Entscheidungsdatum
31.08.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W144 2232092-1/13E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. von Serbien, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen die Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.05.2020, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF), ein volljähriger Staatsangehöriger von Serbien, wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.11.2011 wegen des Verbrechens des Raubes gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Jahren verurteilt.
Mit Bescheid vom 14.01.2012 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG 2005 idgF. Begründend wurde insbesondere dargelegt, dass der BF zur Finanzierung seines Lebensunterhalts Banküberfälle begangen habe. Die Gefährlichkeit seines Verhaltens zeige sich anhand des Umstandes, dass er über einen Zeitraum von zirka neun Jahren fünf Banküberfälle begangen habe, wenn es ihm nicht möglich gewesen sei, seinen Lebensunterhalt auf legale Weise zu finanzieren. Auch seine familiären Bindungen hätten ihn nicht davon abgehalten, ständig straffällig zu werden. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bindungen ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten könnten. Es sei nicht möglich, eine günstige Zukunftsprognose zu stellen.
Der BF wurde nach teilweiser Verbüßung der Freiheitsstrafe am 08.01.2015 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus der Strafhaft entlassen und reiste am gleichen Tag freiwillig mit Unterstützung durch den Verein Menschenrechte Österreich nach Serbien aus.
Am 31.01.2020 beantragte der BF im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters die Aufhebung des Aufenthaltsverbots und führte dazu aus, er sei vor fünf Jahren nach Serbien abgeschoben worden und halte sich seither dort auf. Er habe in Serbien wieder geheiratet und lebe dort mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern. In Serbien sei er unbescholten und verdiene monatlich rund 43.000,-- Dinar. In Österreich würden seine geschiedene Frau sowie seine beiden Kinder im Alter von 18 und 16 Jahren leben, zu welchen immer wieder telefonischer Kontakt bestehe und die ihn in Serbien besuchen würden. Er wolle zu seiner Cousine und seinem Cousin samt deren Familien in Frankreich sowie zu sehr guten Freunden in Holland und Schweden wieder persönlichen Kontakt aufnehmen können. In Vorlage gebracht wurden eine beglaubigte deutsche Übersetzung eines serbischen Strafregisterauszuges und eine Bescheinigung in serbischer Sprache über das Nettoeinkommen des BF von Oktober bis Dezember 2019 samt beglaubigter deutscher Übersetzung.
Mit Schreiben vom 12.02.2020 verständigte das BFA den BF über die beabsichtigte Abweisung seines Antrages, ersuchte um die Beantwortung von Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen und gewährte eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme.
Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung des BFA vom 06.05.2020 wurde der Antrag des BF vom 31.01.2020 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 14.01.2012 erlassenen Aufenthaltsverbots gemäß § 69 Abs. 2 FPG idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von Euro 6,50 gemäß § 78 AVG idgF binnen zwei Wochen aufgetragen (Spruchpunkt II.).
Gegen diese am 11.05.2020 dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF zugestellte Erledigung erhob der BF am 02.06.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Nach Neuzuweisung der gegenständlichen Rechtssache im Juni 2020 erging ein Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an das BFA zur ordnungsgemäßen Aktenvorlage.
Auf entsprechende Aufforderung seitens des Bundesverwaltungsgerichts langten am 09.02.2021 eine Kopie des aktuellen serbischen Reisepasses des BF, eine Bescheinigung aus der Strafevidenz des serbischen Innenministeriums samt beglaubigter deutscher Übersetzung und serbische Versicherungsdatenauszüge samt beglaubigter deutscher Übersetzung ein.
Im Juni 2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W144 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird der oben dargelegte Verfahrensgang.
Die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift der als Bescheid bezeichneten Erledigung des BFA vom 06.05.2020 bezeichnet auf der Seite 9 „Glück“ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als Genehmiger. Über diesem Namen befindet sich folgender, mit blauem Kugelschreiber angefertigter Schriftzug:
Hinweise auf eine elektronische Genehmigung enthält die Urschrift nicht.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere der darin aufliegenden Urschrift der als Bescheid bezeichneten Erledigung des BFA, dem Rückschein, sowie den Angaben des BF, gegen welchen behördlichen Akt sich seine Beschwerde richtet.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
Von der Frage der Genehmigung einer Erledigung (der Willensbildung, verkörpert in der Urschrift) ist jene der Frage der Bekanntgabe der Erledigung durch die Übermittlung (Zustellung) der schriftlichen Ausfertigung der Erledigung zu unterscheiden. Die behördeninterne Genehmigung der Entscheidung wird - seit der Novelle BGBl. 1990/357 - in Abs. 3, die Ausfertigung dieser Entscheidung an die Partei in Abs. 4 des § 18 AVG geregelt. Dementsprechend betonen Rechtsprechung und Lehre, dass ein Mangel der Urschrift auch nicht durch eine fehlerfreie Ausfertigung saniert werden kann. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann vielmehr eine Ausfertigung nur dann rechtliche Wirkungen zeitigen, wenn ihr eine gemäß § 18 Abs. 3 AVG genehmigte Erledigung (und nicht bloß ein Bescheidentwurf) zugrunde liegt. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. VwGH 04.06.2020, Ra 2020/22/0042, unter Verweis auf VwGH 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, muss die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018, und VwGH 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn von § 18 Abs. 3 AVG ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein „individueller Schriftzug“ sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen. Eine Paraphe ist keine Unterschrift (vgl. VwGH 21.08.2020, Ra 2020/02/0165, mit Verweisen auf VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051, und VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389).
Allein der Umstand, dass eine Person in verschiedenen Situationen mit unterschiedlichen Schriftzügen unterschreibt, lässt nicht zwingend den Rückschluss zu, dass einer der Schriftzüge nicht als Unterschrift zu werten wäre. Dasselbe gilt sinngemäß für den Fall, dass der Unterfertigende aus welchen Gründen auch immer seine Unterschrift geändert haben sollte (vgl. VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051).
3.2. Im vorliegenden Fall erfüllt der Schriftzug der im Verwaltungsakt aufliegenden, als „Bescheid“ bezeichneten Erledigung des BFA vom 06.05.2020 nicht die Merkmale einer Unterschrift.
Dieser Schriftzug lässt keine Buchstaben erkennen und es vermag nicht einmal der Anfangsbuchstabe des Familiennamens des Genehmigenden („ XXXX “) daraus abgeleitet werden. Auch wenn die Anzahl der Schriftzeichen der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen muss, lässt sich aus dem Gesamtbild des Schriftzuges für jemanden, der den aus fünf Buchstaben bestehenden Namen des Genehmigenden kennt, nicht herauslesen, dass dieser den Namen des Genehmigenden abbilden soll. Selbst wenn dem Zeichen auf der Urschrift der Erledigung – in Kenntnis des Nachnamens des Genehmigers und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz – die Ansätze des Buchstabens „ XXXX “ entnommen werden könnten, liegt sohin jedenfalls kein Buchstabengebilde vor, aus dem der Name des Genehmigers in Kenntnis desselben noch in irgendeiner Form ableitbar wäre. Das Ende des Schriftzuges verläuft in einer leicht schrägen horizontalen Linie und daraus lässt sich mangels Erkennbarkeit von vorangehenden Buchstaben nicht ableiten, dass damit infolge eines starken Abschleifungsprozesses weitere nicht lesbare Buchstaben angedeutet werden sollten (siehe dazu auch VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051).
Der auf der Urschrift angebrachte Schriftzug stellt damit eine bloße Paraphe dar, die nach der Rechtsprechung keine Unterschrift ist.
Der (als „Bescheid“ bezeichneten) Erledigung des BFA vom 06.05.2020 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität.
Liegt kein Bescheid vor, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zu einem meritorischen Abspruch über das gegen die Erledigung erhobene Rechtsmittel zur Folge. Die Zuständigkeit reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. VwGH 28.02.2018, Ra 2015/06/0125).
Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 28.04.2021, Zl. W247 1262945-3, BVwG 26.03.2021, Zl. W112 2217194-1, und BVwG 29.09.2020, Zl. W237 2226718-1).
3.3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf eine ohnehin klare Rechtslage als auch auf eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen, welche bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben wurde. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass es sich bei der Beurteilung, ob ein Schriftgebilde die oben genannten Merkmale aufweist und daher als Unterschrift anzusehen ist, um eine einzelfallbezogene Frage handelt, die nur dann revisibel ist, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt ist (vgl. VwGH 20.04.2017, Ra 2017/20/0095).
Schlagworte
Genehmigung Nichtbescheid Organwalter UnterschriftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2232092.1.00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
20.01.2022