Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Bott (Vorsitz) sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Kraschowetz-Kandolf und Maga. Fabsits als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. *****, und 2. *****, beide vertreten durch *****, Rechtsanwalt in *****, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt in *****, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt in *****, wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Kaufvertrags (Streitwert EUR 7 Mio.), über den Rekurs des Einschreiters *****, als Masseverwalter des Erstklägers ***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 28. Oktober 2021, 26 Cg 61/18s-65, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Ein Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
begründung:
Die Kläger begehren mit ihrer beim Erstgericht am 20. Dezember 2017 (zunächst zu 7 Cg 134/17k) eingebrachten Klage die Feststellung, dass der Kaufvertrag vom 14. Juni 2016 sowie der Nachtrag zum Kaufvertrag vom 14. Juni 2016, abgeschlossen zwischen dem Erstkläger als Verkäufer und der Beklagten als Käuferin unter Beitritt der Zweitklägerin und Mutter des Erstklägers, nichtig seien, in eventu unter anderem deren Aufhebung, gestützt auf die Geschäftsunfähigkeit des Erstklägers und auf Täuschungs- und Irreführungshandlungen der Beklagten.
Die Beklagte bestreitet und beantragt Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Verträge ordnungsgemäß zustande gekommen, der Erstkläger jedenfalls geschäftsfähig gewesen und die Kläger umfassend aufgeklärt worden seien.
Der Nebenintervenient, der den Kaufvertrag samt Nachtrag verfasst hat, tritt dem Verfahren auf der Seite der Beklagten bei.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. März 2020 (ON 45) wurde beiden Klägern die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, b und c sowie der Zweitklägerin darüber hinaus auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 5 ZPO bewilligt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 5. November 2020 zu 4 S 21/20y wurde über das Vermögen des Erstklägers das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 13. November 2020 (ON 61) wurde (deklarativ) ausgesprochen, dass das gesamte Verfahren aufgrund des genannten Eröffnungsbeschlusses seit 6. November 2020 unterbrochen ist und nur über Parteienantrag fortgesetzt wird. Im Rechtsstreit um die Feststellung der Nichtigkeit eines Kaufvertrags würden sämtliche Vertragsparteien eine notwendige Streitgenossenschaft bilden, weshalb die Unterbrechungswirkung das gesamte Verfahren erfasse.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 12. November 2020 (4 S 21/20y-16) wurde die bisherige Insolvenzverwalterin enthoben und der Einschreiter zum neuen Insolvenzverwalter bestellt.
Mit seinem Schriftsatz vom 4. August 2021 (ON 64 zur nunmehrigen GZ 26 Cg 61/18s) stellt der Insolvenzverwalter den Antrag, ihm die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a und c ZPO zu bewilligen; dies mit der Begründung, er plane, das anhängige Verfahren gemäß § 7 Abs 3 IO für die Insolvenzmasse aufzunehmen und so eine Verbesserung der Befriedigung der Gläubiger zu erzielen.
Mit dem angefochtenen Beschluss weist das Erstgericht diesen Antrag zurück.
Das Verfahren sei nach wie vor unterbrochen, eine Aufnahme desselben noch nicht beantragt, sondern nur angekündigt worden, dass diese geplant sei.
Nach Eintritt der Unterbrechungswirkung würden Verfahrenshandlungen einer Partei, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung geschaffenen Zustand Rechnung tragen oder der Erwirkung einer Verfahrensfortsetzung dienten, dem Gericht und dem Prozessgegner gegenüber ohne rechtliche Wirkung bleiben. Als zulässig erachtet würden nur Entscheidungen in sogenannten Nebenverfahren; unter anderem auch solche über bereits vor der Unterbrechung gestellte Verfahrenshilfeanträge. Eine Entscheidung über den im vorliegenden Fall erst nach der Unterbrechung gestellten Verfahrenshilfeantrag sei daher zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht möglich, was zu dessen Zurückweisung führen müsse.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Einschreiters aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, „die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen“.
Die Beklagte, die eine Rekursbeantwortung erstattet, beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass nach ganz gefestigter Judikatur das im Rekursverfahren grundsätzlich geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0042091, RS0108589) auch für das Rekursverfahren in Verfahrenshilfeangelegenheiten Geltung hat (Fucik in Rechberger/Klicka5 § 72 ZPO; Kodek in Rechberger/Klicka5 § 514 ZPO Rz 5; hg 6 R 12/20m, 3 R 53/20v, 2 R 64/20d uva). Es gilt also generell sowohl das Verbot, neue Ansprüche und neue Einreden zu erheben, als auch jenes, neue Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen. Das Neuerungsverbot ist grundsätzlich von Amts wegen zu beachten (Kodek aaO § 482 ZPO Rz 1; hg 3 R 53/20v).
Der Einschreiter hat sich in seinem Verfahrenshilfeantrag vom 4. August 2021 damit begnügt, ein fehlendes ausreichendes Barvermögen der Insolvenzmasse zur Erlegung von Kostenvorschüssen für zu erwartende Sachverständigengutachten und zur weiteren Führung des gegenständlichen Verfahrens sowie die fehlende Mutwilligkeit bzw. Aussichtslosigkeit der Prozessführung wie auch die fehlende Qualifikation der Gläubiger als wirtschaftlich wesentlich Beteiligte im Sinn des § 63 Abs 2 ZPO darzustellen.
Im Antrag findet sich zwar ein Hinweis auf den Umstand, dass das Verfahren wegen der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Erstklägers unterbrochen ist, und weiters ein solcher, dass der Einschreiter dessen Aufnahme beabsichtigt, jedoch keinerlei Auseinandersetzung mit der Frage, aus welchen Erwägungen die Stellung des Verfahrenshilfeantrags selbst trotz gesetzlich festgelegten Verfahrensstillstands und aufrecht bestehender Unterbrechungswirkung zulässig sein soll, was nach Auffassung des Rekursgerichts unabdingbare Voraussetzung für den zweifellos in Kenntnis dieser Umstände befindlichen Insolvenzverwalter gewesen wäre.
Mit seinen Rekursausführungen, in welchen sich der Einschreiter nahezu ausschließlich mit dieser Zulässigkeitsfrage und allenfalls möglichen Haftungen seiner Person durch eine Aufnahme des Verfahrens ohne Vorliegen einer (stattgebenden) Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag befasst, verstößt der Einschreiter in weiten Teilen gegen das genannte Neuerungsverbot, weshalb darauf schon grundsätzlich nicht einzugehen wäre.
Sollte jedoch davon auszugehen sein, dass die Zulässigkeit des Verfahrenshilfeantrags einen von Amts wegen wahrzunehmenden Umstand betrifft, der nicht dem Neuerungsverbot unterliegt (vgl 1 Ob 146/18d mwN), ist der Vollständigkeit halber auf die Rekursausführungen noch wie folgt einzugehen:
Gemäß § 7 Abs 1 IO werden – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die Unterbrechung des Rechtsstreits tritt durch die Konkurseröffnung, also kraft Gesetzes ein, und zwar auch im Schuldenregulierungsverfahren. Der üblicherweise gefasste Beschluss des Gerichts über den Eintritt der Unterbrechung hat daher nur deklarative Wirkung (Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, Rz 29 zu § 7 KO; RIS-Justiz RS0103501 u.a.).
Nach Eintritt der Unterbrechung sind Gerichtshandlungen, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung des Verfahrens geschaffenen Zustand Rechnung tragen, während des Stillstands des Verfahrens unzulässig (RIS-Justiz RS0036996). Zulässig ist jedoch, weil damit nur dem durch die Unterbrechung geschaffenen Zustand Rechnung getragen wird, die Zurückweisung von Prozesshandlungen der Parteien, die nach eingetretener Unterbrechung gesetzt wurden.
Nach Eintritt der Unterbrechungswirkung bleiben Verfahrenshandlungen einer Partei, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung geschaffenen Zustand Rechnung tragen oder der Erwirkung einer Verfahrensfortsetzung nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes dienen, dem Gericht und dem Prozessgegner gegenüber ohne rechtliche Wirkung (RIS-Justiz RS0036967). Eine inhaltliche Erledigung eines nach Eintritt der Unterbrechung eingebrachten Rechtsmittels wäre auch nur dann möglich, wenn das Rechtsmittel der Sicherung der Unterbrechungswirkung oder der Klärung der Frage dient, ob überhaupt eine Unterbrechung eingetreten ist (4 Ob 3/18x mwN). Trotz Unterbrechungswirkung könnte auch über sogenannte Nebenverfahren entschieden werden, in welchen etwa über Gebühren- und Kostenansprüche Dritter erkannt wird. Der Grund für diese Ausnahme besteht darin, dass die genannten Dritten von der Unterbrechungswirkung nicht erfasst sind und auch keine Möglichkeit haben, auf die Fortsetzung des Verfahrens Einfluss zu nehmen. In der Rechtsprechung wird es auch als zulässig angesehen, dass trotz Verfahrensstillstands zugunsten einer mittellosen Partei Entscheidungen über bereits vor der Unterbrechung gestellte Verfahrenshilfeanträge getroffen werden können (4 Ob 3/18x; Fink in Fasching/Konecny3 § 163 ZPO Rz 10 mwN aus der Rechtsprechung). Der Rekurswerber kann diesbezüglich auch nicht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu 15 R 152/98b (RIS-Justiz RW0000285) für seinen Standpunkt ins Treffen führen, betraf doch auch diese einen Sachverhalt, wo der Verfahrenshilfeantrag des späteren Gemeinschuldners zugleich mit der Klage, also ebenfalls vor Konkurseröffnung gestellt wurde. Dies wurde zutreffend damit begründet, dass auch dann, wenn die Streitteile keinen Fortsetzungsantrag stellen, Klarheit darüber geschaffen werden muss, ob der Kläger in den Genuss der beantragten Gebührenfreiheit kommt oder ob die (nicht unerheblichen) Gerichtsgebühren eingehoben werden müssen.
Es wurde auch ausgesprochen, dass von der Unterbrechungswirkung neben der Hauptsache liegende Verfahren nicht betroffen sind, insbesondere wenn es um die Rechtsposition von Dritten geht oder wenn eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung getroffen werden soll, was etwa für nicht prozessbetreibende Partei- und Gerichtshandlungen gilt (RIS-Justiz RW0000285).
Die Einbringung der Klage liegt – anders als eine Aufnahme/Fortsetzung eines unterbrochenen oder ruhenden Verfahrens – ausschließlich in der Disposition des Klägers. Er kann frei entscheiden, ob, zu welchem Zeitpunkt, in welchem Umfang und aus welchem Rechtsgrund er seinen Prozessgegner in Anspruch nimmt.
Mit einem solchen Sachverhalt ist jedoch der gegenständliche nicht vergleichbar, zumal der Erstkläger (Schuldner) im gegenständlichen Fall bereits mit der Klage einen Verfahrenshilfeantrag gestellt hat, der ihm in der Folge (vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens) – wie eingangs dargestellt – auch bewilligt wurde. Dabei kann nicht übersehen werden, dass gemäß § 64 Abs 3 ZPO im Falle der Bewilligung der Verfahrenshilfe die Befreiungen und Rechte nach Abs 2 grundsätzlich mit dem Tag eintreten, an dem sie beantragt wurden, die Befreiungen nach Abs 1 Z 1 lit b bis e jedoch wirksam noch bis zur Entrichtung dieser Kosten und Gebühren beantragt werden können. Im Hinblick darauf, dass gemäß § 2 Z 1 lit a GGG die Gebührenpflicht hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz bereits mit der Überreichung der Klage entsteht, erfordert dies zwingend die Stellung eines Verfahrenshilfeantrags hinsichtlich der lit a bereits mit dem Zeitpunkt der Klagseinbringung. Der Verfahrenshilfeantrag des Einschreiters gründet jedoch – wie dargestellt – vor allem auf die Behauptung eines nicht ausreichenden Barvermögens der Insolvenzmasse für die zu erwartenden Sachverständigengebühren, für die jedoch wie ausgeführt auch noch nachträglich eine Befreiung von der diesbezüglichen Kostentragungspflicht erreicht werden kann. Dass die Pauschalgebühr für die Klagseinbringung durch die bereits bewilligte Verfahrenshilfe abgedeckt ist, gesteht der Einschreiter im Antrag selbst zu. Behauptungen darüber, welche weiteren Gerichtsgebühren anfallen könnten, finden sich auch im Rechtsmittel nicht.
Insoweit damit argumentiert wird, dass sich nach „herrschender Ansicht“, die jedoch nicht weiter belegt wird, der Masseverwalter auf eine dem Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewilligte Verfahrenshilfe nicht berufen könne, sondern – wie bei einer Neuklage – auch vor der Fortsetzung einen eigenständigen Verfahrenshilfeantrag stellen muss, findet sich – soweit überblickbar – nur eine Lehrmeinung von M. Bydlinski (in Fasching/Konecny3 II/1 § 68 ZPO Rz 2), die jedoch den Rechtsstandpunkt des Rekurswerbers nicht zu stützen vermag. So wird die Ansicht vertreten, dass im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Partei die Verfahrenshilfe nicht ohne weiteres auf die Insolvenzmasse übergeht, zumal das Verfahren (vorerst) durch Unterbrechung (§ 7 IO) endet. Wird es vom oder gegen den Insolvenzverwalter fortgesetzt, hat dieser die Verfahrenshilfe neu zu beantragen, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob etwa hinreichend vermögende Insolvenzgläubiger als „wirtschaftlich Beteiligte“ im Sinn des § 63 Abs 2 ZPO vorhanden sind.
Auch daraus lässt sich nicht ableiten, dass der neu zu stellende Verfahrenshilfeantrag bereits zu einem Zeitpunkt gestellt werden kann, zu welchem die Unterbrechungswirkung noch andauert, um durch eine vom Gericht dann zu fällende bewilligende Entscheidung Gewissheit darüber zu erlangen, von einer sich im Laufe des fortzusetzenden Verfahrens entstehenden Gebührenpflicht befreit zu sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass im Falle der Fortsetzung frühestens gleichzeitig mit dem diesbezüglichen Antrag auch die Verfahrenshilfe beantragt werden kann.
Das Risiko, welchem sich der Einschreiter als Insolvenzverwalter im Rahmen eines Aufnahmeantrags ohne bereits vorliegende bewilligende Verfahrenshilfeentscheidung ausgesetzt sieht, kann ihm durch eine solche Entscheidung nach Auffassung des Rekursgerichts auch nicht abgenommen werden. Es trifft zwar zu, dass die Bewilligung der Verfahrenshilfe schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 63 Abs 1 ZPO unter anderem daran geknüpft ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint, jedoch ist dies einerseits eine Prüfpflicht, die das für den Verfahrenshilfeantrag zuständige Entscheidungsorgan (und nicht den Insolvenzverwalter) trifft, und andererseits bei noch ausständigen (wesentlichen) Beweisergebnissen – wie hier – nach der Judikatur noch nicht von offenbar aussichtsloser Prozessführung gesprochen werden kann (vgl 7 Ob 47/02s u.a.) und bei der Annahme von Aussichtslosigkeit schon grundsätzlich größte Zurückhaltung angebracht ist. Für sich allein könnte demnach ein bewilligter Verfahrenshilfeantrag eine Haftungsbefreiung eines Insolvenzverwalters wohl kaum begründen.
Richtig ist, dass die Insolvenzordnung in ihrem § 81 („Pflichten und Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters“) unter Abs 3 festlegt, dass der Insolvenzverwalter allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes verursacht, verantwortlich ist. Diese Haftung des Masseverwalters für die durch eine pflichtwidrige Führung seines Amtes verursachten Vermögensnachteile ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft. Sie greift nur ein, wenn der Masseverwalter/Insolvenzverwalter konkursspezifische Pflichten verletzt (RIS-Justiz RS0110545). Für den Kostenschaden des Gegners bei einem erfolglosen Aktivprozess einer unzulänglichen Masse würde sich jedoch die Haftung nicht nach § 81 Abs 3 KO, sondern nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen etwa nach § 1295 Abs 2 ABGB ergeben. Ist eine Konkursmasse zur Befriedigung einer allfälligen Kostenersatzforderung des obsiegenden Gegners unzulänglich, so haftet der Masseverwalter nur dann persönlich für den Kostenschaden, wenn ein pflichtgemäß handelnder Masseverwalter einer Konkursmasse, die auch einen gegnerischen Kostenersatzanspruch deckt, bei verständiger Würdigung der Erfolgsaussichten der Klageführung von dem Vorgehen zweifelsfrei abgesehen hätte. Dies wäre jedoch nach der auch vom Rekurswerber zitierten höchstgerichtlichen Entscheidung 8 Ob 3/07k nur dann der Fall, wenn der Masseverwalter etwa ohne jede Prüfung des Anspruchs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine Klage einbringt oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einem Unterliegen im Aktivprozess rechnete und sich mit der damit verbundenen Schädigungsmöglichkeit des obsiegenden Prozessgegners billigend abfand.
Abgesehen davon, dass – wie dargestellt – der Verfahrenshilfeantrag selbst keinerlei Ausführungen zu einem allfälligen Haftungsrisiko enthält und die diesbezüglich erstmals im Rekurs vorgetragenen Argumente am Neuerungsverbot scheitern, liegt hier kein Fall eines vom Insolvenzverwalter eingeleiteten Aktivprozesses vor, sondern erfolgte die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens lange nach Klagseinbringung durch den späteren Schuldner, womit sich nur mehr die Frage der Aufnahme dieses derzeit unterbrochenen Verfahrens stellt. Die Annahme einer (haftungsbegründenden) Aussichtslosigkeit der Prozessführung im derzeitigen Verfahrensstadium muss nach Auffassung des Rekursgerichts schon bei oberflächlicher Betrachtung daran scheitern, dass die wesentlichen Beweisergebnisse (Gutachten) unstrittig noch nicht vorliegen.
Wie bereits dargelegt, sind nach der Rechtsprechung nach der Unterbrechung des Verfahrens Parteihandlungen mit Ausnahme der Aufnahmehandlungen gemäß § 164 ZPO gegenüber dem Gericht und dem Prozessgegner ohne rechtliche Wirkung (RIS-Justiz RS0036967). Ein während eines gesetzlich angeordneten Verfahrensstillstands eingebrachter Verfahrenshilfeantrag mit dem Zweck, sich das Risiko eines Aufnahmeantrags abklären zu lassen, stellt zweifellos weder eine Aufnahmehandlung im dargestellten Sinn dar, noch betrifft es ein Nebenverfahren, in welchem eine meritorische gerichtliche Entscheidung zu ergehen hätte. Dagegen spricht auch der Umstand, dass ein unterbrochenes Verfahren schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 7 Abs 2 IO nicht nur vom Insolvenzverwalter, sondern auch von den Streitgenossen des Schuldners und vom Gegner aufgenommen werden kann. Bei Rechtsstreitigkeiten nach § 7 Abs 3 IO kann das Verfahren vor Abschluss der Prüfungstagsatzung zwar nicht aufgenommen werden, jedoch können anstelle des Insolvenzverwalters auch Insolvenzgläubiger, die die Forderung bei der Prüfungstagsatzung bestritten haben, das Verfahren aufnehmen. Selbst im Falle, dass dem Insolvenzverwalter vom Prozessgericht eine Frist zur Eintrittserklärung gesetzt wird (vgl § 8 Abs 2 IO), könnte dieser eine solche wohl kaum von der Bedingung einer ihm zuvor bewilligten Verfahrenshilfe abhängig machen. Seine Sorgfaltspflicht bei der Ausübung des Wahlrechts bleibt davon unberührt.
Dem Rekurswerber ist zuzustimmen, dass die Wirkungen des Ruhens grundsätzlich jenen der Unterbrechung des Verfahrens entsprechen (§ 168 ZPO). Demgemäß sind Gerichtshandlungen, die nicht bloß dem durch das Ruhen des Verfahrens geschaffenen Zustand Rechnung tragen, während des Stillstands des Verfahrens ebenso unzulässig wie Parteihandlungen. Die zu MietSlg 52.721 geäußerte Rechtsauffassung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, wonach ein (während der Unterbrechung) eingebrachter Verfahrenshilfeantrag zwar keinen Aufnahmeantrag darstelle, jedoch der Vorbereitung der Fortsetzung des Verfahrens diene und daher auch während des ruhenden Verfahrens zulässig sei, wird vom Rekursgericht in dieser allgemeinen Form des Leitsatzes nicht geteilt. Sie ist vereinzelt geblieben und auch nicht einschlägig, da sie keinen Fall einer insolvenzbedingten Unterbrechung betrifft, und trägt auch den Besonderheiten des gegenständlichen Falls nicht Rechnung, wo der Insolvenzverwalter die Bewilligung der Verfahrenshilfe ganz offensichtlich deshalb anstrebt, um sich – wie ausgeführt – das Haftungsrisiko einer Verfahrensaufnahme abnehmen zu lassen. Diesbezüglich weist die Rekursgegnerin zutreffend darauf hin, dass sich das (wirtschaftliche) Risiko einer Prozessführung und eines allfälligen Prozessverlusts bereits mit der Klagseinbringung verwirklicht hat. Der Verfahrenshilfeantrag stellt darüber hinaus weder eine Aufnahmehandlung dar noch eine solche, die die Unterbrechung selbst betrifft. Parteihandlungen für den „Bedarfsfall einer Fortsetzung des Verfahrens“ sind nach der Rechtsprechung unzulässig (vgl 9 ObA 3/96). Eine „höchstgerichtliche Rechtsprechung“, welche die Stellung eines Verfahrenshilfeantrags im Unterbrechungsstadium oder während eines ruhenden Verfahrens als zulässig erachtet hätte, existiert entgegen der Darstellung im Rechtsmittel nicht und wird auch nicht genannt.
Das Erstgericht ist demgemäß zutreffend mit einer Zurückweisung des gestellten Antrags vorgegangen, weshalb dem Rekurs ein Erfolg zu versagen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 72 Abs 3 letzter Satz ZPO. Ein Kostenersatz für Rekurse oder Rekursbeantwortungen gegen Beschlüsse über die Verfahrenshilfe findet nicht statt (OLG Wien zu 14 R 147/17s; Fucik in Rechberger/Klicka5 Rz 4 zu § 72).
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6
Textnummer
EG00201European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0639:2022:00600R00043.21X.0112.000Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022