD und von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Wie außerehelicher Geschlechtsverkehr wird auch Homosexualität, die im Verborgenen gelebt wird, nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt, in der Regel auf Anzeige von Familien oder Nachbarn (AA 31.1.2021).

Im Bereich Homosexualität gibt es keine offen und legal agierenden zivilgesellschaftlichen Initiativen. Eine bekannte, aber nicht als NGO registrierte Initiative ist „Aswat“ (AA 31.1.2021; vgl. GIZ 12.2020b). Gruppen, welche sich für Rechte von Angehörigen sexueller Minderheiten einsetzen, müssen mit Strafverfolgung rechnen und halten sich daher in der Öffentlichkeit sehr bedeckt (GIZ 12.2020b).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 15.3.2021

-        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 15.3.2021

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 15.3.2021

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html, Zugriff 15.3.2021

-        USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes samt vorgelegten Unterlagen, in den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz, in das Länderinformationsblatt zu Marokko, sowie durch persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers und seines als Zeugen befragten Partners im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 28.06.2021.

Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister, dem Schengener Informationssystem, dem AJ-Web und dem Betreuungsinformationssystem wurden ergänzend eingeholt.

2.2. Zum Verfahrensgang:

Der umseits unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Das vom BFA mit Verfahrensanordnung vom 26.01.2016 festgestellte Mindestalter des Beschwerdeführers beruht auf einer am 03.12.2015 durch das XXXX durchgeführten forensischen Altersschätzung, wobei sich ein Mindestalter des Beschwerdeführers von 17 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt ergab. Den davon abweichenden, vom Beschwerdeführer angegebenen Geburtsdaten ( XXXX .1998 bzw. XXXX .1997) konnte hingegen kein Glauben geschenkt werden, zumal der Beschwerdeführer keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, um sein tatsächliches Geburtsdatum zu belegen.

Die Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen, seiner Herkunft, Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Religionszugehörigkeit beruhen auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellung zu seiner Einreise und seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit September 2015 ergibt sich aus dem Datum seiner Asylantragsstellung und einer aktuellen ZMR-Auskunft.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen glaubhaften Angaben gegenüber der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen betreffend die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Österreich leiten sich aus der Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich vom 10.09.2021 und den vorliegenden Strafurteilen ab.

2.4. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Im Hinblick darauf, dass im Asylverfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, stützt sich der erkennende Richter vor allem auf die unmittelbaren Angaben des Beschwerdeführers.

Entgegen der getroffenen Feststellungen der belangten Behörde gelangt das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung ergänzender Ermittlungen sowie der Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie eines von ihm namhaft gemachten Zeugen zum Schluss, dass die homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Marokko glaubhaft ist.

Dazu ist festzuhalten, dass die Behauptung, homosexuell zu sein, kaum einer objektiven Überprüfung zugänglich ist und die Frage der Glaubwürdigkeit primär nur aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers bewertet werden kann.

Der Beschwerdeführer brachte erstmals bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 12.04.2017 vor, homosexuell zu sein und diese Orientierung in Marokko nicht ausleben zu können. Er gab dabei an, dies bei der Erstbefragung aus mangelnder Kenntnis über die Legalität der Homosexualität in Österreich verschwiegen zu haben.

Der EuGH hat bereits ausgesprochen, dass angesichts des sensiblen Charakters der Informationen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität, betreffen, allein daraus, dass diese Person, weil sie zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, ihre Homosexualität nicht sofort angegeben hat, nicht geschlossen werden kann, dass sie unglaubwürdig ist (EuGH 02.12.2014, A u. a., C-148/13 bis C-150/13, EU:C:2014:2406, Rn 69).

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Erstbefragung erst 16 Jahre alt war und bei seiner polizeilichen Erstbefragung kein Rechtsberater anwesend war. Den Angaben von unbegleiteten minderjährigen Asylantragstellungen in der Erstbefragung kommt weniger Gewicht zu, wenn keine gesetzliche Vertretung anwesend war (AsylGH S6 430113-1/2012 vom 05.11.2012).

Ab dem Zeitpunkt der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA hat der Beschwerdeführer widerspruchsfreie und schlüssige Angaben hinsichtlich seiner behaupteten sexuellen Orientierung getätigt und war dazu in der Lage, den Weg zu seiner eigenen sexuellen Identität nachvollziehbar zu beschreiben.

Insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen seiner Homosexualität hinterließ der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht einen persönlichen glaubwürdigen Eindruck und wurden dessen Angaben durch die Aussagen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

So gaben sowohl der Beschwerdeführer als auch der beantragte Zeuge P.V. glaubhaft an, seit Mai 2017 eine Beziehung zu führen, wobei ihre Angaben zu den genauen Umständen und zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens und Zusammenlebens sowie zu gemeinsamen Interessen und Unternehmungen auch in Details gleichlautend waren.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund der glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und des befragten Zeugen davon aus, dass der Beschwerdeführer homosexuell orientiert ist.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer im Mai 2017 erklärt hatte, Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein, sodass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleitete.

In dem vom Bundesverwaltungsgericht zusätzlich eingeholten Akt der Staatsanwaltschaft zu XXXX sind verschiedene Aktivitäten des Beschwerdeführers in Dating-Portalen für Homosexuelle sowie der Chatverlauf des Beschwerdeführers mit einem anderen Mann zur Anbahnung eines Treffens dokumentiert, was seine persönliche Glaubwürdigkeit in Hinblick auf die behauptete Homosexualität weiter stärkt.

Vor dem Hintergrund der herangezogenen Länderberichte (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.) ist auch davon auszugehen, dass er aufgrund seiner sexuellen Orientierung in Marokko sowohl der Gefahr einer staatlichen Verfolgung als auch einer Verfolgung durch Privatpersonen ausgesetzt sein wird, gegen die er sich naturgemäß auch nicht schutzsuchend an die staatlichen Behörden wenden wird können.

In Anbetracht des Umstandes, dass Homosexualität in Marokko strafrechtlich geahndet wird und bereits (wenn auch nur in Ausnahmefällen) strafrechtliche Verurteilungen homosexueller Personen erfolgt sind, gibt es auch keinerlei Gebiete, wo der Beschwerdeführer vor einer Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität sicher wäre. Somit steht ihm fallgegenständlich auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Es besteht sohin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko einer aktuellen Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen ausgesetzt sein wird.

2.5. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat basieren auf dem aktuellen "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Marokko vom ?18?.03.2021.

Auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes in Verbindung mit den nachstehenden Quellen ergeben sich zweifelsfrei die getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Dem Beschwerdeführer wurde der Länderbericht zur Lage in Marokko mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und ihm die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2021, lauten:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) …

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1.       dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. …“

3.2. Zur Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (Vergleiche auch die Verfolgungsdefinition im § 2 Abs. 1 Ziffer 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist.

Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen.

Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279).

Relevant ist eine wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Im gegenständlichen Fall brachte der Beschwerdeführer vor, aufgrund seiner homosexuellen Orientierung in Marokko der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt zu sein.

Verfolgung aufgrund der sexuellen Ausrichtung (Homosexualität) ist schon nach den eindeutigen ErläutRV zum AsylG 1991 unter den Tatbestand der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu subsumieren. (270 Blg Nr.18. GP11, Putzer-Rohrböck, Asylrecht, S. 43).

Auch die Qualifikationsrichtlinie (Rl 2011/95/EU) präzisiert, dass das bei der Definition der sozialen Gruppe geforderte gemeinsame Mittel auch die sexuelle Orientierung sein kann (Wiebke, Die "bestimmte soziale Gruppe" "queer" gelesen - eine kritische Analyse der unionsrechtlichen Definition, ZAR 11-12, 2014).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte in seinem Urteil vom 7. November 2013, C-199/12 bis C-201/12, klar, dass Homosexuelle eine bestimmte soziale Gruppe gemäß Art. 10 Abs. 1 lit d der Statusrichtlinie darstellen. Der EuGH wies darauf hin, dass die sexuelle Ausrichtung ein Merkmal darstellt, das so bedeutsam für die Identität ist, dass die Betreffenden nicht gezwungen werden können, darauf zu verzichten. Das erste Kriterium der Definition einer sozialen Gruppe sei daher bei Homosexuellen grundsätzlich erfüllt. Das zweite Kriterium, die wahrgenommene Andersartigkeit und abgegrenzte Identität, sei zu bejahen, wenn Homosexualität im Herkunftsland durch strafrechtliche Bestimmungen kriminalisiert sei. Das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen erfülle jedoch für sich genommen nicht die von Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie geforderte Schwere der Menschenrechtsverletzungen. Eine Verfolgungshandlung sei vielmehr erst dann zu bejahen, wenn die angedrohte Freiheitsstrafe in der Praxis auch tatsächlich verhängt werde und sie dadurch zu einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit c der Statusrichtlinie werde. Es sei allerdings unerheblich, ob ein Antragsteller die Gefahr der Verfolgung dadurch vermeiden könnte, dass er seine Homosexualität geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung übt.

Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, in Marokko bereits homosexuelle Beziehungen gehabt zu haben, diese jedoch nicht öffentlich ausleben haben zu können, weil er in einer traditionellen Ortschaft gelebt habe und sonst getötet worden wäre.

Es steht unbestritten fest, dass homosexuelle Kontakte in Marokko strafrechtlich verboten sind. Laut EuGH erfüllt das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen für sich genommen nicht die von Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie geforderte Schwere der Menschenrechtsverletzungen – dies ist erst der Fall, wenn die angedrohte Freiheitsstrafe in der Praxis auch tatsächlich verhängt wird. Wenngleich dies lediglich in Ausnahmefällen geschieht, werden in Marokko LGBTI-Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität durch die Behörden auch in der Praxis verfolgt und verhaftet, sodass von einer Verfolgung Homosexueller in Marokko auszugehen ist.

Art. 9 der Statusrichtlinie definiert Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention. Entscheidend für das Vorliegen einer Verfolgung ist die Schwere der Handlung, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein muss, dass sie eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellt. Alternativ kann die geforderte Schwere durch eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen erreicht werden. Verfolgungshandlungen sind etwa die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung.

Für das Bundesverwaltungsgericht steht aufgrund der oben zitierten Berichte fest, dass Homosexuelle in Marokko – neben den strafrechtlichen Bestimmungen – mit verschiedenen Eingriffen konfrontiert sind: So wird offen gelebte Homosexualität in Marokko gesellschaftlich nicht toleriert, Anti-Diskriminierungsgesetze gelten nicht für Angehörige sexueller Minderheiten und es wird über offensichtliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität in Beschäftigung, Wohnung, Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung berichtet. Gruppen, welche sich für Rechte von Angehörigen sexueller Minderheiten einsetzen, müssen mit Strafverfolgung rechnen und halten sich daher in der Öffentlichkeit sehr bedeckt.

Da homosexuelle Handlungen ein gesellschaftliches Tabu sind, muss davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer der Übergriffe sehr hoch ist. Es muss daher aufgrund der Kumulierung verschiedener Übergriffe davon ausgegangen werden, dass in Marokko eine Verfolgung homosexueller Personen, welche ihre sexuelle Orientierung nicht verbergen, erfolgt.

Bei einer Rückkehr nach Marokko wäre der Beschwerdeführer zu seinem eigenen Schutz dazu gezwungen, seine sexuelle Orientierung im Geheimen zu leben, wie bereits in der Vergangenheit. Wie bereits ausgeführt, kann nach der Judikatur des EuGH nicht verlangt werden, dass eine Person die Gefahr der Verfolgung dadurch vermeiden könnte, dass er/sie seine/ihre Homosexualität geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung übt.

In diesem Sinne wies (in Bezug auf einen Asylwerber aus dem Iran) auch der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.06.2017, Zl. 3074/2016-9 darauf hin, dass eine Rückkehr des homosexuellen Asylwerbers – hier in den Iran - im Ergebnis dazu führen würde, dass der Beschwerdeführer gezwungen wäre, seine sexuelle Orientierung weiterhin im Geheimen – unter ständiger Angst entdeckt zu werden – zu leben, um sich nicht der Gefahr von Diskriminierung, strafgerichtlicher Verfolgung oder körperlicher Schädigung auszusetzen. Dies sei mit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 07.11.2013 in den Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12 (zur Auslegung der Richtlinie 2004/83/EG), Minister voor Immigratie en Asiel gegen X ua., nicht vereinbar.

Bei einer Gesamtbetrachtung des vorliegenden individuellen Falles besteht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko schwerwiegenden Eingriffen in seine zu schützende persönliche Sphäre ausgesetzt wäre, und zwar aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen.

Es ist daher im Sinne der oben zitierten Judikatur ein Zusammenhang zu den in der GFK taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen festzustellen und bestehen vor dem Hintergrund der herangezogenen Länderberichte (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.) auch keinerlei Hinweise darauf, dass diese Verfolgungssituation nicht mehr aktuell wäre.

In Anbetracht des Umstandes, dass Homosexualität in Marokko bereits per Gesetz unter Strafe gestellt ist, gibt es auch keinerlei Gebiete, wo der Beschwerdeführer vor einer Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität sicher wäre. Somit steht ihm fallgegenständlich auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Art. 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Art. 1 Abschnitt C der GFK) ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer wurde mehrmals straffällig; doch handelt es sich bei den verübten Straftaten nicht um “besonders schwere Verbrechen“, wie dies etwa typischerweise bei Delikten wie Drogenhandel, Vergewaltigung, Tötungsdelikten, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, bewaffnetem Raub und dergleichen der Fall wäre (vgl. VwGH 10.06.1999, Zl. 99/01/0288).

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Aufgrund der Gewährung des Asylstatus waren die Spruchpunkte, welche im angefochtenen Bescheid auf der Abweisung des Antrages auf Gewährung des Status eines Asylberechtigten aufbauten, ersatzlos zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 23.09.2015 - und somit noch vor dem 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung ersatzlose Teilbehebung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft geschlechtsspezifische Diskriminierung geschlechtsspezifische Verfolgung Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Homosexualität inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Kassation mündliche Verhandlung Rückkehrentscheidung behoben sexuelle Orientierung Spruchpunktbehebung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I406.2156816.1.00

Im RIS seit

21.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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