TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/28 VGW-101/092/14246/2021

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Veröffentlicht am 28.12.2021
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Entscheidungsdatum

28.12.2021

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §1 Abs3
AWG 2002 §2 Abs1
AWG 2002 §2 Abs3
AWG 2002 §73 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Gerhard Kienast über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk) vom 23.8.2021, Zl. .../2020, betreffend Behandlungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.11.2021

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Ansuchen vom 11.11.2020 bat Frau C. die MA 48, sich des Missstands in der D.-gasse, Wien, anzunehmen; dort seien schon seit längerer Zeit zwei Fahrzeuge abgestellt.

Mit E-Mail vom 13.11.2020 teilte die MA 48 Frau C. mit, dass Übelstände auf Privatgrund in der Reinhalteverordnung geregelt seien, deren Vollzug dem Magistratischen Bezirksamt (MBA) obliegt.

Mit E-Mail vom 11.12.2020 informierte die MA 48 das MBA für den ... Bezirk davon, dass auf der Liegenschaft D.-gasse schon seit längerer Zeit zwei Fahrzeuge abgestellt seien, und zwar teils auf einer nicht befestigten Fläche und im Grünbereich.

Mit E-Mail vom 17.12.2020 ersuchte das MBA für den ... Bezirk die MA 22 um Überprüfung des Bürgeranliegens von Frau C. in abfallwirtschaftlicher Hinsicht.

Mit Schreiben vom 22.12.2020 informierte die MA 22 das MBA für den ... Bezirk davon, dass ein Amtssachverständiger für Abfallwirtschaft am 21.12.2020 auf der Liegenschaft D.-gasse einen Ortsaugenschein durchgeführt hatte; zum Zeitpunkt der Kontrolle befanden sich auf dem Grundstück Nr. .../14, EZ ... (KG E.), ein Altfahrzeug auf nicht flüssigkeitsdichtem Untergrund und auf dem (angrenzenden) Grundstück Nr. .../13, EZ ... (Adresse: F.-weg) vier Stück Fahrzeugbatterien auf unbefestigtem Untergrund. Bei diesen Sachen handle es sich um Abfall im objektiven Sinn.

Mit Schreiben vom 30.12.2020 teilte das MBA für den ... Bezirk dem Beschwerdeführer als Eigentümer der beiden näher genannten Grundstücke mit, dass auf seinen Grundstücken einerseits ein Altfahrzeug und andererseits Fahrzeugbatterien vorgefunden wurden, dass diese als Abfall zu qualifizieren seien und dass ein Behandlungsauftrag ergehen werde. Das MBA für den ... Bezirk forderte den Beschwerdeführer auf, hiezu binnen drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 1.2.2021 nahm der Beschwerdeführer ausführlich in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht Stellung.

Mit Schreiben vom 18.3.2021 ersuchte das MBA für den ... Bezirk die MA 22 unter Bezugnahme auf das Schreiben des Beschwerdeführers vom 1.2.2021 um Bekanntgabe, ob weiterhin unverändert auf dem Grundstück Nr. .../14 das Altfahrzeug (Citroën, silber, ohne polizeiliches Kennzeichen, teilzerlegt, auf Reifen „aufgedruckt“ und teilweise durch Pflanzen überwachsen) auf nicht flüssigkeitsdichtem Untergrund und auf dem Grundstück Nr. .../13 vier Stück Fahrzeugbatterien auf unbefestigtem Untergrund gelagert werden.

Mit Schreiben vom 28.5.2021 informierte die MA 22 das MBA für den ... Bezirk von ihrer Nachkontrolle am 20.5.2021: Das Altfahrzeug befinde sich weiterhin auf dem Grundstück Nr. .../14, KG E.; die Fahrzeugbatterien seien augenscheinlich von der Liegenschaft entfernt worden; ein zweites Fahrzeug, welches auf dem Grundstück Nr. .../13, KG E., gelagert und zum Kontrollzeitpunkt am 21.12.2020 nicht zugänglich war, habe begutachtet werden können; es handle sich aber aus abfalltechnischer Sicht um keinen Abfall iSd AWG 2002. Das bereits bei der Kontrolle am 21.12.2020 vorgefundene Fahrzeug sei mit einer Plane abgedeckt und der Ölfilter entfernt worden; deshalb sei aus abfalltechnischer Sicht das gegenständliche Altfahrzeug nunmehr der nicht gefährlichen Abfallart „Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und -teile ohne umweltrelevante Mengen an gefälligen Anteilen und Inhaltsstoffen“ mit der Abfallschlüsselnummer 35204 zuzuordnen. In Hinblick auf die Gefährdung der öffentlichen Interessen bleibe die Stellungnahme vom 20.12.2020 inhaltlich aufrecht, weil unter anderem zur Kontrolle am 20.5.2020 am Altfahrzeug ölige Teile festgestellt werden konnten.

Mit Bescheid vom 23.8.2021 trug der belangte Magistrat dem Beschwerdeführer als Abfallbesitzer und Eigentümer der Liegenschaft GSt-Nr. .../14, EZ ..., KG E. (D.-gasse) auf, den auf diesem Grundstück entgegen den Bestimmungen des AWG 2002 abgelagerten Abfall, und zwar das Altfahrzeug (Citroën, silber, ohne polizeiliches Kennzeichen, teilzerlegt, auf Reifen „aufgebockt“ und teilweise durch Pflanzen überwachsen auf nicht flüssigkeitsdichtem Untergrund, zugehörig der nicht gefährlichen Abfallart „Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und -teile, ohne umweltrelevante Mengen an gefälligen Anteilen und Inhaltsstoffen“ mit der Abfallschlüsselnummer 35204, gemäß Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003 idgF iVm ÖNORM S 2100 „Abfallverzeichnis“, ausgegeben am 1.10.2005) binnen einer Frist von drei Wochen zu entfernen.

Mit Schreiben vom 20.9.2021 zog der Beschwerdeführer diesen Bescheid (zeit- und formgerecht) in Beschwerde und beantragte die Aufhebung des Bescheids.

Mit Note vom 24.9.2021 legte der belangte Magistrat dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt vor, wo sie am 28.9.2021 einlangte.

Am 17.11.2021 fand vor dem erkennenden Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der neben dem Beschwerdeführer auch Frau DI G. H. als Amtssachverständige einvernommen wurden; aufgrund der komplexeren Rechtslage wurde nach Schluss der Verhandlung ein Erkenntnis nicht verkündet; die Verfahrensparteien verzichteten auf die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung.

II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf dem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstück Nr. .../14, EZ ..., KG E., Wien, D.-gasse, befindet sich ein Citroën, teilzerlegt und trockengelegt, mit ölverschmierten Teilen und Korrosionsschäden; er ist auf Reifen „aufgebockt“ und befindet sich auf nicht flüssigkeitsdichtem Untergrund; es handelt sich dabei aber um eine befestigte Fläche, die allerdings Risse aufweist. Das Fahrzeug befindet unter einer „Vollgarage“ (einer extra für Autos angefertigten Plane) und ist nicht frei zugänglich.

Das Fahrzeug ist an zwei Stellen mit zwei Stahlstreben, nämlich mit zwei Zaunstehern, verschweißt. Die Zaunsteher sind in das Zaunfundament einbetoniert. Das Fahrzeug dient als Stütze gegen den Druck, der von der Straßenseite auf den Zaunsockel wirkt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen im Verwaltungsakt, sind durch im Verwaltungsakt einliegende Fotos belegt und zwischen den Verfahrensparteien auch nicht strittig. Die Feststellungen zum Vorhandensein ölverschmierten Teile gründet in der Aussage der Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Erlassung des verfahrensgegenständlichen Behandlungsauftrags gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 hat unter anderem zur Voraussetzung, dass es sich beim gegenständlichen Fahrzeug um Abfall iSd § 2 Abs. 1 AWG 2002 handelt (VwGH 29.9.2016, Ro 2014/07/0041).

3.1.1. Zunächst bestreitet der Beschwerdeführer die Abfalleigenschaft des Fahrzeugs, weil es sich infolge der Verschweißung des Fahrzeugs mit der Einfriedung um keine bewegliche Sache iSd § 2 Abs. 1 AWG 2002 (mehr) handle. Diese Auffassung trifft nicht zu: § 2 Abs. 1 AWG 2002 ist im Lichte der unionsrechtlichen Vorgabe (nunmehr Rl 2008/98/EG) zu lesen (vgl. VwGH 24.1.2013, 2009/07/0112: „richtlinienkonforme Auslegung“), die in Art. 3 Z 1 statt von „beweglicher Sache“ von „Stoff oder Gegenstand“ spricht; es ist daher nicht primär der Sachenbegriff des ABGB maßgeblich. Es kommt auf die faktische Beweglichkeit des Gegenstandes an; es ist darauf abzustellen, ob eine Ortsveränderung ohne (wesentliche) Substanzverletzung möglich ist. Dies ist in casu der Fall, weil sich die zwei Schweißstellen, bei denen das Fahrzeug mit der Garteneinfriedung verbunden ist, trennen lassen, ohne dass es zu einem Substanzverletzung beim Fahrzeug kommen würde.

3.1.2. Mangels Absicht des Beschwerdeführers, sich des Fahrzeugs zu entledigen, und da er sich auch nicht bereits des Fahrzeugs entledigt hat, ist Abfall im subjektiven Sinn (§ 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002) nicht anzunehmen.

3.1.3.1. Da auch § 2 Abs. 3 AWG 2002 nicht zur Anwendung kommt, weil das Fahrzeug nach allgemeiner Verkehrsauffassung weder neu ist noch in einer für Fahrzeuge bestimmungsgemäßen Verwendung steht (auf die konkrete, vom Beschwerdeführer dem Fahrzeug zugewiesene Aufgabe [hier: Stütze des Zaunsockels] stellt das Gesetz nicht ab), ist zu prüfen, ob die Erfassung und Behandlung des Fahrzeugs als Abfall im öffentlichen Interesse geboten ist, ob somit das Fahrzeug vom objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 erfasst ist.

3.1.3.2. Nur klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass aus der vom belangten Magistrat vorgenommenen Zuteilung des gegenständlichen Fahrzeugs zur nicht gefährlichen Abfallart „Fahrzeuge, Arbeitmaschinen und -teile, ohne umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen“ mit der Abfallschlüsselnummer 35204 (gemäß Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100 „Abfallverzeichnis“) noch nicht auf die Abfalleigenschaft im objektiven Sinn gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 geschlossen werden kann, weil vor Einordnung in das Abfallverzeichnis in einem ersten Schritt das Vorliegen von Abfall iS eines Tatbestands des § 2 Abs. 1 Z 1 und 2 AWG 2002 zu prüfen ist (VwGH 23.4.2014, 2012/07/0053).

Das entscheidende Merkmal des objektiven Abfallbegriffs besteht nach § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 darin, dass die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung der beweglichen Sache als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen iSd § 1 Abs. 3 AWG 2002 nicht zu beeinträchtigen. Die öffentlichen Interessen iSd § 1 Abs. 3 AWG 2002 sind beeinträchtigt, wenn

„1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere und Pflanzen und der natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.“

Die Frage, ob die geordnete Erfassung und Behandlung der zu beurteilenden Sache als Abfall geboten sein muss, um die genannten abstrakten Gefahren abzuwenden, ist als Rechtsfrage von der Behörde bzw dem Verwaltungsgericht zu beantworten (VwGH 23.4.2014, 2012/07/0053).

3.1.3.2.1. Eine Gesundheitsgefährdung (§ 1 Abs. 3 Z 1 AWG 2002) ist gegenständlich nicht zu besorgen; anders als im dem Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2012, 2011/07/0233, zugrundeliegenden Fall ist das gegenständliche Fahrzeug nicht frei zugänglich abgestellt.

3.1.2.2.2. Für die Beeinträchtigung der in den Ziffern 5, 6, 7 und 8 des § 1 Abs. 3 AWG 2002 festgeschriebenen öffentlichen Interessen bestehen sachverhaltsbezogen keinerlei Anhaltspunkte.

3.1.3.2.3. Auch wenn die Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbilds (§ 1 Abs. 3 Z 9 AWG 2002) anspricht, so kann jedoch nicht von einer derartigen Beeinträchtigung, und schon gar nicht von einer erheblichen derartigen Beeinträchtigung, ausgegangen werden: Das Fahrzeug, das als solches unter einer Autoplane („Vollgarage“) verborgen bleibt, berührt das Landschaftsbild gar nicht, das Ortsbild keinesfalls in einer Intensität, dass von einer Beeinträchtigung gesprochen werden könnte.

3.1.3.2.4. Der belangte Magistrat sieht im bekämpften Bescheid eine Beeinträchtigung der nachhaltigen Nutzung von Wasser und Boden (§ 1 Abs. 3 Z 3 AWG 2002). Nach Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts vermögen (bloß) ölverschmierte Teile im konkreten Fall eine „nachhaltige“ Nutzung von Wasser und Boden nicht zu bewirken (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] § 1 Rz 37); zunächst erscheint der mögliche Eintrag aus ölverschmierten Teilen in den Boden (anders als freilich der Eintrag aus nicht trockengelegten Fahrzeugen) als zu gering, um dessen (oder des Grundwassers) nachhaltige Nutzung zu beeinflussen, zumal das Fahrzeug durch die „Vollgarage“ vor Regen und Schnee (somit vor „Auswaschen“) geschützt ist, was auch die von der Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht angesprochene Korrosion jedenfalls reduziert.

3.1.3.2.5. Der belangte Magistrat hat das gegenständliche Fahrzeug – nachdem es trockengelegt worden war – als einer nicht gefährlichen Abfallart (Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und -teile, ohne umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen) zugehörig qualifiziert. Das erkennende Verwaltungsgericht schließt daraus, dass damit sachverständig auch klargelegt ist, dass durch das Belassen des (ergo: nicht gefährlichen) Fahrzeugs keine Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können (§ 1 Abs. 3 Z 2 AWG 2002).

3.1.3.2.6. Der belangte Magistrat sah auch durch das Fahrzeug die Möglichkeit, dass die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt wird (§ 1 Abs. 3 Z 4 AWG 2002). Dieser Tatbestand setzt zunächst eine mögliche Verunreinigung der Umwelt voraus. Der VwGH erkannte dazu, dass dieser Tatbestand „keine ausdrückliche Geringfügigkeitsgrenze kennt“ (VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088). Da allerdings das AWG 2002 an die Abfalleigenschaft gravierende Rechtsfolgen knüpft, greift eine Qualifizierung als Abfall in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums des Eigentümers der Sache ein (vgl. etwa Piska, Das Recht des Abfallmanagements I – Grundlagen [2007] 255); daraus ergibt sich, dass der Eingriff verhältnismäßig zu sein hat, dass somit die mögliche Verunreinigung eine gewisse Gravität erreichen muss; insoweit besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen eine implizite Geringfügigkeitsgrenze (vgl. auch den dem Erkenntnis des VwGH 21.11.2012, 2012/07/0191, zugrundeliegenden Sachverhalt).

Diese Grenze scheint gegenständlich noch nicht überschritten: Bloß ölverschmierte Teile und Korrosionsschäden eines Fahrzeugs, das darüber hinaus durch eine über das Fahrzeug gelegte Plane witterungsgeschützt ist, erfordern nicht deren Behandlung im öffentlichen Interesse, insbesondere weil auch ein (hier: infolge Trockenlegung gar nicht [mehr] zu gewärtigende) Verlust von Betriebsmitteln eines Fahrzeugs dieses noch nicht (zwingend) zu Abfall macht (und zwar, wenn es [noch] in seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch ist; vgl. z.B. VwGH 30.9.2010, 2008/07/0170), der Gesetzgeber somit unter bestimmten Umständen und Voraussetzungen ein gewisses Maß an Beeinträchtigungen öffentlicher Interessen toleriert („Relativität des objektiven Abfallbegriffs“: Berl/Forster, Abfallwirtschftsrecht2 [2020], Rz 70).

In der Judikatur des VwGH ist die Abfalleigenschaft von Altautos, die noch Betriebsflüssigkeiten enthalten, insbesondere wenn sie sich auf unbefestigten Flächen befinden, unstrittig (vgl. VwGH 18.12.2014, 2012/07/0212; 25.7.2013, 2013/07/0032; 18.11.2010, 2007/07/0035). In casu enthält das Fahrzeug aber weder Betriebsmittel noch steht es auf unbefestigtem Grund; deshalb erscheint dem erkennenden Verwaltungsgericht diese Judikatur nicht einschlägig; es erachtet die mögliche Verunreinigung der Umwelt durch das konkrete Fahrzeug als zu wenig erheblich, um die Schwelle zur Qualifizierung einer Sache als Abfall iSd § 1 Abs. 3 Z 4 AWG 2002 zu überschreiten.

3.1.3.3. Da nach Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts das gegenständliche Fahrzeug somit weder unter den subjektiven Abfallbegriff iSd § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 noch unter den objektiven Abfallbegriff iSd § 1 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 fällt, lag folglich kein Abfall vor, weshalb sich der gegenständliche auf § 73 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 gestützte Behandlungsauftrag als rechtswidrig erweist; er war daher spruchgemäß aufzuheben. 

3.2. Die ordentliche Revision ist trotz der Situationsbezogenheit jeder Beurteilung einer Sache als Abfall zulässig, weil – soweit zu sehen – noch keine Rechtsprechung des VwGH dazu besteht, ob bereits jede (noch so geringe) Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 3 AWG 2002 angesprochenen öffentlichen Interessen die Behandlung der Sache als Abfall erfordert und damit zur Qualifikation der Sache als Abfall im objektiven Sinn führt oder ob es dazu erst einer gewissen Gravität der (möglichen) Beeinträchtigung bedarf.

Schlagworte

Behandlungsauftrag; bewegliche Sache; Abfalleigenschaft; subjektiver Abfallbegriff; objektiver Abfallbegriff; öffentliches Interesse; Gesundheitsgefährdung; Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbilds; nachhaltige Nutzung von Wasser und Boden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.101.092.14246.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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