TE Bvwg Beschluss 2021/10/28 W131 2247444-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2021
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Entscheidungsdatum

28.10.2021

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W131 2247444-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter iZm dem Nachprüfungsverfahren betreffend die Ausscheidens- und Widerrufsentscheidung je vom 07.10.2021 der ÖBB-Personenverkehr AG (= AG) betreffend das Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Konstruktion, Herstellung und Lieferung von Doppelstockelektrotriebzügen“ aufgrund des Antrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (= ASt) XXXX auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV) folgenden Beschluss:

A)

Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung,

das Bundesverwaltungsgericht möge mittels einstweiliger Verfügung bis zur Entscheidung über den Nachprüfungsantrag die Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin aussetzen und der Auftraggeberin die Erklärung des Widerrufs des Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Konstruktion, Herstellung, Lieferung von Doppelstock- Elektrotriebzügen“ untersagen,

wird insoweit erledigt, als erstens das Verfahren betreffend die ursprünglich begehrte Aussetzung der angefochtenen Ausscheidensentscheidung nach insoweit erfolgter Teilzurückziehung eingestellt wird und zweitens der ÖBB-Personenverkehr AG hiermit untersagt wird, den Widerruf im Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Konstruktion, Herstellung und Lieferung von Doppelstockelektrotriebzügen“ zu erklären.

B)

Die Revision gegen ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG insgesamt nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. In dem im Entscheidungskopf ersichtlichen Vergabeverfahren wurde das von der AG der ASt derzeit zugerechnete Letztangebot, das die ASt gleichfalls als das ihre reklamiert, ausgeschieden; und wurde von der AG die mit dem Nachprüfungsantrag gleichfalls angefochtene Widerrufsentscheidung versandt.

1.1. Die Ausscheidens- und Widerufsentscheidung lauten soweit hier interessierend:

[Ausscheidensentscheidung]

[...]

Wir bedauern, das Letztangebot von XXXX aus dem im Betreff genannten Vergabeverfahren gemäß § 302 Abs 1 BVergG ausscheiden zu müssen.

Begründung: Das Letztangebot weist entgegen Punkt 7.1 der Aufforderung zur Letztangebotsabgabe keine qualifizierte elektronische Signatur i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 910/2014 auf.

Wir ersuchen um Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen

[...]

[Widerrufsentscheidung]

Die Auftraggeberin ÖBB?Personenverkehr AG beabsichtigt, das Vergabeverfahren zu widerrufen

(Widerrufsentscheidung).

Begründung: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.9.2021, W131 2243410? 2/84E ist das (letzte) im Budgetrahmen der Auftraggeberin liegende Angebot auszuscheiden. Es verbleiben daher keine für die Zuschlagserteilung in Betracht kommenden Angebote.

Die Frist für die Anfechtung dieser Entscheidung endet am 18.10.2021 (Stillhaltefrist).

Wir ersuchen um Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen

[...]

1.2. Dieser Vergaberechtsstreit ist dabei vor dem Hintergrund zu sehen, dass die AG zuvor das Letztangebot der XXXX (= MB) in diesem seit Mai 2019 dauernden Vergabeverfahren im Dezember 2020, bestätigt durch das BVwG am 11.02.2021, aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden hat, der Revision gegen diese Bestätigung der Ausscheidensentscheidung am 11.03.2021 (Abfertigungsdatum 12.03.2021) aufschiebenede Wirkung zuerkannt wurde, die AG danach die Auswahlentscheidung zum Abschluss der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung zu Gunsten der ASt am 04.06.2021 versandte, die MB dagegen mit Nachprüfungsantrag vorging; und insoweit die Auswahlentscheidung zu Gunsten der ASt - nach offenbar außergerichtlich versuchten mediativen Prozessen und diesbezüglich erklärtem Verzicht auf die Geltendmachung der Entscheidungspflicht iSv VwGH 93/01/0307 durch AG, MB und ASt gemeinsam bis 06.09.2021und danach durch AG und ASt bis 15.09.2021 - mit Erkenntnis des BVwG vom 10.09.2021 nichtig erklärt wurde, die AG nunmehr beim VwGH die Beseitigung der zu Gunsten der MB am 11.03.2021 (mit Abfertigungsdatum 12.03.2021) zuerkannten aufschiebenden Wirkung anstrebt, die AG und ASt dz Revision gegen die Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung vom 04.06.2021 eingelegt haben; die ASt dabei die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die Revision gegen das Erkenntnis des BVwG vom 10.09.2021 anstrebt; und schließlich der hier zu entscheidende eV - Antrag zur Absicherung des am 18.10.2021 verbunden eingebrachten Nachprüfungsantrags wider die Ausscheidens- und Widerrufsentscheidung gestellt wurde.

2. Die ASt brachte betreffend den hier zu erledigenden eV - Antrag insb wie folgt vor:

[...]

Mit Ausscheidensentscheidung vom 07.10.2021 wurde das Letztangebot der Antragstellerin gemäß § 302 Abs 1 BVergG 2018 ausgeschieden. Die Antragsgegnerin begründete die Ausscheidensentscheidung damit, dass das Letztangebot entgegen Punkt 7.1 der Aufforderung zur Letztangebotsabgabe keine qualifizierte elektronische Signatur i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 910/2014 aufweise.

Mit ebenfalls am 07.10.2021 ergangener Widerrufsentscheidung teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie beabsichtige, das Vergabeverfahren zu widerrufen. Begründend führte die Antragsgegnerin aus, dass nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.9.2021,

W131 2243410?2/84E, das (letzte) im Budgetrahmen der Auftraggeberin liegende Angebot

auszuscheiden sei, weswegen keine für die Zuschlagserteilung in Betracht kommenden Angebote mehr verbleiben würden.

[...]

Die Antragstellerin hat durch die Abgabe ihres Teilnahmeantrags sowie der Angebote ihr Interesse an der Zuschlagserteilung dargelegt und bestätigt ihr fortgesetztes Interesse durch Einbringung dieses Nachprüfungsantrags gegen die am 07.10.2021 ergangene Ausscheidensentscheidung sowie die ebenfalls am 07.10.2021 ergangene Widerrufsentscheidung.

Durch die rechtswidrigen Entscheidungen entsteht der Antragstellerin folgender Schaden:

- Für den Fall der Nicht-Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie der Nicht- Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung, beide vom 07.10.2021, würde der Antragstellerin ein frustrierter Aufwand für die Teilnahme am Vergabeverfahren, insbesondere jedoch für die Ausarbeitung des Erst- und Letztangebots, in Höhe von ungefähr EUR XXXX Mio. entstehen. Darin enthalten sind auch Kosten in Höhe von EUR XXXX , die der Antragstellerin für die notwendige Rechtsberatung entstanden sind und von dem ausgewiesenen Rechtsvertreter durch Unterfertigung des Nachprüfungsantrags bescheinigt werden.

- Die Antragstellerin war in Aussicht genommene Bieterin im gegenständlichen Vergabeverfahren. Sollte sie aus dem gegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschieden bleiben und in weiterer Folge das Vergabeverfahren widerrufen werden, so entgeht der Antragstellerin die Möglichkeit zum Abschluss der Rahmenvereinbarung.

Die Antragstellerin erleidet durch die rechtswidrige Ausscheidensentscheidung sowie die rechtswidrige Widerrufsentscheidung einen Schaden durch die Nichtabdeckung des projektgegenständlichen Deckungsbeitrages samt entgangenem Gewinn.

- Die Antragstellerin ist ein führendes Unternehmen in ihrem Bereich und hat als in Aussicht genommene Bieterin ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens.

Es handelt sich bei dem gegenständlichen Auftrag um einen der wichtigsten Aufträge für die Antragstellerin mit einem Gesamtwert von ungefähr EUR XXXX Milliarden, wobei der Wert des Fixabrufs der 41 Zuggarnituren bereits mehr als EUR XXXX Millionen beträgt.

- Da die Antragstellerin beabsichtigt, sich auch in Zukunft an öffentlichen Vergabeverfahren

zu beteiligen, liegt der Abschluss der Rahmenvereinbarung auch deshalb in ihrem Interesse, da sie zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit Referenzprojekte, die von der öffentlichen Hand beauftragt worden sind, vorweisen muss.

Abgewendet werden können diese Nachteile sowie der Schaden durch die Nichtigerklärung

der Ausscheidensentscheidung sowie der Widerrufsentscheidung vom 07.10.2021.

[...]

Die Antragstellerin erklärt ihr obiges Vorbringen unter "II. Nachprüfungsantrag" ausdrücklich auch zum Vorbringen dieses Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Zur Darlegung der Interessen der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf Punkt 1.5 des Nachprüfungsantrags.

Anfechtungs- und Stillhaltefrist der gegenständlichen Ausscheidensentscheidung wie auch der Widerrufsentscheidung enden beide am 18.10.2021. Danach könnte die Antragstellerin den Widerruf des gegenständlichen Vergabeverfahrens erklären und neu ausschreiben.

Einem Nachprüfungsantrag kommt gemäß § 342 Abs 3 BVergG 2018 keine aufschiebende Wirkung zu. Aus der Möglichkeit der Erklärung des Widerrufs des Vergabeverfahrens ergibt sich für die Antragstellerin eine unmittelbar drohende Schädigung ihrer Interessen. Eine bloße Feststellung des rechtswidrigen Ausscheidens der Antragstellerin und des rechtswidrigen Widerrufs des Vergabeverfahrens und allenfalls zustehende Schadenersatzforderungen vermögen die Chance, selbst Vertragspartner der Rahmenvereinbarung zu werden, nicht aufzuwiegen.

Einer einstweiligen Aussetzung des Ausscheidens der Antragstellerin sowie Untersagung des Erklärens des Widerrufs des Vergabeverfahrens steht ein allfälliges besonderes Interesse der Auftraggeberin nicht entgegen. In den Ausschreibungsunterlagen findet sich auch kein Hinweis, dass mit dem Vorhaben nicht bis zum Ende des Nachprüfungsverfahrens zugewartet werden könnte. Eine einstweilige Aussetzung stellt daher für die Auftraggeberin keine unverhältnismäßige Belastung dar.

Öffentliche Interessen, wie etwa insbesondere die Gefährdung von Leib und Leben oder Eigentum oder die Einhaltung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen vermögen in diesem Fall nicht die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu verhindern, da im konkreten Fall keine und überdies keine aktuelle Gefährdung vorliegt.

Die Schädigung des Interesses der Antragstellerin durch das Ausscheiden der Antragstellerin und durch den Widerruf des Vergabeverfahrens droht unmittelbar. Unter Zugrundelegung der Preisberechnung von Punkt 5.1. des Liefervertrags ergibt sich nach Schätzung der Antragstellerin insgesamt ein Wert der Rahmenvereinbarung von ungefähr EUR XXXX Milliarden, wobei der Wert des Fixabrufs der 41 Zuggarnituren bereits mehr als EUR XXXX Millionen beträgt. Die Antragstellerin hat im Jahr 2020 einen Umsatz in Höhe von ungefähr EUR XXXX Millionen ( XXXX ) erwirtschaftet und beschäftigt ungefähr XXXX Mitarbeiter am Standort in XXXX , an dem die Züge produziert werden. Bereits der Fixabruf von XXXX Zügen, welcher in der Rahmenvereinbarung vorgesehen ist, hat daher einen Anteil von mehr als XXXX am Gesamtumsatz der Revisionswerberin. Der gesamte Auftragswert aus der Rahmenvereinbarung würde zudem das XXXX -fache des Gesamtumsatzes aus dem Jahre 2020 ausmachen. Öffentliche Auftraggeber haben zudem nach ständiger Judikatur bei der Erstellung des Zeitplans eines Vergabeverfahrens die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehenden Verzögerungen ins Kalkül zu ziehen, dies insbesondere angesichts des bereits zwei Jahre andauernden Vergabeverfahrens. Die Frage nach dem Ersatz der Pauschalgebühren für den Erlass der einstweiligen Verfügung ist danach zu beurteilen, ob die Antragstellerin in der Sache selbst obsiegt. In diesem Sinn wird über den Anspruch auf Ersatz der Gebühren für die einstweilige Verfügung in ständiger Rechtsprechung immer im Zusammenhang mit dem Antrag auf Nichtigerklärung entschieden.

Gleiches hat auch im gegenständlichen Fall zu erfolgen: Selbst wenn der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werden sollte, steht der Antragstellerin der Ersatz der Pauschalgebühr [...].

Da wesentliche Interessen der Antragstellerin bei Ausscheiden der Antragstellerin und Erklärung des Widerrufs gefährdet sind, eine vorläufige Maßnahme keinerlei (berücksichtigungswürdige) Interessen der Auftraggeberin schädigt und auch sonst keine öffentlichen Interessen an dem Ausscheiden der Antragstellerin und der Erklärung des Widerrufs des Vergabeverfahrens bestehen, hat die Interessenabwägung gemäß § 350 BVergG 2018 zugunsten der Antragstellerin auszufallen. Die Aussetzung der Ausscheidensentscheidung sowie die Untersagung der Erklärung des Widerrufs ist daher die geeignete und erforderliche Maßnahme zur Abwendung des drohenden Schadens.

Wegen der Erforderlichkeit der Maßnahme, deren Eignung sowie der Tatsache, dass es sich im gegebenen Fall um das gelindeste Mittel handelt, sind die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 350 BVergG 2018 gegeben. Die Untersagung des Ausscheidens der Antragstellerin und des Widerrufs des Vergabeverfahrens ist geeignet und auch nicht überschießend, da zum einen die Interessen der Antragstellerin durch das Ausscheiden der Antragstellerin und die Erklärung des Widerrufs des Vergabeverfahrens geschädigt werden und zum anderen die Auftraggeberin alle übrigen Entscheidungen (zB die Zurücknahme der Widerrufsentscheidung) in einem Vergabeverfahren treffen kann.

[...]

4. Die AG brachte zum eV - Antrag wie folgt vor:

[...]

Es besteht ein überwiegendes besonderes öffentliches Interesse an einem Widerruf und einer raschen nachfolgenden Zuschlagserteilung und damit an der Nichterlassung der einstweiligen

Verfügung.

[...]

5. Die MB wurde zur amtswegigen Wahrheitsfindung zur Verhandlung im eV -Verfahren geladen.

6. Am 27.10.2021 fand iSv EGMR iS Micaleff gg Malta eine mündliche Verhandlung statt, die soweit interessierend wie folgt verlief:

6.1. Die ASt zog ihr Sicherungsbegehren im Punkte der begehrten Aussetzung der Ausscheidensentscheidung nach entsprechender Erörterung zurück.

6.2. Die MB brachte wider die danach aufrecht begehrte eV wie folgt vor:

Wir haben klarerweise Interesse, dass die EV nicht erlassen wird, da wir im Falle einer raschen Widerrufserklärung uns zeitnah wieder beteiligen könnten.

6.3. Da die AG in nur drei Zeilen einer Eingabe dem Sicherungsbegehren entgegen getreten war, wurde die Interesslenslage und Interessensdarstellung der AG nochmals hinterfragt und legte der befragte Auftraggebervertreter dar, dass es vor dem BVwG bei dieser Interessensdarstellung bleibe.

Die AG hat dabei in ihrem am 27.10.2021 zur GZ W131 2238132-1 in Vorlage gebrachten Antrag auf Aberkennung der im März 2021 gemäß § 30 Abs 2 VwGG zuerkannten aufschiebenden Wirkung beim VwGH weitere Argumente gegen die dort zuerkannte aufschiebende Wirkung vorgebracht, die sie am 27.10.2021 - entsprechend der Erörterung - für dieses eV - Verfahren dennoch vor dem BVwG nicht ins Treffen führte.

6.4. Da der EuGH entsprechend seinem Urteil in der Rs C-424/01 bei der Entscheidung für oder wider eine einstweilige Verfügung die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags als Entscheidungsdeterminante zulässt, und weiters im Verfahrensgeschehen bislang die Widerrufsentscheidung der AG von der ASt [nur] iZm der vorgebrachten Rechtswidrigkeit der gleichfalls angefochtenen Ausscheidensentscheidung der AG bekämpft wird, wurden in der Provisorialverfahrensverhandlung am 27.10.2021 verschiedene Tatsachenbereiche erörtert bzw zu erörtern versucht, um insoweit eine Einschätzung zu erhalten, ob die Ausscheidensentscheidung zumindest im Ergebnis (evident) richtig wäre - dies iSv VwGH Zl 2008/04/0109 iVm § 347 Abs 1 Z 2 BVergG bzw ob diese denkmögliche Rechtmäßigkeit bereits zum jetzigen Zeitpunkt auch gehörig erörtert werden kann.

Die MB war durch zwei anwaltliche Vertreter bei der Verhandlung anwesend und kündigte die Einwendungserhebung gemäß § 346 Abs 3 BVergG im Nachprüfungsverfahren an.

Die ASt und va die AG sahen sich im Beisein der MB am 27.10.2021 daran gehindert, betreffend mehrere als Ausscheidenssachverhalte zu Lasten der ASt denkmögliche Sachverhaltskomponenten entsprechendes Vorbingen zu erstatten. Ob insoweit tatsächlich berechtigte Geheimhaltungsinteressen zu Gunsten der AG bzw der ASt gesehen werden können, ist nach dem Maßstäben für die Sachverständigenbestellung iSv VwGH Zl 2007/04/0012 mitunter denkmöglich evtl eine Sachverständigenfrage. Dementsprechend wurde insb zB die Erörterung der Letztangebotsanforderung aus dem Lastenheft mit der Nummer 503.06.35 im eV - Verfahren nicht so finalisiert, wie sie im eigentlichen Nachprüfungsverfahren unter Bedachtnahme auf die dann bekannte Senatsauffassung gemäß § 9 Abs 1 BVwGG zu den Geheimhaltungsinteressen und zur Handhabung der Rechtsfolgen aus dem Urteil des EuGH zu Rs C-450/06 zu finalisieren sein wird, zumal va in einer Revision gegen das Erkenntnis des BVwG vom 10.09.2021 zur GZ W131 2243410-2 sogar eine Verfahrensrüge iZm einem Schulungskonzept der ASt und der Handhabung des Urteils Rs C-450/06 erstattet wurden, das (scil: Schulungskonzept der ASt) von der AG vorgelegt wurde und damit der AG und der ASt iSv VwGH 2011/09/0054 ohnehin bereits bekannt gewesen sind.

Ohne Finalisierung der gehörigen Erörterung insb zB der oben erwähnten Letztangebotsanforderung im Zeitrahmen des eV - Verfahrens wurde aber noch nicht evident, wie der Nachprüfungsantrag gegen die dz von der ASt bekämpfte Ausscheidensentscheidung zu erledigen sein wird.

7. Der AG und der ASt wurde für den Fall der Verhandlung im Nachprüfungsverfahren ohnehin bereits der 19.11.2021 als Verhandlungstermin bedingt avisiert.

8. Das Ermittlungsverfahren im eV - Verfahren wurde am 27.10.2021 geschlossen - § 39 Abs 3 AVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Verfahrensgang wird mit den darin festgehaltenen Vergabeverfahrenstatsachen als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Dz ist auf Basis der Erörterungen in der Verhandlung am 27.10.2021 für den hier entscheidenden Richter noch nicht ersichtlich, dass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren erheblich länger als bis zum Ablauf der sechswöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 348 BVergG 2018 [bis Montag 29.11.2021] dauern sollte.

Ein Zuschlag ist noch nicht erteilt, die Rahmenvereinbarung noch nicht abgeschlossen, das Vergabeverfahren bislang nicht widerrufen.

Es ist gerichtsnotorisch, dass beim Widerruf bereits jetzt vor einer Entscheidung über den Nachprüfungsantrag die Referenzauftragschance der ASt in diesem Vergabeverfahren, entfiele und insoweit bereits jetzt auch finanzielle Nachteile wie insb Umsatzentgang entstehen können, welche - wie von der ASt behauptet - auch nicht substantiiert bestritten wurden.

Es ist derzeit für den hier zuständigen Einzelrichter noch nicht evident, weil noch nicht fertig erörtert, ob die angefochtene Ausscheidensentscheidung und die darauf aufbauende Widerrufsentscheidung jeweils schon oder nicht ergebnisrelevant vergaberechtswidrig iSv § 347 Abs 1 BVergG sind, was damit jedenfalls von dem in der Hauptsache zuständigen Senat zu entscheiden sein wird - § 328 BVergG, zumal am 28.10.2021 die Entscheidungsfrist für diese Entscheidung endet - § 352 Abs 2 BVergG.

Die ASt hat für ihren Nachprüfungs- und eV - Antrag bislang 19.440 Euro an Pauschalgebühren entrichtet, was - rechtlich vorwegnehmend - der Verordnung BGBl II 2018/212 iVm der Gerichtspraxis zu § 342 Abs 2 BVergG entspricht.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt und Verfahrensgang ergeben sich aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 2243410-1 [eV - Verfahren], -2 [Nachprüfungsverfahren] und -3 [Pauschalgebührenersatzverfahren] sowie weiters W131 2247444-1 [eV - Verfahren], -2 [Nachprüfungsverfahren] und -3 [Pauschalgebührenersatzverfahren]; weiters aus den Verfahrensakten zu W131 2238132-1 [eV - Verfahren], -2 [Nachprüfungsverfahren] und -3 [Pauschalgebührenersatzverfahren]; und schließlich aus den in den zu obigen Geschäftszahlen vorgelegten Vergabeunterlagen; samt den bislang zu obigen Geschäftszahlen durchgeführten mündlichen Verhandlungen.

Dass bei einem erfolgenden Widerruf der AG die ASt keine Referenzen und keine finanziellen Vorteile bzw keinen Umsatz mehr aus der dann nicht mehr ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung, wie ursprünglich 2019 ausgeschrieben, erzielen kann, ist die notorische Rechtsfolge des mit der Widerrufsentscheidung angekündigten Widerrufs, der dz damit schlüssig ansteht, ohne dass die Widerrufsentscheidung der AG bislang als Scheinerklärung qualifiziert oder sonst insoweit bekannt geworden ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zulässigkeit des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

3.1.1. Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 (= BVergG) zu prüfen, ob der ASt die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss einer Rahmenvereinbarung und vor Widerruf befindet, dass die Rechtswidrigkeit gesondert anfechtbarer Entscheidungen – nämlich einer Ausscheidens- und einer Widerufsentscheidung – behauptet wird, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 (= BVergG) unterliegenden Vertrags (Rahmenvereinbarung) behauptet hat, sowie dass der ASt durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte.

3.1.2. Die Rechtsschutzanträge der ASt erfüllen – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – grundsätzlich auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen, zumal effektiver Rechtsschutz gemäß der RL 92/13/EWG idgF zu gewährleisten ist.

Die Vergabekontrollzuständigkeit des BVwG ist unbestritten.

Es ist dz auch noch nicht evident geworden, dass die angefochtenen Entscheidungen zumindest im Ergebnis richtig wären - VwGH Zl 2008/04/0109.

Dass bei einer Zurückziehung bzw Teilzurückziehung - wie hier im Punkte des ursprünglich und bis 27.10.2021 begehrten Aussetzens der Ausscheidensentscheidung, mit Teileinstellung vorzugehen war, ergibt sich aus der stRsp des VwGH wie zB zu Zl Fr 2014/20/0047

3.2. Inhaltlich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1. Gemäß § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und des Auftraggebers, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint daher die hier erlassene einstweilige Verfügung des gelindeste zum Ziel führende notwendige Sicherungsmittel, nachdem die finanziellen bzw Umsatzinteressen und das Referenzauftragsinteresse der ASt nicht substantiiert bestritten wurden und eine Nachprüfungsverfahrensdauer von erheblich mehr als sechs Wochen derzeit nicht absehbar ist. Dies insb auch deshalb, weil der ASt nach der hier angelegten Auffassung (dz) die Antragslegitimation zukommt und die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags derzeit auch nicht evident fehlen.

Dementsprechend war die aufrecht beantragte eV beim derzeitgen Tatsachenstand zu erlassen, da mit der ausgesprochenen Untersagung der Widerrufserklärung der Rechtsgestaltungsanspruch der ASt auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidungen derzeit gemäß § 334 Abs 2 BVergG e contraio dz im Rahmen des gelindesten zu Ziel führendsten Mittels gewahrt bleibt.

Dies insb deshalb, weil vorerst die Interessen der ASt auf Erhalt der Rahmenvereinbarung in diesem Nachprüfungsverfahren und damit die Umsatz- und Referenzauftragsinteressen zumindest gleichrangig mit den Interessen der MB auf Neuausschreibung zu sehen sind und daher die Interessen der MB insoweit nicht gemäß § 351 Abs 1 BVergG überwogen haben; und schließlich die AG kein substantiiertes Vorbringen wider die eV erstattet hat, sondern nur pauschal auf ein überwiegendes öffentliches Interesse hingewiesen hat. Interessen sonstiger Bewerber oder Bieter gegen die eV sind bislang auch nicht bekannt geworden, genausowenig wie ein überwiegendes besonderes öffentliches Interesse, zumal dz noch nicht ersichtlich ist, dass das Nachprüfungsverfahren dz erheblich länger als sechs Wochen, als einer gesetzlich einzukalkulierenden Suspensivzeit gemäß § 348 BVergG, dauern wird.

Hingewiesen wird auf das ipso iure - Außerkraftreten dieser eV gemäß § 350 Abs 4 vorletzter Satz bzw gemäß § 351 Abs 4 Satz 2 BVergG.

B) Unzulässigkeit der Revision:

3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.1. Die Revision gegen die erlassene einstweilge Verfügung war gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zuzulassen, weil die gegenständliche Entscheidung eine Einzelfallentscheidung vor dem Hintergrund von Einzelfallparteivorbringen und diesbezüglich einer tatsachenmäßigen Interessensabwägung in diesem speziellen Einzelfall darstellt, ohne dass insoweit grundsätzliche Rechtsfragen aufgeworfen wurden.

3.3.2. Soweit eine Teileinstellung nach Teilzurückziehung erfolgte, basiert diese Einstellung auf der stRsp des VwGH.

Schlagworte

Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Interessenabwägung Lieferauftrag Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden Teileinstellung Untersagung Vergabeverfahren Widerruf des Vergabeverfahrens Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W131.2247444.1.00

Im RIS seit

20.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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