Entscheidungsdatum
07.09.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W158 2217957-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde der N XXXX R XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und N XXXX R XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass N XXXX R XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des Bescheids werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 28.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Am selben Tag wurde die BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Oberösterreich niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach ihren Fluchtgründen führte die BF aus, sie glaube nicht an den Islam und habe deswegen Angst, umgebracht zu werden. Außerdem fürchte sie sich vor den Brüdern ihres Mannes, die diesen bereits vor mehreren Jahren umgebracht hätten.
I.3. Am 10.12.2018 wurde die BF vom zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Die BF wurde dabei u.a. zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Identität, ihren Lebensumständen in Afghanistan, ihren Familienangehörigen und ihren Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die die BF bewogen, ihre Heimat zu verlassen, gab sie an, sie sei aufgrund ihrer Arbeit für die UNO im Bereich der Frauenrechte bedroht worden. Außerdem sei sie eine „Art Atheistin“ gewesen, weswegen sie ebenfalls bedroht worden sei. Darüber hinaus wäre einer ihrer Tochter mit ihrer Unterstützung vor einer Zwangsheirat mit Verwandten geflohen. Diese Verwandten hätten daraufhin die zweite Tochter ebenfalls zwangsverheiraten wollen und die gesamte Familie bedroht.
I.4. Mit Bescheid vom 20.03.2019, der BF am 26.03.2019 durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Dazu führte das BFA mit näherer Begründung aus, dass die BF ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen habe können. Die BF könne nach Kabul zurückkehren, wo sie bereits gelebt habe. Der Antrag der BF sei daher abzuweisen gewesen. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr der BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.
I.5. Mit Verfahrensanordnung vom 21.03.2019 wurde der BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.6. Am 17.04.2019 erhob die BF Beschwerde in vollem Umfang wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und der Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragte, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und ihr den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid „ersatzlos“ zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
In der Beschwerde wird die Beweiswürdigung bestritten. Die entgegen der Ansicht des BFA glaubhaften Aussagen der BF würden eine Zuerkennung des Status der Asylberechtigten rechtfertigen. Unabhängig davon lasse die Sicherheits- und Versorgungslage in ganz Afghanistan eine Rückkehr nicht zu.
I.7. Am 25.04.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.8. Am 29.06.2020 und am 21.08.2020 legte die BF Integrationsunterlagen ihrer Kinder vor.
I.9. Am 15.01.2021 zeigte die im Spruch genannte Vertreterin ihre Bevollmächtigung an.
I.10. Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die gegenständliche Rechtssache der bisher zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der erkennenden Gerichtsabteilung am 05.07.2021 neu zugewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend die BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
- Einsicht in die in das Verfahren eingeführte Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat sowie die von der BF vorgelegten Unterlagen;
- Einsicht in das Strafregister, in das Grundversorgungssystem und in das Zentrale Melderegister.
II. Feststellungen:
II.1. Zur Person der BF:
Die BF führt den Namen N XXXX R XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist Staatsangehörige von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensrichtung an. Sie fühlt sich ihrem Glauben nicht verbunden und übt ihn nicht aus. Ihre Muttersprache ist Dari, das sie in Wort und Schrift beherrscht.
Die BF wurde in G XXXX -e-D XXXX im Bezirk C XXXX in der Provinz Parwan geboren und ist dort aufgewachsen. Zuletzt lebte sie in der Stadt Kabul in einem großen Eigentumshaus. Sie hat die Schule mehrere Jahre besucht und danach eine Ausbildung zur Lehrerin abgeschlossen. Nach ihrer Heirat war die BF zwei Jahre berufstätig. Danach wurde sie von ihrem Mann versorgt. Nachdem ihr Mann 2002 verstarb, arbeitete die BF von 2002 bis 2011 als Lehrerin, Sozialarbeiterin, Betreuerin und Trainerin, unter anderem für UN Habitat. Die BF lebte danach mehrere Jahre in Indien, wo sie vom UNCHR als Flüchtling anerkannt wurde.
Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie ist strafrechtlich unbescholten.
Mit der BF sind zwei Töchter und ein Sohn nach Österreich eingereist. Ihre Kinder haben ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In Bezug auf ihre Töchter H XXXX , geb. XXXX (W158 2217956-1), und R XXXX , geb. XXXX (W158 2217958-1), wurde diesen Anträgen in Bezug auf den Status der Asylberechtigten stattgegeben. Der Antrag ihres Sohnes A XXXX , geb. XXXX , wurde vom BFA vollinhaltlich abgewiesen. Dagegen hat ihr Sohn Beschwerde erhoben. Das Beschwerdeverfahren ist zu W158 2217954-1 anhängig. Eine weitere Tochter der BF lebt in Australien.
II.2. Zu den Fluchtgründen der BF:
Die Taliban haben in Afghanistan so gut wie kampflos die Macht übernommen. In ersten Wortmeldungen erklärten die Taliban eine Generalamnestie für alle Regierungsmitarbeiter und alle Afghanen, die mit den ausländischen Militärs zusammengearbeitet hätten. Weiters gaben die Taliban unter anderem an, dass auch die Frauenrechte geachtet werden würden, dies allerdings nur innerhalb der Regeln der Scharia. Demnach müssten Frauen ein Kopftuch oder eine Burka tragen, könnten allerdings alleine auf die Straße und arbeiten gehen. Ebenso dürften Mädchen Schulen besuchen.
In der internationalen Staatengemeinschaft werden diese Versprechen der Taliban aufgrund der bisherigen Erfahrungen, ihrem Verhalten in ihrer früheren Herrschaft, aber auch wegen der Ermordung des Chefs des Informationszentrums der Taliban elf Tage vor der Pressekonferenz durch die Taliban selbst sowie der aktuellen Berichtslage über ausgesprochene Verbote und Tötungen stark angezweifelt. Es gibt bereits Berichte über Verletzungen dieser Ankündigungen. Mittlerweile haben die Taliban (vor allem arbeitende) Frauen aufgerufen, vorerst zu Hause zu bleiben, da manche Taliban-Mitglieder noch nicht gelernt hätten, den Frauen kein Leid zuzufügen. Bis diese im Umgang mit Frauen geschult würden, sollten Frauen zu ihrem eigenen Schutz vorerst zu Hause bleiben.
Die BF hat ihren Kindern im Bundesgebiet den Besuch mehrere Bildungsangebote ermöglicht. Alle Kinder haben den Pflichtschulabschluss bestanden.
Die BF als ehemalige Lehrerin und Trainerin im Bereich der Frauenrechte, die auch am Gesellschaftsleben teilnehmen möchte und sich ihrem Glauben nicht verbunden fühlt und diesen nicht ausübt, würde bei einer Rückkehr Repressalien von Einschüchterungen über Bedrohungen bis hin zu einer möglichen Ermordung ausgesetzt sein.
II.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
II.3.1. Sonderkurzinformation 17.08.2021
Der afghanische Präsident Ashraf Ghani ist angesichts des Vormarsches der Taliban auf Kabul außer Landes geflohen. Laut al-Jazeera soll das Ziel Taschkent in Usbekistan sein. Inzwischen haben die Taliban die Kontrolle über den Präsidentenpalast in Kabul übernommen. Suhail Schahin, ein Unterhändler der Taliban bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, versicherte den Menschen in Kabul eine friedliche Machtübernahme und keine Racheakte an irgendjemanden zu begehen (tagesschau.de 15.8.2021).
Am 15.08.21 haben die Taliban mit der größtenteils friedlichen Einnahme Kabuls und der Besetzung der Regierungsgebäude und aller Checkpoints in der Stadt den Krieg für beendet erklärt und das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen. Man wünsche sich friedliche Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft. Die erste Nacht unter der Herrschaft der Taliban im Land sei ruhig verlaufen. Chaotische Szenen hätten sich nur am Flughafen in Kabul abgespielt, von welchem sowohl diplomatisches Personal verschiedener westlicher Länder evakuiert wurde als auch viele Afghanen versuchten, außer Landes zu gelangen. Den Taliban war es zuvor gelungen, innerhalb kürzester Zeit fast alle Provinzen sowie alle strategisch wichtigen Provinzhauptstädte wie z.B. Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Kunduz einzunehmen. In einigen der Städte seien Gefängnisse gestürmt und Insassen befreit worden (BAMF 16.8.2021; vgl. bbc.com o.D., orf.at 16.8.2021).
Die Taliban zeigten sich am Sonntag gegenüber dem Ausland unerwartet diplomatisch. „Der Krieg im Land ist vorbei“, sagte Taliban-Sprecher Mohammed Naim am Sonntagabend dem Sender al-Jazeera. Bald werde klar sein, wie das Land künftig regiert werde. Rechte von Frauen und Minderheiten sowie die Meinungsfreiheit würden respektiert, wenn sie der Scharia entsprächen. Man werde sich nicht in Dinge anderer einmischen und Einmischung in eigene Angelegenheiten nicht zulassen (orf.at 16.8.2021a).
Schätzungen zufolge wurden seit Anfang 2021 über 550.000 Afghanen durch den Konflikt innerhalb des Landes vertrieben, darunter 126.000 neue Binnenvertriebene zwischen dem 7. Juli 2021 und dem 9. August 2021. Es gibt zwar noch keine genauen Zahlen über die Zahl der Afghanen, die aufgrund der Feindseligkeiten und Menschenrechtsverletzungen aus dem Land geflohen sind, es deuten aber Quellen darauf hin, dass Zehntausende von Afghanen in den letzten Wochen internationale Grenzen überquert haben (UNHCR 8.2021).
Der Iran richtete angesichts des Eroberungszugs der militant-islamistischen Taliban im Nachbarland Pufferzonen für Geflüchtete aus dem Krisenstaat ein. Die drei Pufferzonen an den Grenzübergängen im Nord- sowie Südosten des Landes sollen afghanischen Geflüchteten vorerst Schutz und Sicherheit bieten. Indes schloss Pakistan am Sonntag einen wichtigen Grenzübergang zu seinem Nachbarland. Innenminister Sheikh Rashid verkündete die Schließung des Grenzübergangs Torkham im Nordwesten Pakistans am Sonntag, ohne einen Termin für die Wiedereröffnung zu nennen. Tausende Menschen säßen auf beiden Seiten der Grenze fest (orf.at 16.8.2021b).
Mittlerweile baut die Türkei an der Grenze zum Iran weiter an einer Mauer. Damit will die Türkei die erwartete Ankunft von afghanischen Flüchtlingen verhindern (Die Presse 17.8.2021).
Medienberichten zufolge haben die Taliban in Afghanistan Checkpoints im Land errichtet und sie kontrollieren auch die internationalen Grenzübergänge (bisherige Ausnahme: Flughafen Kabul). Seit Besetzung der strategischen Stadt Jalalabad durch die Taliban, wurde eine Fluchtbewegung in den Osten (Richtung Pakistan) deutlich erschwert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Afghanen aus dem westlichen Teil des Landes oder aus Kabul nach Pakistan gelangen ist gegenwärtig eher gering einzuschätzen. Es ist naheliegender, dass Fluchtrouten ins Ausland über den Iran verlaufen. Es ist jedoch auch denkbar, dass die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung Afghanistans (statt einer Route über den schiitisch dominierten Iran) stattdessen die nördliche, alternative Route über Tadschikistan oder auch Turkmenistan wählt. Bereits vor zwei Monaten kam es laut EU-Kollegen zu einem Anstieg von Ankünften afghanischer Staatsbürger in die Türkei. Insofern ist davon auszugehen, dass eine erste Migrationsbewegung bereits stattgefunden hat. Pakistan gibt laut Medienberichten an, dass der Grenzzaun an der afghanisch-pakistanischen Grenze halte (laut offiziellen Angaben sind etwa 90 Prozent fertiggestellt) (VB 17.8.2021).
Laut Treffen mit Frontex, kann zur Türkei derzeit noch keine Veränderung der Migrationsströme festgestellt werden. Es finden täglich nach Schätzungen ca. max. 500 Personen ihren Weg (geschleust) vom Iran in die Türkei. Dies ist aber keine außergewöhnlich hohe Zahl, sondern eher der Durchschnitt. Der Ausbau der Sicherung der Grenze zum Iran mit Mauer und Türmen schreitet immer weiter voran, und nach einstimmiger Meinung von Mig VB und anderen Experten kann die Türkei mit ihrem Militär (Hauptverantwortlich für die Grenzsicherung) und Organisationen (Jandarma, DCMM) jederzeit, je nach Bedarf die illegale Einreise von Flüchtlingen aus dem Iran kontrollieren. Die Türkei ist jedoch - was Afghanistan angeht - mit sehr hohem Interesse engagiert. Auch die Türkei möchte keine neunen massiven Flüchtlingsströme über den Iran in die Türkei (VB 17.8.2021a).
IOM muss aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration mit sofortiger Wirkung weltweit aussetzen. Die Aussetzung der freiwilligen Rückkehr erfolgt bis auf Widerruf (IOM 16.8.2021).
Während die radikalislamischen Taliban ihren Feldzug durch Afghanistan vorantreiben, gehören Frauen und Mädchen zu den am meisten gefährdeten Gruppen. Schon in der letzten Regierungszeit der Taliban (1996–2001) herrschten in Afghanistan extreme patriarchale Strukturen, Misshandlungen, Zwangsverheiratungen sowie strukturelle Gewalt und Hinrichtungen von Frauen. Die Angst vor einer Wiederkehr dieser Gräueltaten ist groß. Eifrig sorgten Kaufleute in Afghanistans Hauptstadt Kabul seit dem Wochenende bereits dafür, Plakate, die unverschleierte Frauen zeigten, aus ihren Schaufenstern zu entfernen oder zu übermalen – ein Sinnbild des Gehorsams und der Furcht vor dem Terror der Taliban (orf.at 17.8.2021).
Quellen:
• BAMF (16.8.2021): Briefing Notes, per Email
• bbc.com (o.D.): Afghanistan: US takes control of Kabul airport to evacuate staff from countryhttps://www.bbc.com/news/world-asia-58227029, Zugriff 16.8.2021
• Die Presse (17.8.2021): Die Türkei schottet sich mit Mauer gegen Flüchtlinge ab, https://www.diepresse.com/6021855/die-turkei-schottet-sich-mit-mauer-gegenfluchtlinge-ab, Zugriff 17.8.2021
• IOM (16.8.2021): Aussetzung der Freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, per Email
• orf.at (16.8.2021): Krieg in Afghanistan ist vorbei, https://orf.at/stories/3225020/, Zugriff 16.8.2021
• orf.at (16.8.2021a): Verzweifelte Fluchtversuche aus Kabul, https://orf.at/stories/3225106/, Zugriff 17.8.2021
• orf.at (16.8.2021b): Nachbarländer in großer Unruhe, https://orf.at/stories/3225071/, Zugriff 17.8.2021
• orf.at (17.8.2021): Ein Alptraum für Frauen, https://orf.at/stories/3225041/, Zugriff 17.8.2021
• tagesschau.de (15.8.2021): Präsident Ghani ins Ausland geflohen, https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-kabul-ghani-101.html, Zugriff 16.8.2021
• UNHCR (8.2021): UNHCR Position on Returns to Afghanistan, Refworld | UNHCR Position on Returns to Afghanistan, Zugriff 17.8.2021
• VB – Verbindungsbeamtin des BM.I für Thailand/Pakistan [Österreich] (17.8.2021): Auskunft des VB, per Email
• VB – Verbindungsbeamter des BM.I für Türkei [Österreich] (17.8.2021a): Auskunft des VB, per Email
II.3.2. Kurzinformation der Staatendokumentation vom 20.08.2021
Aktuelle Lage
Die Spitzenpolitiker der Taliban sind aus Katar, wo viele von ihnen im Exil lebten, nach Afghanistan zurückgekehrt. Frauen werden Rechte gemäß der Scharia [islamisches Recht] genießen, so der Sprecher der Taliban. Nach Angaben des Weißen Hauses haben die Taliban versprochen, dass Zivilisten sicher zum Flughafen von Kabul reisen können. Berichten zufolge wurden Afghanen auf dem Weg dorthin von Taliban-Wachen verprügelt. Lokalen Berichten zufolge sind die Straßen von Kabul ruhig. Die Militanten sind in der ganzen Stadt unterwegs und besetzen Kontrollpunkte (bbc.com o.D.a).
Die internationalen Evakuierungsmissionen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Ortskräften aus Afghanistan gehen weiter, immer wieder gibt es dabei Probleme. Die Angaben darüber, wie viele Menschen bereits in Sicherheit gebracht werden konnten, gehen auseinander, die Rede ist von 2.000 bis 4.000, hauptsächlich ausländisches Botschaftspersonal. Es mehren sich aktuell Zweifel, dass auch der Großteil der Ortskräfte aus dem Land gebracht werden kann. Bei Protesten gegen die Taliban in Jalalabad wurden unterdessen laut Augenzeugen drei Menschen getötet (orf.at o.D.a).
Jalalabad wurde kampflos von den Taliban eingenommen. Mit ihrer Einnahme sicherte sich die Gruppe wichtige Verbindungsstraßen zwischen Afghanistan und Pakistan. Am Mittwoch (18.8.2021) wurden jedoch Menschen in der Gegend dabei gefilmt, wie sie zur Unterstützung der alten afghanischen Flagge marschierten, bevor Berichten zufolge in der Nähe Schüsse abgefeuert wurden, um die Menschenmenge zu zerstreuen. Das von den Taliban neu ausgerufene Islamische Emirat Afghanistan hat bisher eine weiße Flagge mit einer schwarzen Schahada (Glaubensbekenntnis) verwendet. Die schwarz-rot-grüne Trikolore, die heute von den Demonstranten verwendet wurde, gilt als Symbol für die abgesetzte Regierung. Der Sprecher der Taliban erklärte, dass derzeit Gespräche über die künftige Nationalflagge geführt werden, wobei eine Entscheidung von der neuen Regierung getroffen werden soll (bbc.com o.D.b).
Während auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter der Ausnahmezustand herrscht, hat es bei einer Kundgebung in einer Provinzhauptstadt erneut Tote gegeben. In der Stadt Asadabad in der Provinz Kunar wurden nach Angaben eines Augenzeugen mehrere Teilnehmer einer Kundgebung zum afghanischen Nationalfeiertag getötet. Widerstand bildete sich auch im Panjshirtal, eine Hochburg der Tadschiken nordöstlich von Kabul. In der „Washington Post“ forderte ihr Anführer Ahmad Massoud, Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Waffen für den Kampf gegen die Taliban. Er wolle den Kampf für eine freiheitliche Gesellschaft fortsetzen (orf.at o.D.c).
Einem Geheimdienstbericht für die UN zufolge verstärken die Taliban die Suche nach "Kollaborateuren". In mehreren Städten kam es zu weiteren Anti-Taliban-Protesten. Nach Angaben eines Taliban-Beamten wurden seit Sonntag mindestens 12 Menschen auf dem Flughafen von Kabul getötet. Westliche Länder evakuieren weiterhin Staatsangehörige und Afghanen, die für sie arbeiten. Der IWF erklärt, dass Afghanistan keinen Zugang mehr zu seinen Geldern haben wird (bbc.com o.D.d).
Vor den Taliban in Afghanistan flüchtende Menschen sind in wachsender medizinischer Not. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete, dass in Kliniken in Kabul und anderen afghanischen Städten immer mehr Fälle von Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Bluthochdruck und Corona-Symptomen aufträten. Dazu kämen vermehrt Schwangerschaftskomplikationen. Die WHO habe zwei mobile Gesundheitsteams bereitgestellt, aber der Einsatz müsse wegen der Sicherheitslage immer wieder unterbrochen werden (zdf.de 18.8.2021).
Priorität für die VN hat derzeit, dass die UNAMA-Mission in Kabul bleibe. Derzeit befindet sich ein Teil des VN-Personals am Flughafen, um einen anderen Standort (unklar ob in AF) aufzusuchen und von dort die Tätigkeit fortzuführen. Oberste Priorität der VN sei es die Präsenz im Land sicherzustellen. Zwecks Sicherstellung der humanitären Hilfe werde auch mit den Taliban verhandelt (? Anerkennung). Ein Schlüsselelement dabei ist die VN-SR-Verlängerung des UNAMA-Mandats am 17. September 2021 (VN 18.8.2021).
Die Anführer der Taliban
Mit der Eroberung Kabuls haben die Taliban 20 Jahre nach ihrem Sturz wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Dass sie sich in ersten öffentlichen Statements gemäßigter zeigen, wird von internationalen Beobachtern mit viel Skepsis beurteilt. Grund dafür ist unter anderem auch, dass an der Spitze der Miliz vor allem jene Männer stehen, die in den vergangenen Jahrzehnten für Terrorangriffe und Gräueltaten im Namen des Islam verantwortlich gemacht werden. Geheimdienstkreisen zufolge führen die Taliban derzeit Gespräche, wie ihre Regierung aussehen wird, welchen Namen und Struktur sie haben soll und wer sie führen wird. Demzufolge könnte Abdul Ghani Baradar einen Posten ähnlich einem Ministerpräsidenten erhalten („Sadar-e Asam“) und allen Ministern vorstehen. Er trat in den vergangenen Jahren als Verhandler und Führungsfigur als einer der wenigen Taliban-Führer auch nach außen auf.
Wesentlich weniger international im Rampenlicht steht der eigentliche Taliban-Chef und „Anführer der Gläubigen“ (arabisch: amir al-mu’minin), Haibatullah Akhundzada. Er soll die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban treffen. Der religiöse Hardliner gehört ebenfalls zur Gründergeneration der Miliz, während der ersten Taliban-Herrschaft fungierte er als oberster Richter des Scharia-Gerichts, das für unzählige Todesurteile verantwortlich gemacht wird.
Der Oberste Rat der Taliban ernannte 2016 zugleich Mohammad Yaqoob und Sirajuddin Haqqani zu Akhundzadas Stellvertretern. Letzterer ist zugleich Anführer des für seinen Einsatz von Selbstmordattentätern bekannten Haqqani-Netzwerks, das von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Es soll für einige der größten Anschläge der vergangenen Jahre in Kabul verantwortlich sein, mehrere ranghohe afghanische Regierungsbeamte ermordet und etliche westliche Bürger entführt haben. Vermutet wird, dass es die Taliban-Einsätze im gebirgigen Osten des Landes steuert und großen Einfluss in den Führungsgremien der Taliban besitzt. Der etwa 45-jährige Haqqani wird von den USA mit einem siebenstelligen Kopfgeld gesucht.
Zur alten Führungsriege gehört weiters Sher Mohammad Abbas Stanikzai. In der Taliban-Regierung bis 2001 war er stellvertretender Außen- und Gesundheitsminister. 2015 wurde er unter Mansoor Akhtar Büroleiter der Taliban. Als Chefunterhändler führte er später die Taliban-Delegationen bei den Verhandlungen mit den USA und der afghanischen Regierung an.
Ein weiterer offenkundig hochrangiger Taliban ist der bereits seit Jahren als Sprecher der Miliz bekannte Zabihullah Mujahid. In einer ersten Pressekonferenz nach der Machtübernahme schlug er, im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, versöhnliche Töne gegenüber der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft an (orf.at o.D.b; vgl. bbc.com o.D.c).
Stärke der Taliban-Kampftruppen
Obwohl in den vergangenen Jahren 100.000 ausländische Soldaten im Land waren, konnten die Taliban-Führer eine offenkundig von ausländischen Geheimdiensten unterschätzte Kampftruppe zusammenstellen. Laut BBC geht man derzeit von rund 60.000 Kämpfern aus, mit Unterstützern aus anderen Milizen sollen fast 200.000 Männer aufseiten der Taliban den Sturz der Regierung ermöglicht haben. Völlig unklar ist noch, wie viele Soldaten aus der Armee übergelaufen sind (orf.at o.D.b).
Quellen:
• bbc.com (o.D.a): Afghan women to have rights within Islamic law, Taliban say, https://www.bbc.com/news/world-asia-58249952
• bbc.com (o.D.b): Flag-waving protesters defy Taliban in Afghan city, https://www.bbc.com/news/live/world-asia-58219963, Zugriff 18.8.2021
• bbc.com (o.D.c): Afghanistan: Who's who in the Taliban leadership, https://www.bbc.com/news/world-asia-58235639, Zugriff 18.8.2021
• bbc.com (o.D.d): Taliban step up hunt for collaborators - UN report, https://www.bbc.com/news/live/world-asia-58219963, Zugriff 19.8
• orf.at (o.D.a): Sorge um afghanische Ortskräfte wächst, https://orf.at/stories/3225305/, Zugriff 18.8.2021
• orf.at (o.D.b): Die Anführer des Taliban-Netzwerks, https://orf.at/stories/3225195/, Zugriff 18.8.2021
• orf.at (o.D.c): Erneut Tote bei Kundgebung gegen Taliban, https://orf.at/stories/3225444/, Zugriff 19.8.2021
• zdf.de (18.8.2021): Die aktuelle Entwicklung in Afghanistan, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afghanistan-taliban-blog-100.html, Zugriff 18.8.2021
• UN Bericht – Ständige Vertretung Österreichs bei den VN (18.8.2021): Briefing zur Lage in AF in NY 17.8.2021, per Email
II.3.3. allgemeine Lage
Die Taliban haben in Afghanistan so gut wie kampflos die Macht übernommen, während der Präsident und einige weitere Regierungsmitglieder ins Ausland geflohen sind. Der erste Vizepräsident der international anerkannten Regierung befindet sich nach seinen eigenen Angaben noch in Afghanistan und bezeichnet sich als rechtmäßiger Übergangspräsident. Er hat öffentlich aufgerufen, sich dem Widerstand anzuschließen, der sich versucht, im Pandschir-Tal zu organisieren. Im gesamten restlichen Staatsgebiet haben die Taliban die Staatsfunktionen übernommen und bereits einen Angriff auf die Widerstandskämpfer angekündigt. In einer Pressekonferenz erklärten die Taliban eine Generalamnestie für alle Regierungsmitarbeiter und alle Afghanen, die mit den ausländischen Militärs zusammengearbeitet hätten. Weiters gaben die Taliban in ihrer Pressekonferenz unter anderem an, dass auch die Minderheitsrechte geachtet würden, dies allerdings nur innerhalb der Scharia.
In der internationalen Staatengemeinschaft wird dieses Versprechen der Taliban aufgrund der bisherigen schlechten Erfahrungen mit Versprechen der Taliban, ihrem Verhalten in ihrer früheren Herrschaft, aber auch wegen der Ermordung des Chefs des Informationszentrums der Taliban elf Tage vor der Pressekonferenz durch die Taliban selbst sowie aufgrund von Berichten über aktuelle Menschenrechtsverletzungen mit großer Skepsis gesehen. Es gibt bereits glaubhafte Berichte, dass die Taliban Mitarbeiter der ehemaligen Regierung und der afghanischen Streitkräfte sowie ihre Familienmitglieder systematisch suchen, bedrohen und ermorden.
Die Situation in Afghanistan ist derzeit aufgrund der dramatischen Ereignisse vor Ort unübersichtlich. Vor allem rund um den Flughafen in Kabul ist sie chaotisch, die Taliban kontrollieren die Zufahrtsstraßen. In Kabul wie auch in anderen Landesteilen wurde am Unabhängigkeitstag Afghanistans mit der Flagge Afghanistans demonstriert. Teils wurden diese Demonstrationen mit Waffengewalt aufgelöst. Nach Berichten sind neben Frauen und Menschenrechtsaktivisten vor allem die Angehörigen der schiitischen Hazara aufgrund der Machtübernahme durch die Taliban beunruhigt und bewegen sich kaum mehr öffentlich. Viele Afghanen sind vor der Machtübernahme der Taliban in die Städte, vor allem nach Kabul, geflüchtet, wo sie teils auf den Straßen campieren. Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan wie auch die Versorgungslage der Bevölkerung ist sehr angespannt. Die Taliban haben keinen Zugriff auf die Devisenreserven des Landes.
Quellen:
• https://taz.de/Taliban-uebernehmen-Afghanistan/!5789645/; Zugriff am 18.08.2021
• https://tolonews.com/index.php/afghanistan-174247; Zugriff am 18.08.2021
• https://tolonews.com/index.php/afghanistan-174245; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.bbc.com/news/live/world-asia-58219963; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.diepresse.com/6021224/taliban-erreichen-kabul-prasidentenpalast-eingenommen?from=rss; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-aktuell-taliban-kabul-evakuierung-1.5377155; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.derstandard.at/story/2000128937798/kabul-faellt-kampflos-an-die-taliban?ref=rec; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.diepresse.com/6021466/prasident-ghani-habe-afghanistan-verlassen-um-blutvergiessen-zu-vermeiden?from=rss; Zugriff am 18.08.2021
• https://tolonews.com/afghanistan-174248; Zugriff am 18.08.2021
• https://tolonews.com/afghanistan-174252; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.diepresse.com/6021482/taliban-der-krieg-in-afghanistan-ist-vorbei?from=rss; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.sueddeutsche.de/politik/konflikte-abdullah-afghanistans-praesident-aschraf-ghani-hat-das-land-verlassen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210815-99-850834; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.derstandard.at/story/2000128988237/taliban-geben-sich-in-pressekonferenz-mildevizechef-in-afghanistan-eingetroffen; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.diepresse.com/6022198/die-milden-worte-der-ersten-taliban-pressekonferenz?from=rss; Zugriff am 18.08.2021
• https://orf.at/stories/3225195/; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.bbc.com/news/world-asia-58250607; Zugriff am 18.08.2021
• https://twitter.com/courtneybody/status/1427650075602337792; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.sueddeutsche.de/politik/konflikte-taliban-uebernehmen-wichtigste-behoerden-in-afghanistan-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210817-99-874853; Zugriff am 18.08.2021
• https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-wie-die-taliban-sich-um-vertrauen-bemuehen-17489392.html; Zugriff am 18.08.2021
• https://tolonews.com/afghanistan-174273; Zugriff am 18.08.2021
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• https://www.bbc.com/news/world-asia-58271797; Zugriff am 25.08.2021
III. Beweiswürdigung:
III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
III.2. Zu den Feststellungen zur Person der BF:
Die Feststellungen zur Verfahrensidentität, zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF sowie zu den Sprachkenntnissen traf aufgrund der insofern gleichbleibenden und nicht anzuzweifelnden Angaben der BF (AS 5, 52f) bereits das BFA. Diese Feststellungen wurden in der Beschwerde auch nicht bestritten, sodass daran im Beschwerdeverfahren keine Zweifel aufgekommen sind und sie auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Zur Religionszugehörigkeit gab die BF mehrmals an, sie sei zwar geborene Muslima, glaube aber nur an einen Gott beziehungsweise habe sie keine Religion und halte sich nicht an die Vorgaben des Islams (zB AS 53). Das BFA stellte fest, die BF sei Muslima und führt dazu im Wesentlichen aus, dass die BF zumindest formal noch immer Muslima sei, auch wenn sie – was vom BFA nicht angezweifelt wurde (AS 188) – nicht tiefgläubig sei und nicht nach den Vorgaben des Islams lebe. Auch in der Beschwerde wird ausgeführt, dass die BF noch dem Islam angehöre, ihn allerdings nicht praktiziere. Diese Feststellungen sind somit unstrittig und können der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden. Ihre Identität kann mangels Vorlage eines unbedenklichen Dokuments aus dem Herkunftsstaat nicht festgestellt werden.
Das Gleiche gilt im Wesentlichen auch für die Feststellungen zum Aufwachsen der BF in Afghanistan und Indien, ihrem Schulbesuch sowie ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit. Auch dazu waren die Angaben der BF stets gleichbleibend (AS 5, 15, 53f). Aufgrund dieser nachvollziehbaren Angaben hat auch bereits das BFA diese Feststellungen seinem Bescheid zugrunde gelegt. Mangels Bestreitung im Beschwerdeverfahren haben sich auch daran keine Zweifel ergeben.
Die Feststellung zur Gesundheit traf wiederum bereits das BFA aufgrund der Angabe der BF. Die BF gab in der Beschwerde zwar an, es bestehe der Verdacht auf eine Skoliose, legte dazu jedoch keinen Befund, sondern lediglich Laborbefunde vor. Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens legte die BF keine weiteren medizinischen Dokumente vor, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die BF gesund ist und sich der Verdacht nicht erhärtet hat beziehungsweise sie davon im Alltag nicht maßgeblich eingeschränkt wird, da sie sonst ihrer Mitwirkungspflicht durch Vorlage entsprechender Befunde nachgekommen wäre. Es war daher festzustellen, dass die BF gesund ist. Daraus folgt auch zwanglos die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit der BF. Dass die BF strafrechtlich unbescholten ist, war aufgrund eines aktuellen Strafregisterauszugs festzustellen.
Die Feststellungen zu den Familienangehörigen der BF ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.
III.3. Zu den Fluchtgründen der BF:
Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Angaben der BF vor dem BFA, hat sich die Situation mittlerweile durch die Machtübernahme durch die Taliban entscheidungswesentlich geändert. War früher Frauen jedenfalls in den größeren Städten ein Leben in der Öffentlichkeit wie auch eine Berufstätigkeit und die Inanspruchnahme sonstiger Freiheiten möglich, wie auch das Leben der BF vor ihrer Ausreise zeigte, ist das nun nicht mehr der Fall. Wie die Länderberichte der Staatendokumentation des BFA und weitere übereinstimmende aktuelle und öffentlich zugängliche Berichten angesehener seriöser Medien zeigen, hat sich besonders die Lage der Frauen seit der Machtübernahme der Taliban massiv verschlechtert. Die Taliban gaben sich nach außen zwar moderater und stellten etwa in Aussicht, dass Frauen alleine das Haus verlassen und auch arbeiten dürften. Diesen Ankündigungen wurde allerdings von der afghanischen Gesellschaft nicht vertraut, sodass in Kabul bereits Bilder von Frauen übermalt wurden, wie der Sonderkurzinformation des BFA vom 17.08.2021 entnommen werden kann. Den Berichten ist auch zu entnehmen, dass generell weniger Frauen aus Angst vor den Taliban auf den Straßen waren. Bereits etwa eineinhalb Wochen nach der Machtübernahme durch die Taliban forderte ein Pressesprecher der Taliban darüber hinaus die Frauen auf, ihr Haus nicht mehr zu verlassen (https://orf.at/stories/3226226/; https://www.derstandard.at/story/2000129176397/taliban-fordern-frauen-auf-zuhause-zu-bleiben-kaempfer-noch-nicht; https://www.nytimes.com/2021/08/24/world/asia/taliban-women-afghanistan.html; Zugriff jeweils am 26.08.2021). Dabei soll es sich zwar um eine vorübergehende Maßnahme handeln, da die Kämpfer noch nicht ausgebildet beziehungsweise diszipliniert genug seien. Auch dieser Ankündigung ist vor dem Hintergrund des bisherigen Auftretens der Taliban allerdings wenig Vertrauen entgegen zu bringen.
Die Lage für Frauen in Afghanistan stellt sich damit derzeit so dar, dass sie das Haus nicht alleine verlassen dürfen. Wenn sie das Haus verlassen, müssen sie von einem männlichen Familienmitglied begleitet werden. Außerdem müssen sie ihr Gesicht und ihren Körper verhüllen. Auch ist ihnen weitgehend der Zugang zu Bildung wie auch zur medizinischen Versorgung verwehrt. Die BF als frühere Lehrerin und Frauenrechtsaktivistin, wäre besonders von dieser Situation betroffen, zumal nach den UNHCR Richtlinien bereits vor der Machtübernahme der Taliban besonders weibliche Menschenrechtsverteidiger und Frauen im öffentlichen Leben und darunter Lehrerinnen Verfolgung zu befürchten hatten (S. 49f, 51f UNHCR Richtlinien Afghanistan von August 2018). Auch in der Position des UNHCR zur Rückkehr nach Afghanistan von August 2021 wird besonders auf die sich verschlechternde Situation von Frauen hingewiesen. Als gefahrenerhöhender Umstand nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban kommt hinzu, dass die BF – selbst nach den Annahmen des BFA – den Islam nicht praktiziert. Insgesamt kann damit den Länderberichten entnommen werden, dass besonders Frauen wie der BF als bildungsaffine, Frau, die als Lehrerin und im Bereich der Frauenrechte beruflich tätig war, und die islamischen Gebote nicht befolgt in Afghanistan unterschiedliche Gefahren von Einschränkungen und körperlicher Gewalt bis hin zur Ermordung drohen. Aufgrund der Machtübernahme in (beinahe) gesamt Afghanistan besteht diese Situation für das gesamte Staatsgebiet.
III.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell.
Die Berichte wurden zwar weder der BF noch dem BFA zur Stellungnahme übermittelt, die BF ist dadurch allerdings nicht beschwert, zumal ihrem Antrag stattgeben wurde. Auch das BFA legt diese Berichte seinen Entscheidungen stets zugrunde. Die Feststellungen beruhen darüber hinaus auf der Staatendokumentation des BFA und sind somit von ihm selbst erstellt. Lediglich ergänzend wurden aufgrund der dynamischen, sich immer wieder verändernden Situation aktuelle Medienberichte seriöser Medien den Feststellungen zugrunde gelegt. Auch das BFA ist daher in seinen Rechten nicht verletzt.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
IV.1. Zum Spruchpunkt A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge dieser Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472; 29.01.2020, Ra 2019/18/0228).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Mitbeteiligte bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Fremde im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (Aktualität der Verfolgung; vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0443; 25.09.2018, Ra 2017/01/0203).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt vor dem Hintergrund der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan, dass die BF Flüchtling im Sinne der GFK ist:
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Situation von Frauen unter dem Taliban-Regime von 1996 bis 2001 judiziert, dass die Eingriffe der Taliban in die Lebensbedingungen der afghanischen Frauen in ihrer Gesamtheit ein derartiges Ausmaß erreichen, dass ohne Zweifel einer der Fälle vorliegt, in denen eine Summe von Vorschriften gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe in Verbindung mit der Art ihrer Durchsetzung von insgesamt so extremer Natur ist, dass die Diskriminierung das Ausmaß einer Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention erreicht. Wesentlich hat der Verwaltungsgerichtshof damals vor allem auf die systematische Behinderung der medizinischen Versorgung und das Fehlen von Ausnahmen von den verordneten Regeln hingewiesen, was zumindest im Umkreis der zuvor auch der weiblichen Bevölkerung zugänglichen Einrichtungen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens bedeutete (VwGH 20.06.2002, 99/20/0172; 16.04.2002, 99/20/0483). Diese Rechtsprechung hat er auch in den letzten Jahren hinsichtlich von den Taliban beherrschten Gebieten aufrecht gehalten. Demnach können in den von Taliban beherrschten Regionen die gegenüber Frauen verhängten Einschränkungen und Beschränkungen des täglichen Lebens gepaart mit den bei Zuwiderhandlung vollzogenen drakonischen Strafen als Verfolgung im Sinne der GFK qualifiziert werden (VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0357).
Da die Taliban mittlerweile wieder beinahe das gesamte Staatsgebiet beherrschen (das Pandschir Tal ist zwar derzeit nicht unter Kontrolle der Taliban, allerdings einerseits nicht sicher erreichbar und andererseits finden dort Kampfhandlungen statt) ist im Sinne der oben zitierten Judikatur von einer asylrelevanten Verfolgung der BF auszugehen. Auch jetzt haben die Taliban wieder entgegen früherer öffentlicher Bekundungen Einschränkungen für Frauen umgesetzt. So dürfen Frauen weder arbeiten noch alleine das Haus verlassen. Wenn sie ihr Haus verlassen, müssen Frauen von einem männlichen Familienmitglied begleitet werden und ihren Körper und ihr Gesicht verhüllen. Auch Bildungsangebote wie auch medizinische Leistungen können Frauen dadurch nicht oder nur sehr eingeschränkt in Anspruch nehmen. Bei Zuwiderhandeln drohen den Frauen drakonische Strafen von Prügelstrafen bis hin zur Ermordung. Wie bereits festgehalten, gaben sich die Taliban zwar anfangs öffentlich moderater, sie mussten allerdings mittlerweile selbst eingestehen, dass sich ihre Kämpfer daran nicht halten. Als Frau in Afghanistan ist man daher trotz der öffentlichen Ankündigung derzeit im Wesentlichen der Willkür der Kämpfer ausgesetzt. Aufgrund dieser Willkür hat nunmehr auch die Führungsschicht der Taliban die Frauen aufgefordert zu Hause zu bleiben und das mit ihrem eigenen Schutz begründet. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Taliban ist allerdings davon auszugehen, dass es dabei nicht bei einer vorübergehenden Maßnahme bleiben wird, sondern es sich dabei vielmehr um eine dauernde handelt.
Die die BF treffende Bedrohung als ehemalige berufstätige, bildungsaffine Frau, die nicht nach den islamischen Regeln lebt und bei einer Rückkehr auch wieder öffentlich alleine auftreten würde ist daher in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität. Diese Situation besteht im beinahe gesamten Staatsgebiet Afghanistans. Das nicht unter Kontrolle der Taliban stehende Gebiet ist allerdings nicht sicher erreichbar und es finden dort Kampfhandlungen statt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative scheidet daher aus. Die BF befindet sich daher aus wohlbegründeter Furcht außerhalb Afghanistans und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren.
Da auch kein in § 6 AsylG genannter Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde der BF stattzugeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der BF kommt damit – da sie ihren Antrag nach dem 15.11.2015 stellte (§ 75 Abs. 24 AsylG) – gemäß § 3 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Aufgrund der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und der damit verbundenen Aufenthaltsberechtigung liegen die Voraussetzungen für die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids nicht mehr vor. Diese waren daher ersatzlos zu beheben.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass die Begründung des Bescheids dürftig ist und das BFA das Vorbringen der BF, wie etwa den bewaffneten Angriff in einem UN-Büro, die versuchten Zwangsverheiratungen ihrer Töchter, wobei auch sie bedroht worden sei, oder auch die Ausgrenzung durch die Gesellschaft als Ungläubige, teils ignoriert beziehungsweise nicht darauf eingeht. Das BFA zweifelt etwa die Arbeit der BF bei der UNO und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch den UNCHR in Indien nicht an, setzt sich aber trotz Kenntnis der UNCHR Richtlinien und des besonderen Risikoprofils der BF, nicht damit auseinander, was das für Folgen bei einer Rückkehr hätte.
IV.2. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Zur vorrangig maßgeblichen Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG judiziert der Verwaltungsgerichtshof, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden ist. Er muss bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (VwGH 19.07.2021, Ra 2020/14/0574).
Dazu ist festzuhalten, dass dem Bundesverwaltungsgericht bewusst ist, dass es seiner Entscheidung aktualisierte Länderberichte zugrunde legte, was nach dem Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordert (siehe statt vieler nur VwGH 29.03.2021, Ra 2020/18/0346; 19.06.2020, Ra 2019/19/0562). Im konkreten Fall ist jedoch zu bedenken, dass durch die Heranziehung der aktuellen Medien- und Länderberichte die BF nicht beschwert ist. Vielmehr war aufgrund dieser ihrem Antrag– völlig unabhängig von ihrem eigentlichen Fluchtvorbringen – bereits stattzugeben. Die BF ist damit in ihren Rechten nicht verletzt. Für den Fall einer Stattgabe der Beschwerde hat die BF darüber hinaus auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet (AS 285).
Auch das BFA ist in seinen Parteirechten nicht verletzt, auch wenn ihm kein Parteiengehör zu den verwendeten Berichten gewährt wurde. Die Länderberichte wurden von der Staatendokumentation des BFA selbst erstellt und werden auch von ihm seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Soweit aufgrund der Aktualität die Heranziehung von Medienberichten notwendig waren, handelt es sich dabei um seriöse Medien und allgemein zugängliche Berichte, die zudem als notorisch vorausgesetzt werden können. Damit steht aber aufgrund der Aktenlage fest, dass der Bescheid aufzuheben ist, was nach § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG den Entfall der Verhandlung rechtfertigt.
IV.3. Zum Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr sind hier im Wesentlichen Tatfragen maßgeblich, die aufgrund der Beweiswürdigung zu lösen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser aber als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen (VwGH 27.05.2021, Ra 2021/19/0163). Dass die Situation der Frauen unter den Taliban eine asylrelevante Verfolgung begründet, ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (siehe die oben zitierte Judikatur sowie VwGH 21.11.2002, 2000/20/0273). Ebenfalls gibt es eine ständige einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum rechtmäßigen Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung (siehe neben der bereits oben zitierten Judikatur etwa 19.07.2021, Ra 2020/18/0138). Von diesen Entscheidungen weicht das gegenständliche Erkenntnis auch nicht ab.
Schlagworte
alleinstehende Frau Asyl auf Zeit Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung Diskriminierung ersatzlose Teilbehebung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Kassation Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung Taliban Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2217957.1.00Im RIS seit
20.01.2022Zuletzt aktualisiert am
20.01.2022