TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/30 W220 2202628-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2021
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Entscheidungsdatum

30.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W220 2202628-1/21E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Sri Lanka, vertreten durch BBU-GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2018, ZI.: 1133614403/161473772, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.11.2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.10.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu diesem Antrag auf internationalen Schutz wurde der Beschwerdeführer am 28.10.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 23.03.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Er brachte dabei zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst vor, dass er Tamile sei. Er sei seit dem Jahr 1995 wegen des Bürgerkrieges innerhalb Sri Lankas auf der Flucht gewesen. Im Jahr 2009 habe eine Bombe ihr Geschäft zerstört; seither habe er ein Augenleiden. Er sei von der Armee interniert worden; nach seiner Freilassung habe die Armee die Wiedereröffnung seines Geschäftes blockiert. Im Jänner 2016 sei er von der Armee bzw. Regierung vorgeladen worden und während der folgenden Gespräche misshandelt und bis Februar 2016 eingesperrt worden. Nach seiner Freilassung hätten er und sein Bruder wieder ein kleines Geschäft aufgemacht. Im Juni 2016 hätten dann Polizisten oder Armeeangehörige den Beschwerdeführer geschlagen, festgehalten und gefoltert; sie hätten ihn viel über irgendwelche Container gefragt, worüber er aber nichts gewusst habe. Nach einer Woche sei er freigelassen worden; danach habe er die Verpflichtung erhalten, sich regelmäßig bei der Armee zu melden. Er habe deshalb viel Angst gehabt und Sri Lanka am 03.10.2016 per Flugzeug verlassen. Wenn er zurückkehren würde, würde er sterben; sie hätten nun seinen Bruder gefragt, wo der Beschwerdeführer sei und was er mache.

Mit oben zitiertem Bescheid vom 05.07.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sri Lanka gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Sri Lanka zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 11.11.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Sri Lanka und der Volksgruppe der Tamilen sowie der Glaubensrichtung des Hinduismus zugehörig. Er führt die im Kopf dieser Entscheidung ersichtlichen Personalien; seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX , in Sri Lanka geboren und aufgewachsen, bis er ab dem Jahr 1995 aufgrund des Bürgerkrieges gemeinsam mit seinen Eltern, seinen beiden Brüdern und seiner Schwester innerhalb Sri Lankas den Wohnort wechselte und unter anderem länger in XXXX lebte. Der Beschwerdeführer erhielt Schulbildung im Umfang von zehn Jahren und führte ab 1995 gemeinsam mit seinen Familienangehörigen ein Geschäft. In Sri Lanka leben nach wie vor die beiden jüngeren Brüder und die ältere Schwester des Beschwerdeführers; der Beschwerdeführer hat zu einem seiner Brüder und zu seiner Schwester regelmäßig Kontakt. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Tamil.

Der Beschwerdeführer hält sich seit Oktober 2016 in Österreich auf, unterbrochen durch einen Aufenthalt in der Schweiz von November 2016 bis Februar 2017. Er besuchte bzw. besucht in Österreich Deutsch- und Basisbildungskurse und trat zuletzt am 14.02.2020 zur Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 an, die er nicht bestand. Der Beschwerdeführer kann sich in rudimentärem Deutsch unterhalten. Von Juni 2019 bis Dezember 2020 war der Beschwerdeführer als ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Sozialmarkt tätig. Er verfügt über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Bekanntenkreises, wobei keine besonders engen Bindungen bestehen. Familiäre Anknüpfungspunkte hat der Beschwerdeführer in Österreich nicht. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer leidet an Immunhyperthyreose, bezüglich derer er in medikamentöser Behandlung steht, sowie einer Linsentrübung des rechten Auges. Die Erkrankungen des Beschwerdeführers sind in Sri Lanka medizinisch behandelbar; der Beschwerdeführer hat zu dieser medizinischen Behandlung Zugang. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde nicht im Jahr 2016 von sri-lankischen Behörden in Haft gehalten und gefoltert, weder, weil er Tamile ist, noch, weil er einer Mitgliedschaft bei bzw. sonstigen Verbindung zu der Organisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) verdächtigt wurde, noch aus sonstigen Gründen. Dem Beschwerdeführer drohen aktuell im Fall einer Rückkehr nach Sri Lanka nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ungerechtfertigte, konkrete und individuelle physische und/oder psychische Eingriffe erheblicher Intensität in seine persönliche Sphäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Sri Lanka:

Der Beschwerdeführer läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie stellt kein Rückkehrhindernis dar. Der Beschwerdeführer gehört im Hinblick auf sein Alter von fünfzig Jahren sowie aufgrund des Fehlens einschlägiger physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Sri Lanka eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Sri Lanka:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Sri Lanka vom 07.07.2021, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:

„COVID-19

Zur Verhinderung einer Ausbreitung von COVID-19 verhängt(e) die Regierung inselweite Ausgangssperren, die den freien Personenverkehr einschränk(t)en (USDOS 30.3.2021). Während der ersten Covid-19-Welle wurden harte Maßnahmen verhängt (wochenlange durch das Militär durchgesetzte, zum Teil landesweite Ausgangssperren), um die Lage in den Griff zu bekommen. Mit der zweiten Welle kommt es seit Oktober 2020 wieder zu Ausgangssperren und Reisebeschränkungen insbesondere in der Westprovinz einschließlich Colombo, die aber bisher nicht das Ausmaß der Maßnahmen der ersten Welle erreichen (AA 18.12.2020).

Nach Angaben von Vertretern der Zivilgesellschaft und Politikern nutzen die Behörden in manchen Fällen die COVID-19-Maßnahmen, um politische Kundgebungen der Opposition zu verhindern, während Kundgebungen der Regierung ungehindert stattfinden. In ähnlicher Weise versucht die Polizei, oft auf einstweilige Anordnungen von Richtern hin, Proteste, die von den Familien der im Bürgerkrieg Verschwundenen, politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteuren organisiert werden, unter Berufung auf COVID-19-Vorschriften zu behindern (USDOS 30.3.2021). Zwar ist eine direkte Instrumentalisierung dieser Maßnahmen zum Zweck gezielter Einschränkungen der Menschenrechte nicht zu beobachten (AA 18.12.2020), doch nutzt die Regierung die COVID-19-Pandemie, um „kommunale Spannungen zu schüren“ und die Religionsfreiheit einzuschränken. So greifen die Behörden nicht ein, wenn Nutzer sozialer Medien fälschlicherweise behaupten, Muslime würden COVID-19 absichtlich verbreiten, oder wenn zum Boykott von Geschäften in muslimischem Besitz aufgerufen wird (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung nutzt die Pandemie für eine Militarisierung von staatlichen Strukturen und zivilen Behörden. Die Hauptverantwortung für die Bekämpfung von COVID-19 wurde dem Militär übertragen. Der Armeechef ist Leiter des Nationalen Einsatzcenters (AA 18.12.2020).

Im Zuge der COVID-Krise kehrten tausende Gastarbeiter, v.a. aus dem Nahen Osten, wieder in ihre Heimat zurück, da sie ihre Arbeit verloren hatten bzw. in Zwangsurlaub geschickt oder aber ausgewiesen wurden (ÖB 10.2020; vgl. B&HRRC 21.7.2020).

Politische Lage

Sri Lanka ist eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik mit einer frei und direkt gewählten Regierung (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 6.11.2020a). Wahlen werden regelmäßig auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und eines Mehrparteienwettbewerbs durchgeführt (BS 2020).

Die bestehende Präsidialrepublik räumt dem Staatsoberhaupt eine starke Position vor allem bei der Zusammensetzung der Regierung und in der Außenpolitik ein. Die Legislative ist in einem Ein-Kammer-System mit 225 Mitgliedern organisiert, wobei die Abgeordneten direkt gewählt und bei Freiwerden eines Mandats von der jeweiligen Partei nachbesetzt werden (ÖB 9.2020).

2019 fanden im Land Präsidentschaftswahlen statt. Gotabaya Rajapaksa konnte den Wahlgang für sich entscheiden USDOS 30.3.2021; vgl. AA 18.12.2020). Die Wahl verlief jedoch nicht frei von Gewalt. Zudem versuchten radikale Gruppierungen vor allem im Norden des Landes, Menschen gewaltsam von einem Wahlboykott zu überzeugen. Im Vergleich zu den Ausschreitungen und zahlreichen Toten, die es bei früheren Wahlen gegeben hatte, kann aber tatsächlich von einer insgesamt friedlichen Wahl gesprochen werden (KAS 29.11.2019).

Kurz nach der Wahl ernannte Präsident Gotabaya Rajapaksa seinen Bruder, den ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa, zum Premierminister (USDOS 30.3.2021; vgl. DW 20.11.2019). Diese Ernennung führte verschiedenen Berichten zufolge zu Ausschreitungen (TG 22.11.2019; vgl. ACLED 26.11.2019).

Bei den dann am 5. August 2020 stattgefundenen Parlamentswahlen konnte die Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) von Präsident Gotabaya Rajapaksa mit 145 der insgesamt 225 Sitze einen überwältigenden Sieg einfahren, der auf das Wahlverhalten der buddhistische Mehrheit in den singhalesischen Gebieten zurückzuführen ist (ÖB 9.2020; vgl. AA 18.12.2020). Die Stimmverteilung bei den Präsidentschaftswahlen zeigt eine tiefe ethnisch-religiöse Spaltung des Landes auf (AA 18.12.2020). Gotabaya Rajapaksa bemüht ein singhalesisch-nationales Narrativ und präsentiert sich als Sieger des Bürgerkriegs gegen die LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam, auch Tamil Tigers) und starker Mann, der die nationale Einheit und Sicherheit nach den islamistischen Terroranschlägen vom Ostersonntag 2019 gewährleisten kann. In der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie gibt er sich als Mann der Tat, der durch harte Maßnahmen (wochenlange durch das Militär durchgesetzte landesweite Ausgangssperren, Lockdown in Colombo) die Lage in den Griff bekommt (AA 18.12.2020). Den zweiten Platz erreichte die Samagi Jana Balawegaya (SJB) unter dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Sajith Premadasa mit 54 Sitzen, für den die im Osten und Norden des Landes dominierenden Minderheiten von Tamilen und Muslime mit überwältigender Mehrheit gestimmt haben (AA 18.12.2020). Dritte wurde die Illankai Tamil Arasu Kachchi, wie der Name schon sagt, eine Partei der tamilischen Minderheit, mit zehn Sitzen. Die übrigen Sitze teilen sich auf 12 Parteien auf. Besonders schlecht schnitten die bisher größte Partei im Parlament, die United National Party (UNP) des ehem. Premierministers Ranil Wickremesinghe mit nur einem Sitz, ebenso wie die Sri Lanka Freedom Party (SLFP) des ehem. Staatspräsidenten Maithripala Sirisena mit ebenfalls nur einem Mandat ab (ÖB 10.2020).

Reisebeschränkungen, als Folgen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verhinderten eine internationale Wahlbeobachtung und schränkten die inländische Wahlaufsicht ein. Einheimische Beobachter beschrieben die Wahl als friedlich, technisch gut geleitet und in Anbetracht der COVID-19-Pandemie als sicher, merkten aber an, dass unregulierte Wahlkampfausgaben, Missbrauch staatlicher Ressourcen und Medienverzerrungen die Chancengleichheit beeinträchtigten (USDOS 30.3.2021).

Die soziokulturelle Struktur des politischen Lebens ist in erster Linie durch die Werte der singhalesischen (überwiegend theravada-buddhistischen) Mehrheit bestimmt. Auch ist die Innenpolitik nach wie vor vom Bürgerkrieg (1983 – 2009) zwischen der tamilischen Separatistenorganisation LTTE und der Regierung geprägt (AA 6.11.2020a). Schon unter der alten Regierung gab es vereinzelt Berichte von Einschüchterungen gegen Menschenrechtsaktivisten (Hasspropaganda in sozialen Medien, Demonstrationen vor Privatwohnungen) verbunden mit Klagen über mangelndes Engagement der Polizei nach erstatteten Anzeigen. In Gebieten mit mehrheitlich tamilischer Bevölkerung gibt es weiterhin Beschwerden von NGOs über Behinderungen bei ihren Tätigkeiten und Vorladungen durch die Polizei bei friedlichen Demonstrationen. NGOs und unabhängige Institutionen fühlten sich nach den Präsidentschaftswahlen offen und systematisch eingeschüchtert, können aber bislang weiter arbeiten. Insgesamt hat sich das politische Klima mit der neuen Regierung deutlich verändert. Nicht nur in Ministerien, sondern auch bei staatlichen Medien und Behörden hat ein massiver Personalwechsel stattgefunden. Zahlreiche hohe zivile Posten wurden mit Militärs besetzt (AA 18.12.2020). Über 30 staatliche Behörden, vielen davon ohne Verteidigungsbezug, wurden dem Verteidigungsministerium zugeordnet (AA 18.12.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Ein wichtiges Vorhaben der Vorgängerregierung im Rahmen der nationalen Wiederversöhnung war die Verlagerung von mehr Kompetenzen auf die Provinzen („devolution of power“). Daran hat die neue Regierung keinerlei Interesse. Der Präsident erklärt, dass für die nationale Versöhnung die wirtschaftliche Entwicklung der Nord- und Ostprovinz entscheidend ist, nicht deren Kompetenzerweiterungen (AA 18.12.2020).

Eine Änderung der Verfassung, die im Oktober 2020 verabschiedet wurde, räumt dem Präsidenten weitreichende neue Befugnisse, einschließlich der Ernennung von hochrangigen Richtern, Mitgliedern der Menschenrechtskommission und anderen unabhängigen Institutionen, wie etwa Antikorruptionsgremien, der Ernennung und Entlassung von Ministern, des Premierministers, und der Auflösung des Parlaments mindestens zweieinhalb Jahre nach den Wahlen ein. Überarbeitungen der Novelle verwässern zwar einige Bestimmungen, ohne jedoch die allgemeine Bedrohung des Menschenrechtsschutzes durch die Novelle wesentlich zu verringern (HRW 13.1.2021).

Auf internationaler Ebene hat Sri Lanka 2015 die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) im Konsens beschlossene Resolution 30/1 mit eingebracht und sich damit bereit erklärt, mutmaßliche Kriegsverbrechen im sri-lankischen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung rechtlich aufzuklären. In Umsetzung der Resolution wurden 2018 das Office of Missing Persons (OMP), welches insbesondere das Schicksal von Verschwundenen im Bürgerkrieg aufklären soll und das Office for Reparations (OFR) eingerichtet, das für Reparationszahlungen für erlittene Schäden zuständig ist. Beide können bislang weiter arbeiten, ihre Kompetenzen sollen aber überprüft und ggf. ein Personalwechsel angestrebt werden. Der Präsident hatte schon im Wahlkampf angekündigt, „Kriegshelden“ zu rehabilitieren. Gegen sie ermittelnde Beamte wurden umgehend versetzt oder suspendiert und durch Rajapaksa-getreue Polizeioffiziere ersetzt. Zum 11. Jahrestag der Beendigung des Bürgerkriegs (19. Mai) bestätigte der Präsident erneut, keine Aktivitäten gegen Kriegshelden zuzulassen und nicht zu zögern, internationale Organisationen zu verlassen, die ständig grundlose Vorwürfe erheben. Im März 2020 begnadigte er einen wegen Mordes an acht Zivilisten rechtskräftig verurteilten Unteroffizier. Der problematische Prevention of Terrorism Act (PTA), nachdem Tatverdächtige u.a. bis zu 18 Monate ohne Anklageerhebung festgehalten werden können, ist noch immer in Kraft. Ein von der Vorgängerregierung eingebrachte Entwurf für einen neuen Counter Terrorism Act (CTA) wurde von der neuen Regierung zurückgezogen. Anlässlich des 1. Jahrestags der Osteranschläge von 2019 kam es erneut zu zahlreichen Verhaftungen unter dem PTA. Der Generalsekretär der SLPP kündigte vor den Parlamentswahlen sogar eine weitere Verschärfung des PTA an, ohne dass diese bisher umgesetzt wurde (AA 18.12.2020; vgl. AA 6.11.2020a, HRW 3.3.2020).

Singhalesisch und Tamilisch sind Amtssprachen in Sri Lanka (CIA 8.6.2021).

Sicherheitslage

Das staatliche Gewaltmonopol ist unangefochten (BS 2020). Die Sicherheitslage in Sri Lanka, insbesondere im Norden und Osten, hat sich seit dem Ende des Bürgerkriegs im Mai 2009 deutlich verbessert (DFAT 4.11.2019), der umfassende Sicherheits- und Überwachungsapparat ist insbesondere im Norden und Osten wieder intakt. Nach der erfolgten Präsidentschaftswahl wird von verstärkter Präsenz [von Sicherheitskräften] im Norden und Osten berichtet (AA 18.12.2020). Es gibt Anzeichen dafür, dass die bewaffnete Opposition gegen den Staat nicht völlig aufgegeben wurde (BS 2020).

Am 21. April 2019 verübten sri-lankische islamistische Terroristen Selbstmordanschläge auf katholische Kirchen im Westen und Osten des Landes sowie drei Luxushotels in Colombo. Unter den rund 260 Todesopfern befanden sich 45 ausländische Staatsbürger. Der Großteil der Opfer waren sri-lankische Christen. Verantwortlich für die Anschläge ist die National Thowheed Jamath (NTJ), deren Mitglieder dem sog. Islamischen Staat (IS) die Treue geschworen haben. Am 22. April 2019 rief die Regierung den Notstand aus, setzte die Streitkräfte im Inland ein und erteilte ihnen Festnahmebefugnisse. Nach Ablauf des Notstands am 22. September 2019 ordnete der damalige Präsident an, dass das Militär auch nach Ablauf des Notstands im ganzen Land stationiert bleibt. Dieser Befehl wurde durch den derzeitigen Präsidenten verlängert (CT 22.4.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, ÖB 9.2019). Mögliche Hintergründe für die erfolgten Anschläge wurden durch die Regierung auch als eine Strategie internationaler Kräfte zur Spaltung der Gesellschaft und der Destabilisierung dieser im „Fadenkreuz der Großmächte und ihrer zunehmenden Konkurrenz im Indischen Ozean gesehen“ (CT 21.4.2019). Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass mehr als eine islamistische Zelle in Sri Lanka aktiv ist (GW 8.2.2020).

Regierungsangaben zufolge wurden alle direkt an den Anschlägen vom Ostersonntag beteiligten Personen getötet oder festgenommen. Möglichkeiten zur Durchführung von Anschlägen der NTJ und der JMI sollen verringert worden sein. Fast 2.300 Personen wurden im Zusammenhang mit den Anschlägen verhaftet (DFAT 4.11.2019). Die islamistischen Angriffe im April 2019 verschärfen die bestehenden kommunalen Bruchlinien zwischen Sri Lankas buddhistischer Mehrheit und muslimischer Minderheit. Dies hat das Risiko antimuslimischer Ausschreitungen insbesondere in Colombo, Galle, Gampa und Kalutara erhöht (GW 30.7.2020).

Als Reaktion auf die erfolgten Anschläge war es im Land zu Unruhen gekommen (Nau.ch 21.4.2021). Schon einige Tage nach den Anschlägen kam es zu Übergriffen von Christen (7,6 Prozent der Bevölkerung) und Buddhisten (70,1 Prozent der Bevölkerung) gegen die muslimische Minderheit Sri Lankas (9,7 Prozent). Im Zuge der sich häufenden Ausschreitungen kam es auch zu einem Todesopfer (ÖB 9.2020). Es wurde durch den Staat verabsäumt, Einzelpersonen, wie auch Gruppierungen strafrechtlich zu verfolgen, die im Zuge der Unruhen im Mai 2019, die auf die Terroranschläge vom Ostersonntag folgten, an der Zerstörung von Moscheen, Geschäften und Häusern in muslimischem Besitz beteiligt waren. Einige extremistische buddhistische Mönche, wie auch andere extremistische Gruppen wiegeln weiterhin ungestraft Nutzer in sozialen Medien auf (USDOS 30.3.2021).

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden seitdem deutlich und erkennbar verschärft und die Präsenz der Sicherheitskräfte landesweit verstärkt. Das strikte Terrorismuspräventionsgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) wird seitdem wieder häufiger angewendet (AA 18.12.2020). Nach den Anschlägen auf Kirchen und Hotels am Ostersonntag 2019 muss weiterhin von einem erhöhten Risiko von Terroranschlägen ausgegangen werden (BMEIA 21.6.2021).

Die Kriminalitätsrate in Sri Lanka variiert, ist aber im Bezirk Colombo am höchsten. Die Häufigkeit von Tötungsdelikten ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen und ist nun mit anderen südasiatischen Ländern vergleichbar (DFAT 4.11.2019).

Obwohl einige Splittergruppen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) weiterhin existieren, ist eine Rückkehr zum Bürgerkrieg sehr unwahrscheinlich. Militante Gruppierungen in Sri Lanka und wohl ebenso im indischen Bundesstaat Tamil Nadu verfügen aufgrund der umfassenden militärischen Überwachung nur über sehr begrenzte Möglichkeiten einer Entfaltung (GW 30.7.2020). Das Militär unterhält eine beträchtliche Präsenz im Norden, einschließlich etwa 30.000 Mann auf der Jaffna-Halbinsel. Die meisten Militärangehörigen sind auf das Security Forces Cantonment auf der Jaffna-Halbinsel und kleinere umliegende Militärlager beschränkt. Die Einmischung des Militärs in das zivile Leben hat abgenommen, obwohl das Militär in der Nordprovinz weiterhin in einige zivile Aktivitäten, insbesondere in die Wirtschaft, eingreift (DFAT 4.11.2019).

Sri Lanka sieht sich nur einer begrenzten Bedrohung durch einen zwischenstaatlichen Krieg ausgesetzt (GW 30.7.2020).

Rechtsschutz / Justizwesen

Rechtsstaatlichkeit sowie die Unabhängigkeit der Gerichte sind auf den oberen Ebenen der Justiz einigermaßen gegeben, untere Instanzen sind hingegen weit mehr anfällig für Korruption, bzw. unterliegen einer starken politischen Einflussnahme, die oft zu vorauseilendem Gehorsam im Sinne der Regierung, bzw. wichtiger Persönlichkeiten (z.B. Parlamentsabgeordnete, hohe Beamte, Personen mit einer Nahebeziehung zum Präsidenten und dessen Familie, etc.) führen. Rechtsschutzmöglichkeiten, bzw. Möglichkeiten gegen falsche Anzeigen vorzugehen müssen in diesem Licht betrachtet werden (ÖB 9.2020).

Während das sri-lankische Strafrecht auf englischem Common Law basiert, beruht der Rest des Rechtssystems mehrheitlich auf dem kontinentaleuropäischen Rechtssystem. Allerdings gelten Ausnahmen in den Bereichen des Familien- und Erbrechts. Diese unterliegen teilweise dem Gewohnheitsrecht der drei ethnischen Gemeinschaften. Singhalesen berufen sich auf Kandyan Law, Tamilen auf Thesavalamai und Moslems auf den Muslim Marriage and Divorce Act 1951, der wiederum auf der Scharia beruht. Letzterer wird regelmäßig kritisiert, da Polygamie und die Verheiratung minderjähriger Mädchen innerhalb der muslimischen Gemeinde erlaubt sind (ÖB 9.2020).

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis diskriminiert nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, Angehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung. Von sogenannten „Altfällen“ mit Bezug auf die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) befindet sich nach Einschätzung des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) niemand mehr aufgrund des Prevention of Terrorism Act (PTA) in Haft. Nach den islamistischen Terroranschlägen wurden hunderte Personen aufgrund des PTA verhaftet, die große Mehrzahl muslimischen Glaubens. Sippenhaft wird nicht praktiziert. Keiner Person oder Personengruppen wird kategorisch der Rechtsschutz verweigert (AA 18.12.2020).

Das schwache Justizwesen ist nach wie vor politischem Druck ausgesetzt und wird durch eine politisierte Polizei, auf die das Gerichtssystem bei der Beweisführung häufig angewiesen ist, behindert. Seit Anfang 2015 sind aus der früheren Verwaltung eine Reihe von Staatsbeamten und Militärs strafrechtlich verfolgt worden. Ebenso werden Verdachtsfälle von Korruption von Beamten und Politikern, die seit Anfang 2015 an der Macht sind, untersucht (BS 2020; vgl. AA 18.12.2020). Die Untersuchungshaftzeiten sind lang. Es dauert oftmals mehr als ein Jahr, bis überhaupt entschieden wird, ob eine Anklage erhoben wird. Ausländer und Sri Lanker sind davon gleichermaßen betroffen. Die zulässige reguläre Haftdauer bis zur Anklageerhebung beträgt zwölf Monate – verlängerbar in dreimonatigen Etappen bis maximal 24 Monate, falls die Staatsanwaltschaft eine Erklärung zur Notwendigkeit abgibt (AA 18.12.2020).

Im Rule of Law Index 2020 des World Justice Project (WJP) rangiert Sri Lanka auf Platz 66 von128 Ländern (2017-18: Platz 59 von 113 Ländern), was eine Verschlechterung um zwei Plätze zum Ergebnis von 2019 bedeutet (WJP 27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018). In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land 2020 den Rang 99 von 128 Staaten ein (2018: Rang 91 von 113 Staaten) und in der Subskala Strafjustiz den Rang 65 von 128 Staaten (2018: Platz 53 von 113 Staaten) (WJP27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig und untersteht dem Ministerium für öffentliche Sicherheit. Das Militär ist für die äußere Sicherheit zuständig. Darüber hinaus kann die Armee aufgefordert werden, speziell abgegrenzte Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen. Die fast 11.000 Mitglieder zählende paramilitärische Sondereinsatzgruppe [Special Task Force, STF] ist eine dem Generalinspekteur der Polizei unterstellte Polizeieinheit, die gelegentlich Operationen zur inneren Sicherheit mit dem Militär koordiniert (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 9.2020).

Die Hauptverantwortung für die Bekämpfung von COVID-19 wurde dem Militär übertragen. Der Armeechef ist Leiter des Nationalen Einsatzcenters. Während der ersten COVID-19-Welle wurden harte Maßnahmen verhängt (wochenlange durch das Militär durchgesetzte, zum Teil landesweite Ausgangssperren), um die die Lage in den Griff zu bekommen. Eine direkte Instrumentalisierung der Maßnahmen zum Zweck gezielter Einschränkungen der Menschenrechte ist aber nicht zu beobachten (AA 18.12.2020).

Die Regierung hat die vollständige Kontrolle über den gesamten Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) gewonnen (USDOS 11.3.2020). Freie Meinungsäußerung ist in jenen Teilen des Nordens, in denen die Sicherheitskräfte stark vertreten sind, eingeschränkter als in anderen Teilen des Landes. Offene Kritik am Militär bleibt selten (BS 2020). Polizei- und Sicherheitskräfte wenden missbräuchliche Praktiken, wie willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, Verschleppungen, Vergewaltigung, Folter an. Von solchen Maßnahmen sind Tamilen unverhältnismäßig stark betroffen (FH 3.3.2021). Opfer können Fälle direkt vor den Obersten Gerichtshof bringen, aber auch die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) und die Strafgerichte können Fälle untersuchen. Das Büro hat den Auftrag, geschädigte Opfer, die für Reparationen in Frage kommen, zu ermitteln und einzeln oder kollektiv angemessene Entschädigungen zu leisten (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 9.2020). Bedingt durch einen Arbeitsrückstand und Ressourcenmangel waren unabhängige Kommissionen langsam bei Untersuchungen zu behauptetem Fehlverhalten von Polizei und Militär (FH 3.3.2021). Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupten, dass die Regierung und die Gerichte zögern, gegen Sicherheitskräfte vorzugehen. Zwar leitete die Regierung Ermittlungen gegen einige Beamte ein, die im Verdacht stehen, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, doch gelingt es nicht, Verurteilungen zu erwirken (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 9.2020). Weitestgehende Straffreiheit besteht weiterhin für alle Uniformierten für Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs (ÖB 9.2020).

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Verbot der Folter ist in Art. 11 der Verfassung verankert (ÖB 9.2020). Internationalen Organisationen und Presseberichten zufolge war Folter durch Polizisten bis 2016 verbreitet, um Geständnisse zu erreichen. Weiterhin werden einzelne Menschenrechtsvertreter im Norden und Osten überwacht und drangsaliert. Eine systematische Anwendung von Folter im Rahmen von Ermittlungen wird zwar nicht mehr beobachtet, nach dem Prevention of Terrorism Act (PTA) [Der PTA wurde 1979 als Reaktion auf separatistische Aufstände im Land, erlassen und während des Bürgerkriegs weitreichend angewendet. Während andere Notfallregelungen mit dem Ende des Konflikts im Mai 2009 ausgelaufen sind, bleib der PTA in Kraft] darf die Polizei jedoch körperlichen Zwang ausüben, um Aussagen zu erhalten (AA 18.12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Der PTA wird genutzt, um Mitglieder von Minderheiten und der Zivilgesellschaft – darunter Aktivisten, Anwälte und Schriftsteller – zu drangsalieren (HRW 10.6.2021). Gemäß dem PTA sind derart gewonnene Aussagen grundsätzlich vollständig verwertbar (AA 12.1.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Ein von der Vorgängerregierung eingebrachter Entwurf für einen neuen Counter Terrorism Act (CTA) wurde von der neuen Regierung zurückgezogen (AA 18.12.2020).

Der Einsatz von Folterpraktiken ist im Land verbreitet. Berichte beziehen sich dabei auf Polizeibeamte und Sicherheitsdienstleister, die angeblich Verdächtige zusammenschlagen, um Geständnisse zu erwirken (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 18.12.2020, BS 2020). Darüber hinaus wird von Beteiligungen durch Polizei- und Sicherheitskräften an außergerichtlichen Hinrichtungen, gewaltsamem Verschwindenlassen und Vergewaltigungen in Haft berichtet (FH 3.3.2021).

Die bestehende Rechtsordnung stellt Folter unter Strafe und schreibt eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als sieben Jahren und nicht mehr als zehn Jahren vor (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 9.2020). Die Regierung unterhält einen Ausschuss zur Verhütung von Folter, der den Vorwurf der Folter prüft und vorbeugende Maßnahmen ergreift (USDOS 30.3.2021). Die gerichtliche Verfolgung von Folter ist mit enormem Zeit- und Geldaufwand für die Opfer verbunden, so dass in der Realität kaum ein Fall zur Anzeige kommt. Auch Fälle, die vor Gericht behandelt werden, haben aufgrund langer Verfahren, hoher Gerichtskosten und Einflussnahme durch die Polizei kaum eine Chance auf Verurteilung der Täter (AA 18.12.2020).

Misshandlungen bei der Festnahme von Tatverdächtigen sowie in den Gefängnissen sind zwar verboten, kommen aber weiterhin vor (AA 18.12.2020). Darüber hinaus werden oftmals Frauen, die sich wegen ihrer verschwundenen oder im Bürgerkrieg gefallenen Männer an die Behörden wenden, sexuell missbraucht bzw. zu sexuellen Handlungen gezwungen, damit diese ihnen zustehende Informationen erhalten können (ÖB 9.2020).

Korruption

Es besteht die verbreitete Ansicht, dass Korruption nach wie vor in der Verwaltung präsent ist (BS 2020; vgl. GW 21.7.2020). Die öffentlichen Beschaffungssysteme sind anfällig für Bestechung, und es gibt praktisch keine Rechenschaftspflicht der Amtsinhaber in Form von Vermögenserklärungen oder Regeln für Interessenkonflikte (BS 2020). Gesetzlich sind Strafen für behördliche Korruption vorgesehen, doch die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um. Regierungsbeamte sind oftmals in korrupte Aktivitäten unter Straffreiheit involviert. Im Laufe des Jahres gab es zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung (USDOS 30.3.2021).

Das Gesetz verpflichtet alle Kandidaten für Parlaments-, Kommunal-, Provinz- und Präsidentschaftswahlen, ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Parlamentspräsidenten offenzulegen. Einige – aber nicht alle – Kandidaten bei den Parlamentswahlen, haben ihre Finanzberichte vorgelegt. Die Behörden haben die Einhaltung nicht durchgesetzt. Nach dem Gesetz kann man gegen Zahlung einer Gebühr auf die Aufzeichnungen über das Vermögen und die Schulden der gewählten Amtsträger zugreifen (USDOS 30.3.2021).

Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Sri Lanka unter 179 Ländern und Territorien an 94. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100 (2019: 93/38) (TI 2020; vgl. TI 2019). In der Unterskala „Abwesenheit von Korruption“ des World Justice Project nimmt Sri Lanka 2020 Rang 61 von 128 Staaten (2018: 58/113) ein (WJP 27.2.2020; vgl. WJP 31.1.2018).

Im September 2020 verhafteten die Behörden 18 Beamte des Police Narcotic Bureau, die Medienberichten zufolge Drogenhändlern beim Transport und Vertrieb von Drogen unterstützt und dabei hohe Provisionszahlungen erhalten haben (USDOS 30.3.2021).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

NGOs arbeiten relativ frei, auch wenn Aktivisten, die sich mit heiklen Themen befassen - darunter Korruption, Menschenrechtsverletzungen aus der Kriegszeit und Vermisste - weiterhin über Überwachung, Belästigung und Einschüchterung durch die Sicherheitskräfte berichten (ÖB 9.2020; vgl. FH 3.3.2021, DFAT 4.11.2019). Diese Überwachungsmaßnahmen ereignen sich vor allem im Norden und Osten, aber auch anderorts (FH 3.3.2021; vgl. DFAT 4.11.2019). Im November 2019 ist das Verteidigungsministerium als Aufsichtsorgan für NGOs eingesetzt worden (AI 28.2.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Tamilische Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten, einschließlich Angehörige von Verschwundenen, berichteten von Überwachung und Belästigung durch Strafverfolgungsbeamte. Menschenrechtsaktivistinnen im Norden und Osten berichteten, dass Interaktionen mit der Polizei oft mit sexueller Erniedrigung einhergingen (ÖB 9.2020). Eine 2016 durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass das Vertrauen gegenüber NGOs bei der tamilischen Minderheit (über 73 Prozent) und bei Muslimen (65 Prozent) viel größer ist als bei der singhalesischen Mehrheit (35,3 Prozent) (BS 2020).

Die Behörden haben begonnen, Finanzierungen durch ausländische Geldgeber mit der Behauptung zu kontrollieren, dass diese Gelder zur Unterstützung des „Terrorismus“ verwendet würden (HRW 13.1.2021). Durch diese Maßnahme steigt die Gefahr einer Überwachung für die NGOs. Von mehr als einem Dutzend NGOs und Medienorganisationen werden Einschüchterungsbesuche durch Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste gemeldet (AI 28.2.2020). Aktivisten befürchten, dass die Behörden Fehler in der Buchführung als Vorwand für das Einstellen von Tätigkeiten der betroffenen NGOs oder für Strafanzeigen geltend machen werden (HRW 3.3.2020).

Viele NGOs kooperieren mit der Regierung bei der Verteilung von Hilfsgütern im Rahmen der Abriegelungsmaßnahmen in der COVID-19-Pandemie. Einige Beobachter äußern die Befürchtung, dass diese Zusammenarbeit den Geheimdiensten auch Informationen über die Aktivitäten und das Personal der NGOs liefern könnte. Diese Informationen können im Bedarfsfall gegen die NGOs eingesetzt werden (FH 3.3.2021).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Es gibt in Sri Lanka keine allgemeine Wehrpflicht (AA 18.12.2020; vgl. ÖB 9.2020). Man kann sich im Alter von 18 bis 22 Jahren freiwillig zum Militärdienst melden (CIA 8.6.2021). Nach Ende des Bürgerkriegs wurde das Verteidigungsministerium in vielen zivilen Bereichen aktiv, z.B. Immobilienentwicklung, Brückenbau, Gastronomie und Tankstellen (ÖB 9.2020).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte sind in der sri-lankischen Verfassung geschützt (ÖB 9.2020). Sri Lanka hat zudem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert (AA 18.12.2020). Die Verfassung betont mehrfach das Recht auf freie Ausübung von Kultur, Sprache und Religion. Sie spricht darüber hinaus jedem Staatsbürger das Recht zu, sich im Falle der Verletzung eines Grundrechts direkt an den Supreme Court wenden zu können (ÖB 9.2020).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsverletzungen durch Regierungsstellen gehören rechtswidrige Tötungen durch die Regierung, Folter, sexueller Missbrauch, willkürliche Verhaftungen, langwierige staatliche Inhaftierungen, fehlende Rückgabe von Eigentum durch das Militär sowie Überwachung und Belästigung von zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Journalisten und Blockaden sozialer Medien, Korruption, Gewalt gegen Angehörige sexueller Minderheiten und die Kriminalisierung gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens (USDOS 30.3.2021).

Die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) hat das Recht, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die HRCSL nimmt Beschwerden entgegen, kann aber auch selbständig Untersuchungen einleiten. Nachdem eine Anschuldigung vorgebracht wurde, macht die HRCSL einen Vorschlag zur finanziellen Entschädigung des Opfers und leitet den Fall zur Vollziehung disziplinärer Maßnahmen weiter und/oder übergibt ihn an den Generalstaatsanwalt zur weiteren Strafverfolgung. Wenn die Regierung einem HRCSL-Antrag nicht nachkommt, kann die HRCSL den Fall an den Obersten Gerichtshof verweisen. Die HRCSL hat per Gesetz weitreichende Befugnisse und Ressourcen, kann jedoch nicht als Zeuge vor Gericht geladen oder wegen seiner Amtspflichten verklagt werden. Die HRCSL arbeitete in der Regel unabhängig und ohne Einmischung der Regierung (USDOS 30.3.2021).

Einige tamilische Politiker und lokale Menschenrechtsaktivisten bezeichnen mutmaßliche ehemalige LTTE-Kämpfer (Liberation Tigers of Tamil Eelam), denen terrorismusbezogene Gewaltverbrechen zur Last gelegt werden, als politische Gefangene. NGOs berichten, dass die Behörden mehr als 130 politische Gefangene im Land festhalten. Die Regierung hat keine politischen Gefangenen anerkannt und darauf bestanden, dass diese Personen wegen terroristischen Tätigkeiten und/oder krimineller Handlungen inhaftiert wurden. Die Regierung erlaubte der HRCSL, Richtern und dem Board of Prison Visits Zugang zu den Gefangenen und erlaubte dem IKRK, die Haftbedingungen zu überwachen. Die Behörden gewährten Rechtsberatern nur unregelmäßigen Zugang (USDOS 30.3.2021).

Als Folge dess Bürgerkrieges mit den LTTE gelten schätzungsweise noch 20.000 Menschen als verschwunden (ÖB 9.2020; vgl. IPS 30.4.2018). Das sri-lankische Parlament hatte schon 2016 angekündigt, eine Aufklärung der Schicksale der verschwundenen Personen in die Wege zu leiten. Der Prozess wurde jedoch immer wieder aufgrund des Widerstands der Armee zum Stillstand gebracht. Anfang 2018, kurz vor der Tagung des UN-Menschenrechtsrats in Genf, wurde das Office of Missing Persons (OMP) endlich gegründet, im Jahr 2019 schließlich das Office for Reparations (ÖB 9.2020). Es liegen keine Berichte über Verschleppungen durch oder im Auftrag von Regierungsbehörden vor. Verschleppungen während des Krieges und der Nachkriegszeit blieben weiterhin unaufgeklärt (USDOS 30.3.2021).

Im Februar 2020 zog sich Sri Lanka im Rahmen der 43. Tagung des UN-Menschenrechtsrates als Ko-Sponsor der Resolution 30/1, welche die Mechanismen der Transitional Justice legitimiert, zurück und stellte fest, man werde in Eigenregie, ohne Einmischung der internationalen Gemeinschaft, die Verbrechen des Bürgerkrieges aufarbeiten. Tatsächlich wird die Regierung die Tätigkeiten der o.a. Institutionen zum Stillstand bringen, bzw. ganz abschaffen, da Präsident Gotabaya Rajapaksa und sein Bruder, Premier Mahinda Rajapaksa, selbst in die Verbrechen involviert waren bzw. wenigstens davon wussten. Außerdem ist die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen den konservativen buddhistisch-singhalesischen Bevölkerungsschichten, auf die sich die Macht der Rajapaksas stützt, ein Dorn im Auge, da sie jene Vertreter der Sicherheitskräfte, die die Kriegsverbrechen begangen haben, als Helden wahrnehmen und somit nicht zur Rechenschaft ziehen. Entschädigungen für die Opfer wird es aller Voraussicht nach ebenfalls nicht geben (ÖB 9.2020).

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor (FH 3.3.2021), allerdings wird dieses Grundrecht häufig von der Regierung missachtet (ÖB 9.2020). Die Opposition hat nur begrenzten Zugang zu den staatlichen Medien (BS 2020).

Seit den Anschlägen vom Ostersonntag 2019 wird die Arbeit von Journalisten erheblich behindert. Im Zuge des Antritts der neuen Regierung unter Präsident Gotabaya Rajapaksa, der sich für v.a. für eine erhöhte Sicherheit im Land einsetzt, üben Journalisten immer häufiger Selbstzensur, um einer Verhaftung zu entgehen (ÖB 9.2020; vgl. AA 18.12.2020) – auch wenn von einer anderen Quelle ein „Spielraum für Meinungsvielfalt“ bei der Berichterstattung erkannt wird (BS 2020).

Eine im April 2020 erlassene Anordnung weist die Polizei an, Personen, die Amtsträger in ihrer Dienstverrichtung mit Bezug auf Maßnahmen zur Verbreitung der COVID-19 Pandemie „kritisieren“ oder „falsche“ wie auch „bösartige“ Nachrichten zur Pandemie weitergeben, zu verhaften (HRW 13.1.2021). Mehrere Journalisten berichten von Einschüchterungen und Morddrohungen. Einige Journalisten verließen das Land (HRW 13.1.2021).

Auf dem World Press Freedom Index 2020 der Organisation Reporter ohne Grenzen belegt Sri Lanka Platz 127 von 180 Ländern, eine Verschlechterung um einen Rang im Vergleich zu 2019 (ÖB 9.2020; vgl. RwB 2020).

Unabhängige Medien sind aktiv und äußern sich sehr unterschiedlich. Journalisten im tamilischen Norden und Osten berichteten jedoch von Schikanen, Einschüchterungen und Einmischungen durch den Sicherheitsapparat, wenn sie über sensible Themen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg oder seinen Folgen berichteten. Tamilische Journalisten berichteten, dass Militäroffiziere die Herausgabe von Fotos, Listen von Teilnehmern an Veranstaltungen und Namen von Quellen für Artikel fordern. Sie berichteten auch, dass das Militär Journalisten auffordert Berichterstattungen über sensible Ereignisse wie Gedenkfeiern zum Tamilenkrieg oder Proteste gegen Landbesetzungen, einzustellen (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 9.2020).

Die tamilischen Berichterstatter befürchten Konsequenzen, wenn sie nicht kooperieren (USDOS 30.3.2021).

Es gibt keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht. Die Regierung erlässt begrenzte Beschränkungen für Webseiten, die sie als pornografisch einstuft (USDOS 30.3.2021).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Freiheiten der friedlichen Versammlung und der Vereinigung sind zwar gesetzlich garantiert (USDOS 30.3.2021; vgl. ÖB 9.2020), aktuell werden diese Rechte allerdings durch mehrere Gesetze behindert. Verschiedenste Gesetze werden regelmäßig als Vorwand missbraucht, um zu verhindern, dass sich Menschen entlang spezieller Themen organisieren (ÖB 9.2020).

Unter der Regierung von Mahinda Rajapaksa wurden unerwünschte Veranstaltungen von NGOs entweder verboten oder verhindert, indem Störer (hier kamen regelmäßig radikal-nationalistische buddhistische Mönche zum Einsatz) nicht zurückgehalten wurden. Seit Anfang 2015 sind zwar Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit grundsätzlich nicht mehr eingeschränkt (AA 18.1.2020) und Oppositionsparteien und regierungskritische Gruppen der Zivilgesellschaft können relativ offen agieren (BS 2020).

Diese Rechte der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, sowie zur Opposition werden aber in einer begrenzten Anzahl von Fällen durch die Regierung eingeschränkt (USDOS 30.3.2021). Gemeint sind unter anderem der Prevention of Terrorism Act, aber auch ein Erlass gegen Vagabunden, der speziell gegen die sexuelle Minderheiten angewandt wird. Verschiedenste Gesetze werden regelmäßig als Vorwand missbraucht, um zu verhindern, dass sich Menschen entlang spezieller Themen organisieren, z.B. Landrechte oder das Verschleppen von Personen (ÖB 9.2020).

Auch erlaubt die Verfassung die Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Interesse der religiösen Harmonie, der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit oder Moral, im Interesse der Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer oder im Interesse des allgemeinen Wohlergehens der demokratischen Gesellschaft. Nach Artikel 77(1) der Polizeiverordnung müssen Demonstrationen bei der örtlichen Polizei genehmigt werden (USDOS 30.3.2021). Gemäß den Notfallregelungen der Verordnung über die öffentliche Sicherheit hat der Präsident einen weit gefassten Ermessensspielraum, um Sektoren als „wesentlich“ für die nationale Sicherheit, das Leben der Gemeinschaft oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu erklären und damit die Rechte der Arbeiter, legale Streiks durchzuführen, zu widerrufen. Mit dem Essential Public Services Act von 1979 kann der Präsident auch „Dienstleistungen“ von Regierungsstellen als „wesentliche“ öffentliche Dienstleistungen deklarieren (USDOS 30.3.2021).

Vereinigungsfreiheit ist durch das Gesetz garantiert. Eine Verbindung zu oder eine Mitgliedschaft bei einer verbotenen Organisation wird jedoch kriminalisiert. Das Gesetz sieht das Recht der Arbeitnehmer vor, Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. Davon ausgenommen sind Angehörige der Streitkräfte, Polizisten, Justiz- und Gefängnisbeamte. Das Gesetz erkennt das Streikrecht zwar nicht ausdrücklich an, aber die Gerichte haben ein implizites Streikrecht auf der Grundlage der Gewerkschaftsverordnung und des Arbeitskonfliktgesetzes anerkannt (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung verhängt(e) inselweite Ausgangssperren, die die Bewegungsfreiheit von Personen unter Berufung auf Maßnahmen der Pandemiebekämpfung (COVID-19) einschränk(t)en. Nach Angaben von Vertretern der Zivilgesellschaft und Politikern nutzen die Behörden in einigen Fällen die COVID-19-Gesundheitsrichtlinien, um politische Kundgebungen der Opposition zu verhindern, während regierungsfreundliche Kundgebungen ungehindert stattfinden können. In ähnlicher Weise versucht die Polizei, oft auf richterliche Anordnungen hin, wiederholt, Proteste, die von den Familien von im Bürgerkrieg oder danach verschwundenen Personen, politischen Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteuren organisiert werden, unter Berufung auf COVID-19-Vorschriften zu behindern (USDOS 30.3.2021).

Berichten zufolge hat der Staat zur Unterdrückung friedlicher Proteste zur Abschreckung Einschüchterungsmaßnahmen eingesetzt (CPA 2.2020).

Haftbedingungen

Mit Dezember 2020 befanden sich rund 28.900 Personen in Haft (2018: 23.355), was einem Durchschnitt von 135 Häftlingen auf 100.000 Einwohner entspricht (2018: 105). Etwa 60 Prozent der Insassen der Haftanstalten im Land sind Untersuchungshäftlinge. 4,9 Prozent der Häftlinge waren zur Jahresmitte 2018 Frauen, 0,1 Prozent waren Jugendliche unter 18 Jahren (WPB 2020; vgl. ICPR 2018).

Die 60 Strafvollzugseinrichtungen im Land (Stand 2019: vier Gefängnisse, 18 Untersuchungsgefängnisse, zehn Arbeitslager, zwei offene Gefangenenlager, zwei Strafvollzugszentren für junge Straftäter, ein Ausbildungszentrum für junge Straftäter, 23 Haftanstalten (WPB 2020) sind überbelegt (ÖB 9.2020; vgl. AA 18.12.2020). Gemäß der Aussage des Generalbeauftragten für den Strafvollzug im Land, sind die Gefängnisse um 173 Prozent überfüllt, das Colombo Welikada-Gefängnis ist sogar zu 300 Prozent überbelegt (USDOS 30.3.2021; vgl. CT 2.12.2020).

Jugendliche und Erwachsene werden oftmals zusammen in Hafträumen untergebracht. Untersuchungshäftlinge sind oft nicht von verurteilten Straftätern getrennt inhaftiert (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 18.12.2020). In den Gefängnissen soll es zu Misshandlungen und Folter kommen (DFAT 4.11.2020), Schläge bei der Festnahme von Tatverdächtigen sowie in den Gefängnissen kommen weiterhin vor (AA 18.12.2020). Die Haftbedingungen sind schlecht und entsprechen aufgrund mangelnder sanitärer Einrichtungen und starker Überbelegung nicht internationalen Standards (AA 18.12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). In vielen Gefängnissen schlafen Insassen auf Betonböden und es mangelt an natürlichem Licht und ausreichender Belüftung (USDOS 30.3.2021; vgl. DFAT 4.11.2019).

Nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie protestierten die Gefangenen gegen die überfüllten Haftanstalten. Seit März 2020 töteten Sicherheitskräfte 14 Gefangene bei drei verschiedenen Vorfällen im Zusammenhang mit Häftlingsprotesten gegen den Ausbruch von COVID-19 in den Haftanstalten. Mehr als 100 Gefangene wurden verletzt (USDOS 30.3.2021).

Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist ausreichend, die Bewegungsmöglichkeiten für Gefangene erscheinen relativ gut (viel Freigang, soweit keine Verurteilung zur Todesstrafe). In minder schweren Fällen können sich Gefangene bei Hinterlegung einer Sicherheitsleistung frei im Land bewegen. Zwangsarbeit ist in Sri Lanka kaum verbreitet (AA 18.12.2020).

Die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (Human Rights Commission of Sri Lanka, HRCSL) prüft Haftbeschwerden und leitet sie bei Bedarf an die zuständigen Behörden weiter. Die HRCSL berichtete, dass es einige glaubwürdige Behauptungen über Misshandlungen von Gefangenen erhalten habe, das Ministerium für Gefängnisreformen jedoch berichtete, keine Beschwerden erhalten zu haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat ebenfalls ein Mandat zur Überwachung der Haftbedingungen (USDOS 30.3.2021).

Willkürliche Verhaftungen sind gesetzlich verboten und jede Person hat das Recht die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Dennoch gab es weiterhin Berichte über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen (USDOS 30.3.2021).

Nach Angaben der Polizei haben die Behörden nach den Anschlägen vom Ostersonntag im April 2019 insgesamt 2.299 Personen verhaftet, hauptsächlich unter dem PTA. Im Dezember befanden sich noch 135 Verdächtige in Gewahrsam, gegen die jedoch keine Anklage erhoben wurde (USDOS 30.3.2021).

Die Polizei hält Häftlinge manchmal ohne Kontakt zur Außenwelt fest, und Rechtsanwälte müssen eine Erlaubnis beantragen, um sich mit Klienten zu treffen, wobei die Polizei bei solchen Zusammenkünften häufig anwesend ist. In einigen Fällen umfassten die unrechtmäßigen Festnahmen Berichten zufolge auch Verhöre mit Misshandlung oder Folter (USDOS 30.3.2021).

Während die Regierung die Anzahl der unter der PTA festgehaltenen Personen nicht meldete, berichteten Menschenrechtsgruppen im Norden von mindestens 22 PTA-Verhaftungen, die nicht mit den Angriffen vom Ostersonntag 2019 in Verbindung stehen. Im April 2020 ordnete der Generalinspekteur der Polizei die Verhaftung von Kritikern der Regierungsmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie an. Medien berichteten von mindestens 20 Verhaftungen wegen der Veröffentlichung oder Weitergabe von „Fehlinformationen“ (USDOS 30.3.2021).

Todesstrafe

Die Todesstrafe wird weiterhin verhängt, seit 1976 aber nicht mehr vollstreckt (CLS 2020; vgl. FAZ 6.2.2019, AFP 7.2.2019, Himal 28.9.2018), wobei kein offizielles Moratorium existent ist (Himal 28.9.2018; vgl. AA 18.12.2020).

Die Todesstrafe ist in Sri Lanka für zahlreiche Verbrechen im Strafgesetzbuch definiert (Himal 28.9) und wird für vorsätzliche Tötung, Mord, Totschlag (werden nicht unterschieden), Vergewaltigung und Drogendelikte häufig verhängt (AA 18.12.2020; vgl. AFP 7.2.2019). Sri Lanka stimmte am 17.11.2020 im Dritten Ausschuss der UN-Generalversammlung für die Resolution zum „Moratorium on the use of the death penalty“. Ein Ende des Moratoriums, das der damalige Präsident Sirisena Mitte 2018 erstmals angekündigt hatte, wurde nicht umgesetzt und wird von der neuen Regierung bisher nicht weiter verfolgt (AA 18.12.2020).

Im Jahr 2019 unterzeichnete der ehemalige Präsident Maithripala Sirisena die Todesurteile für vier Gefangene, die wegen Drogendelikten verurteilt worden waren. Der Oberste Gerichtshof gewährte einen vorübergehenden Aufschub der Urteile. Diese Aufhebung wird angefochten und war Ende 2020 noch nicht abgeschlossen (AI 7.4.2021). 2020 wurde in mindestens 16 Fällen die Todesstrafe verhängt (LD.info 2021), 2019 waren es mindestens 34 Fälle (AI 4.2020).

Es herrscht aktuell Unklarheit darüber, ob die Todesstrafe (Erhängen), die in Sri Lanka seit 1976 nicht vollstreckt wurde, wieder durchgeführt oder gar abgeschafft werden könnte (ÖB 9.2020).

Ende März 2020 begnadigte Präsident Rajapaksa einen im Jahre 2015 zum Tode Verurteilten, ehemaligen Unteroffizier, nachdem er im Jahr 2000 am Mord von acht tamilische Binnenflüchtlinge 2015 schuldig gesprochen wurde (USDOS 30.3.2021).

Eine am 24.6.2021 erfolgte Begnadigungen von 94 wegen Terrorismus inhaftierten, mutmaßlichen Mitgliedern der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), darunter 16 Tamilen und der frühere Parlamentsabgeordnete Duminda Silva, (dieser wurde wegen Mordes an einem politischen Rivalen zum Tode verurteilt) durch den sri-lankischen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa löste Kritik aus. Rund 150 zum Tode verurteilte Personen traten aus Protest über die Begnadigung in verschiedenen Gefängnissen in den Hungerstreik (BAMF 28.6.2021).

Religionsfreiheit

Die sri-lankische Verfassung gibt keine Staatsreligion vor, garantiert Religionsfreiheit, weist aber dem Buddhismus eine herausgehobene Rolle zu (AA 18.12.2020) und verpflichten die Regierung, den Buddhismus zu schützen und gleichzeitig die Rechte der religiösen Minderheiten zu respektieren. Das Gesetz erkennt vier Religionen an: Buddhismus (70,2 Prozent), Islam (9,7 Prozent), Hinduismus (12,6 Prozent) und Christentum (7,4 Prozent) (USDOS 12.5.2021; vgl. AA 18.12.2020).

Die Mehrzahl der Singhalesen ist buddhistisch. Tamilen, hauptsächlich Hindus mit einer bedeutenden christlichen Minderheit, bilden die Mehrheit in der Nordprovinz und stellen nach den Muslimen die zweitgrößte Gruppe in der Ostprovinz des Landes. Die meisten Muslime identifizieren sich selbst als eigene ethnische Gruppe und nicht als Tamilen oder Singhalesen, sind aber tamilischsprachig. Tamilen indischer Herkunft, die meist Hindus sind, haben eine große Präsenz in den Provinzen Central, Sabaragamuwa und Uva. Muslime bilden eine Mehrheit in der Ostprovinz, und es gibt beträchtliche muslimische Bevölkerungen in den Provinzen Central, North-Central, Northwestern, Sabaragamuwa, Uva und Western. Christen (7,4 Prozent) leben im ganzen Land, haben aber eine größere Präsenz in den östlichen, nördlichen, nordwestlichen und westlichen Provinzen und eine kleinere Präsenz in den Provinzen Sabaragamuwa und Uva. Laut Regierungsstatistiken sind schätzungsweise 81 Prozent der Christen römisch-katholisch (USDOS 12.5.2021).

Die Religionen begegnen sich in Sri Lanka traditionell mit Respekt und Toleranz. Nach den Terroranschlägen auf Kirchen und Hotels durch islamische Extremisten zu Ostern 2019 hat sich allerdings eine skeptische Grundstimmung gegen die muslimische Minderheit entwickelt, die zeitweise zu einem informellen Boykott muslimischer Geschäfte führten (AA 18.12.2020). Es gab darüber hinaus weitreichende Ausschreitungen gegen die muslimische Bevölkerung, im Rahmen derer Eigentum zerstört, Personen aus ihren Häusern vertrieben und teilweise auch getötet wurden (ÖB 9.2020). Bestehende kommunale Bruchlinien zwischen der buddhistischen Mehrheit Sri Lankas und der muslimischen Minderheit haben sich weiter verschärft (GW 21.7.2020). So wurden in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie in den sozialen Medien Aufrufe zum Boykott muslimischer Unternehmen und falsche Behauptungen laut, dass Muslime Covid-19 absichtlich verbreiten, nachdem hochrangige Regierungsvertreter öffentliche Kommentare abgaben, in denen sie - fälschlicherweise - andeuteten, dass das Virus unter Muslimen besonders verbreitet ist (HRW 13.1.2021). Hassrede, einschließlich der Beleidigung von Religion oder religiösen Überzeugungen, ist durch die Polizeiverordnung und das Strafgesetzbuch verboten (USDOS 30.3.2021).

Trotzdem sind Sri Lankas religiöse Minderheiten (Christen, Hindus und Muslime) regelmäßigen Verstößen gegen ihr Verfassungsrecht auf Religionsfreiheit ausgesetzt, wie etwa Hassreden, diskriminierende Praktiken, Drohungen und Einschüchterungen, Zerstörung von Eigentum sowie körperliche Gewalt. Zu den Rechtsverletzungen zählen auch die Besetzung/Übernahme von Land durch buddhistische religiöse Stätten, die Entstehung buddhistischer Symbole und Kultstätten in Minderheitengebieten und die Verweigerung des Zugangs von Tamilen zu hinduistischen Tempeln und anderen kulturellen Stätten (ÖB 9.2020).

Übergriffe radikaler buddhistisch-nationalistischer Gruppierungen auf Minderheiten sind immer wieder öffentlich bemerkbar. Dabei werden insbesondere seit den Terroranschlägen Muslime mit rassistisch-aggressiver Rhetorik angegriffen (AA 18.12.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Rechtliche Einschränkungen für andere Religionen oder Ideologien, einschließlich der Freiheit zum Religionsübertritt, gibt es nicht (AA 18.12.2020). Für die vier vom Gesetz anerkannten Religionen (Buddhismus, Islam, Hinduismus und Christentum) gibt es für zentrale religiöse Körperschaften keine Registrierungspflicht. Neue religiöse Gruppen, einschließlich der Gruppen, die mit den vier anerkannten Religionen verbunden sind, müssen sich bei der Regierung registrieren lassen, um eine Genehmigung für den Bau neuer Gotteshäuser, Visa für religiöse Mitarbeiter (Missionare) bzw. Einwanderungsgenehmigungen zu erhalten, um Schulen zu betreiben und um Zuschüsse für den Religionsunterricht zu beantragen. Religiöse Organisationen können auch durch ein vom Parlament mit einfacher Mehrheit verabschiedetes Gesetz staatliche Anerkennung und die Erlaubnis zum Betrieb von Schulen beantragen (USDOS 12.5.2021).

Minderheiten

Nach dem 14. Zensus im Jahr 2011/2012 stellen die Singhalesen mit 74,9 Prozent die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von 11,2 Prozent Tamilen, 4,2 Prozent sog. Indian Tamils (Einwanderung während der britischen Kolonialzeit als Plantagenarbeiter) und 9,2 Prozent sog. Moors muslimischen Glaubens (AA 18.12.2020; vgl. CIA 8.6.2021).

Es gibt keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis. Allerdings gibt es weiterhin soziale Missstände insbesondere im Norden und Osten des Landes, die vom Bürgerkrieg am stärksten betroffen waren (AA 18.12.2020).

Der Zugang zu öffentlichen Diensten und Leistungen ist nach geltendem Recht für alle gleich. In der Praxis bestehen jedoch Ungleichheiten. Während Nicht-Singhalesen in der Zeit der Kolonialisierung einen bevorzugten Zugang zu wirtschaftlichen, bildungspolitischen und politischen Möglichkeiten genossen, verfolgten die Regierungen nach der Unabhängigkeit eine Politik, die darauf abzielte, Singhalesen zu begünstigen. Dies führte in der postkolonialen Zeit zu einer Umkehrung der horizontalen Ungleichheitsmuster der Kolonialzeit. Fast drei Jahrzehnte Bürgerkrieg vergrößerten die Kluft zwischen tamilischen Hindus und buddhistischen Singhalesen weiter (BS 2020). Darüber hinaus hat die Umsiedlu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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