TE Vfgh Beschluss 1994/10/12 B1279/94, B1439/94

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Veröffentlicht am 12.10.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; Unkenntnis der Möglichkeit einer Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags wegen Aussichtslosigkeit

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Schriftsatz vom 13. Juni 1994 erhob die Einschreiterin

-

der mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1994 Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen den Bescheid vom 19. Dezember 1993, Zl. 4.296.318/2-III/13/90, gewährt worden war

-

gegen diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof die zu B1279/94 protokollierte Beschwerde, wobei sich der einschreitende Rechtsanwalt auf seine Bestellung zum Verfahrenshelfer berief.

Mit Schriftsatz vom 24. Juni 1994 begehrte die Einschreiterin durch ihren - nunmehr bevollmächtigten - Rechtsvertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist.

Mit demselben Schriftsatz wurden "in eventu" die bereits eingebrachte Beschwerde (B1279/94) wiederholt sowie der im Spruch unter Punkt 3. genannte Antrag gestellt.

2. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages bringt die Einschreiterin im wesentlichen folgendes vor:

Sie sei der deutschen Sprache nicht mächtig und habe daher nach Erhalt des letztinstanzlichen, ihren Asylantrag abweisenden Bescheides eine Beratungsstelle aufgesucht. Sie sei der Meinung gewesen, mit einem dort von ihr unterzeichneten Schriftstück seien sämtliche erforderlichen Rechtsbehelfe beantragt worden. Sie sei erst am 20. Juni 1994 von ihrem zur Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellten Verfahrenshelfer über die Möglichkeit der Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof belehrt worden. Die unrichtige bzw. unvollständige Beratung stelle für sie ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar; ein allfälliges Verschulden sei im Hinblick auf die Sprachschwierigkeiten und die Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden in Österreich als minderer Grad des Versehens zu werten.

II. Der Verfassungsgerichtshof

hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983 sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis, das die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

2. Die Unkenntnis der rechtlichen Möglichkeit, gegen einen letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, ist nun aber nicht als solcher Fehler einzustufen: Es obliegt jedermann selbst, sich Kenntnis von allenfalls bestehenden außerordentlichen Rechtsschutzinstrumenten (wie die Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes) zu verschaffen (VfSlg. 10473/1985). Ganz besondere Umstände, auf Grund derer dies der Einschreiterin hier unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, wurden nicht geltend gemacht.

Die Einschreiterin hat es also aus Gründen, die nicht bloß als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren sind, verabsäumt, sich über die Rechtslage, insbesondere über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit abzuweisen.

III. Die Beschwerden nach Art144 B-VG waren wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen, ohne daß auf die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, einzugehen war.

IV. Bei diesem Ergebnis war auch

der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen, weil die von der Einschreiterin beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erscheint (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

V. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1279.1994

Dokumentnummer

JFT_10058988_94B01279_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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