Entscheidungsdatum
13.10.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W116 2245352-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2021, Zl. 1275654909-21033528, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger, Kurde und sunnitischer Moslem, stellte nach illegaler Einreise am 10.03.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er als Reservist zum Militär einberufen und von der Miliz gesucht worden sei, weil er sich geweigert habe. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.
1.2. Am 04.05.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Kurmanci niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zunächst an, dass er seinen Militärdienst als Kraftfahrer von 01.04.2003 bis 01.07.2005 geleistet habe. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, dass er vom syrischen Regime gesucht würde. Er habe sich fast zwei Jahre versteckt halten müssen. Da die syrische Regierung dann angefangen habe, auch Männer in den Dörfern zu rekrutieren, habe er aus Syrien flüchten müssen. Er sei für die syrische Regierung ein Wehrdienstverweigerer. Als Beweis dafür legte der Beschwerdeführer die Kopie eines auf seinen Namen ausgestellten Haftbefehls vor. Diesen hätten Männer einer Regierungsstelle seinem Vater im Dorf übergeben.
2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
2.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2021, am 12.07.2021 persönlich zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass dem vorgelegten Haftbefehl nur geringe Beweiskraft zukommen würde, da in Syrien laut den vorliegenden Informationen jedes Dokument gegen Bezahlung zu beschaffen sei. Unabhängig davon sei ein solcher Haftbefehl nicht durchsetzbar, da der Beschwerdeführer aus einer Region stammen würde, in der die syrischen Behörden zum Entscheidungszeitpunkt keinen Einfluss hätten (vgl. https://syria.liveuamap.com/). Dies habe er selbst in der Einvernahme bestätigt. Sein mehrjähriger Aufenthalt in einem kurdisch kontrollierten Dorf würde beweisen, dass es ihm möglich gewesen sei, sich dem Zugriff des syrischen Regimes zu entziehen. Aus den Länderberichten würde auch hervorgehen, dass die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz in den kurdisch kontrollierten Gebieten bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst wiedereingeführt habe. Außerdem sei er bereits 37 Jahre alt und habe seinen Wehrdienst als einfacher Soldat abgeleistet, sodass er über keine besondere militärische Ausbildung verfügen würde. Daher würde eine tatsächliche Einberufung des Beschwerdeführers zum Reservedienst nicht maßgeblich wahrscheinlich erscheinen und der Konflikt in Syrien habe an Intensität verloren bzw. die Regierung würde wieder weite Teile des Landes kontrollieren. Aufgrund seines Lebensalters sei auch eine Rekrutierung durch die kurdische Armee ausgeschlossen. Schließlich sei dem notorischen Amtswissen zufolge eine Einreise ohne Kontakt mit den syrischen Behörden in das von den Kurden kontrollierte Autonomiegebiet „Rojava“ auf dem Landweg über die Grenzübergänge zum Nachbarland Irak möglich.
2.2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 07.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH - BBU als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
2.3. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, welche am 06.08.2021 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde zusammenfassend im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer den originalen Einberufungsbefehl von seinem Vater per Post nach Österreich schicken habe lassen und diesen am 04.05.2021 der belangten Behörde vorgelegt habe. Der Beschwerdeführer sei mit seinen 37 Jahren jedenfalls im gesetzlich vorgesehenen Alter für den Reservedienst und aus einer aktuellen Anfragebeantwortung von ACCORD im Juli 2021 würde sich ergeben, dass auch in den kurdischen Gebieten in Nordsyrien durch die syrische Regierung zwangsrekrutiert wird. Von größerer Relevanz sei aber, dass der Beschwerdeführer über den Luftweg nach Syrien einreisen und somit jedenfalls über von der Regierung kontrolliertes Gebiet müsste, insbesondere den Flughafen Damaskus. Wie sich aus den in den UNHCR-Richtlinien zitierten Berichten ergibt, würde u.a. auch der Flughafen Qamischli von der syrischen Regierung kontrolliert werden. Eine Einreise in seine Heimatregion sei dem Beschwerdeführer somit nicht ohne Durchquerung eines von der Regierung kontrollierten Gebietes möglich. Eine alternative Form der Wiedereinreise in die kurdisch kontrollierten Gebiete, beispielsweise über irakisch-Kurdistan sei dem Beschwerdeführer nicht möglich bzw. zumutbar, da es keine gesicherten und dauerhaft geöffneten Grenzübergänge geben würde. Diesbezüglich würde die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation über Einreisemöglichkeiten nach Syrien vom 14.08.2018 festhalten, dass alle Grenzübergänge zur Türkei und zu Jordanien derzeit geschlossen seien (AB Seite 5). Auch Grenzübergänge in den Irak seien bis auf einen kurdisch kontrollierten Grenzübergang Fish Khabour/Simalka geschlossen. Für die Einreise über Fish Khabour/Simalka sei allerdings das Einverständnis der dortigen Einheiten (irakische Kurden der KRG sowie syrische Kurden der PYD) notwendig. Das LIB würde zudem festhalten, dass dieser Grenzübergang nicht dauerhaft geöffnet sei und aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen der PYD und der KRG zwischen März und Juli 2016 geschlossen worden und seither nur für den Handel geöffnet sei (AB Seite 3). Für zivilen offenen Grenzverkehr im großen Ausmaß sei der Grenzübergang nicht geeignet (AB Seite 5). Entscheidungswesentlich sei jedenfalls auch, dass eine Einreise über den Grenzübergang Fish Khabour/Simalka keine legale Einreise aus Sicht der syrischen Behörden darstellen würde. Dass eine solche Einreise aus Sicht der PYD möglicherweise eine legale Einreise in das von ihr kontrollierte kurdische Gebiet in Nordsyrien darstellt, sei unerheblich, da Nordsyrien kein völkerrechtlich anerkannter Staat, sondern ein Teil Syriens sei und aus Sicht der syrischen Behörden würde die Einreise des Beschwerdeführers über den Irak jedenfalls als illegal betrachtet werden. Und eine illegale Einreise in Syrien sei gemäß dem Gesetz Nr. 9 aus dem Jahr 2013 mit einer Gefängnisstrafe von fünf bis zehn Jahren und/oder einer Geldstrafe von fünf bis zehn Millionen syrischen Lire bedroht. Weiters würde es zahlreiche Checkpoints der syrischen Armee sowie Amtsgebäude des Regimes im kurdischen Gebiet geben. Es sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, jeden Kontrollpunkt und jede Patrouille des Regimes zu vermeiden und er würde ständig Gefahr laufen, bei einer Kontrolle verhaftet zu werden und damit dem Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Rückkehr ohne Behördenkontakt sei außerdem unmöglich, da Rückkehrer eine Sicherheitsüberprüfung durch die syrischen Behörden durchlaufen müssten, um wieder nach Syrien einreisen zu können. Er würde bei einer Sicherheitsüberprüfung den syrischen Behörden als Wehrdienstverweigerer, als Teilnehmer an regierungskritischen Demonstrationen und durch seine illegale Ausreise ohne Genehmigung auffallen. Dem Beschwerdeführer würde in seiner Heimat daher Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohen.
3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 13.08.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 10.03.2021, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam.
Der Beschwerdeführer hat Syrien im Juni 2020 illegal von seinem Wohnort aus verlassen und ist zunächst zu Fuß in die Türkei gereist. Nach zwei Monaten ist er nach Griechenland (Athen) weitergereist. Ungefähr drei Monaten danach ist er über Albanien und den Kosovo nach Serbien gelangt. Zwei Monat später ist er über Ungarn schließlich illegal in Österreich eingereist, wo er am 10.03.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Festgestellt wird, dass es den Länderberichten zufolge an der syrischen Grenze zu einer Befragung von erfolglosen Asylwerbern kommt, wobei die Rückkehrer über Gründe ihrer (illegalen) Ausreise, über den Aufenthaltszweck und u.U. auch nach politischen Aktivitäten im Ausland gefragt werden. Bei der „Sicherheitsprüfung“ an den Grenzübergangsstellen wird bekanntlich überprüft, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, sind dem Risiko einer längeren Haft und Folter ausgesetzt.
Festgestellt wird weiters, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Weiters werden aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst in Syrien zwar bereits von 01.04.2003 bis 01.07.2005 abgeleistet, er befindet sich mit seinen 37 Jahren jedoch nach wie vor im wehrfähigen Alter. Nach Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 kann ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes nämlich bis zum Alter von 42 Jahren als Reservist in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vgl. STDOK 8.2017).
Aufgrund des aktuellen Ausnahmezustandes in Syrien, wo es wegen Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben und zur erwähnten Einziehung von Reservisten kommt, ist mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass auch Staatsbürger, die ihren Wehrdienst schon abgeleistet haben, erneut eingezogen werden. Auch Personen, die wie der Beschwerdeführer als Militärkraftfahrer ausgebildet wurden, sind für die syrische Armee von Interesse. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einreisekontrolle erneut zum Militärdienst eingezogen werden könnte.
Unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer tatsächlich schon einen Einberufungsbefehl erhalten hat bzw. ob das vorgelegte Schriftstück wirklich authentisch ist, droht ihm in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr die reale Gefahr, als Reservist zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat Syrien in erster Linie verlassen, damit er sich seiner Wehrdienstverpflichtung als Reservist entziehen kann.
Davon abgesehen stellt seine Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe einen weiteren Risikofaktor für eine Verfolgung in Syrien dar. Viele Angehörige seiner Volksgruppe haben sich an Demonstrationen gegen das Assad-Regime innerhalb und außerhalb seiner Heimat beteiligt. Es ist daher nicht völlig auszuschließen, dass es seitens der syrischen Behörden auch aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung kommen kann. Der Beschwerdeführer war im Jahr 2011 wegen der Teilnahme an einer Demonstration (vgl. Beschwerde vom 06.08.2021) bereits einen Monat in Haft. Kurden wurden von Assad als "Verräter" bezeichnet. Darüber hinaus ist auch seine Zugehörigkeit zum sunnitischen Islam und sein langjähriger Aufenthalt in einem von den Kurden kontrollierten Gebiet durchaus geeignet, den Beschwerdeführer zum Ziel von Verfolgungen zu machen. Der bewaffnete Konflikt wurde nämlich zunehmend konfessionell bzw. das syrische Regime gegenüber Rebellen bzw. Oppositionellen immer unerbittlicher und sunnitische Zivilisten sind weiterhin das Hauptziel der Regimetruppen und von Pro-Regime-Milizen. So kann das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person den Verdacht des Kontrollpersonals wecken, wenn dieses bzw. dieser von der Opposition kontrolliert wird oder wurde (FIS 14.12.2018).
Vor dem Hintergrund der aktuellen Bürgerkriegssituation in Syrien ist jedoch auch nicht damit zu rechnen, dass der syrische Staat – sollte von ihm selbst keine Verfolgungshandlung ausgehen – seine Bürger vor Bedrohungen und Übergriffen seitens bewaffneter Milizen oder sonstiger Gruppierungen ausreichend schützen kann. Der Beschwerdeführer wäre allfälligen Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen von den anderen Kriegsparteien somit schutzlos ausgeliefert.
Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist im Grunde genommen nur über Gebiete oder Flughäfen möglich, die unter der Kontrolle der Regierung stehen, wobei der Beschwerdeführer schon allein wegen seiner (illegalen) Ausreise und seinem Auslandsaufenthalt während eines staatlichen Ausnahmezustandes zusammen mit seiner Asylantragstellung im Ausland Gefahr läuft, bei einer Rückkehr die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden auf sich zu ziehen und damit in deren Blickfeld zu geraten. Immerhin hätte er sich als Mann im wehrfähigen Alter vor Verlassen seiner Heimat bei den Militärbehörden melden müssen. Das syrische Regime verlangt nämlich ein Ausreisevisum und schließt regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge, angeblich aus Sicherheitsgründen (USDOS 11.03.2020). Die Behandlung von Personen an einem Checkpoint kann sehr unterschiedlich (DIS 09.2019) bzw. recht willkürlich sein. Es besteht die reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer als gesunder Staatsbürger im wehrfähigen Alter erneut zur syrischen Armee eingezogen bzw. für seine Weigerung asylrelevant verfolgt werden könnte.
Bei Männern im wehrfähigen Alter wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Weiters besteht für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein (UK Home 08.2016). Syrische Geheimdienstmitarbeiter haben Frauen, Kinder und Männer, die nach Syrien zurückkehrten, unrechtmäßig oder willkürlich inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt, einschließlich Vergewaltigung und sexueller Gewalt, und verschwinden gelassen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
„Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 01.10.2021
Die Menschenrechtslage in Syrien hat sich trotz eines messbaren Rückgangs der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Jahr 2020 nicht verbessert. Willkürliche Inhaftierungen, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, sexuelle Gewalt und schwerwiegende Einschränkungen der bürgerlichen und politischen Rechte waren weiterhin weit verbreitet. Das syrische Regime war der Hauptverantwortliche für diese Verstöße, aber auch verbotene terroristische Organisationen und andere bewaffnete Gruppen haben Verstöße begangen (FCO 8.7.2021).
In dem seit mehr als neun Jahren andauernden Bürgerkrieg gab es nach Schätzungen bereits rund eine halbe Million Tote (Welt 30.6.2020; vgl. BBC 12.7.2020). Das Regime wurde durch den Erfolg seiner von Russland und Iran unterstützten Kampagnen so gefestigt, dass es keinen Willen zeigt, integrative oder versöhnende demokratische Prozesse einzuleiten. Dies zeigt sich in der Abwesenheit freier und fairer Wahlen sowie in den gewaltsamen Maßnahmen zur Unterdrückung der Rede- und Versammlungsfreiheit. Bewaffnete Akteure aller Fraktionen, darunter auch die Regierung, versuchen ihre Herrschaft mit Gewalt durchzusetzen und zu legitimieren (BS 29.4.2020).
Es gibt krasse Ungleichheiten zwischen Arm und Reich, eine schwache Unterscheidung zwischen Staat und Wirtschaftseliten und einen geschlossenen Kreis wirtschaftlicher Möglichkeiten. Die Bürger werden ungleich behandelt. Ihnen werden aufgrund konfessioneller Zugehörigkeit, des Herkunftsortes, ethnischer Zugehörigkeit und des familiären Hintergrundes grundlegende staatsbürgerliche Rechte vorenthalten bzw. Privilegien gewährt oder verweigert. Grundlegende Aspekte der Staatsbürgerschaft werden großen Teilen der Bevölkerung verwehrt. Diese ungerechte Behandlung hat sich im Laufe der Konfliktjahre vertieft (BS 29.4.2020).
Das Regime bezeichnete Meinungsäußerungen routinemäßig als illegal, und Einzelpersonen konnten das Regime weder öffentlich noch privat kritisieren, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Das Regime übt strikte Kontrolle über die Verbreitung von Informationen, auch über die Entwicklung der Kämpfe zwischen dem Regime und der bewaffneten Opposition und die Verbreitung des COVID-19-Virus, aus und verbietet die meiste Kritik am Regime und die Diskussion über konfessionelle Probleme, einschließlich der Rechte von und Spannungen zwischen religiösen und ethnischen Minderheiten (USDOS 30.3.2021).
Die Verfassung bestimmt die Ba’ath-Partei als die herrschende Partei und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Das Gesetz erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit der Ba’ath-Partei in der National Progressive Front verbündet sind. Parteien wie die Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet, um Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften (USDOS 30.3.2021).
Weiterhin besteht in keinem Teil des Landes ein umfassender und langfristiger Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Repression durch die zahlreichen Sicherheitsdienste, Milizen und sonstige regimenahe Institutionen. Dies gilt auch für Landesteile, insbesondere im äußersten Westen des Landes sowie der Hauptstadt Damaskus, in denen traditionell Bevölkerungsteile leben, die dem Regime näher stehen. Selbst bis dahin als regimenah geltende Personen können aufgrund allgegenwärtiger staatlicher Willkür grundsätzlich Opfer von Repressionen werden (AA 19.5.2020).
In Gebieten, die von der Regierung zurückerobert werden, kommt es zu Beschlagnahmungen von Eigentum, großflächigen Zerstörungen von Häusern und willkürlichen Verhaftungen (SNHR 26.1.2021; vgl. SHRC 24.1.2019, HRW 13.1.2021). Diejenigen, die sich mit der Regierung „versöhnt“ haben, werden weiterhin durch die Regierungstruppen misshandelt (HRW 14.1.2020; vgl. AA 4.12.2020, SNHR 26.1.2021). Auch nichtstaatliche bewaffnete Oppositionsgruppen begehen schwere Übergriffe. Das Schicksal von Tausenden, die vom sogenannten Islamischen Staat (IS) entführt wurden, bleibt unbekannt. Auch die kurdischen Behörden, die von den USA geführte Koalition oder die syrische Regierung unternehmen keine Schritte, deren Verbleib zu ermitteln (HRW 13.1.2021).
Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 4.12.2020). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern oder Abtrünnigen werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen (UNHRC 31.1.2019). Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in von der Opposition kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019; vgl. UNHCR 7.5.2020, SNHR 26.1.2021).
Tausende Menschen starben seit 2011 im Gewahrsam der syrischen Regierung an Folter und entsetzlichen Haftbedingungen (HRW 14.1.2020). Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019). Die syrischen Regimekräfte und ihre Sicherheitsapparate setzen ihre systematische Politik der Inhaftierung und des Verschwindenlassens von Zehntausenden von Syrern fort. Trotz der Verringerung des Tempos der Inhaftierungen und des gewaltsamen Verschwindenlassens im Jahr 2020 konnte keine wirkliche Veränderung im Verhalten des Regimes beobachtet werden, sei es in Bezug auf die Freilassung der Inhaftierten oder die Aufdeckung des Schicksals der Verschwundenen (SHRC 1.2021).
Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 30.3.2021).
Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zögerlich dabei, über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 11.3.2020). Zwangsdeportationen von Hunderttausenden Bürgern haben ganze Städte und Dörfer entvölkert (BS 29.4.2020).
Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie die mit al-Qaida in Verbindung stehende Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), sind für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter rechtswidrige Tötungen und Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, extreme körperliche Misshandlungen, Tötungen von Zivilisten bei Angriffen, die als wahllos beschrieben wurden, und Zwangsräumungen von Häusern auf der Grundlage der konfessionellen Identität, verantwortlich (USDOS 30.3.2021).
Elemente der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), einer Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheiten, zu der auch Mitglieder der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gehören, sollen für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter, Korruption und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit (USDOS 30.3.2021). Es gibt vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 10.9.2018, SNHR 26.1.2021).
Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt erkennbar weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und jihadistischer Gruppen befinden (AA 4.12.2020).
Ein besonderes Merkmal des Konflikts in Syrien ist, dass verschiedene Konfliktparteien häufig größeren Gruppen von Menschen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen oder ethnischen Gruppen oder ganzen Städten, Dörfern oder Nachbarschaften, durch Assoziation eine politische Meinung zuschreiben. Als solche können Mitglieder einer größeren Einheit, ohne individuell herausgegriffen zu werden, zum Ziel von Repressalien durch verschiedene Akteure aufgrund von tatsächlicher oder vermeintlicher Unterstützung einer anderen Konfliktpartei werden. Die Wahrnehmung einer politischen Meinung oder Zugehörigkeit zu einer Konfliktpartei basiert oft auf wenig mehr als der physischen Präsenz einer Person in einem bestimmten Gebiet (oder der Tatsache, dass sie aus einem bestimmten Gebiet stammt) oder ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund (UNHCR 3.2021).
Quellen:
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• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020
• BBC - BBC News Russkaya Sluzhba [Russian Service] (12.7.2020): „??????? ???????? ??????“: ??? ???????????? ?????? ??? ? ????? ????? ???? ????? ????? [„Dem russischen Druck nachgeben.“ Die gesamte humanitäre Hilfe der UNO für Syrien wird über Assad abgewickelt], https://www.bbc.com/russian/news-53353049 , Zugriff 7.9.2020
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• FCO - UK Foreign, Commonwealth and Development Office (formerly FCO) (8.7.2021): Human Rights and Democracy: 2020 Foreign, Commonwealth & Development Office report, https://www. ecoi.net/en/document/2056823.html, Zugriff 30.9.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2043510.html, Zugriff 26.1.2021
• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2022683.html, Zugriff 22.7.2020
• HRW - Human Rights Watch (10.9.2018): Syria: Kurdish-led Administration Jails Rivals, https://www.hrw.org/news/2018/09/10/syria-kurdish-led-administration-jails-rivals, Zugriff 7.9.2020
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• SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 22.7.2020
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Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 01.10.2021
Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Menschenrechtsaktivisten, die Commission of Inquiry für Syrien der UN (COI) und lokale NGOs berichteten jedoch von Tausenden glaubwürdigen Fällen, in denen die Behörden des Regimes Folter, Missbrauch und Misshandlungen zur Bestrafung vermeintlicher Oppositioneller einsetzten, auch bei Verhören - eine systematische Praxis des Regimes, die während des gesamten Konflikts und sogar schon vor 2011 dokumentiert wurde. Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte kam zu dem Schluss, dass Einzelpersonen zwar häufig gefoltert wurden, um Informationen zu erhalten, der Hauptzweck der Anwendung von Folter durch das Regime während der Verhöre jedoch darin bestand, die Gefangenen zu terrorisieren und zu demütigen (USDOS 30.3.2021). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 13.1.2021; vgl. AI 7.4.2021, USDOS 30.3.2021, AA 4.12.2020). Zwischen März 2011 und Juni 2021 dokumentierte das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) den Tod von mindestens 14.565 Personen, darunter 174 Kinder und 74 (erwachsene) Frauen, durch Folter durch die Konfliktparteien und die kontrollierenden Kräfte in Syrien, wobei das syrische Regime für 98,6 % dieser Todesfälle verantwortlich ist (SNHR 14.6.2021).
NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 30.3.2021; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung nimmt hierbei auch Personen ins Visier, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 30.3.2021). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 4.12.2020).
Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod von Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik (USDOS 30.3.2021). Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden (USDOS 30.3.2021; vgl. SHRC 24.1.2019). Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt („incommunicado“) fest (USDOS 30.3.2021). Von Familien von Häftlingen wird Geld verlangt, dafür dass die Gefangenen Nahrung erhalten und nicht mehr gefoltert werden, was dann jedoch nicht eingehalten wird. Große Summen werden gezahlt, um die Freilassung von Gefangenen zu erwirken (NMFA 7.2019). In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines „Freilassungsabkommens“ auszutauschen (SHRC 24.1.2019).
Seit 2018 wurden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe unspezifischer Todesursachen (Herzversagen, Schlaganfall etc.). Berichten zufolge sind die Todesfälle auf Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötungen zurückzuführen (AA 20.11.2019; vgl. SHRC 24.1.2019). Die meisten der auch im Jahr 2020 bekannt gegebenen Todesfälle betreffen Inhaftierte aus den vergangenen neun Jahren, wobei das Regime ihre Familien erst in den Folgejahren über ihren Tod informiert. Obwohl die Todesfälle in der Vergangenheit eingetreten sind, gibt das Regime diese nur nach und nach bekannt. 2020 lag die Rate bei etwa 17 Personen pro Monat. In den meisten Fällen werden die Familien der Opfer nicht direkt über ihren Tod informiert, da der Sicherheitsapparat nur den Status der Inhaftierten im Zivilregister ändert und die Familien aktiv im Melderegister suchen müssen, um den Verbleib ihrer Verwandten zu erfahren (SHRC 1.2021). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 14.1.2020).
Zehntausende Menschen sind weiterhin in willkürlicher Haft, darunter humanitäre Helfer, Anwälte, Journalisten und friedliche Aktivisten (AI 7.4.2021). In Gebieten, die unter der Kontrolle der Opposition standen und von der Regierung zurückerobert wurden, darunter Ost-Ghouta, Dara’a und das südliche Damaskus, verhafteten die syrischen Sicherheitskräfte Hunderte von Aktivisten, ehemalige Oppositionsführer und ihre Familienangehörigen, obwohl sie alle Versöhnungsabkommen mit den Behörden unterzeichnet hatten, in denen garantiert wurde, dass sie nicht verhaftet würden (HRW 14.1.2020).
Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 3.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen (USDOS 30.3.2021). Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung (USDOS 11.3.2020). Auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) nutzten in ihren Haftanstalten Folter, um Geständnisse zu erhalten, wobei die Folter oft aus Rache und basierend auf ethnischen Vorurteilen durchgeführt wurde. Der Menschenrechtsmonitor, Syrian Network for Human Rights, konnte im Jahr 2020 zumindest 14 Todesfälle aufgrund von Folter und fehlendem Zugang zu medizinischer Versorgung in den Haftanstalten der SDF dokumentieren (SNHR 26.1.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.11.2019): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/21601427/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_20.11.2019)%2C_20.11.2019.pdf?nodeid=21602084&vernum=-2, Zugriff 26.8.2020
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Syrien 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048575.html, Zugriff 10.6.2021
• FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2021, Zugriff 1.10.2020
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2043510.html, Zugriff 26.1.2021
• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2022683.html, Zugriff 22.7.2020
• NMFA - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation [Niederlande], per E-Mail am 27.8.2019
• SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 22.7.2020
• SNHR - Syrian Network for Human Rights (14.6.2021): Death Toll due to Torture, https://sn4hr.org/blog/2021/06/14/death-toll-due-to-torture/, Zugriff 30.9.2021
• SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf, Zugriff 3.2.2021
• TWP - The Washington Post (23.12.2018): Syria’s once teeming prison cells being emptied by mass murder, https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/world/syria-bodies/?noredirect=on&utm_term=.6a8815bb3721, Zugriff 22.7.2020
• USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021
• USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 22.7.2020
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Letzte Änderung: 30.09.2021
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 17.8.2021; vgl. FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Die syrische Regierung arbeitet daran, Milizen zu demobilisieren oder sie in ihre regulären Streitkräfte zu integrieren, während sie gleichzeitig aktive militärische Operationen durchführt (CIA 17.8.2021).
Wehrpflicht
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020).
Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).
Vor 2011 lag die Dauer der Wehrpflicht zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Seit 2011 leisten die meisten Reservisten und Militärangehörigen ihren Dienst auf unbestimmte Zeit (NMFA 6.2021), nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte (DIS 5.2020; vgl. ÖB 7.2019). Nachdem die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020, vgl. NMFA 6.2021)
Reservedienst
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vgl. STDOK 8.2017). Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren, abhängig vom Rang, eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen (ÖB 29.9.2020; vgl. FIS 14.12.2018, vgl. NMFA 5.2020). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020).
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018). Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen (DIS 10.2019). Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet. Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt unverändert hoch, und seit Dezember 2018 haben sich die Rekrutierungsbemühungen aufgrund dessen sogar noch verstärkt (AA 4.12.2020). Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt (DIS 5.2020) [Anm.: zum Wehrdienst bei Einheiten der SDF siehe Kapitel Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen - „Nordost-Syrien“.]
Rekrutierung und Verfolgung
Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020).
Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren (STDOK 8.2017). Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert (FIS 14.12.2018).
Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (FIS 14.12.2018). In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 3.6.2020). Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. EB 3.6.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene (DIS 5.2020).
Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021
• AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-berichtueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 18.8.2020
• CIA - Central Intelligence Agency [USA] (17.8.2021): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/#military-and-security, Zugriff 23.8.2021
• DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria - Military Service, Report based on a fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf, Zugriff 22.7.2020
• DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (10.2019): Syria - Issues Regarding Military Service, COI report based on written sources, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018870/COI_syria_report_military_service_oct_2019.pdf, Zugriff 24.8.2020
• EB - Enab Baladi (3.6.2020): Fear of forced military conscription looms over northern rural Homs again, https://english.enabbaladi.net/archives/2020/03/fear-of-forced-military-conscription-looms-over-northern-rural-homs-again/, Zugriff 24.8.2020
• FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020
• ICG - International Crisis Group (13.2.2020): Easing Syrian Refugees‘ Plight in Lebanon, https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/211-easing-syrian-refugees-plight-in-lebanon.pdf, Zugriff 24.8.2020
• NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 30.8.2021
• NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2020): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 17.8.2021
• ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020,https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Report_2019_07.pdf, Zugriff 17.8.2020
• PAR - Webseite des Parlaments [Syrien] (12.5.2007): ????? 2007 ???? 30 ????????????????????????] Legislativdekret Nr. 30 von 2007 Militärdienstgesetz], http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=4921&, Zugriff 24.8.2020
• STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien- mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020
• TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (22.8.2019): TIMEP Brief: Conscription Law, https://timep.org/reports-briefings/timep-brief-conscription-law/, Zugriff 24.8.2020
• TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree 18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 24.8.2020
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Letzte Änderung: 28.09.2021
Als der syrische Bürgerkrieg 2011 begann, hatte die syrische Regierung Probleme Truppen bereitzustellen, um bewaffneten Rebellengruppen entgegentreten zu können. Die Zahl der Männer, die den Wehr- oder Reservedienst verweigerten, nahm deutlich zu. Eine große Zahl von Männern im wehrfähigen Alter floh entweder aus dem Land, schloss sich der bewaffneten Opposition an, oder tauchte unter (DIS 5.2020). Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt und relativ wenige werden derzeit deswegen verhaftet (Landinfo 3.1.2018).
Im Dezember 2019 trat eine Bestimmung in Kraft, wonach wehrfähige Männer, welche den Wehrdienst bis zu einem Alter von 42 Jahren nicht abgeleistet haben, eine Befreiungsgebühr von 8.000 USD bezahlen müssen, um einer Beschlagnahmung ihres Vermögens, bzw. des Vermögens ihrer Ehefrauen oder Kinder zu entgehen (DIS 5.2020).
Gesetzliche Lage
Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft [Anm.: die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort]. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 4.12.2020). Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte „externe Desertion“), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes kann mit lebenslanger Haftstrafe bestraft werden und in schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (STDOK 8.2017).
Konkrete Strafen
Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Eine Quelle berichtet, dass Deserteure zwar in früheren Phasen des Krieges exekutiert wurden, jedoch habe die syrische Regierung ihre Vorgehensweise in den vergangenen Jahren geändert und aufgrund des vorherrschenden Bedarfs an der Front festgenommene Deserteure zum Teil zu kurzen Haftstrafen verurteilt (DIS 5.2020). Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen (Landinfo 3.1.2018), sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden (DIS 5.2020; vgl. Landinfo 3.1.2018). Quellen berichten jedoch auch, dass gefasste Wehrdienstverweigerer riskieren, von den syrischen Behörden vor der Einberufung inhaftiert zu werden (DIS 5.2020). Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018; vgl. DIS 5.2020). Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (STDOK 8.2017). Neben anderen Personengruppen sind regelmäßig auch Deserteure (DIS 5.2020) und Wehrdienstverweigerer Ziel des umfassenden Anti-Terror-Gesetzes (Dekret Nr. 19/2012) der syrischen Regierung (AA 4.12.2020; vgl. DIS 5.2020).
Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von „high profile“-Deserteuren der Fall sein, also z.B. solche Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018; vgl. DIS 5.2020). Weitere Einflussfaktoren sind der Rang des Deserteurs, Wohnort der Familie, der für dieses Gebiet zuständige Geheimdienst und zuständige Offizier sowie die Religionszugehörigkeit der Familie (DIS 5.2020).
In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen (STDOK 8.2017; vgl. DIS 5.2020). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 4.12.2020; vgl. FIS 14.12.2018, DIS 5.2020). Auch in den „versöhnten Gebieten“ sind Männer im entsprechenden Alter mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht den Regierungseinheiten beitreten (FIS 14.12.2018). In ehemals von der Opposition kontrollierten Gebieten landeten zudem einer Quelle zufolge viele Deserteure und Überläufer, denen durch die Versöhnungsabkommen Amnestie gewährt werden sollte, in Haftanstalten oder sie starben in der Haft (DIS 5.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=224799 18&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria – Military Service, Report based ona fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf, Zugriff 22.7.2020
• FIS – Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020
• Landinfo [Norwegen] (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 7.9.2020
• STDOK – Staatendokumentation des BFA[Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien – mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020
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Letzte Änderung: 01.10.2021
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