Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** L*****, vertreten durch Skribe Rechtsanwaelte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R***** s.a *****, wegen 1.308,79 EUR sA, über den Ordinationsantrag nach § 28 JN den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Ordinationsantrag der klagenden Partei wird stattgegeben.
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger erhebt gegenüber der Beklagten, ein marokkanisches Flugunternehmen, (zum Teil an ihn abgetretene) Ansprüche auf Rückerstattung von Ticketkosten. Die Beklagte habe die bei ihr gebuchten Flüge von Wien-Schwechat nach Casablanca am 17. 7. 2020 und von Casablanca nach Wien-Schwechat am 7. 9. 2020 annulliert.
[2] Das vom Kläger angerufene Bezirksgericht Schwechat sprach mit rechtskräftigem Beschluss aus, dass es international nicht zuständig sei.
[3] Der Akt wurde nunmehr dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den in eventu gestellten Ordinationsantrag vorgelegt. Darin führt der Kläger aus, dass Österreich aufgrund des anzuwendenden Unionsrechts sicherstellen müsse, dass ein im Inland wohnhafter Fluggast seine Rechte nach der Fluggastrechte-VO 261/2004/EG wirksam wahrnehmen und durchsetzen könne. Der Sitz der Beklagten liege in einem Drittstaat. Eine Vollstreckung marokkanischer Entscheidungen in Österreich sei mangels Gegenseitigkeit nicht möglich.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben:
[5] Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 5 Nc 22/20k in einem vergleichbaren Fall das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ordination auf Basis unionsrechtlicher Grundsätze bejaht. Dazu wurde ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten für die hier in Rede stehenden Ansprüche nach der Fluggastrechte-VO nach Art 47 GRC einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sicherstellen müssen. Diesem unionsrechtlichen Verfahrensgrundrecht kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn der Kläger sonst gehalten wäre, seine Ansprüche außerhalb der Europäischen Union geltend zu machen. Bei einem ausreichenden Inlandsbezug haben die Mitgliedstaaten daher Fluggästen, die von einem in der Europäischen Union gelegenen Flughafen abfliegen, die Durchsetzung von in der Fluggastrechte-VO normierten Ansprüchen grundsätzlich auch gegen ein Flugunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat zu ermöglichen. Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall.
[6] Für die Auswahl des als zuständig zu bestimmenden Gerichts enthält § 28 JN keine ausdrücklichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung ist dabei auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (4 Nc 9/21t mwN). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung der vorliegenden Rechtssache an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen, weil der Abflugort im Sprengel dieses Gerichts gelegen war.
Textnummer
E133524European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0090NC00032.21M.1130.000Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022